Helga Siebecke

Löcher

 

Einiges über Löcher



Ein Loch kann wichtig sein. Nein, eigentlich sind Löcher immer wichtig. Sie begleiten unser Leben. Sie sind Leben. Natürlich weiß das jeder Mensch. Die Tiere wissen es übrigens auch, nur machen sie nicht so viel Aufhebens davon.

Ich möchte einmal meine Gedanken über die Löcher vom Kleinen zum Großen wandern lassen. Natürlich hoffe ich, unterwegs in kein Loch zu fallen. Das kann schnell passieren, wenn es groß genug ist. Aber die großen kommen etwas später in meinen Fokus, wollte ich doch zunächst mit den ganz kleinen Löchern beginnen. Jeder Wissenschaftler würde sofort nach der Festlegung von Groß und Klein streben und eine entsprechende Definition erarbeiten. Ich bin aber kein Wissenschaftler, nur ein kleiner Poet, der sich Gedanken über Zwischenräume macht

Sind Zwischenräume eigentlich Löcher? Nehmen wir einmal die Löcher im Kopf, also ich meine jetzt nicht die Nasenlöcher, sondern die Löcher im Inneren des Schädels, die im Gehirn. Es sollen ja zuweilen gerade in der Region erhebliche Lücken vorhanden sein. „Sind Lücken auch Löcher?“, frage ich mich leicht verwirrt. Ich neige dazu, die Frage zu bejahen, denn schließlich ist ja nichts da, zumindest scheint dies so. Manchmal taucht aber wieder etwas auf und das Loch oder die Lücke ist wieder gefüllt. Man atmet auf. Löcher, Lücken, Zwischenräume scheinen nicht unwiederbringlich und hoffnungslos leer zu sein. Ich bin also, wegen der Erkenntnis wieder optimistisch gestimmt. Das Füllen von Löchern ist also ein durchaus positiver und erstrebenswerter Prozess. Also zumindest scheint diese These für das Kopfinnere zu gelten. Über den Erfolg beim Füllen von Kopflöchern vermag ich nichts Allgemeines auszusagen. Bei mir geht da alles ziemlich schleppend vor sich. Es ist also schon ziemlich schwierig, Löcher im Schädel zu stopfen. Man muss eine Menge Gehirnschmalz dafür aufwenden. Vielleicht sogar, nein oft, ganz bestimmt auch ein paar Taler. Ich denke aber die Investition lohnt sich.

Natürlich kann das Stopfen oder besser ausgedrückt: das Verstopfen von Löchern gefährlich werden. Nehmen wir einmal das Makeup, welches die Frauen so lieben. Man legt es auf, also auf die Poren, das sind die kleinen Löcher in der Haut, durch die man zum Beispiel auch atmet. Sie sind manchmal zu groß geraten, denken die Frauen, und schmieren halt das Mittelchen dagegen darüber. „Jetzt bin ich viel schöner“, glauben sie, die Kosmetikberaterin sagt das auch! und atmen etwas weniger durch ihre kleinen Hautlöcher. Ob das immer so gut ist? Na, ich wage einen ganz kleinen Zweifel anzubringen. Im Übrigen, man soll sich auch die Augenlöcher nicht verkleistern oder gar die Ohren verstopfen. Das weiß allerdings jeder. Somit muss ich feststellen, dass das Füllen der Löcher nicht immer von Vorteil ist. Man sollte schon genau abwägen, ehe man irgendwelche Löcher schließt.

Das Löcher und das Füllen von gewissen Löchern, sehr eng mit der Entstehung des Lebens an sich verbunden ist, weiß natürlich auch jeder, also zumindest nachdem ausreichend Aufklärungsarbeit geleistet wurde, deshalb halte ich mich hier nicht unnötig lange auf, auch wenn’s der eine oder andere gerne hätte. Ich möchte nur betonen, dass die Bedeutung des Loches, oder sagt man hier besser Öffnung, großes, sehr großes allgemeines Interesse erregt. Schon immer.

Die Löcher, die ich kurz rein literarisch betrachten möchte, werden nun größer. Ich öffne also unseren Kühlschrank und bemerke im oberen Fach eine unangenehme Lücke. Es ist kein Joghurt mehr da, auch keine Quarkspeise. Für mich ist das mehr als schmerzlich. Es gibt Menschen, denen ist ein derartiges Loch schnuppe. Für mich bedeutet es aber Verzicht. Andere schauen in das Tiefkühlfach und sehen gähnende Leere. Es ist weder Eis noch Pizza zu entdecken. Und dieses Loch verärgert sie nun wieder. Haben Löcher etwas mit Leere zu tun? Wenn ja und wenn dabei Schmerzen auftreten, dann ist das gar nicht gut. Man muss also wieder an Nachschub denken und die Leere auffüllen. Kann ich jetzt einfach und ohne weiteres zu dem Schluss kommen, dass, wenn die Löcher größer werden, ein Füllen durchaus angebracht ist, ja sogar mehr als erwünscht? Denn Schmerzen durch Löcher, wer will die schon erdulden müssen? Niemand möchte durch Löcher leiden.

Ich gehe, bevor ich nun endgültig mein Urteil fälle, noch einen Schritt weiter. Das Loch in der Wand muss jetzt herhalten. Man sagt eigentlich Tür dazu, aber es bleibt schlicht ein Loch, behaupte ich. Es ist verhältnismäßig groß, schließlich muss oder soll man ja hindurch gehen. Man geht also auch durch Löcher. Man wird mitunter sogar durch sie hinausgeworfen und das kann bitter sein. Es gestaltet sich schwierig und ich beginne mich allmählich total zu verhaspeln. Das Türloch muss geöffnet sein oder werden, damit es uns dienlich ist aber wir müssen es auch schließen, damit wir nicht zu Schaden kommen. Also Löcher sind, sehr launisch. Einmal sind sie offen für uns gut und ein anderes Mal wieder nicht. Dabei handelt es sich um ein und dasselbe Loch.

Dann komme ich zum Schluss noch zu den Löchern, die natürlich auch jeder kennt, deren Bedeutung noch schwammiger ist. Sie sind einfach unheimlich wichtig für jedes Lebewesen. In der Regel, also im Normalfall kommt immer etwas aus ihnen und wir sind darüber unheimlich erleichtert. Darüber hinaus sind sie allerdings auch als ganz schreckliche Vertreter bekannt, die sich sogar weltweit zu vermehren scheinen. Sie nehmen menschliche Gestalt an und erschweren unser Dasein nicht unerheblich und bemerken es selber überhaupt nicht. Man kann daran vermutlich nie etwas ändern, was mich traurig stimmt. Deshalb möchte ich an dieser Stelle meine Betrachtung unterbrechen, wer weiß zu welchen Erkenntnissen ich komme, wenn die Löcher noch größer werden, die mir begegnen oder bekannt werden.. Es könnte bis zum Weltuntergang gereichen und das macht mir große Angst.

Es wird immer nur über die Löcher geredet, aber auf sie einzuwirken, sie richtig zu deuten, ihnen die verdiente und angemessene Behandlung angedeihen zu lassen, das ist der Menschheit bislang nicht gelungen. Mir fehlen dazu alle weiteren Worte. Es ist quasi ein Wortloch entstanden, welches das Allerschlimmste für einen Autor ist. Jetzt muss ich zusehen, wie ich dieses Loch wieder auffülle…oder sollte ich nicht?

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.12.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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