M. Kupfer

Die Blume der Liebe

Dürfen Rosen lieben?

Die ersten Sonnenstrahlen fallen in meinen Vorgarten. Ich stehe hier und strecke mich der Wärme entgegen. Auf meinen Blättern liegt noch Tau. So wie jeden Morgen. Er wird bald verschwunden sein...

Ich könnte die ganze Welt umarmen, wenn ich doch nur Arme hätte, denn ich bin verliebt!
Man nennt mich ja nicht umsonst die Blume der Liebe.
Ich bin die einzige Rose hier im Garten. Nein, eigentlich die einzige in der ganzen Straße.
Aber ich fühle mich nicht einsam. Im Gegenteil! Mein liebster Pfleger kommt nämlich jeden Tag um sich um mich zu kümmern. Manchmal aber sitzt er einfach mir gegenüber und bewundert für lange Zeit meine Schönheit.
Ich glaube sogar er hat sich auch in mich verliebt. Weil vor ein paar Tagen flüsterte er mir zu:
„Du bist wunderschön geworden.“
Ich war bei diesen Worten dahin geschmolzen und hatte mir geschworen ihn für immer zu lieben. Und wenn eine Rose so etwas schwört hält das wirklich für den Rest ihres Lebens. Denn Rosen haben ein so kleines Herz, dass es bei einer zweiten Liebe platzen würde.

Ich höre wie sich das Gartentor öffnet. Entsetzt muss ich feststellen, dass es wieder diese Frau ist. Mein Geliebter ist zu ihr fast so lieb wie  zu mir!
Ich hasse sie. So schön ist diese Frau gar nicht. Zumindest nicht so hübsch wie ich.
Schon komm mein Pfleger aus dem Haus geeilt und läuft auf sie zu. Er übersieht mich und wäre um ein Haar auf mich getreten.
Die Frau fällt ihm um den Hals und säuselt: „Ach, ich bin ja so froh das wir uns jetzt öfter treffen können.“ Nun gehen die beiden ins Haus. Mir wird ganz komisch. Die beiden kamen sich von Tag zu Tag näher und ich konnte nichts machen. Ich sterbe beinahe vor Sorge und Eifersucht. Wieso kann ich nichts dagegen tun?!

Am Abend geht das Fräulein wieder. Wie immer. Mein Pfleger sieht so glücklich aus. Er strahlt wie die Sonne höchst persönlich. Vielleicht weil diese schreckliche Frau endlich wieder gegangen ist?
Gleich wird er sich wieder zu mir setzen und mich gießen. Ich bin mir ganz sicher!
Aber diesmal geht er einfach an mir vorbei ins Haus. Ich kann es einfach nicht fassen.

Als die Sonne untergegangen ist weine ich. Noch nie hatte er mich so behandelt. Deswegen weine ich jetzt und ertrinke in meinem Selbstmitleid.
Ja, Rosen können auch weinen. Sie weinen halt nur nicht wie Menschen. Ihre Tränen fließen nach innen.

Am nächsten Morgen habe ich mich wieder etwas beruhigt. Das kitzeln eines Schmetterlings weckt mich sanft. So sanft ist dieser Morgen. So sanft und süß als ob nichts geschehen wäre.
Plötzlich geht die Haustüre auf und mein liebster Pfleger kommt auf mich zu. Ich wusste es!
Er würde wieder zu mir zurückkommen, mich liebevoll ansehen und mir in meine Blütenblätter flüstern, dass ich die schönste Rose der Welt bin.
Er kniet sich zu mir hinunter auf die Wiese. Das nasse Gras macht seine Knie ganz dreckig.
Doch dann packt er mich auf einmal an meinem Stängel und reißt mich brutal aus der Erde. Meine Dornen bohren sich  vor Schreck in seine Handfläche. Ich will ihm nicht wehtun aber ich kann nichts dagegen machen.
Ich bin wie betäubt vor Angst und mein Herz rast. Ich will nicht weg! Ich will nicht aus meinem Garten. Aus meinen Zuhause...
„Ich liebe dich!“ , höre ich in dem Moment die Stimme meines Pflegers sagen. So nah war ich ihm noch nie. Ich fühle wie ich rot werde. Noch roter, als ich sonst immer bin. Mir wird ganz warm. „Ich dich auch!“ will ich jauchzen doch ich bleibe stumm. Wie eine Rose eben ist.
Aber dann bemerke ich, dass er irgendwie an mir vorbei sieht. Ich folge verwirrt seinem Blick und sehe das Fräulein am Gartentor stehen! Warum gesteht er mir seine Liebe und sieht dabei diese Frau an?
Sie trägt ein Blumenkleid. Es steht ihr nicht. Sie soll verschwinden.
Nun streckt er mich ihr entgegen. Was soll das?
Ihre zitternden Finger umfassen mich und sie haucht: „Ich liebe dich auch!“ Ihre Augen glitzern gerührt.
Dann lässt sie mich fallen. Ich pralle auf den harten Boden. Mit verschwommenem Blick sehe ich wie sich die beiden umschlingen und küssen. Mir ist plötzlich ganz kalt. Wieso lässt mein Liebster es zu das meine ganze kleine Welt zusammen bricht?  Die Haustüre fällt ins Schloss. Aus dem offenen Fenster höre ich Gelächter.
Eine eisige Kälte durch bohrt mein Herz. Wie als ob ganz viele nadelspitze Eiszapfen auf mich einstechen. Und jeder dieser Eiszapfen macht mir klar: Er liebt dich nicht, er liebt dich nicht, er liebt dich nicht...
Es fängt an zu regnen. Seit 3 Monaten hat es nicht mehr geregnet. Aber heute regnet es.
Wie gut, dass es regnet, denke ich. So sieht niemand meine Tränen.

Rosen leben nun einmal nicht um zu lieben sondern nur um Liebe zu erschaffen...

Marilen Kupfer (Dez. 2006)



Eine zarte Rose steht allein,
Einsam im Abendsonnenschein.

Sie weint ganz leise,
auf eine nicht menschliche Weise.

Wir können sie nicht hören,
so kann es uns nicht stören...
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.11.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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