Hardy Schneck

Der vergessene Panzer

                                Der vergessene Panzer

Es war im Sommer 1950. Ich war damals gerade einmal 5 Jahre alt und lebte mit meinen Eltern in einem winzigen Ort hoch in der Eifel, nicht weit von der luxemburgischen Grenze entfernt. Hier versah mein Vater als Zollbeamter seinen Außendienst. Die ganze Gegend war rauh und unwirtlich. In der bergigen Landschaft hatten vor fünf Jahren gewaltige Gefechte zwischen der Wehrmacht und den Alliierten, vornehmlich den US- Amerikanern, stattgefunden. Am 16.12.1944(zufällig auch mein Geburtsdatum) griffen deutsche  Divisionen in einer Blitzoffensive die amerikanische Front an, welche sich entlang der belgisch-luxemburgischen Grenze befand. Die sogenannte "Ardennenoffensive" gewann anfangs rasch an Geländegewinne und die Frontlienien wurden durchstoßen, doch dann riß der Winterhimmel auf und die weit überlegene Alliierte Luftstreitkraft stoppte den Vormarsch. Ab dem 25.12.1944 ging der Amerikaner zum Gegenstoß über und drang ins Reich vor. Jetzt verlagerten sich die heftigen Kämpfe im Eifelraum.
Jetzt, fünf Jahre danach, fand und sah man noch überall die Reste dieser Kampfhandlungen. Gesprengte >Westwallbunker> allenthalben, die Panzersperre, die sog. 'Höckerlinie', hier und da Panzerwracks, die aber bereits größtenteils ausgeschlachtet waren und professionelle Schrotthändler zerschnitten die Stahlplatten. Munitionsfunde allerorten, Minen waren noch an vielen Stellen. Überall fand man noch die Warnschilder"Vorsicht Minen, Lebensgefahr!" Einen Landwirt samt Ochsengespann hatte eine Mine im Frühjahr zerfetzt. Wir Kinder durften nicht in die nahgelegenen Wälder oder in den ortsnahen Ginstergebüschen spielen, zu groß war noch die Gefahr von Blindgängern etc. Auch fand man in den Wäldern rings um das Dorf Flugzeugwracks, deutsche, sowie alliierte. Einmal hatten Arbeiter des Munitionsräumkommandos eine fast vollständig erhaltene Messerschmitt ME 109 auf dem Dorfplatz abgestellt und wir Kinder spielten 'Luftschlacht'
Die Familien der Zollbeamten, es waren 6 Familien, wohnten in einem Reihenhaus, direkt am Dorfeingang. Jede Familie hatte eine eigene Gartenparzelle, die man auch fürsorglich nutzte. Hinter diesen Parzellen befand sich eine riesige ,total mit Brombeerbüschen, Ginster und Weißdorn bewachsene Hecke, ca. 300 Meter lang und im Schnitt 100 Meter breit. Mitten durch die angelegten Gärten führten zwei Panzerkettenspuren, die man an einigen Stellen verfüllt hatte, doch die Spur war immer noch deutlich sichtbar und endete, in eben jenem Dickicht. Bloß hinter dem Dickicht führte die Spur nicht weiter. Das machte einige Beamte stutzig und mit vereinten Kräften schlug man, immer der Spur folgend, eine Gasse in das Gestrüpp.Und da! Nach etwa 60 Metern stieß man auf einen Panzer. Ein amerikanischer M4 Sherman! Weiß leuchteten die beiden Sterne auf der Seite des Fahrzeugs. Auf der linken Seite, genau in dem Lukendeckel, der als Auswurföffnung für die verschossenen Hülsen diente, befand sich ein kreisrundes Loch mit einem Durchmesser von ca. 10 cm. Da war die deutsche Granate eingeschlagen, erklärte fachmännisch einer der Beamten. Kommandantenluke, Ladeschützenluke und Fahrerluke standen weit öffen. Also hatte man die Leichen geborgen. Alle,Erwachsene und Kinder bestiegen den Panzer und kletterten hinein in den Kampfraum.Hier drinnen sah es schlimm aus. Rostige Stahlstücke lagen herum und der Verschluß der Bordkanone war völlig deformiert. Seltsamerweise war der Tank aber nicht explodiert, als er getroffen wurde und mein Vater meinte,"das war ein Vollkerngeschoß, keine Sprenggranate." Die Maschinengewehre waren entnommen worden, nur die Drehringlafette war an der Ladeschützenluke noch vorhanden. Die ganzen  nächsten Wochen spielten wir Krieg in und um den Panzer, nachdem Das Munitionskommando die restlichen Granaten entsorgt hatte..Irgendwann kamen dann Amerikaner aus dem nahen Bitburg und man barg den Panzer und lud ihn auf einen Tieflader. Später erfuhr ich, dass der Sherman M4 jahrelang am Kasernentor der Bitburger Airbase als Mahnmal aufgestellt war.


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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.11.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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