Rita Bremm-Heffels

Tagesgedanken 17.01.2000

17.01.2000

Ich beginne heute die Dinge aufzuschreiben die mich bewegen. Meine Gedanken festzuhalten, meine Entschlüsse, die manchmal so wechselhaft sind wie das Wetter.
Ich kann mich nicht entscheiden. So wie damals, vor 45 Jahren vor den Bonbongläsern.
Alle konnte ich nicht nehmen – aber für eine Sorte entscheiden konnte ich mich auch nicht.
Die Lebenssituation in der ich mich befinde befriedigt mich immer weniger.
Auch wenn ich weiß, daß ich meine Unzufriedenheit nicht nur von Walter abhängig machen kann, so spielt diese unausgefüllte Verbindung doch eine große Rolle.
Es kann einfach nicht richtig sein, wenn man sich freut, wenn der „ Partner „ nicht zu Hause ist. Diese Trägheit, dieser Pessimismus, diese ständige Unzufriedenheit mit allem und jedem –
Das ist einfach nicht auszuhalten. Und keine Aussicht auf eine Änderung. Im Gegenteil –
Je mehr ich versuche aus dieser Lethargie herauszukommen, desto vermuffelter und bockiger
reagiert Walter. Es waren nie viele Gemeinsamkeiten zwischen uns, aber nun ist es so, als ob
der letzte Rest auch noch weg ist. Und das reicht eben nicht – auch nicht wenn man mit sich
mit allen möglichen Ausreden eine Zweckgemeinschaft einreden will. Selbst dafür ist die
Basis zu gering. Mir graut einfach davor, wenn ich morgens aufstehe und Walter kommt mit
Seinem unfreundlich, verknautschten Gesicht in seinem labbrigen Unterhemd aus dem
Schlafzimmer. Kein Guten Morgen. Nichts. Glotze an, Zigarette an. Irgendwann geht er aus dem Haus -–und dann atme ich auf. Das kann nicht richtig sein.
Daß mir dabei im Lauf der Jahre die Lust auf Sex vergangen ist – wer mag mir das verdenken.
Ich will endlich selber entscheiden wann ich das Licht anknipse, wann ich die Heizung aufdrehe – oder sie auch schließe. Ich will den Fernseher anmachen wenn ich was vernünftiges sehen will, und nicht den ganzen Abend irgendein dämliches Gequatsche anhören.
Alternative dazu : Ich gehe in mein Schlafzimmer und lege mich ins Bett.
Verdammt, das ist kein Leben. Ich will wieder wach werden und mich auf den Tag freuen können der da kommt. Ich will diesen Tag selbst bestimmen und ihn mir nicht vermiesen lassen von jemandem, der mit seinem eigenen Leben nicht zurecht kommt – und auch gar-
keine Versuche unternimmt, daran etwas zu ändern.
So – und alles das was ich jetzt geschrieben habe , läßt nur eine Konsequenz zu – die Trennung. Im Kopf ist die schon lange da – nur da ist auch die Angst alleine zu sein.
Peter Svitberts’s Worte in meinem Poesiealbum : Man muß jeden Tag etwas haben, auf daß man sich freut ‚ – diese Worte haben immer noch große Bedeutung.
Aber mir ist meine Lebensfreude verlorengegangen. Angelika hat schon recht, wenn sie sagt, ich lebe wie eine uralte Frau. Und so fühle ich mich auch. Und flüchte deshalb in alle möglichen Süchte, Ablenkungen, die in Wirklichkeit so total unbefriedigend sind.
Vielleicht hilft mir das Schreiben. Ich will es. Ich will es wie damals vor jetzt fast 20 Jahren.
Ich will wieder leben, ich will mich wieder freuen, ich will glücklich sein –
Und jeden Morgen den neuen Tag mit Freude begrüßen.
Weiß ich wie viele ich noch habe ?

Manchmal ist es lehrreich im Tagebuch zu blättern.
Denn manchmal vergißt man wie sehr man sich das, was man jetzt hat und schon für normal hält, gewünscht hat. Ich bin glücklich, nicht immer, aber immer öfter.
Gruß Rita
Rita Bremm-Heffels, Anmerkung zur Geschichte

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