Helmut Wurm

Sokrates und die Ministerpräsidenten Rüttgers und Koch

(Dieses Gespräch fand im Sommer 2007 statt und ist immer noch aktuell)

Sokrates sitzt vor dem Bundesrat auf den Treppen und beobachtet die hinein- und hinausgehenden Politiker. Da kommen, nebeneinander hergehend, Herr Rüttgers mit entschlossenen Gesichtszügen und Herr Koch mit einem etwas verkniffenem Gesichtsausdruck die Treppe hinauf. Sokrates spricht sie an.

Sokrates: Hallo ihr Beiden. Gut dass wir uns hier begegnen. Mit euch möchte ich etwas besprechen und mit euch über etwas nachdenken. Ich meine, es ist wichtig. Habt ihr etwas Zeit?

Die Beiden (abwechselnd redend): Sei gegrüßt Sokrates, es drängt uns derzeit kein Termin, für dich haben wir immer etwas Zeit. Worum geht es?

Sokrates: Es geht um 2 Themen, um je ein Thema für dich, Jürgen Rüttgers, und um ein Thema für dich, Roland Koch. Doch beide Themen gehören letztlich zusammen. Darf ich das Gespräch mit dir, Jürgen Rüttgers, beginnen?

Jürgen Rüttgers: Klar doch, Sokrates, schieß los, ich bin auf alles vorbereitet.

Sokrates: Jürgen Rüttgers, du weißt, dass meine Lebensaufgabe die Bildung gewesen ist, die Schulbildung und die Weiterbildung und dass es mir stets um eine gute Schulbildung und um eine Steigerung der Erwachsenenbildung ge-gangenes ist. Und ich hatte immer hohe Ansprüche. Du strebst ja auch ein hohes Anspruchsniveau in den Schulen deines Bundeslandes Nordrhein-Westfalen an. Welche Erfolge siehst du z. B. in den Gymnasien?

Jürgen Rüttgers: (stolz) Nach der Zeit der geringen Anforderungen in den Schulen allgemein und nach den geringen Abituranforderungen im Besonderen sollen die Schüler und Lehrer meines Bundeslandes jetzt endlich erfahren, was ein hohes Niveau bedeutet. Mit den Abiturienten meines Bundeslandes wird die Wirtschaft zufrieden sein. Jetzt wird das Steuer konsequent herumgerissen und Schluss gemacht mit diesem Leichtabitur der vorherigen Regierungspartei.

Sokrates: Man merkt, dass deine Partei und besonders du die Leistungen deutlich anheben möchtet. Aber da fällt mir eine Frage ein: Was würdest du machen, wenn dein Kind in der Grundschule sich angewöhnt hätte, alle Worte klein zu schreiben, weil das in anderen Sprachen auch so ist, und sein Lehrer möchte nun, dass es sich auf die deutsche Groß- und Kleinschreibung ganz schnell umstellt?

Jürgen Rüttgers: Dieser Lehrer handelte unpädagogisch und würde das Kind nur frustrieren, denn eine Angewohnheit kann man meistens nur allmählich und schrittweise abgewöhnen bzw. umgewöhnen. Ich würde diesen Lehrer auf die notwendige Geduld hinweisen.

Sokrates: Wie ich erfahren habe (Sokrates hat viele Informanten und Quellen) gibt es bei den Reformen in den Gymnasien und bei den Abiturprüfungen in Nordrhein-Westfalen Umstellungsschwierigkeiten, Pannen, Frustrationen und sogar Widerstände. Liegt das vielleicht daran, dass ihr, du und deine Partei, zu schnell alles verbessern wollt? Lehrer und Schüler, die jahrelang sachter lehren und lernen konnten und leichtere Abschlüssen anstrebten, können sich nicht von heute auf morgen umstellen. Du musst den Gymnasien Zeit lassen, sich umzustellen.

Jürgen Rüttgers (erstaunt): In der Tat, ich mache es ja wie der ungeduldige Lehrer in deinem Beispiel. Darüber muss ich jetzt nachdenken.

Sokrates: Und nun zu dir, Roland Koch. Du möchtest durch die Studiengebühr erreichen, dass die Studenten zügiger studieren. Das ist sicher eine Möglichkeit dazu.

Roland Koch: Das ist in der Tat der Hauptgrund für die Studiengebühren. Die daraus entstehenden zusätzlichen Einnahmen für die Universitäten sind nur ein weiterer Nutzen. Das Bummeln vieler Studenten muss aufhören.

Sokrates: Aber nun habe ich auch an dich eine Frage. Stelle dir einmal vor, du wärst der Sohn armer Eltern und hättest noch mehrere Geschwister und alle würden gerne studieren. Deine Eltern können aber die Studiengebühren nicht bezahlen. Was würdest du und deine Geschwister tun?

Roland Koch: Ich würde nebenher arbeiten, an Abenden, an Wochenenden und in den Semesterferien, um mir das Geld für das Studium zu verdienen.

Sokrates: Das ist löblich. Aber wäre nicht die Folge, dass du weniger Zeit und Kraft für dein Studium hättest? Gründliches Studieren benötigt Zeit und Kraft. Du würdest wohl kaum ein Student mit guten Studienzeugnissen werden. Nur wirklich Hochbegabte könnten diesen Doppelstress erfolgreich bewältigen.

Roland Koch (nachdenklich): Was du sagst, Sokrates, stimmt tatsächlich. Ich habe ich noch nicht genügend darüber nachgedacht. Vielleicht sollte man tatsächlich die Studiengebühren wieder abschaffen und die Studienkontrollen dafür erhöhen. Dann kann man die Bummel-Studenten ja bald erkennen und Maßnahmen ergreifen, z. B. Studiengebühren für solche Bummel-Studenten.

Sokrates: Das wäre sicher eine bessere Lösung, ein zügiges Studium zu erreichen. Aber nun habe ich noch eine Abschlussfrage an euch beide. Ihr frustriert beide viele Schüler und Studenten. Diese werden bald Wähler sein oder sind schon Wähler. Meint ihr, dass sie euere Partei künftig wählen?

Die beiden Ministerpräsidenten: Sokrates, du machst uns unnötig Angst. Die andere Partei ist derzeit in einem Umfragetief. Wir können uns Frust bei den Jungwählern um der anspruchsvollen Ziele leisten.

Sokrates: Derzeit noch, aber später...? Lasst uns darüber nachdenken.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.12.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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