David Harlander

Gefallene Engel - Prolog

Der Schnee fiel in großen Massen vom Himmel, die Sicht war auf wenige Meter beschränkt. Wie ein seidener Vorhand verhüllte die weiße Pracht den in Schnee versunkenen Wald. Die Bäume waren eingehüllt in ihr weißes Winterkleid und trugen es scheinbar voller Stolz und Anmut. Die wenigen Bäume, die sich über die anderen Bewohner des Waldes empor hoben schienen wie Könige die ihr Land betrachteten. Friedliche Stille umgab den Wald, die Flocken fielen zu Boden, Schnee rieselte von Ästen. Ein Hirsch stand hoch erhoben auf einer Lichtung und bewachte sein Revier.
Wie Donner durchbrachen die knirschenden Schritte die Idylle, wie der Zorn Gottes wirkten tiefe Stimmen, die plötzlich den Wald erfüllten. Der Hirsch brach durch ein Gestrüpp und war verschwunden, Schnee fiel zu Boden. Die Rufe wurden lauter, nun mischten sich auch quälende Schreie dazu, erfüllt von Schmerz und Angst. Ein Moment der Ruhe kehrte ein. Der leise säuselnde Wind legte sich, nur um sich wenige Sekunde später mit einer Kraft, die nur ihm zustand, wieder aufzubäumen und um die kalten Stämme der Bäume zu heulen. Die Rufe waren fast vollständig verklungen, nur noch Schreie erfüllten den Wald, der noch vor wenigen Augenblicken wie der Himmel auf Erden wirkte. Ein Rascheln im Busch. Ein Kind, noch zu klein um zu begreifen, wovor es floh, sprang plötzlich hervor, mit seinen kurzen Beinen und mit Tränen im Gesicht stolperte es durch den Schnee auf die Lichtung zu, die eben noch der Hirsch bewacht hatte. Die Schreie waren jetzt unerträglich und je lauter sie wurden desto mehr weinte das Kind. Der Wald erbebte und ein Heulen nicht von dieser Welt war zu hören, dann war es wieder ruhig. Das Kind stand auf der Lichtung, Perlen rollten über sein zartes Gesicht. Es war ein junges Mädchen, gerade erst fähig zu laufen, gehüllt in einen dünnen Fetzen Stoff, mit blanken Füßen stand es im Schnee. Mit einem Schrei folgte dem Mädchen eine Frau und als sie das Kind erblickte erhellte sich ihre Mine in kurzer Erleichterung auf. Die Frau lief auf das Kind zu und noch im Schritte nahm sie es in den Arm und rannte so schnell sie ihre Beine trugen. Der Schnee knarrte unter ihren Füßen und ein weiteres Heulen lies die Frau in Angst und Panik aufschreien und noch schneller laufen. Sie hatte mit dem Kind auf dem Arm gerade den Rand der Lichtung erreicht und wollte sich in der Dunkelheit des Waldes verlieren, als der Wald sich hinter hier teilte und eine Kreatur ausspuckte, die nicht zu Gottes Schöpfung gehörten. Die Augen waren Pechschwarz und die Zähne, die wie Krallen aus dem Maul der Teufelsschöpfung heraus ragten, waren von Blut rot verschmiert. Menschlichem Blut. Das Fell, dreckig und stinkend, und doch, im matten Licht der durch die Wolken brechenden Sonne, glänzend, legte sich eng an den mageren Körper der angst einflößenden Bestie. Im Nacken sträubte sich das Fell, als die Kreatur die von Angst verzerrte Frau entdeckte. Mit einem Knurren, das allen Hass in den Augen dieses Höllenhundes wieder spiegelte, kam dieses Etwas auf seinen vier Pfoten zum stehen. Der Wind trug den Gestank, den die Bestie ausströmte, zur Frau herüber, die in einem engen Raum der Panik und der Todesangst gefangen war und sich nicht bewegen konnte. Es stank nach verwesendem Fleisch, nach Blut und nach Tod. Die Blicke der Frau und des Wesens, das so fremdartig erschien, trafen sich. Die Angst in dem Blick der Mutter, die ihr Kind schützen wollte, ließ die Bestie knurren. Da legte sich das Biest schon in die Knie, fixierte die Frau und das Kind, das eine willkommene Vorspeise für das Monster darstelle, und machte einen Satz auf die kleine Familie zu. Mit unheimlicher Eleganz stobte es über die Lichtung und der Gestank wurde immer intensiver. Zum finalen Sprung ansetzend landete die Kreatur einige Meter vor der Frau, die beim Anblick der Bestie ängstlich keuchte. Da kam diese Ausgeburt der Hölle auf die Frau zugeflogen, das Maul weit aufgerissen. Die Frau schrie und das Kind weinte und nur noch wenige Meter trennten sie vom sicheren Tod. Mit weit aufgerissenen Augen stand die Frau da, unfähig auch nur einen Muskel zu bewegen. In einem starken Anflug von Mutterinstinkt drückt die Frau das Kind eng an sich, bereit, für ihre Tochter ihr Leben zu geben. Aus den Augenwinkel nahm sie eine Bewegung wahr, nicht mehr als ein Schatten. Und als das Monster nur noch einen Meter von der Frau entfernt war, für die alles in Zeitlupe ablief, sprang eine weitere Kreatur auf die Frau zu. Mit einem Schrei, erfüllt von Hass und Zorn, stürzte es auf sie zu. Und traf mit der Kreatur in der Luft zusammen. Das Wesen, das von der Seite gekommen war, stellte sich als ein ausgewachsener und kräftiger Mann heraus, der die Bestie von der Frau weggerissen hatte. „Lauf!“ schrie der Mann noch im Flug mit der Bestie ringend. „lauf!“ formten seine Lippen das Wort erneut. Mit einem unerbitterlichen und dumpfen Knall landeten die Bestie und der Mann auf den Boden im Schnee. Mit der Routine eines Jägers zog der Mann ein kurzes Messer aus einem Schaft, der am Bein befestigt war. Die Kreatur stürzte sich auf den Mann, doch dieser zog mit dem Messer durch und durchtrennte die Kehle des Ungeheuers. Schlapp landete der Körper neben ihm im Schnee, schwarzes Blut färbte die weiße Pracht dunkel. Die Frau, die immer noch wie angewurzelt im Schnee stand, keuchte erleichtert auf. Mit einem Satz sprang der Mann auf die Beine und lief auf die Frau zu. Mit einem kräftigen Ruck riss er sie am Arm mit. Die Lebensgeister der Frau erwachten wieder und sie begann zu schluchzen. Der Mann zerrte sie hinter sich her in den Wald hinein. Er blieb stehen und packte die Frau an der Schulter. Er sah ihr in die Augen und nahm ihr durch diese Geste die Angst. „Lauf in die Stadt, warne sie, dass sie kommen. Los!“ rief er ihr ins Gesicht. „Ab…Aber was ist mit dir?“ stotterte die Frau und sie begann zu zittern. Sie kannte die Antwort bereits. „Ich werde kämpfen!“ sagte er leise und sein Blick wurde zu Stahl. „ Nein, komm doch…“ wollte die Frau ihn überreden, mit ihr zu kommen. „NEIN. Ich kämpfe. Und jetzt lauf!“ sagte er eindringlich. Dann, in einem Moment der Zärtlichkeit küsste er sie. „Und pass auf Fenia auf!“ flüsterte er ihr noch zu. Schmerz lag in seinem Blick, als er seine kleine Tochter ansah. „Auf das du eine große Kriegerin wirst“ sagte er ihr, und das kleine Kind sah ihm in die Augen. Dann begann es zu weinen, als wüsste es, dass es ihren Vater nie mehr wieder sehen würde. Dann rannte der Mann zurück, im Lauf zog er sein Schwert. „Ich liebe dich!“ rief er noch zurück zu seiner Frau. Dann war er verschwunden. Heiße Tränen rannen der Frau übers Gesicht. Dann rannte sie los. Hinter ihr hörte sie noch die Schreie der Krieger, die für ihr Land kämpften. Und starben.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 22.11.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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