Luca Lonardo

“Suche 100 perfekte Männer zwecks monogamer Beziehung...“

Shit, der Frühling kommt!

Auch
wenn draußen gerade wieder ein weibliches Sturmtief mit Schnee
heranrückt – ist diese Idee, Stürmen und Schlechtwetterfronten
weibliche Namen zu geben eigentlich schwule Propaganda? – trotzdem weiß
ich, dass die schlimmste Jahreszeit vor der Tür steht. Warum? Weil die
Romantik wieder unbarmherzig ihre Keule schwingt. Und ich geh in die
Knie. Wie jedes Jahr, immer so um Mitte März herum. Frühlingsanfang
halt. Das Gefühl trotzt jedem Schneesturm.

Selbst mein Computer
stellt sich gegen mich. Um die hundert Stunden an Musik und der
Zufallsmodus trifft mit bösartiger Genauigkeit „Gwen Stefani – 4 in the
morning“. Und Zack! Schlagartig scheint mich mein Doppelbett verärgert
anzustarren, weil es immer nur nachts für ein paar Stunden doppelt
belegt ist. Das Schnorcheln meiner Kaffeemaschine klingt nach
depressivem Schluchzen, weil sie immer nur für eine Person kochen darf.
Selbst meine Zahnbürste schafft es, ihre Borsten vereinsamt hängen zu
lassen. Gwen, ich hasse dich!

Also ab in den Chat, Status auf
„Date“ geschaltet und schauen, wen ich mit meinem schlechtgelaunten Pic
überzeugen kann. Und tatsächlich – sie haben eine Message. „Süß siehst
du aus.“ Ok, der Mann hat auf jeden Fall Geschmack, so übel kann er
nicht sein. Der Chat wird ganz nett, ich schick meine Nummer rüber,
kurz darauf die erste SMS. Läuft ja ganz gut an. Gwen, du steigst
wieder in meiner Gunst.

Zwei Tage und bestimmt fünfzig SMS
später dann endlich das erste Date. Der Frühling hat mich inzwischen
komplett im Griff. Gwen darf mittlerweile im Repeat-Modus laufen, dazu
gabs heute Aufbrezeln deluxe. In der Bahn ist dann die letzte Coolness
endgültig verloren. Kommt er auch? Seh ich scheiße aus? Oder steht da
gleich ein Siebzigjähriger mit hunderfünfzig Kilo, der mir erzählt:
„Das auf dem Photo ist meine Schokoladenseite“?

Alle Panik
umsonst. Er sieht aus wie sein Photo, sogar ne Nummer besser. Er ist
genauso nervös wie ich, freut sich unglaublich, dass es geklappt hat
und holt auf einmal zwei Becher Kaffee von Starbuck’s hervor. Mein
Lebenselixier. Ich liebe ihn schon jetzt. Und den Frühling. Und Gwen.

Er kennt irgendeinen Laden, in dem man super essen kann. Wir bestellen, labern, alles läuft super. Wir kommen aufs Thema Männer.

Großer Fehler.

Ganz großer Fehler.

Schlagartig wird er deprimiert.

Und beginnt zu erzählen, wie gemein Männer sein können.

Und
unbarmherzig kippt das Date in Richtung Therapiesitzung. Beiläufig
erfahre ich, dass ich in dieser Woche sein drittes Date bin. Und
ungefähr das hundertste seit drei Monaten. Und das die ganze Zeit ohne
Sex – er sucht einfach sehr gründlich nach einem Freund. Ungläubig
frage ich mich, ob ich seinen Ökosalat auf seiner gegelten Frisur
verteilen soll oder ihn einfach still für seine Hartnäckigkeit bei der
Partnersuche bewundern soll. Währenddessen ist er beim Date vom letzten
Wochenende angekommen – das war ein echt Netter, er meldet sich halt
nur zu selten, aber morgen wollten sie sich noch mal treffen. Er hat
ihn auf jeden Fall total gern.

Mittlerweile bin ich stumm
entschlossen, das Date möglichst schnell zu beenden, den Frühling in
Zukunft knallhart zu ignorieren und Gwen Stefani komplett von meiner
Festplatte zu löschen. Ich schlucke mein Ego runter und mache mir klar,
dass ich grad einfach auf eine ganz penetrante Art abgewimmelt worden
bin. Alles klar, kein Problem, ich kann Signale erkennen. Ich lächle,
nicke an den richtigen Stellen, schaue irgendwann demonstrativ auf die
Uhr und verabschiede mich. Natürlich auf sehr nette Art, ich trete ihm
nicht in die Eier, auch wenn ich im Moment unglaubliche Lust dazu habe.

Als
ich aus dem Laden rauskomme, atme ich erstmal tief durch. Soviel zum
Frühling. Von heute an hasse ich Romantik. Ich werde ab jetzt zu einem
verkommendem Sexluder. Oder vielleicht auch zum Mönch. Falls da ein
Unterschied besteht. Auf einmal piept mein Handy. „Voll der schöne
Abend. Wann sehen wir uns wieder? HDL Kussi“

Was??? Ah, ich
verstehe. Er braucht einen therapeutischen Beistand. Danke, kein
Bedarf. Mein Handy kommt zurück in die Tasche, die SMS bleibt ohne
Antwort. Mein kleiner Rest von Stolz atmet boshaft auf.

Eine
halbe Stunde später die nächste SMS. „Findest du mich nicht nett? Was
hab ich falsch gemacht? Ich hab dich total gern. Würd dich so gerne
wieder sehen.“ Totales Chaos. Bin ich im falschen Film?
Paralleluniversum oder so was? Solls ja geben. Ich investiere drei SMS,
um ihm auf die nette Art klar zu machen, dass er nicht ganz die
richtigen Signale für „mehr“ gesendet hat und dass ich nicht darauf
stehe, irgendwo zwischen den Dates mit Typ A und Typ B einsortiert zu
werden. Und das auf die nette Art. Ich bin ganz stolz darauf, diese
komplizierte Situation so souverän geklärt zu haben.

Die
Antwort: Er ist eingeschnappt. Von allen gemeinen Männern, die er
bisher getroffen hat, bin ich der schlimmste. König Arschloch. Er fand
mich so nett und ich red mich mit so einer dünnen Geschichte raus.

Ich bin armselig.

Ich hasse den Frühling.

Und ich hasse Gwen. 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 14.01.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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