Wolfgang Jahnke

Ich wäre gerne "wieder" peinlich ...

Jaqueline war ihr Name. Sie hatte langes schwarzes Haar und wunderschöne große braune Augen in denen man versinken konnte. Als ich ihr das erste mal begegnete kam sie gerade aus der Schule und ich vermag nicht zu sagen ob es das „Band“ zwischen uns war, was uns dazu veranlasste, uns anzusehen, oder ob der erste Blick zwischen die Ursache dafür war, dass ein Band entstand.

Eben dieser magische Moment, in dem Kinder (ich war 12) einfach stehen bleiben, die Welt um sich vergessen und der Blick wie gefesselt an den Augen des anderen hängt.

Ein Leuchtfeuer in pechschwarzer Nacht, blendend hell ...- und doch waren wir schon zu alt, um einfach langsam aufeinander zu zugehen, diesem Bann mit Fühlen, Tasten und Begegnen wieder aufzulösen.

In Erinnerung habe ich viele Male dort Nachmittags gewartet und ihre Augen wanderten erwartungsvoll zu der Stelle, an der sie mich vermutete, sobald sie die große Eingangstür zur Schule verließ.

Dabei hatte sie auf den Lippen dieses Lächeln, welches jedem, dem sie begegnete ein Stück Sonne ins Herz pflanzte.

Eines Abends klingelte es bei uns. Mein Vater öffnete und es stand ein belgischer Offizier vor der Tür. In der Hand hielt er eine schmale, schwarze Aktentasche und als er sie öffnete, wusste ich was er dort herausziehen würde.

In diesem Moment wäre ich am liebsten im Boden versunken – es war mir so unendlich peinlich.

Dabei gab es nichts, wofür ich mich schämen musste. Auf diversen Zeichenblockblättern hatte ich Gefühle zu Papier gebracht, war heimlich nachts aus dem Fenster gestiegen und hatte sie mit der dazu nötigen Kerzenbeleuchtung unter ihrem Fenster drapiert.

Naiv war ich, dass ich ihre Eltern, die Nachbarn und den Umstand ausgeblendet habe, einen Vater zu haben, der stellvertretender Kommandeur des Fliegerhorstes war und damit so etwas wie eine rituelle Entgleisung verursachte – stabilisiertes Alltagsverhalten in Frage stellte ... gegen die Regel der Provenienz verstieß ... überindividuelle Ordnung missachtete ....

Inkommensurabilität ! - Damals.

Heute schaffe ich mir, allein durch mein Denken, Hindernisse und Katastrophen, greifbar nah, die vermutlich kaum eintreten werden.

Dazu benötige ich keine Eltern mehr – ich bin „Elter“.

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.12.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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