Hartmut Pollack

Strampelnde Beine

 

Strampelnde Beine

 

Das Leben schreibt die schönsten Geschichten. Noch heute vermag ich mein Lachen nicht zu unterdrücken, sehe diesen ungewöhnlichen Moment immer wieder vor meinen Augen.

Normaler Unterricht war angesagt. Da saßen meine Schülerinnen und Schüler von der ersten bis zur vierten Klasse vor mir im Klassenraum und lauschten den Worten des Lehrers. Es lag nichts Besonderes an. Die Helfer aus der vierten Klasse halfen den Kleinsten. Mein Unterrichtsschwerpunkt lag beim Leselehrgang der zweiten Klasse.

Ein Junge begriff es nicht, es war zum Verzweifeln. Die volle Konzentration des Lehrers lag in der Klasse 2 der einklassigen Grundschule in Suderbruch.

Dabei möchte ich nur nebenbei die räumlichen Gegebenheiten beschreiben. Wir hatten einen Ölofen im Klassenzimmer, der entsetzlich stank.

Die Toiletten waren so genannte Plumpsklos, das heißt zwei Öffnungen im Holz, darunter stinkende Menschenentleerung. Maden schwammen in dem Entleerungsrest. Diese beiden Öffnungen im Holz waren ungefähr zwei Meter von einander entfernt, allerdings durch eine Holzwand getrennt.

Die Mädchen entleerten sich links auf dem Plumpsklo, die Jungen zwei Meter entfernt rechts. Mein Kopf wäre nie auf den Gedanken gekommen, dass dieses einen Reizeffekt haben könnte. Ein Schüler hat mich unter der eigenen Lebensgefahr etwas Besseres gelehrt.

Ein Mädchen der vierten Klasse meldet sich und möchte auf die Toilette. Mein Signal, keine Bedenken, geh, aber komm bald wieder. Sie war eine sehr gut gewachsene Schülerin, wirkte schon reif und war einfach als Mädchen schön.

Ein Junge der vierten Klasse meldet sich und möchte auch auf die Toilette. Er war etwas unbeholfen, leicht frech, aber bauernschlau, würde ich heute sagen. Mit einem anderen Satz könnte ich ihn als kleinen Spitzbuben bezeichnen. Ich mochte den kleinen Kerl. Natürlich bekam er die Erlaubnis.

Kein Nebengedanke kam in mir auf, als zuerst das Mädchen und kurz danach sich der Junge zum Toilettengang abmeldete. Der Unterricht lief weiter.

Nach kurzer Zeit kam der Mädchen vom Plumpsklo zurück.

Dies registrierte ich nur nebenbei. Der Schultag war wie immer nicht außergewöhnlich. Wir sangen ein wenig und es war eine gute Stimmung in der Klasse.

Nach fünfzehn Minuten war der Junge immer noch nicht wieder da. Ich wurde unruhig.

War er nach Hause entflogen ? Hatte er gegen jeden Anstand etwa das Weite gesucht ?  In meinem Kopf begann es zu knurren.

Arbeitsaufträge wurden vergeben und ich begann zu suchen.

Klar war, dass meine ersten Schritte mich in den Teil des Jungenklos führten. Meine Bitte ist, sich dies Bild im Kopf mit zu zeichnen. Als die Tür zur Jungentoilette aufging, sah ich strampelnde Füße in der Luft. Mit den Schultern steckte der Bursche im Bretterloch fest und kam nicht mehr allein heraus. Es war nicht möglich, ihm einen Klaps auf den Hintern zu geben, sonst wäre er in das Madengewimmel gefallen.

Zudem stand er kurz vor dem Ersticken, jedenfalls schreien konnte er nicht mehr. Die Gase der Toilette benebelten ihn.

Er hatte versucht, durch die Holzöffnung einen Blick auf den nackten Hintern des hübschen Mädchens zu werfen und war mit beiden Schultern stecken geblieben. Bis heute weiß ich nicht, ob er den Nackten des Mädchens gesehen hat.

Im mir war ein großer Zwiespalt zwischen schallendem Gelächter und Schimpfkanonade. Ich entschied mich, den Lümmel aus seiner misslichen Situation zu befreien und ihn nicht vor der Klasse zu blamieren. Denke mal, er ist mir heute dafür noch dankbar.

Kurze Zeit später gab es Sexualerziehung im Sachunterricht. Ob es geholfen hat, weiß ich allerdings nicht. Das Bild der hilflosen Beine strampelnd  in der Luft hat sich bei mir allerdings fest eingeprägt. Allerdings ist auch ein wenig Respekt über die Fantasie von Schülern aus der vierten Klasse dabei.

© pk 01 / 09

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 28.01.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Über den Tag hinaus zu schauen, heißt für mich, neben dem Alltag, dem normalen Alltäglichen hinaus, Zeit zu finden, um das notwendige Leben mit Gefühlen, Träumen, Hoffnungen, Sehnsüchten, Lieben, das mit Lachen und Lächeln zu beobachten und zu beschreiben. Der Mensch braucht nicht nur Brot allein, er kann ohne seine Träume, Gefühle nicht existieren. Er muss aus Freude und aus Leid weinen können, aber auch aus vollem Herzen lachen können. Jeder sollte neben dem Zwang zur Sicherung der Existenz auch das Recht haben auf romantische Momente in seinem Leben.

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