Jessica Laub

Entwicklung einer Lüge


 
Der Uhr nach zu urteilen habe ich gleich Pause.
Mich der Realität stellend weiß ich jedoch, dass ich darauf entweder noch mindestens eine halbe Stunde warten, oder ganz verzichten muss.
Ich sehe wie Anna mir wieder einen Blick zuwirft, voller Hoffnung, ich würde ihr endlich sagen,
dass wir Pause machen.
In 10 Minuten.
Teile ich ihr mit, als ich an ihr vorbeilaufe um in Zimmer 20.1 nach dem Rechten zu sehen.
Der Patient ist männlich, 53 und hatte gestern eine OP. Natürlich ist er der ärmste und bemitleidenswerteste Mensch der Welt. Wie alle dieser unwissenden Kreaturen bittet er mich beinahe winselnd um Morphium. Anna hört mir stumm zu, als ich ihr verärgert von dem jammernden Kerl erzähle.
Verärgert? Mittlerweile bin ich das doch gewohnt! Frauen im 2 Stock bringen täglich unter größten Schmerzen Kinder zur Welt und beißen sich da durch.
Die Männer auf meiner Station sind nichts als wimmernde Waschlappen. Nun ja, Männer eben.
Ich frage Anna, wie es sein kann, dass die Männer, so dramatisch und wehleidig wie sie veranlagt zu sein scheinen, die Evolution überstehen konnten. Na ja, wir brauchen sie. Wendet die Schwester ein.
Ja, zum Fortbestand unserer Art. Aber sonst?
Sie lassen sich so leicht manipulieren und beeinflussen, - unfassbar!
Wenn man den Verlauf der Entwicklung von Beginn unserer Zeitrechnung ab betrachtet......setze ich an und merke, wie Anna ob meines Schulmeistertones die Augen verdreht und ich triumphiere als sie in ihr belegtes Brötchen beißt, während meines noch unberührt auf dem Tisch liegt.
Ich fahre mit meiner Argumentation über das stärkere Geschlecht fort. Warum eigentlich stärkeres Geschlecht? Ja, es ist tatsächlich so, dass Männer mehr Kraft bestitzen wie Frauen. Physische.
Doch Ihre Kombinationsgabe ist, wenn es nicht gerade um Pcs geht – und selbst da brauchen sie ein ganzes Weltenzeitalter um zu einer Lösung zu gelangen – regelrecht verkümmert.

Wir Frauen hingegen, das schwache Geschlecht, haben im Laufe der gesellschaftlichen Evolution außerordentliche Fähigkeiten entwickelt, die kein männliches Wesen jemals wird erfassen können.
Wir haben uns dadurch in der Geschichte unser Überleben gesichert.
Frauen entwickelten sich durch Mutation also im Prinzip zum stärkeren Geschlecht erkläre ich Anna.
Nur nehmen Männer das in ihrer unendlichen Beschränktheit nicht wahr. Sie tönen herum, wie toll sie sind, wie stark, intelligent!
Kaum sind sie aber mit der Partnerin allein schlüpfen sie aus ihrer glitzernden, genialen Hülle des Scheins und sind plötzlich nur noch der kleine Pantoffelheld, über den sie mit ihren Freunden erst vorhin noch gelacht haben. Daheim führt die Frau das Zepter. Das war schon immer so.
Zugeben, wer in Wirklichkeit das Sagen hat, das würden die Männer niemals,
weil sie es nicht erkennen bei dem hellen Schein, den ihr eigenes glitzerndes Hüllen-Äußeres verstrahlt.
Und das einzig Falsche in der Entwicklung der Frau ist, dass sie den Mann in seinen Spielereien und Träumereien gewähren lässt, sich noch immer im Hintergrund hält.
Ich wette, du sagst deinem Freund auch, dass er unglaublich gut aussieht und tolle Muskeln hat, was natürlich nicht stimmt. Anna öffnet den Mund, um etwas zu erwidern.
Zwischen ihren Zähnen hängen Tomatenstückchen. Mein Brot liegt noch immer auf dem Tisch.
Irgendwie ärmlich von uns Frauen, dass wir uns noch immer so verhalten.
Unsere Männer immer Loben und sie noch überzeugter von ihrer Unfehlbarkeit machen.
Alles grundsätzlich bejahen und gutheißen, was sie meinen und vorschlagen.
Das liebliche, unschuldige und unbeholfene Mädchen mimen um etwas zu bekommen.
Blöd wie die Kerle sind kaufen sie uns das natürlich ab.
Nur bestimmt diese Maske, die wir seit Jahrhunderten nun schon tragen, voll und ganz das Bild,
das die Männer von uns haben.
Und da wundert man sich wenn Frauen noch immer als das “schwache Geschlecht” abgehandelt werden? Wir sollten endlich schluss machen mit der Lügerei und den Männern die Wahrheit vor Augen führen!
Ich werde angepiept.
Der Patient in 20.1 ist bewusstlos.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 14.12.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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