Langsam verschwand Jane mit ihrem Besen in Richtung der Schlafkammer und verschloss die Tür hinter sich. Lamaja saß noch weitere zehn Minuten still auf ihrem Platz in der Küche. Still und nachdenklich starte sie auf den Boden vor sich. Erst war sie starr, keine Bewegung, kein Gefühl war zu erkennen. Stille war selten, da der kalte stürmische Wind immer wieder gegen die morschen Holzwände peitschte. Er kam von allen Richtungen. Der Schnee verschlimmerte diesen Sturm noch mehr, denn nun konnte man nichts sehen, weder wo man her kam, denn der Schnee verdeckte alle Fußspuren, noch wo eigentlich das Ziel oder die richtige Richtung ist in diesem dunklen verschneiten Wald war. Es waren die kurzen Pausen der Windes, die Lamaja immer mehr sinken ließen. Sie begann zu weinen. Plötzlich und leise. Sie versuchte ihre Tränen zu unterdrücken, doch sie wurden immer mehr. Ihr Schmerz machte sich breit und er drückte nach außen. Langsam bemerkte sie einen Drang, er kroch in ihr hoch und machte sich breiter. Stück für Stück. Er lenkte Lamaja von ihrem Schmerz ab und lies Hass aufkommen, der sie zu suchen anstachelte. Lamaja musste sich ordnen, zu viele Gedanken schwirrten in ihr herum. Als sie sich langsam wieder halbwegs gefangen hatte, wusste sie nach was sie eigentlich suchen müsse. Sie musste einen Schuldigen finden, jemanden der Schuld hatte an einen nicht natürlichen Tod. Ihr wurde immer mehr klar, was ihr eigentlich fehlte. Sie hatte den wichtigsten Menschen in ihrem Leben verloren. Wie solle man weiter leben ohne seinen Vater, den einzigen Ernährer?
Jane kam herein. Fegte, als wäre nie etwas der gleichen geschehen. Lamaja saß still. Blickte in die Stille, die der Wind für einen kurzen Augenblick bot. Sie starrte so, dass man sie kaum von einer Porzellanpuppe unterscheiden konnte. Jane brach zusammen, zu groß war der Schmerz, auch sie konnte ihn nicht unterdrücken. Auch in ihrem Kopf war Leere entstanden, dass sah man ihr an. Sie setzte sich zu ihrer kleinen Schwester. Erst nach etlichen Minuten bemerkte sie die absolut leere Stille, die Lamaja ausstrahle. Jane versuchte sich zusammen zu reisen und die Stille mit einem aufbauenden Gespräch zu durchbrechen. „Ich werde morgen auf den Markt gehen und für die nächsten Wochen einkaufen. Wenn das Haus erst einmal zugeschneit ist, wird es schwer sein etwas zu Essen zu bekommen.“, brachte sich stoternt über ihre Lippen. Lamaja schwieg. Sie hatte kein Wort ihrer Schwester war genommen. Nur der Wind brach die Stille die entstand. Nach weiterem Nachdenken, stand Lamaja auf. „Ich bin müde, ich gehe ins Bett.“, verabschiedete sie sich von ihrer Schwester, die immer noch damit beschäftigt war ihr Weinen unter Kontrolle zu bringen.
In dieser Nacht schlief Lamaja nicht. Sie konnte es auch gar nicht, sie hatte immer das Gefühl, als wenn sie die Nacht rufen würde. Sie fühlte sich immer mehr und mehr von der Dunkelheit angezogen. Sie stand auf und stellte sich ans Fenster, in diesem Augenblick dachte sie nicht mehr, alle ihre Gedanken waren aufgehoben. Sie spürte erst nichts, doch dann kam immer mehr Wut in ihr hoch. Sie spürte plötzlich diese Energie. Ihre Wut und ihr Hass wurden immer größer und nahmen langsam ihren gesamten Körper ein. Lamaja spürte einen plötzlichen Schmerz, einem unendlichen Schmerz in ihrem Kopf. Sie brach auf Knien zusammen. Sie kniff ihre Zähne zusammen um nicht zu schreihen. Die Schmerzen hörten nicht auf, sie zerdrückten langsam, Stück für Stück, ihren Kopf. Voller grässlicher Schmerzen hob Lamaja langsam ihren Kopf in Richtung Fenster. Sie blickte zum Mond und erhoffte sich Antworten. Sie bekam keine. Stattdessen wurden ihre Kopfschmerzen immer mehr. In Lamaja wurde es warm, sie spürte diese langsam aufsteigende Hitze. Das dröhnen in ihrem Kopf hatte nun die volle Kontrolle. Lamaja sprang auf und rannte hinaus, raus auf den Flur, durch das Esszimmer, raus in den Schnee. Ihr Schreien dabei, weckte ihre Schwester. Diese erschrak, denn so einen Schrei hatte sie das letzte Mal mit 3 Jahren gehört und seit dem gehofft ihn nie wieder hören zu müssen. Es war ein ohrenbetäubender Schrei der wie ein Ton aus einer andern Welt klang. Ein Ton den kein Mensch machen konnte, ein Ton der in Menschenohren nur ein grelles Piepen war. Dieser Ton unterstütze den Schrei ihrer Schwester. Lamaja rannte, sie rannte um ihrem Leid zu entgehen. Sie wurde nie langsamer ihre Energie versprach ewiges Leben. Auch der stürmisch, kalte Wind konnte sie nicht aufhallten. In ihr brannte ein Feuer, angetrieben von Hass und Wut. Es war, als wenn in ihr ein anderes verborgendes Wesen leben würde, das sie mit Energie überfüllte. Sie rannte, ohne ihre Umgebung wahrzunehmen. Sie wusste nicht einmal wohin oder in welche Richtung sie lief.
Plötzlich wurde Lamaja langsamer und schließlich brach sie
in einer Lichtung in den Schnee zusammen. Ihre Energie hatte sie verlassen und
das Feuer in ihr war erloschen. Obwohl sie den gesamten Tag im kalten Schnee
sich zu schneien lies, war sie nicht erfroren. Gegen Morgen, als die Sonne
langsam aufging, kam sie langsam wieder zu sich. Von ihren Kopfschmerzen war
sie erlöst, doch wusste sie nicht wo sie war, noch wo sie herkam. Geschwächt
stand sie auf, ohne ein Wort, ohne ein Blick geradeaus. Ihr Kopf hing hinunter,
starrte auf den Schnee. Sicher auf die Beine gekommen, schaute sie sich um.
Blickte in alle Richtungen. Nur Wald um sie herum, kein Anhaltspunkt für die
richtige Richtung. Aus Verzweiflung fing sie an zu weinen, sah einen Baumstumpf
und setzte sich. In ihrem Kopf flogen die Gedanken, die Ereignisse des letzten
Tages und diese Kraft, die ihr so Angst machte. Als es immer heller geworden
war und man die Sonne schon leuchtend durch die Blätterkrone sah, nahm Lamaja Rauch
in weiter Entfernung war. Als einzigen Ausweg aus dem tiefen Wald, ging sie
los, immer in Richtung Rauch. Schweigend hoffte sie, in ihrem Heimatdorf anzukommen.
Als sie dann endlich ihr Dorf sah, zuckte sie in sich zusammen, alle Dächer
waren anscheinend von einem Feuer zerstört worden, sie qualmten noch. Nur
einige Häuser waren von der Macht des Feuers verschont geblieben. Langsam schob
sie ihren Kopf hinter die Hauswand hervor, hoffend, dass ihr Haus eins der
Glücklichen sei. Etwas erleichtert lief sie nach Hause. In der Küche fand sie
ihre Schwester, die weinend auf einem Stuhl in der Küche saß. Still setzte sie
sich zu ihr. Sie legte ihren Arm auf ihre Schulter und versuchte sie zu
trösten. „ Ich weiß, dass du es warst, ich weiß, dass du dies nicht gewollt
hast, aber ich weiß, dass du das warst. Lamaja, du bist alt genug. Unser
Vater…“, sie unterbrach. „ Nein, unsere Familie war nicht immer arm. Du weiß Mutter
starb früh, ich war vier, du kannst nichts dafür, dass sie bei deiner Geburt
starb. Zwei Jahre vor deiner Geburt, hatte Vater in unserem Dorf hohes Ansehen.
Du musst wissen, ich habe nicht viel mitbekommen, ich war jung, doch was ich
mit bekam, war der Krieg zwischen den Menschen und den damals hier lebenden
Drachen. Früher hatten sie einen Pakt, die Drachen beschützen und wachten über
das Dorf, sorgten für genug Wasser, wenn es knapp war und halfen bei der ernte,
dafür opferten die Menschen Schafe, Rinder und Getreide. Lange hatten sie zusammen
in Frieden gelebt, doch dann verschwanden immer mehr Kinder und die Menschen
gaben den Drachen die Schuld. Sie versuchten alle Drachen in der Umgebung zu
verscheuchen und sie los zu werden, ohne sicher wissen zu können, ob die
Drachen wirklich an dem Verschwinden der Kinder beteiligt gewesen waren. Die
Drachen ließen sich natürlich nicht so einfach vertreiben und so begann der
Krieg der Ausrottung. Lamaja, Vater wollte immer nur uns und unser Dorf
beschützen. Er war einer derjenigen, die in unserem Dorf als Held gefeiert
wurde. Er tötet die Drachen mit seiner Hinterhältigkeit und so rottete er
schließlich alle Drachen aus. Drachen aus ganz England kamen, um ihren Bestand
zu sichern. Der letzte von ihnen, pechschwarz und grellrote Augen, er starb
kurz vor deiner Geburt. Ich war vier, aber trotzdem kann ich mich ganz genau an
seinen ohrenbetäubenden letzten Schrei erinnern. Ich weiß warum du fort liefst.
Ich war immer fasziniert von den Drachen und ihre Macht, doch unser Vater
löschte alle aus, alle bis auf einen. Der Mächtigste von ihnen lebt in dir
weiter, er wusste damals er kann sich in dir entfalten, dich hätte Vater nie
getötet. Du Lamaja, warst gestern Abend hier, ich sah dich in der Gestallt
dieses Drachen. Du kamst aus dem Wald und zerstörtest, was dich damals verriet.
Ich erkannte dich daran, dass du einige Häuser verschontest, Häuser in dem
Menschen wohnen die dir wichtig sind. Ich weiß nicht warum, aber du
verschwandst genauso schnell wieder im Wald, wie du auch kamst. Bitte Lamaja,
bringe es unter Kontrolle, du tötetest Vater ohne Bewusstsein, Lamaja wir
hangen an ihm, du tötetest ihn. Ich werfe dir das nicht vor, aber sage dir,
bring den Drachen in dir unter Kontrolle, sonst wirst du daran zerbrechen. Ich habe
Angst um dich...Lamaja dich will ich nicht auch noch verlieren.“, beendete Jane
mit langsam wieder anfangender weinenden Stimme ihre Erklärungen. Lamaja starrte
ihre Schwester mit einem ängstlichen Blick an, dann fing auch sie an zu weinen.
„Du musste damit leben, oder du wirst daran sterben.“, fügte Jane abschließend
hinzu, stand langsam auf, nahm den Besen, verschwand in Richtung Schlafkammer
und verschloss die Tür hinter sich. Lamaja saß noch weitere zehn Minuten still
auf ihrem Platz in der Küche. Dann entschloss sie sich zu gehen und ihr Dorf
und allem dem sie gefährlich werden könne, hinter sich zu lassen.
Was genau geschah weiß niemand ganz genau, doch nach den Erzählungen zufolge, wurde Lamaja in dieser Winternacht wieder zu dem Drachen und die darauf folgenden Nächte auch, bis sie es kontrollieren konnte. Sie existiert bis heute. Wo er lebt? In seinem Zentrum, dem Mond. Lamaja war der Drache geworden und der Drache ist der Mond, die Energie. Er ist weiß, für klare Energie, schwarz für die Macht, den hass und der Wut und manchmal rot, für das Feuer. Lamaja kam über die Jahrhunderte immer wieder auf die Erde zurück, um Streit zu lösen, Wege zu leiten und Fehler zu korrigieren. Das ist auch der Grund, warum auf der ganzen Welt viele Drachengeschichten existieren, aber noch nie ein Skelett gefunden worden ist. Ein Drache lebt bei uns.
Er bewacht uns wie es schon immer seine eigentliche Aufgabe war, bis ihm die Tat eines Wolfes vorgeworfen wurde.
Blickt in die Nacht und verstehe die wirkliche Macht des Mondes.
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Der Beitrag wurde von Janina Friedrich auf e-Stories.de eingesendet.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.11.2008.
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