Achim Müller

Klau-Kid


Im Dezember 1990 ist er irgendwo in der Region Temesvar in Rumänien zur Welt gekommen. Genau weis das aber niemand.
An Temesvar hat er kaum Erinnerung, die Orthodoxe Kathedrale, daran kann er sich erinnern. Auch an die halb fertigen Hochhäuser am Stadtrand von Temesvar, wo es seit Jahren mit dem Bau nicht voran ging.
Er hat in einem kleinen Dorf Recas 25 Kilometer außerhalb von Temesvar in einem Heim gelebt. Daran kann er sich noch erinnern. Deutsche hatten das Heim mit aufgebaut. Da war er noch ein Baby. Die alte Brotfabrik gegenüber der Lungenklinik unweit von seinem Heim, in Recas hatte er gemocht, dort hat es immer so lecker gerochen. Die Deutschen, die die Kinder Nenja (auf Deutsch „Onkel“) genannt haben, die mochte er auch. Die haben sich um die Kinder gekümmert. Auch seinen Namen hat er von den Deutschen, da sein richtiger Name unbekannt war. Valentin, diesen Namen hat man ihm gegeben, weil er an einem 14. Februar getauft wurde. Auf dem Gelände des Heimes hat es ein großes rumänisches Haus gegeben, das die Deutschen renoviert hatten. Die Deutschen hatten auch ein kleines Haus gebaut, was von außen wie ein großer Hühnerstall aussah. Dort war eine Küche mit riesigen Herden und eine ganz große Waschmaschine darin. Rechts daneben war ein kleines Steinhaus. Als er ganz klein war, hatte er geglaubt, das dort ein Ungeheuer darin wohnt. Jedenfalls hatte man es ihm erzählt. Jedoch war da nur eine riesengroße Heizung. Als er 6 Jahre alt war hatte er sich da mal mit Freunden rein geschlichen, und sich das Monster angeschaut. Viele Rohre, und eine ganz dicke Maschine war da hinten rechts. Von der Maschine hatte er sich einen Aufkleber abgemacht “Weishaupt“ hat auf dem Aufkleber gestanden. Den hat er ein Jahr bei sich getragen und wie einen Schatz gehütet. Einer der Nenja´s aus Deutschland hat ihm das Wort vorgelesen, und er hat es auswendig gelernt. Neben dem Heizraum war ein großer Öltank halb eingegraben, auf dem man hervorragend klettern konnte, auch wenn es verboten war.
Hin und wieder sind Deutsche gekommen und haben das Heim besucht. Nicht nur Männer sondern auch Frauen aus Deutschland sind gekommen, oft haben die dort auch einige Zeit gearbeitet. Eine junge Frau hat er von diesen sehr lieb gehabt, im Gegensatz zu den rumänischen Erziehern hat die mit ihm geschmust und ihn lieb gehabt. Als die wieder abgefahren ist hat er 3 Tage nur geweint. Die rumänischen Erzieherrinnen, waren so faul, die haben selbst die älteren Kinder gezwungen einen Mittagsschlaf zu halten, nur um ihre Ruhe zu haben.
Er ist noch nicht mal 8 gewesen, da sind abends fremde Männer im Heim gewesen, Rumänen. Die haben sich einige Kinder angesehen und sind wider gegangen. Zwei Tage später wurden er und ein anderer Junge, der 10 Jahre alt war, abgeholt. Mit dem Auto, ganz weit weg. Beiden ist es im Auto schlecht geworden, und haben gekotzt. Das lag daran, dass beide noch nie weit mit dem Auto gefahren sind. Dafür haben beide dann auch noch Prügel bekommen.
Jedenfalls ist das Auto sehr weit gefahren, bis nach Bukarest. Wo es hin ging hat man ihnen nicht gesagt. „Maul halten, Nicht fragen“, war die Antwort. Die Fahrt war sehr weit. Er hat viel geschlafen, und hatte keine Ahnung nicht wie lange die Fahrt ging.
Am Stadtrand von Bukarest ging es in ein schmuddeliges Haus, wo ein rumänischer Nenja mit 4 andern Kindern wohnte. Er wurde da abgegeben, während der andere Junge aus Recas ist weiter mit den anderen beiden Männern gefahren war.
Der Nenja in Bukarest war sehr unfreundlich. Er hat den total verstörten Valentin in ein Zimmer gesperrt, in dem auf dem Boden eine große Matratze lag, auf dem ein anderer Junge schlief. Jedenfalls tat er so. Als die Türe hinter Valentin abgeschlossen war, schaute er auf. Valentin setzte sich zu ihm auf die Matratze und wollte mit ihm reden. „Sei bloß leise, wir dürfen nicht reden, sonnst gibt es Schläge“. Der andere Junge war 12 Jahre alt und hatte ziemlich schmuddlige Kleider an und stank auch. Außerdem hatte er Hunger. Richtigen Hunger kannte Valentin bisher noch nicht. Irgendwann spät nachts ist Valentin dann neben dem anderen Jungen eingeschlafen. Am nächsten Morgen hat man ihn ziemlich unsanft geweckt.
Nach dem aufstehen hatte man ihm erstmal die Kleider abgenommen, seine neuen Turnschuhe und seinen “Weishaupt“ Aufkleber. Dafür hat er alte zerlumpte Kleider und kaputte Sandalen bekommen.
Jedenfalls waren in der Wohnung jetzt 5 Kinder von 6 bis 12 Jahren, alles Jungs und zwei Erwachsene.
Man hatte ihm gesagt, dass man ihn gekauft hätte, und viel Geld für ihn bezahlt hätte. Deswegen müsse er jetzt tun, was man ihm sagt, damit er viel Geld verdienen könne und seine Schulden zurückzahlen müsse.
Verstanden warum er diesen Leuten etwas schulde, hatte er jedoch nicht verstanden. Die ersten Tage durfte er nicht raus. Bei den geringsten Widerworten gab es Schläge.
Zuerst hatte er das Betteln gelernt. Weil er klein war, hatte man ihm einen Zettel umgehängt
“MURITO RI DE FOAME“ (Ich sterbe vor Hunger) stand auf dem Zettel. Damit ist er und zwei andere Jungen, angeleitet von einem Erwachsenen betteln gegangen. Kinder, die eh nicht schreiben und lesen können, werden von einer Gang betreut, wenn die so ausgestattet sind.
Geld sollte er sammeln und nichts essbares. Wenn er doch etwas zu essen bekommen hatte, durfte er es nicht essen, sondern musste es abgeben. Nur eine hungrige Katze arbeitet gut, hatte es geheißen. Aber auch von den Erwachsenen bekam er nur sehr wenig zu essen. Das Essen war schlecht und kalt. Meistens bestand es nur aus den Resten der erbettelten Lebensmittel.
Später war er mit den anderen Jungen ohne Erwachsene betteln gegangen. Wenn du wegläuft, finden wir dich, und dann machen wir dich tot, hatte mal ihm gedroht. Außerdem würden dann die anderen auch bestraft. Also fügte er sich in sein Schicksal, und lieferte alles ab. Kaum einer, der weggelaufen war, hat es jemals geschafft.
Die älteren haben “Aurolac“ (Klebstoff oder Farbe?) aus Plastiktüten eingeatmet, wenn die vor Kälte und Hunger nicht weiter wussten. Er probierte das auch einmal, jedoch ist davon so krank geworden, dass er es danach nie wieder tat.
Eine Möglichkeit gab es aber um zusätzliches Essen zu bekommen. Man hatte einfach eine der ausländischen Hilfsorganisationen abgezogen. Die haben Straßenkindern etwas zu essen gegeben. Besonders bei den Schweizern ging das gut.
Straßenbahnreiten hatte Spaß gemacht, man ist einfach hinten auf der Anhängerkupplung sitzend mitgefahren. Ein nicht ganz ungefährlicher Sport der Straßenkinder.
Viel Zeit dafür hatten Sie aber nicht. Wenn nicht genug Geld zusammen kam, gab es abends fürchterliche Prügel und nichts zu essen.
Dann ist er zum Klauen geschickt worden. Brieftaschen und Geldbörsen waren die häufigste Beute. Die Erwachsenen hatten es ihm beigebracht, die Jungs hatten es untereinander eingeübt.
Zum Beispiel der “Dreifache“: Einer rempelt einen Touristen an, der zweite klaut flink mit geübten Händen die Geldbörse und gibt sie innerhalb von 3 Sekunden an den dritten Jungen weiter.
Wenn nun der Junge der geklaut hat gestellt oder gefangen wird, hat er die Beute nicht dabei. Das ist ein Klassiker bei den Dieben und wird in vielen Varianten angewendet.
Wurde nicht genug Beute gemacht, gab es harte Strafen, Schläge, Tritte und auch Elektroschocks mit einem Elektrisier-Apparat. Besonders Kinder, die auf den Strich gehen mussten, bekamen Stromschläge, weil die keine blauen Flecke bekommen sollten, dies mindert den Wert. Die Freier sollten immer glauben, dass die Kinder das freiwillig mitmachen. Es hatte in diesem Zusammenhang auch Diazepam (Valium) als “Stillhaltetabletten“ gegeben. In hohen Dosen eingenommen, macht das Zeug breit, dann ist einem alles egal. Auch tut es dann nicht mehr so weh. Es gab aber auch Freier, die haben darauf “gestanden“ wenn die Kid´s geschrieen haben und versucht haben sich zu wehren. Auch die haben die Kid´s dann notfalls vorgespielt. Wer schon laut geschrieen hat, hat wenigstens weniger Schläge dabei bekommen.
Mehrere Monate hatte er nun in Bukarest den Touristen die Taschen geleert, Geld, Uhren, Schecks, Kreditkarten, Fotoapparate, Kameras und Ausweispapiere. All dies brachte er seinen Nenja´s mit, die das dann zu Geld machten. Inzwischen ist ein Junge weggegeben worden, angeblich nach Florenz, Italien dafür ist einige Tage ein 11 Jähriges Mädchen aus dem Banat in die Gruppe gekommen.
Valentin war mittlerweile obwohl er so jung war ein Profi als Klaukid, dafür blieb er weitgehend vom Sex-Geschäft verschont. Oft brachte er das meiste Geld nach Hause.
Die Polizei in Bukarest konnte ihm auch nicht helfen. Die Straßenkinder in Bukarest haben Angst vor der Polizei, die oft brutale Übergriffe gegen die Straßenkinder durchführt. Auch haben die Klau-Kid´s Angst davor eingesperrt zu werden. Rumänische Besserungsanstalten und Jugendgefängnisse in Bukarest sind berüchtigt und bei den Kid´s gefürchtet. Deswegen dienen die Kid´s lieber ihren Nenja, Kid´s die nicht organisiert sind und auf eigene Rechnung draußen auf der Straße sind, geht es noch schlechter.
Eines Tages kam der Abschied von Bukarest. Es ging nach Italien, in die Touristenhochburg Venedig. Wahrscheinlich wurde er mal wieder verkauft. Jedenfalls hatte man ihm eine Reise versprochen. Es ging mit dem Auto nach Österreich, Rumänen ein Mann und eine Frau, hatten ihn mitgenommen, die hatten einen Pass für ihn und haben ihn als ihren Sohn ausgegeben.
Die Reise hatte zwei oder drei Tage gedauert. Durch einen langen Tunnel war man nach Italien gefahren. Als das Auto in den Tunnel hineinfuhr, hatte draußen Schnee gelegen. Und bei der Ausfahrt am Ende des Tunnels war kein Schnee mehr, es war warm und die Sonne schien.
In einer kleinen Stadt vor Venedig kam er zu anderen Leuten in ein Asylbewerberheim gekommen. In diesem Heim waren wenig Rumänen aber viele Albaner. Einen neuen Namen hatte er bekommen, und andere Eltern. Die Adresse, musste er auswendig lernen, auch seinen neuen Namen und Geburtstag. Die Leute, die sich als seine Eltern ausgaben, hatten Papiere für ihn bekommen und auch regelmäßig Geld. Für falsche rumänische Papiere gibt es in den Gastländern echte Papiere von den Ausländerbehörden.
Schon am nächsten Morgen wurde er abgeholt, und mit 3 anderen Jungen und einem Mädchen nach Venedig gefahren worden. Es ging über eine sehr lange Brücke, die durch das Meer ging nach Venedig. Am anderen Ende kam das Auto in ein Parkhaus, indem das Auto offen blieb, und auch der Schlüssel blieb stecken. Das hätte sich in Bukarest niemand gewagt. Die Parkwächter hatten das Parkhaus total zugestellt, und die Autos bei Bedarf umgestellt. Alle Autofahrer, die dort parkten, ließen die Schlüssel da.
In Venedig hatte er mit seiner Gruppe, die gleichen Sachen, wie in Bukarest gemacht. Geklaut, was das Zeug hielt. Touristen ausgenommen. Dort gab es dann auch Funktelefone, Handys hatte er in Bukarest noch nicht gesehen. Auch eine Pistole hat er mal erbeutet.
Abhauen ging nicht, das hatten schon andere versucht, und nicht geschafft. Angeblich soll der ein oder andere, der es versucht hatte in der Lagune von Venedig liegen. Aber so genau wusste das keiner.
Aber in Italien war das Leben leichter als in Bukarest und auch das Essen war besser.
Fast jeden Morgen wurden die Kinder mit dem Auto nach Venedig zum Klauen gefahren, und abends wieder zurückgebracht. Was erbeutet wurde musste abgegeben werden. Die Polizei hatte ihn zweimal geschnappt und ihn zurück in das Asylheim zu seinen angeblichen Eltern gebracht. Ganz schön blöd die Carabinieri in Venedig. Aber weil er erwischt wurde, hatte er fürchterlich Schläge bekommen. Mit einem nassen Handtuch auf die nachte Haut, auch auf sein Geschlechtsteil. Weil die italienische Polizei Fotos von ihm gemacht hat und die Zivilstreifen nun Bilder von ihm hatten. Er war auch zweimal mit anderen Kindern in einer großen Villa, wo Sexbilder von ihm und anderen Kindern gemacht wurden. Auch zusammen mit Erwachsenen. Einmal musste er sich auf den Boden knien und den Mund aufmachen, während 4 Männer sich um ihn herumstellten und auf ihn wichsten. Dies war total ekelhaft. Das wurde dann fotografiert und gefilmt. Er durfte dabei noch nicht einmal die Augen zu machen. Einmal hat er versucht sich zu weigern. Sie hatten ihn dann nackt ausgezogen und eine Badewanne voll kaltes Wasser gemacht, danach zur Strafe seine Kopf so lange unter Wasser gedrückt, bis er ganz viel Wasser geschluckt hatte. Da hatte er Todesangst gehabt. Sogar das hatten die gefilmt.
In Venedig hatte er dann auf einigen Plätzen Platzverbot von der Polizei bekommen und er sollte vor Gericht kommen.
Vorher hatte man ihn dann wieder nach Österreich gebracht, und von dort nach München. Bestimmt wieder verkauft.
In München blieb er aber nur wenige Tage, danach fuhren sie mit einem sehr schönen Zug nach Berlin. Der Zug war schön sauber, wie ein teures Auto, so schöne Züge gab es in Bukarest nicht.
Der Zug ist sehr lange gefahren, und es gab auch ein Schlafzimmer im Zug. Dort hat er geschlafen.
Bei ihm waren ein Deutscher und ein Rumäne, der viel Geld hatte.
In Berlin war er wieder in ein Asylbewerberheim gekommen. Fremde neue Eltern gab´s auch wieder. Bei den Leuten, war auch ein 13 jähriger Roma untergebracht, der sich als Rumäne ausgab. In den Asylbewerber Heimen haben die Leute oft falsche Kinder mit falschen Papieren. Da gibt es Geld von der Deutschen Regierung für, sehr viel Geld für einen Rumänen. In Berlin war er mit 10 oder 11 Jahren das erste Mal in eine Schule gekommen. Die Nenja´s mussten dies zähneknirschend dulden, weil die keinen Ärger mit den deutschen Behörden haben wollten.
Man hatte ihm auch die Haare ganz kurz geschoren, damit er nicht so leicht als Ausländer zu erkennen sei. So lies sich leichter klauen. Er lernte in Berlin auch langsam Deutsch. Er hatte auch in Berlin viel arbeiten müssen, zusammen im Team mit anderen Klau-Kid´s hatte er seinen Peinigern ein Vermögen eingebracht. Rekorde, bis 20.000 DM waren da am Tag erbeutet worden. Besonders die Wiesen beim Oktoberfest und der Weihnachtsmarkt brachten viel Beute. Auch Sexsachen musste er wieder machen. Nur ungern spricht er darüber. Nach einem halben Jahr wurde er mal wieder beim Stehlen erwischt worden, aber die deutsche Polizei ist aber genauso dumm wie die aus Italien, die hatten ihn zu seinem Schein Eltern gebracht. Noch nicht mal Fotos hatten die von ihm gemacht.
Die Rumänen und die Albaner aus dem Asylantenwohnheim gingen zusammen mit den Jugoslawen nachts einbrechen. Auch Autos hatten die auf Bestellung besorgt. Irgendwann ist dann sein angeblicher Vater verhaftet worden und in Abschiebehaft gekommen. Aber Valentin ist dann mit seiner angeblichen Mutter im Asylheim geblieben.
Einige Monate später wurde er dann früh morgens von der Polizei oder dem Bundesgrenzschutz abgeholt und nach Bukarest abgeschoben. Eigentlich hatte er sich sehr auf Bukarest gefreut.
Einige aus Deutschland abgeschobene Erwachsene wurden in Bukarest dreckt am Zug von der Polizei abgeholt. Obwohl die von den deutschen Behörden Versprechungen hatten, das denen nichts passiert. Er ist direkt von einem Mann aus dem Zug geholt worden, der seinen Namen kannte und zu ihm sagte “komm schnell mit, ich helfe dir hier raus“.
Er kam auch mit diesem Mann unbehelligt aus dem Bahnhof, obwohl viel Polizei auf dem Bahnsteig war.
Aber das war wohl zu früh gefreut. Der Typ war einer von der Nenja aus der Gang, und nun glaubte er, dass die ihn überall auf der Welt kriegen, egal wo er sich versteckte. Angedroht hatte man ihm das ja schon oft.
Die korrupten Rumänischen Behörden steckten mit diesen Leuten unter einer Decke. Der Typ fuhr mit ihm zu einem Fotografen und machte neue Passbilder von Valentin. Dann sind beide in ein Hotel außerhalb von Bukarest gefahren. Dort hatten sie 2 Tage verbracht. Danach wurde er zu einem Lastwagen gebracht und sehr weit gefahren, bis nach Jugoslawien. Dort war Krieg, alles war kaputt gebombt. Viele bewaffnete Leute hatte er gesehen. Der LKW Fahrer war Rumäne und hatte Papiere für Valentin, die ihn als seinen Sohn ausgaben, aber wieder ein anderer Name und ein anderer Geburtstag. Valentin war es egal, seinen richtigen Geburtstag kannte er eh nicht mehr.
Der LKW hatte Baumaterial geladen und schmuggelte irgend irgendwas. In Jugoslawien wurde komischerweise alles in Deutscher Mark bezahlt. Beide sind dann viel und lange gefahren. Valentin glaubt dass die Fahrt durch Ungarn und/oder Österreich ging. Jedenfalls wachte er eines morgens in Deutschland auf. Auf einer Autobahn Raststätte wurde er von einem deutschen Mann abgeholt. Mit dem ist er über eine Brücke auf die andere Seite der Autobahn gegangen, dort wo die Autos in die andere Richtung fahren.
Dann wurde Valentin mit einem dicken Mercedes nach Köln gefahren. Die Fahrt dauerte 1 bis 2 Stunden. Der Typ hatte ein paar mal versucht Valentin zu streicheln. Als Valentin zurückwich währe er beinnahe geschlagen worden.
In Köln lief wieder die alte Masche: Er durfte wieder in ein Asylheim ziehen. Die waren aber wesendlich herunter gekommener als die in Berlin. Auch seine neuen Eltern, waren eigentlich viel zu alt. Dafür durfte er aber wieder in die Schule. Nach seinen Papieren, war er nun 12 Jahre alt, einen neuen Namen hatte er auch mal wieder.
Die Nenja´s in Köln waren ganz hart drauf, die sind nachts einbrechen gegangen, und hatten ganze Tresore geklaut. Die hatten die schweren Teile weggeschleppt, und dann irgendwo im Wald aufgesprengt. Einige von denen hatten ein Versteck im Wald und hatten da gehaust.
In Köln musste er mit den anderen Kindern wieder klauen gehen. Die Domplatte und die angrenzenden Fußgängerzonen waren sein Revier. Der Bahnhof war für ihn tabu, das war ein anderes Revier.
Auch im Sexgeschäft wurde er vermittelt. „Cutie“ (engl. „süßer“) nannten ihn die schwulen Kerle, die ihn hin und wieder bei seinem Nenja kauften. Es wurden weniger Filme und Bilder gemacht, sondern ekelhafter Sex, mit dem Mund und mit dem Po. Einmal hat er versucht sich zu verweigern, weil der Typ, der ihn mitnehmen wollte, ihm schon einmal weh getan hatte. Die Sexgeschäfte in Köln liefen über spezielle Zuhälter, die die Kinder teilweise für einige Tage kauften und weitergaben. Verletzungen und blaue Flecke vermindern den Wert von „Lolitas“ (Mädchen) und „Cuties“ (Jungen), wie Kinder auf dem Strich genannt werden. Deswegen wurden die Kinder immer so bestraft, dass keine sichtbaren Spuren zurückblieben. Ich habe lange überlegt, ob ich eine solche Strafe beschreiben soll, weil, die sind wirklich unmenschlich. Nun erzähle ich das erste Mal davon. Nachdem er versucht hatte sich einem Sexkunden zu verweigern wurde er von einer Gruppe Zuhälter bestraft, einige andere Jungen mussten zur Abschreckung zusehen.
Der Leiter der Gruppe hatte ihm die Hände mit einem Lederriemen auf den Rücken gefesselt und seine Füße mit einem Gürtel zusammengebunden. Dann haben die ihm eine dünne Stofftasche, welche man zum einkaufen benutzt über den Kopf gezogen. Dadraufhin haben sie ihn festgehalten und eine Plastiktüte über seinen Kopf gezogen. Er hatte gedacht, die wollen ihn tot machen. Er habe sich gewehrt, so gut er konnte, aber ohne Erfolg. Bevor er Ohnmächtig wurde, hatte er noch in die Hose gemacht. Er hatte Todessangst. Gerüchte über Kinder die getötet wurden gibt es bei den Klaukid´s schon lange.
Die Nenja´s hatten damit gedroht, dass wer weglaufen oder mit der Polizei reden würde, gekillt wird! Deswegen redete niemand mit der Polizei, er würde sein Leben riskieren. Unliebsame Zeugen sind nicht das erste Mal spurlos verschwunden. Besonders die Zuhälter und die Nenja´s unter sich tragen ihre Fehden und Streitigkeiten mit großer Brutalität aus. Schießereien hatte es öfters gegeben, vor Mord wird auch nicht zurückgeschreckt. Besonders wenn es um Drogen, Sex und Videos geht.
Valentin (der bereits gut Deutsch spricht) hatte schon einmal darüber nachgedacht, die Polizei um Hilfe zu bitten. Er ist einer Polizistin, die mit ihrem Kollegen auf der Domplatte Streife ging, 20 Minuten nachgegangen und hat sich doch nicht getraut diese anzusprechen.
Die Nenja sollten gar nicht wissen, wie gut er bereits Deutsch konnte, das währe für die ein Sicherheitsrisiko.
Auch die Lehrer in der Schule waren betriebsblind. Die hatten ihn wegen Schulschwänzen und nicht gemachten Hausaufgaben bestraft. Wie denn sollte er Hausaufgaben machen, wenn man nachmittags klauen gehen muss, teilweise bis spät abends? Und wie bitte geht man in die Schule, wenn man gerade von oder an einen Zuhälter vermietet ist?
Auch in Köln wurde er von der Polizei mehrmals aufgegriffen. Klar, die alte Masche zurück zu seinen falschen Eltern, haben die ihn gefahren.
Die Polizei hat noch nicht mal versucht ihm zu helfen. Begriffen haben die nichts. Als er zum 3. mal aufgegriffen wurde, hatte die Polizei die Taktik geändert. Die haben ihn in ein Erziehungsheim vermittelt. Um Ihn zu bestrafen, was für ein Hohn.
hier geht es ihm zum ersten Mal seit langem gut. Keiner zwingt ihn zum Sex. Er muss nicht Klauen und Stehlen. Er wird nicht gequält und geschlagen.
Und wovor hat er jetzt Angst? Er hat Angst davor, dass die Nenja´s ihn aus dem Heim holen. Er hat Angst davor, dass er nach Bukarest abgeschoben wird. Er macht sich ganz klein und hofft, dass man ihn vergisst. Kein Kind möchte in einem Heim vergessen werden, aber Valentin betet jeden Tag darum. Auch wenn hier niemand im Heim ist, der seinen richtigen Namen kennt, niemand sein Geheimnis kennt.
Dummerweise steht auch in seinen falschen Papieren, dass er Rumäne ist, und das Abschiebeverfahren läuft.
La revedere! (Auf Wiedersehen)

english language version:
http://www.e-stories.de/view-kurzgeschichten.phtml?2486+english

Ich habe in der Geschichte auf die genaue Beschreibung von sexuellen Übergriffen verzichtet. Ich habe nur ein Beispiel erwähnt. Letztendlich sollte es ja auch kein Porno werden. Außerdem hat Valentin auch kein Interesse, dieses alles vor Publikum auszubreiten.
Jedenfalls habe ich viele E-Mails bekommen. Wer Kindern wie dem Valentin helfen möchte, den möchte ich auf:
http://www.petra-kaiser.de/Rumaenien/Projekt99/proj99.htm
und http://www.hilfe-fuer-kinder.de/
hinweisen, da gibt es die Möglichkeit zu helfen!
Dem Valentin selber kann im Augenblick nicht geholfen werden, zur Zeit geht es ihm gut.

Mfg. Achim
Achim Müller, Anmerkung zur Geschichte

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Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Achim Müller).
Der Beitrag wurde von Achim Müller auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.11.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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