Da hockt er nun schweigend, auf diesem harten Stuhl – einem Stuhl auf dem er eigentlich nie mehr sitzen wollte. Manfred – seine Kumpels nannten ihn Manne – hatte sich fest eingeschworen sein Leben endlich in den Griff zu bekommen. Er ist ein sehr muskulöser Typ. Satte 110 kg sind auf 1,90m Körpergröße gut verteilt. Die sonst gefürchteten giftgrünen Augen blinzeln nur noch müde und sporadisch durch einen schmalen Schlitz. Wie gewohnt grinsen ihm die dunklen eisernen Gitterstäbe höhnisch entgegen. Mahnend – an die unrühmliche Vergangenheit erinnernd - verunzieren mehrere hässliche Narben sein rundes Gesicht mit den fettigen zotteligen Haaren, der viel zu großen Nase und den sehr kräftigen Wangenknochen. Auch sein Rücken und sein Bauch ist gezeichnet von vielen roten Flecken, die an die wüsten Schläge seines zornigen Vaters erinnerten.
Vor drei Monaten – im März – hatte er seinen runden dreißigsten Geburtstag in der Zelle gefeiert. Aber das eigentliche Geburtstagsgeschenk – mit dem er selbst in den kühnsten Träumen nicht mehr gerechnet hatte, sollte er erst jetzt in Empfang nehmen können – die vorzeitige Entlassung aus dem Knast wegen guter Führung. Die letzten drei Monate seiner zweieinhalbjährigen Freiheitsstrafe, brauchte er nun nicht mehr absitzen. Auch für Manfred war es eine faustdicke Überraschung, als würden Weihnachten, Silvester, Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten auf einen Tag fallen.
War es ihm nun endlich gelungen, diesen fest gesurrten Teufelsknoten zu zerreißen, der ihn immer wieder in die schier endlosen tiefen des Abgrundes getrieben hatte?
Als Scheidungskind in der ehemaligen DDR aufgewachsen, hatte er wahrlich nicht viel zu lachen gehabt.
Oft war er den brutalen Schlägen seines Vaters – der dem Alkohol sehr zugetan war- zunächst noch hilflos ausgesetzt. Doch Manfred war aus dem selben harten Kaliber geschnitzt, wie sein jähzorniger Vater. Wenn er seine stahlharten Fäuste einsetzte, war wahrlich nicht zu spaßen, was Dietmar – so hieß Manfreds Vater - bald noch hautnah spüren sollte.
Dietmar war mit Ronald – einem ehemaligen Arbeitskollegen – und anderen Saufkumpanen,oft um die Häuser und in die Kneipen gezogen.
Diese Zechtouren führten meist zu handfesten Auseinandersetzungen, die nicht selten blutig endeten. Selbst auf dem schmucken Perserteppich, klebte mahnend das Blut und auch Ellen – seine bildhübsche Frau - blieb von Schlägen ihres Gatten meist nicht verschont, da Dietmar - leider viel zu oft - nicht mehr Herr seiner Sinne war.
Ellen hatte genug. Ihre Nerven lagen völlig blank. Sie musste sich in stationäre Handlung begeben, räumte die gemeinsame Wohnung, und reichte umgehend die Scheidung ein.
Manfred blieb mehrmals der Schule fern. Sofort schaltete sich das Jugendamt ein. Anders als in der freiheitlichen Ordnung der Bundesrepublik, galt Schulschwänzerei in der früheren DDR keinesfalls als Kavaliersdelikt.
Manfred wurde in den allseits berüchtigten Jugendwerkhof eingewiesen. Aus Kindern und Jugendlichen, die oft über die Stränge geschlagen hatten, und meist aus gestörten familiären Verhältnissen kamen, sollten unter strengem Gehorsam zu sozialistische Persönlichkeiten gereift werden. Dort sollte er aber nicht mehr lange verweilen.
Überall im Land regte sich Widerstand. Tausende Menschen demonstrierten friedlich. Der Ruf nach Freiheit, Menschlichkeit und Demokratie war unüberhörbar und wurde immer lauter, bis das Regime sich dem Druck der Straße beugen musste.
Im Juli 1990 gehörten auch die Jugendwerkhöfe der Vergangenheit an. Manfred zog zu seiner Mutter in eine viel zu enge Einraumwohnung und war von nun an wieder sich selbst überlassen.
Der Stadtteil, in dem Manfred mit seiner Mutter wohnte, machte alles andere als einen einladenden Eindruck. Nahezu überall rieselte Putz von den graugelben, sehr oft auch rußigen, Wänden. In vielen, dieser zum Teil nicht mehr bewohnbaren Häuser, waren die Fensterscheiben eingeschlagen. Im Inneren hausten obdachlose Jugendliche, die versuchten ihren Frust mit reichlich Alkohol herunterzuspülen. Auch die Straße war völlig heruntergekommen. Schlaglöcher schnitten sich durch das wellige Kopfsteinpflaster, die die Stoßdämpfer der Autos stressten. Dass der ohnehin schon labile Manfred in dieser tristen abbruchreifen Gegend auf die falschen Freunde treffen würde, war von vornherein abzusehen.
In der Tanne – seiner Stammkneipe - hatte Manne Ausschau nach dem Klientel gehalten, welches wie maßgeschneidert zu ihm passen könnte. Und rasch liefen ihm diese zwielichtigen Gestalten auch über den Weg. Einer von ihnen war Georgi - ein hochaufgeschossener Typ mit stahlharten Muskeln, einem kräftigen Kinn, starken Wangenknochen, einer viel zu großen Nase, die leicht gekrümmt linksseitig auslief und stahlblauen Augen, die er gefährlich schnell verdrehen konnte. Sein fettiges dunkelblondes Haar klebte stumm auf seinem runden Kopf und passte zu seinem ungepflegten Äußeren mit dem buschigen Bart, der seinen breiten Mund wild umschlungen hatte.
Ebbis Figur dagegen, war verglichen mit Manne, eher schmächtig. Dennoch konnte er seine knochigen Hände zu eisernen Fäusten ballen, die er auch oft und gekonnt einsetzte.
Manne setzte sich an die Spitze dieses Trios. Raubzüge, Einbruchserien – sowohl in der Nacht, als auch am helllichten Tag - bis hin zu räuberischen Erpressungen, bestimmten fortan den Tagesablauf dieser Gang.
Ebbi und Georgi saßen jeweils zwei Mal für zweieinhallb, beziehungsweise drei Jahre ein, während Manne sogar vier Mal für eine Dauer von insgesamt zehn Jahren hinter Gitter verbannt worden war.
An einem heißen Sommertag im Juni stürmte Manne quietschvergnügt aus der Haftanstalt und streckte im Hochgefühl der Freude beide Arm in die Luft.
„Jetzt erst mal ein Bier trinken“, dachte sich Manne, der die Tanne – seine frühere Stammkneipe – zielsicher ansteuerte.
Kaum hatte er die Schwelle der zinnoberroten Holztür überschritten, schnellte Ramona – die bildhschöne Kellnerin mit dem makellosen ovalen Gesicht, den seidig glänzenden hellblonden Haaren und dem gelborange farbenem sexy Minikleid, unter dem sich ihre wohlgeformten Brüste besonders keck abzeichneten, auf Manne zu.
Spontan fiel sie Manne um den Hals und hauchte ihm sogar ein zartes Küsschen auf die Wange.
Mannes Augen fingen an zu leuchten und sofort glühten auch seine Wangen.
„ Du warst ja lange nicht mehr hier!“, stellte die Kellnerin – die emotional sehr gerührt war - fest, während ein aufreizendes Lächeln über ihr hübsches Gesicht huschte.
„Eigentlich sollte ich noch viel länger einsitzen, doch die haben mich wegen guter Führung eher entlassen. Die brauchen wieder Platz in den Zellen“, räumte Manne ergänzend ein.
„Sei doch froh, dass Du endlich wieder bei uns bist. Georgi hat dich so schrecklich vermisst.“ Noch während sie das sagte, baute sich der stämmige Georgi stolz vor ihm auf und straffte seinen Körper.
„Da bist Du ja wieder, du altes Haus, platzte es aus Georgi spontan heraus, dessen Herz vor Freude wie wild in seiner Brust hüpfte.
Zur Begrüßung bekam Manne einen deftigen Klaps auf die Schulter, den er prompt erwiderte.
„Nimm doch erst mal Platz, sagte Georgi, der den Stuhl für Manne zurecht rückte, und ihm anschließend eine Zigarette reichte.
Noch während Manne die Zigarette zwischen zwei Fingern schob, fragte er Georgi:
„Und was hast du die ganze Zeit so getrieben?“ Na was denn schon - Kohle besorgt.
Manne steckte die Zigarette in den Mund. Georgi gab ihm Feuer und Manne zog den Rauch genüsslich in sich ein.
„Naja, viel war es nicht, nur ein paar läppische Euros, die ich von den Vietnamesen hab' mitgehen lassen. Ramona stellte Georgi und Manne ein großes Bierglas auf den Tisch.
„Na dann Prost“, sagte Georgi, der zeitgleich mit Manne das Glas anhob. Beide stillten ihren Durst, bis die Gläser nahezu halb leer waren.
„Manne, hör doch mal genau hin. Ich habe eine geniale Idee. Wir starten ein Wahnsinnsding.“ Während er diese markigen Worte über seine viel zu breiten Lippen brachte, starrte Georgi gebannt zum Nachbartisch.
Ein schlanker Mann - Mitte 30 - wischte sich gerade den Schaum von seinem gepflegten Oberlippenbart und blätterte im Regionalteil der hiesigen Boulevardpresse. In einer der vielen Schlagzeilen stand auf dicken schwarzen Lettern geschrieben: „Hochbrisantes Lokalderby, schwere Ausschreitungen befürchtet.“ Georgi wies mit dem Zeigefinger auf die Schlagzeile dieses Blattes.
„Schau doch mal, am Mittwochabend steigt das Lokalderby. Die Fans beider Mannschaften können sich doch nicht riechen, da brennt garantiert die Luft. Während die Bullen voll mit den Hooligans beschäftigt sind, knacken wir eine Bank. Ich würde sagen die „Volksbank“ in der Zimmerstraße. Die liegt in einem anderen Stadtteil, weit weg vom Schuss. Das ist immer noch besser als diese blöden Fidschis aufzuklatschen und mit diesen paar mickrigen Peanuts zu türmen“, setzte Georgi fort. „Ich kann Dir versprechen, das wird eine todsichere Angelegenheit“, schwärmte Georgi, auf dessen Gesicht sich Lachfalten legten.
„Bist du verückt, bloß nicht schon wieder! Ich bin froh, dass ich endlich raus bin aus diesem widerlichen Knast“,wetterte Manne, der seine Augen so stark verdrehte, dass nur noch das Weiße herausschaute.
„So etwas kenne ich doch überhaupt nicht von Dir. Was soll das, du warst doch sonst alles andere als ein Weichei!“, posaunte es Georg so laut aus sich heraus, dass sich einige Gäste kurzzeitig umdrehten. Georgi war gerade dabei, sein lebendiges Gesicht, in eine schrecklich verzerrte Fratze, zu verwandeln.
Manne schwieg eine ganze Weile bedächtig. Während er überlegte, musterte er Georgi sehr gründlich. Weichei, diese dumme Bemerkung wollte Manne nun wahrlich nicht auf sich sitzen lassen.
„Na gut wir starten das Ding“, grummelte Manne, der sein Bierglas ansetzte und dieses bis zur Neige leerte.
„Ich nehm' dich beim Wort“, antwortete Georgi, der Manne anerkennend auf seine breite Schulter klopfte.
Flugs verbannte Georgi die grimmigen Falten aus seinem Gesicht, während er gleichzeitig überlegte:
„Wir brauchen aber noch ein Fahrzeug, damit wir uns blitzschnell aus dem Staube machen können“, gab Georgi zu verstehen.
„Das lass nur meine Sorge sein. Heute Abend besorge ich für uns ein schnittiges Wägelchen, versprach Manne heilig.
„Du machst das schon, gab sich Georgi siegessicher. Seine Augen wurden feucht und begannen zu glänzen.
„Vorher müssen wir aber noch Ebbi das Ding schmackhaft machen“, fiel Manne in diesem Moment ein.
„Hast Recht, an den habe ich gar nicht gedacht. Heute Abend rufe ich ihn noch an. Sollte er nicht noch dazwischenfunken, treffen wir uns morgen um zwei bei ihm.“ „Okay, platzte es aus Manne heraus, und beide besiegelten mit einem festen Händedruck den bevorstehenden Clou. Georgi leerte noch den Rest seines Glases. Beide bezahlten und verließen anschließend die uralte Kneipe, in der eine stickige Luft lag, die vom dicken blauen Dunst geschwängert war.
Kaum war die riesige Scheibe der blutorange schimmernden Abendsonne hinter den Häuserschluchten in die endlose Weite getaucht, senkte sich ganz allmählich der Schleier der Dunkelheit über der Stadt.
Manne blieb in der Nähe einer belebten Kreuzung –die am Rande der Stadt lag - stehen und überlegte.
Beidseitig wurde die Bundesstraße von eng aneinander stehenden Bäumen umsäumt, dessen Kronen ein dichtes Blätterdach bildeten.
Linksseitig der Bundesstraße lag ein schmuckes Birkenwäldchen, vorher allerdings wuchsen nahezu ungebremst Holunder- Vogel- und Brombeersträuche, die von üppig wucherndem dornigen Gestrüpp umzingelt waren.
Manne versteckte sich hinter einem der Brombeersträucher. Er duckte sich und harrte in dieser Stellung eine ganze Weile aus, bis sich ein silbergrauer Mercedes der Ampel näherte, die in dem Augenblick gerade auf Rot schaltete. Am Steuer saß - nichts ahnend - eine ältere Frau mit gekräuselten weißgrauen Haaren Gedankenschnell sprang Manne auf und rannte - flink wie ein Wiesel - auf die Nobelkarosse zu.
Als er merkte, dass die Fahrertür nicht verriegelt war, riss er diese blitzschnell auf und schrie auf:
„Das ist ein Überfall!“
Noch während die Frau erschrocken zusammen zuckte, packte er sie an der linken Hand und zerrte sie mit brachialer Gewalt aus dem Wagen. Die Frau rannte mit schmerzverzerrter Miene panikartig stadteinwärts und rief verzweifelt um Hilfe, doch keiner wollte der total verängstigten Frau unter die Arme greifen. Einige Jugendliche trotteten gleichgültig an der älteren Dame vorbei, und lächelten auch noch spöttisch. Manne schwang sich ans Steuer und brauste eilig davon, obwohl die Ampel noch nicht mal auf Grün geschaltet hatte.
Noch während er die ersten Meter zurückgelegt hatte, zuckte plötzlich ein Gedankenblitz durch seinen kühlen Kopf.
„Das Kennzeichen der Besitzerin muss erst noch verschwinden, ansonsten rücken mir die Bullen auf die Fersen, dachte sich der Schlauberger.
Instinktiv bog er links in eine Seitenstraße ein, die nicht weit von dieser Kreuzung entfernt lag.
Hinter einem metallicfarbenem Audi, brachte er das gestohlene Fahrzeug zum Stehen.
Gekonnt löste er das vordere und hintere Kennzeichen der Besitzerin aus der Plastikverankerung und warf es in den Kofferraum. Anschließend entfernte er die beiden anderen Kennzeichen des Audi, die er routiniert in die Halterung des Mercedes einpasste.
Die schmale Straße war beidseitig von Pappeln eingesäumt. Auf der linken Seite standen einzelne willenartige Häuser, die schick in eine Umfassungsmauer eingebaut waren.
Durch das blättrige Astwerk schimmerte verlegen -wie ein silbriger Taler - der Vollmond und warf einen sanften Schein, der sich mit dem fahlen Licht der nahen Gaslaterne vermischte, auf den Mercedes.
Manne merkte nicht, dass sich von hinten ein Liebespärchen näherte. Eng umgarnt – auf einer Woge innigsten Glückes schwebend - genossen die beiden leidenschaftlich die pure Romantik dieser lauen Sommernacht.
Noch während Manne das hintere Kennzeichen montierte, warf der Mann den Arm von der Schulter seiner Freundin und sagte zu ihr leise ins Ohr:
„Das darf doch nicht wahr sein. Der klaut einfach Toms Kennzeichen. Dieser Mercedes ist doch garantiert geklaut. Der hat einfach das Original-Kennzeichen entfernt, um nicht erkannt zu werden.“ Tom war Handelsvertreter und wohnte mit dem Mann im gleichen Haus. Vorsichtig schlich er mit seiner Partnerin ins Haus. Sofort klingelte er bei Tom, der Sekunden später – vom schrillen lang anhaltenden Ton aufgeschreckt - aus dem Bad stürmte, durch den Türspion lugte und schließlich öffnete. Tom rief sofort die Polizei an, die eine halbe Stunde später auch eintreffen sollte. Manne war natürlich mit dem flotten Mercedes längst über alle Berge.
Mit stolz geschwellter Brust klingelte Manne an Ebbis Wohnungstür. Der öffnete sofort und Mannes Blicke trafen grinsend auf freudig blitzende, graugrün gesprenkelte Mandelaugen, die in sein schmales Gesicht mit den kastanienbraunen gekräuselten Haaren, geschnitten waren.
„Da bist du ja endlich“, rief Ebbi aus, der Manne zur Begrüßung fest die Hand ausstreckte, und anschließend den Zeigefinger auf das Wohnzimmer richtete und sagte: „Komm doch mit.“ Ebbi rückte Manne den Stuhl zurecht. Das Bier hatte er schon längst auf dem kleinen runden Tisch arrangiert, da schrillte die Glocke an der Eingangstür.
„Das kann doch nur Georgi sein“, warf Manne ein und Ebbi sprang sofort auf, rannte zur Eingangstür und offnete diese: „ Hallochen“, sprudelte es aus Georgi heraus. Seine Augen blitzten schelmisch.
„Gut, dass du da bist“, freute sich Ebbi, der Georgi gleich ins Wohnzimmer bat.
„Hi Georgi“, begrüßte Manne ihn mit einem spitzbübischen Lächeln und zeigte auf das Wohnzimmerfenster. „Schaut mal runter!“ Georgi und Ebbi starrten gebannt aus dem rissigen Holzfenster, von dem ein Teil des Lackes längst abgebröselt war. Dieses alte Fenster passte so richtig ins fatale Bild dieser Behausung, die eher einer Rumpelkammer glich.
Selbst in den kleinsten Ecken dieser Mansardenwohnung lagen überall Bier- und Schnapsflaschen . Auch Gläser und Dosen, sowie CD's und alte Schallplatten türmten sich an einigen Stellen und lagen quer verstreut in der ganzen Wohnung herum.
Schmutzige unansehnliche Tapete klebte stumm an allen Decken und Wänden. Die Luft war erfüllt von einem öden muffigen Fäulnisgeruch, und es stank auch fürchterlich nach Alkohol - den Ebbi täglich in großen Mengen in seine durstige Kehle gekippt hatte.
Georgi und Manne störte das wenig. Die hatten sich an diesen fahlen Geruch längst gewöhnt.
„Schaut mal, dieser tolle Schlitten gehört jetzt mir!“ Manne geriet ins Schwärmen und prahlte wie mühelos und lässig er diesen Raubzug doch über die Bühne gebracht hatte.
„Das hier ist der totale Wahnsinn!“ lobte Ebbi Manne, dessen ganzes Gesicht wie ein Honigkuchen strahlte.
Nun begann Manne Ebbi die Idee vom Banküberfall vor dem Fußballspiel so richtig schmackhaft zu machen. Alle drei hatten an dem kleinen runden Tisch Platz genommen. Er plauderte nochmal aus, was er vorher bereits mit Georgi abgesprochen hatte.
„Die Fans der beiden Teams können sich doch nicht riechen, da brodelt der Kessel ganz gewaltig, bis er schließlich droht zu explodieren. Wenn es sein muss, mischen wir auch noch mit, um die Bullen noch schneller anzulocken. Wenn die erstmal in der Spur sind, haben wir freie Bahn.
Die Bullen können sich auf einen heißen Nachmittag einstellen. Dieses kann ich dir versprechen!“ Ebbi plagten Zweifel: „Wenn es nur so an Bullen wimmelt fliegen wir doch ganz schnell auf und tappen ganz schnell in eine Falle.
„Quatsch“, die haben doch so viel Schiss in der Hose. Denn wenn die Hools erstmal so richtig in Fahrt sind, haben die garantiert keine Zeit mehr für uns. Da können wir doch in aller Ruhe ausräumen, zumal die Volksbank in der Zimmerstraße fernab vom Schuss liegt“, sagte Manne im Brustton der Überzeugung, Manne versuchte Ebbi mit einem sanften Lächeln zu beruhigen. Ihm war nämlich nicht entgangen, dass Ebbis Augenlider immer noch flackerten.
„Den Schlachtplan habe ich perfekt ausgearbeitet. Es wird nichts dem Zufall überlassen.
Die Idee stammte allerdings von Georgi. Wir treffen uns um vier am „Bräustübl“- zwei Stunden vor Spielbeginn – und harren eine Weile aus. Sobald die Bullen anrücken, machen wir uns aus dem Staube und düsen zur Volksbank in die Zimmerstraße. Natürlich nehme ich die Pappmasken und die Gaspistole wieder mit. Zuerst steigst du aus dem Auto und beobachtest ob viele Passanten an uns vorüberziehen. Wenn die Luft rein ist, gibst du ein Zeichen. Dann stürme ich mit Georgi in die Bank und erledige mit ihm die Angelegenheit. Du bleibst draußen und stehst Schmiere. Während wir wieder aus der Bank rennen, nimmst du uns den Koffer mit den Geldscheinen ab und wirfst ihn in den Kofferraum. Sofort schwingen wir uns ins Auto und fahren zu Georgi. Eines kann ich dir versprechen. Dann steigt 'ne Party, die größte Sause unseres Lebens, blickte Manne beschwörend voraus, als wäre es die normalste Sache der Welt.
„Du bist der größte Filou den ich jemals kennen gelernt habe“, sprudelte es spontan aus Georgi heraus. Dabei war gerade er es, der Manne gestern noch als Weichei titulierte. Wie schnell sich doch Meinungen ändern können!
Georgi, Manne und Ebbi klatschten sich gegenseitig ab und besiegelten hiermit die gegenseitigen Abmachungen.
(Fortsetzung folgt)
Vorheriger TitelNächster TitelIm ersten Teil meiner Geschichte möchte ich vor allem die Charaktere der Täter unter die Lupe nehmen und auf die Vorbereitung dieser Tat eingehen.Michael Reißig, Anmerkung zur Geschichte
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Der Beitrag wurde von Michael Reißig auf e-Stories.de eingesendet.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.02.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).
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