Die Stripperin
Drei Dörfler in München, Junggesellen, bereit, die Nacht zum Tage zu machen.
"Schorschi", Georg Höfler, der jüngste, lang, dürr und immer hungrig - nach Frauen, nach Essen, nach Leben.
"Waldi", Ewald Weissgerber, rund und gemütlich durch rund drei Zentner,
der Erfahrene, der sich seine sexuellen Highlights schon immer kaufen
musste.
Und "Harry", auch "Harry Hirsch" genannt, Herbert Herbsen,mit
siebenundzwanzig Jahren der älteste und gutaussehendste der drei. Für
dörfliche Verhältnisse schon zu alt, um weiter als Junggeselle durchs
Leben zu gehen, auch im Hinblick auf die Übernahme des elterlichen
Bauernhofes, wussten außer seinen Kumpels wenige den Hintergrund. Er
hatte eine ausgeprägte Vorliebe zu extrem jungen Mädchen, die er in den
Discotheken der Kreisstadt voll auslebte, an festen Beziehungen aber
nach kurzer Zeit jegliches Interesse verlor.
Nun saßen die drei, von einem Taxifahrer bereitwillig und
kostenfrei hingebracht, in einer zweitklassigen Nachtbar und harrten,
mit Getränken wohlversorgt, der Dinge, die da noch kommen sollten.Das
bisherige Programm hatte mit einem sechzigjährigen Conferencier, der
seine Witze offensichtlich aus seiner Schülerzeit herübergerettet hatte
und einem Jongleur, der statt Bällen und Keulen diverses Sexspielzeug
durch die Luft warf war noch nichts gravierendes hergegeben.
Waldi taxierte die vorhandene Damenwelt mit fachmännischen Augen,
wusste er doch, dass eher die reiferen Damen seinen Wünschen
entgegenkamen. Schorschi knetete ständig die Hände und wusste nicht wo
er zuerst hin, oder besser gesagt, nicht hinschauen sollte.
Und "Harry Hirsch", ja der machte seinem Namen wieder mal alle
Ehre, denn seine Brunftbereitschaft strömte förmlich aus allen
Knopflöchern, vor allem weil die zierliche, blutjunge Blondiene vom
Tisch gegenüber ihn heftigst anflirtete.
Es war wie eine Szene aus einem schlechten Film, als sie eine
Zigarette aus der Packung fingerte, sie, auf Augenhöhe erhoben,
mehrmals zwischen Daumen und Zeigefinger hin und hergleiten ließ. Bevor
sie die Zigarette zum Mund führte, wanderte ihre Zungenspitze mehrmals
über ihre Oberlippe und fast zögernd umschlossen die vollen Lippen das
Mundstück. Und die ganze Zeit sah sie ihm voll in die Augen und in
ihrem Blick lag die Verheißung pur. Waldi war aufgesprungen, um ihr
Feuer zu geben. Dies quittierte sie mit einem Kopfnicken, mit einer
lässigen Hanbewegung schickte sie ihn zum Platz zurück, ohne den Blick
von Harry zu wenden.
Die ganze Szene hatte etwas unwirkliches an sich, als seine Kumpels
ihn ansprechen wollten winkte er nur ab und Waldi meinte trocken zu
Schorschi: "Hörst Du nicht das Knistern? Wenn du deine Hand dazwischen
schiebst, ich wette, Du bekommst einen elektrischen Schlag."
Noch während Harry sich den Kopf zermarterte, wie er in dieser für
ihn ungewohnten Umgebung reagieren sollte, hatte die Süße von gegenüber
ihre Zigarette geraucht, noch ein Scluck aus dem Glas, eine
Handbewegung in Richtung Harry und sie verschwand im Hintergrund der
Bar.
Kurz darauf ertönte ein Trommelwirbel, der Vorhang öffnete sich und
auf der Bühne stand SIE und begann zu den Tönen von " Je t´aime " mit
einem Strip. Während sie sich lasziv aus den verschiedenen
Kleidungsstücken schälte, Erotik pur, jede Bewegung ein Versprechen,
war ihr Blick ständig auf Harry gerichtet, dessen Hose für den nun
folgenden Ansturm der Gefühle deutlich zu eng war.
Mit einem Seitenblick bemerkte er, dass alle Besucher von der
Darbietung hingerissen waren. Als seine Angebetete, nur noch in Slip
und Oberteil, am Verschluss des Oberteiles herumzufingern begann ging
das Licht aus, ein Trommelwirbel, Spot an, im Scheinwerferkegel stand,
wenn auch jung und zierlich, offensichtlich ein Mann.
Spot aus, Licht wieder an, leere Bühne und einsetzender Applaus,
auch von Waldi und Schorschi, das alles ging an Harry vorbei, der
fassungslos auf senem Platz saß. Waldi schaute herüber, schob wortlos
zwei Schnapsgläschen zu ihm hin und genauso wortlos kippte er sie ab.
Kurze Zeit später kam der/die Stripper/in zu seinem/ihrem Platz
zurück, von Anfang an wieder Harrys Blick suchend. Und wieder lagen in
den Augen alle Verheißüngen dieser Welt!
Harry steiß hervor: "Ich muss sofort hier raus!"
Waldi meinte, " geht nur, ich regele das, besorgt schon mal ne
Taxe." Während der Rückfahrt ins Hotel fiel kein Wort, jeder der drei
hing seinen Gedanken nach, keiner wagte Harry anzusprechen, als der
Taxifahrer etwas sagen wollte wurde ihm von Waldi bedeutet, den Mund zu
halten. Als Schorschi und Harry vor dem Hotel ausstiegen meinte er:
"so, ich fahr noch mal los, muss heute noch mal poppen."
In der Hotelbar half Schorschi seinem Freund, den Weltschmerz
mittels alkoholischer Getränke auf ein erträgliches Maß
herunterzufahren.
Ob dieses Erlebnis etwas damit zu tun hatte, wir wissen es nicht,
aber ein Jahr später war Harry mit einer, wenn auch zehn Jahre
jüngeren, schwarzhaarigen, leicht molligen Frau verheiratet. Und die
Dörfler zerbrechen sich noch heute den Kopf, wieso am Polterabend eine
blonde Stripperin auftrat, die am Ende ein Mann war!
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.11.2008.
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