von Alfred Hermanni 21.02.2007 Alle Rechte vorbehalten
Dortmund, 18. September 1970.
„Ey, Nobbi, haste schon gehört?“ fragte mich Peter als er zu mir in die Stube trat und sich an den Tisch setzte. Seine Freunde nannten ihn im typischen Ruhrpottslang einfach nur „Pedda“.
Und statt Norbert musste ich mir immer wieder „Nobbi“ als meinen Spitznamen gefallen lassen.
„Ja, ich hab’s im Radio gehört“, erwiderte ich und musste dabei meine Erschütterung herunterschlucken. Die Todesnachricht von Jimi Hendrix ging mir ziemlich unter die Haut.
„Glaubst du auch, dass ’ne Überdosis der Grund war?“
„Pedda. Im Leben nie. Jimi war kein Junkie.“
„Ich glaub’s ja auch nich’.“
Wir schwiegen eine Weile und ich musste wieder mit den Tränen kämpfen. Die Musik von Jimi Hendrix war für mich und vielen anderen aus meiner Generation einfach das Genialste, was in dieser Welt zu hören war. Er war mein musikalisches Vorbild, wenngleich ich mit meinem Gitarrenspiel noch weit davon entfernt war, sein Level zu erreichen.
Aber ich war ja noch jung und wusste: Time is on my side.
Peter spielte sehr gut Piano, mein Kumpel Klaus hatte eine ausgezeichnete Singstimme und so waren wir dabei eine Band zu gründen. Einen Bassisten und einen Schlagzeuger würden wir schon noch finden, um die Formation zu komplettieren.
„Woll’n wa’ Musik von ihm hören und einen rauchen, so zum Abschied?“ fragtePeter und kramte seinen Tabakbeutel hervor.
„Rauchen ja, Musik von Jimi jetzt besser nich’. Ich glaub ich müsste heulen wenn ich jetzt Purple Haze oder Vodoo Child hör’n würde“ antwortete ich.
„Jim Morrison, Brian Jones und jetzt Jimi. Wieso sterben die Besten immer so früh? Ist doch echt scheiße“ murmelte Peter während er einen Joint drehte.
„Scheiße iss’ aber auch das alle Medien gleich von Überdosis Heroin reden obwohl sie noch gar nichts wissen, außer dass er tot ist.“
Es sollte sich später herausstellen, dass Jimi Hendrix an seinem Erbrochenen
erstickte und kein Heroin im Spiel war. Aber in dieser Zeit starben viele gute Musiker nun mal an einer Überdosis. Die Vorurteile vieler Menschen zu diesem Thema erhielten dadurch immer wieder Nahrung.
„Roland und Hartmut kommen nachher noch vorbei, wir woll’n heute Abend noch in die Stadt. Kommst du auch mit?“ wollte ich von Peter wissen.
„Ja logisch, iss’ doch klar.“
„Was hast du denn für ’ne Sorte?“ fragte ich.
„Roten Libanesen.“ Stolz zeigte Peter mir seinen Brocken Haschisch.
„Lieber Libanon als im Libanon.“
„Da haste wahr.“
Von draußen drang das typische Knattern und Flattern eines Boxermotors zu uns die Wohnung. Blechteile klapperten und mehrmals wurde versucht die Türen zu schließen. Hartmut war angekommen, seinen alten VW-Käfer erkannte ich immer an den Geräuschen die er verursachte, und Roland hatte er auch gleich mitgebracht.
„Ihr habt wohl gerochen, dass wir gerade einen rauchen woll’n, wa’?“ begrüßte
ich meine Kumpels nachdem ich sie in die Stube ließ.
„Hey, Nobbi, du kennst doch Hartmut seine Nase, der wittert datt schon von weit weg“, bemerkte Roland und setzte sich neben Peter an den Tisch.
„Wollt ihr was trinken?“ fragte ich.
„Hast du ’ne Afri Cola da?“ wollte Roland wissen.
„Hab ich, du auch Hartmut?“
„Yo.“
„Mir auch ’ne Afri“ sagte Peter und klebte den Joint zusammen.
„Wer will anpaffen?“ fragte er in unsere Runde.
„Du weißt doch, wer baut der raucht“ witzelte Roland.
Peter nahm sich die Streichhölzer und zündete die Tüte an. Wie so oft kamen seine langen, blonden Haare der Flamme zu nahe und ein paar von ihnen lösten sich in Rauch auf.
„Scheiße, ich glaub ich lern das nie!“ motzte er los und rieb an den angesengten Haarspitzen.
„Riecht aber echt seltsam dein Dope, irgendwie nach Haaren“ versuchte Roland
daraus noch einen Scherz zu machen, aber in Sachen Haaren verstand Peter keinen Spaß.
„Hab erst mal selbst so lange Haare. Aber du darfst ja nicht, weil du noch bei deinen Eltern wohnst“ knurrte Peter.
„War doch nur ’n Scherz“ schwächte Roland seinen Kommentar ab und griff nach dem Joint.
Dann war ich an der Reihe. Ich nahm einen kräftigen Zug und musste erst mal ordentlich husten.
„Hast du wieder Schwarzer Krauser genommen?“ bellte ich Peter an.
„Ja klar.“
„Den kannste im Knast rauchen, aber doch nicht im Joint“ rügte auch Hartmut.
Für mich als „Nichtraucher“ war es jedes Mal sehr heftig wenn ich Dope rauchte, egal ob Joint oder Pfeife, und wenn dann auch noch so ein starker Tabak mitverwendet wurde gelangte ich schnell an meine Grenzen.
Auch jetzt spürte ich erst einmal die Wirkung des Tabaks.
Das Blut schoss mir in den Schädel, meine Augen tränten, die Kopfhaut fing an zu prickeln und ich begann mit den Händen zu zittern. Bis unter meine Haarspitzen spürte ich dieses unangenehme Gefühl, dass mich noch mehrere Augenblicke lang durchströmte.
„Das ist ja fast wie auf Speed“ räusperte ich und war froh, dass die Wirkung des Tabaks langsam verebbte.
„Für den nächsten nimmst du aber leichteren Tabak, ja?“ bat ich Peter und gab den Joint an Hartmut weiter.
Als der Joint aufgeraucht war, baute Peter den nächsten, jetzt aber mit leichterem Zigarettentabak.
„Wo woll’n wa’ denn noch hin?“ fragte Roland und blickte schon gierig auf die nächste Tüte.
„Wie wär’s mit Marta Muff oder Fantasio?“ schlug Hartmut vor. Beides waren coole Discotheken in Dortmund.
„Ich würd’ ja lieber in den Bird’s Club, Gabi will heute auch dorthin.“
„Ah, Gabi, das blonde Supergirl. An die kommst du eh’ nicht ran“ meinte Peter.
„Glaubst du. Warte ab. Ich glaub nämlich sie steht auf mich. So wie die mich letztes mal angeschaut hat. Wow!“ erwiderte ich.
Gabi war schon eine verdammt hübsche, junge Frau. Schlank, lange glatte blonde Haare und ein Gesicht zum verlieben. Ich kannte sie noch nicht lange
und hatte noch keine richtige Gelegenheit, um ihr näher zu kommen. Vielleicht
würde sich ja heute eine Gelegenheit dazu ergeben.
So hoffte ich jedenfalls.
Meine Hoffnung sollte sich erfüllen, allerdings anders als erwartet.
Kurz darauf fuhren wir los und Hartmut stellte das Radio an.
Natürlich lief Musik von Jimi Hendrix. All along the watchtower war zwar ein Song von Bob Dylan, aber Jimi’s Version gefiel mir einfach besser.
„Letztes Wochenende war ich in Dorstfeld in so einer schrägen Kommune“
begann ich ein Gespräch, um mich von der aufkeimenden Trübsal abzulenken.
„Jau, die kenn ich auch. AA-Kommune odda so, nennen die sich, glaub’ ich“
fügte Hartmut hinzu.
„Genau die. Die ham ’ne Fete gegeben. Nun ratet mal wer da war.“
„Keine Ahnung. Nu’ sach schon.“
„Knut, die Keule.“
„Knut „die Keule“ Koylicek oder so ähnlich?“ fragte Hartmut
„Yo.“
Ich brüll: Keule nich’! Aber der kommt ans Bett und lallt wieder: Ich muss pissen, schnell pissen.
Ich sag wieder: Keule, nicht. Das ist hier kein Klo. Und was macht der Blödmann? Holt seinen Dödel raus und schwankt hin und her. Ich schnapp mir die Moni und wacker raus aus dem Bett, während Knut anfängt zu pissen.
Er pisst und pisst und hört gar nicht auf zu pissen.
Das Bett war völlig verpisst und der Trottel legt sich hinein, grunzt wie ein Schwein und fängt an zu schlafen.“
„Nee, ne’?“
„Ich glaub’s ja nicht. Echt?“
„Datt musse dir mal bildlich vorstellen.“
Meine Freunde fingen an zu kichern, steigerten sich langsam und begannen nun lauthals zu lachen, bis ihnen die Tränen aus den Augen strömten.
Nur langsam beruhigten wir uns wieder und Roland fing an einen Joint zu drehen.
Wir erreichten das Stadtzentrum, Hartmut steuerte einen Parkplatz an stellte den Motor ab.
„Zieh die Handbremse, wir rollen“ bemerkte Peter.
„Upps“ meinte Hartmut und zog die Handbremse bis zum Anschlag.
„Nützt nix. Leg ich halt ’nen Gang ein.“
„Besser ist das.“
„Mist. Ich glaub’ ich hab mein Feuerzeug bei Nobbi liegengelassen. Hat einer Feuer?“ fragte Roland.
„Nee.“
„Ich auch nich’.“
„Ich bin Nichtraucher, ich hab auch kein Feuer dabei.“
Tja, ohne Feuer keinen Joint.
„Ey, da ist ein Bulle“, sagte Roland. „Den frag ich mal.“
„Bist du bescheuert? Tu’s nicht.“
„Nu’ pass ma’ auf“ sagte Roland, kurbelte die Scheibe runter und rief zu dem
Bullen: „ Guten Abend, hätten sie freundlicherweise Feuer?“
„Guten Abend auch. Selbstverständlich“ antwortete der Cop, kam zum Auto, zündete ein Feuerzeug und gab Roland Feuer.
„Vielen Dank“ sagte Roland ganz artig und kurbelte die Scheibe wieder hoch.
„Ich glaub’s nicht. Der hat den Joint angezündet und nix gemerkt. Unglaublich.“
„Aber wahr. Wär’ ich nicht dabei gewesen, ich würd’s nich’ glauben.“ Verwundert schüttelte ich meinen Kopf.
Wir pafften genüsslich Tüte und gingen los. Nichts von dem ahnend was auf mich zukommen sollte.
„Links geht’s zum Fantasio, rechts zum Bird’s Club. Welche Richtung also?“
fragte ich als sich die Straße abzweigte.
„Links“ sagte Hartmut.
„Ich auch links“ murmelte Peter.
Ein paar Minuten später waren wir in der Disco, wo uns Musik von Jimi Hendrix begrüßte.
Schätze, ich werd’ wohl heute Abend in jedem Laden Jimi Hendrix hören,
dachte ich und schaute mich um.
Der Laden war nicht besonders voll und auf der Tanzfläche erblickte ich...Gabi.
Mein Herz machte einen Sprung als sie zu mir rüber sah und mich anlächelte.
Sie hörte auf zu tanzen, verließ die Tanzfläche und bewegte sich mit grazilen Schritten auf mich zu.
Sie sah mal wieder einfach hinreißend aus. Der knappe Minirock machte ihre Beine lang und länger, ein buntes, eng sitzendes T-Shirt betonte ihre atemberaubenden weiblichen Attribute in fast schon provokanter Weise und ließ meine Augen größer werden.
Mein Herz begann zu rasen als sie mir in die Augen schaute und mich mit einem flüchtigen Kuss auf die Wange begrüßte. Dieser Duft....Ist das der Duft der Liebe?
Nicht nur meine Augen wurden größer.
„Hi, Norbert. Bist du allein da?“ sprach ihr bezaubernder Mund und holte mich in die Realität zurück.
„Nee, meine Kumpels stehen am Tresen. Woll’n wir was trinken?“
„Gern.“
Wir suchte einen Tisch aus und setzten uns. Ich bestellte zwei Drinks und wir redeten ein wenig.
Ein paar Drinks später fragte Gabi, ob wir tanzen wollen. Nach meinem üblichen, anfänglichen Zieren ging ich mit Gabi zur Tanzfläche.
Plötzlich spürte ich eine Hand, die meinen Arsch tätschelte.
„Ciao, Bella, wollen wir tanzen, ein bisschen?“ hörte ich eine Stimme mit italienischem Akzent.
Ich drehte mich ein wenig um, und blickte in das verwundert dreinblickende Gesicht eines Italieners mit Dreitagebart.
Ich trug wie fast alle Hippies die Haare ziemlich lang und wurde schon öfters für eine Frau gehalten, wenn man nur meine Rückseite sah.
Aber ich trug auch einen Vollbart.
Den sah nun auch der Italiener.
„Du scheiß Hippie, schneid dir mal die Haare, siehst ja aus wie eine Frau.“
„Hast du ein Problem damit?“
„Hast du gleich selber große Probleme“ sagte der Typ mit gefährlich klingendem Unterton. Ein paar Tische weiter saßen seine Freunde und guckten uns misstrauisch an.
„Komm Norbert, wir gehen“ drängte Gabi und zog mich zum Tisch zurück.
„Ich glaub die suchen Streit“ sagte sie „Die haben, bevor du hier warst, schon einige andere provoziert.“
„Ich bin nicht allein hier. Ich hab keine Angst vor denen.“
Gabi kramte in ihrer Handtasche und gab mir eine kleine Spraydose in die Hand.
Tränengas, wie ich feststellte.
„Die brauch ich nicht. Außerdem sind Hartmut, Roland und Peter auch noch da.“
Ich schaute mich suchend um und entdeckte meine Freunde an einem der Tische in der Ecke.
Ich winkte sie zu mir rüber.
Mein Blick traf sich mit dem des Italieners, der mir auf einmal den Stinkefinger zeigte.
Nicht provozieren lassen, dachte ich. Nicht heute Abend.
Der Italiener besprach irgendetwas mit seinen beiden Freunden, stand auf und kam zu uns rüber.
Er baute sich vor unserem Tisch auf, grinste mich verächtlich an und kippte mir ein Glas Bier ins Gesicht.
Ich stand auf, seine Freunde standen auf und meine Freunde gingen zu ihrem Tisch zurück und setzten sich.
Feiglinge, schoss es mir durch den Kopf.
Nun stand ich aber und würde auf keinen Fall einen Rückzieher machen.
Der Italiener packte mich am Revers, zog mich über den Tisch und warf mich auf die Tanzfläche, über die ich ein paar Meter rutschte und erst mal bäuchlings liegen blieb.
Langsam stand ich auf, griff unauffällig in meine Jackentasche und umklammerte mir meiner Hand die Spraydose.
Der Italiener warf sich mit einem Hechtsprung auf mich, genau in eine volle Ladung Tränengas. Noch während er auf mich zu flog, steppte ich ein wenig zur Seite und der Typ knallte voll mit dem Schädel gegen die große Bassbox am Rande der Tanzfläche. Sein anfängliches Geschrei verstummte abrupt.
Jetzt stürmten die anderen beiden auf mich zu.
Der erste wollte mich mit beiden Armen umklammern, aber ich duckte mich,
packte ihn um seine Hüfte und warf ihn mit großem Schwung über mich hinweg.
Er landete auf seinem Kumpel der immer noch benommen neben der Bassbox lag.
Nun stand ich zwar mit dem Rücken zu dem anderen, aber ein schneller Blick über meine Schulter zeigte mir, dass er in günstiger Position stand.
Ich streckte meine Bein nach hinten aus und trat ihm heftig in den Bauch.
Der andere hatte sich wieder aufgerappelt und ging in Kampfstellung.
Er täuschte ein paar Boxhiebe an, aber ich hielt genügend Abstand und wartete
auf meine Chance.
Ein mächtiger Schwinger preschte auf mich zu, blitzschnell duckte ich mich und hieb dem Typ meine Faust auf die Leber.
Seine Augen quollen ihm beinahe aus den Höhlen, die Luft blieb ihm weg und er sackte mit schmerzverzerrtem Gesicht auf den Boden.
Ein Schlag traf mich von hinten.
Ich warf mich nach vorn, machte eine Rolle vorwärts und drehte mich beim Aufstehen zu meinem letzten Gegner.
Der stand nun ganz allein auf der Tanzfläche und vollführte irgendwelche Karate Hampeleien.
Ich ging langsam auf ihn zu, behielt seine Bewegungen im Auge und trat ihm in einem günstigen Augenblick in die Eier.
Das war’s.
Finito.
Drei kampfunfähige Italiener lagen über die Tanzfläche verstreut, als vier Polizisten in die Disco stürmten.
Schnell war alles geklärt, ich hatte genug Zeugen die eine Notwehrsituation bestätigten. Die drei Italiener wurden mitgenommen, einer mit dem Rettungswagen, wegen Gehirnerschütterung.
Bevor die Bullen den Laden verließen kam einer zu mir und schüttelte mir die Hand.
„Gut gemacht Junge, das haben die Typen mal gebraucht. Hast du das wirklich allein erledigt?“
„Ja, war kein großer Akt.“
„Respekt Junge, aber lass das nicht zur Gewohnheit werden.“
„Wo wart Ihr?“, schnauzte ich meine Kumpels an als sie zu mir an den Tisch kamen.
„Ich hab gar nicht richtig mitbekommen was da los war“ wiegelte Roland ab.
„Wir waren schon auf dem Weg, aber das ging ja so schnell“ behauptete Hartmut. „Wir brauchten ja gar nichts mehr machen.“
Peter schwieg mit betretener Miene.
„Last uns woanders hin gehen. Kommst du mit, Gabi?“
„Klar, lass uns in den Bird’s Club gehen.“
„Da wollte ich doch eigentlich sowieso hin“ sagte ich und freute mich über
Gabi’s Vorschlag.
Im Bird’s Club wurde auch Musik von Jimi Hendrix gespielt, war ja auch klar.
Wir setzten uns an einen freien Tisch und bestellten eine Runde Bier.
„Ey, Nobbi, guck mal wer da ist“ raunzte Hartmut und deutete in Richtung Tresen.
Dort stand Knut „die Keule“ und schlürfte ein Bier. Er sah eigentlich ganz
friedlich aus.
„Hoffentlich gibt es keinen Stress mit ihm“ grunzte ich und hoffte insgeheim nicht von Knut gesehen zu werden.
Mit Knut sollte es auch keinen Stress geben.
Denn der wirkliche Stress kam gerade zur Tür hinein.
Vier Rocker der übelsten Gestalt betraten die Szenerie. Nicht einer der Gäste
wagte sich näher als Armeslänge an denen vorbei.
Die hatten immer Platz, egal wo die waren.
Und dann kamen sie ausgerechnet auf unseren Tisch zu.
„Macht Platz, wir sitzen hier!“ forderten sie.
„Ich denk nicht dran!“ keifte Gabi zurück.
„Halt’s Maul, Schlampe!“ bellte der Anführer und verpasste Gabi eine heftige Ohrfeige.
Jetzt geht das schon wieder los, dachte ich und sprang hoch.
Und saß im nächsten Moment wieder, weil einer der anderen Rocker mich von hinten an den Schultern herunterdrückte.
„Mach keinen Stress, Junge, sonst...“ weiter kam er nicht, weil ich ihm meinen Ellbogen in die Weichteile rammte.
Mit einem Grunzen sackte er auf die Knie.
Ich packte den Tisch mit beiden Händen und drückte ihn dem anderen Schläger mitsamt allen Getränken in die Hände.
„Halt mal!“ sagte ich zu ihm und der Blödmann hielt den Tisch tatsächlich fest.
Ich griff mir einen Bierkrug und hieb ihm das Glas auf sein Jochbein.
Laut schrie er auf und griff sich an sein Gesicht, als ihm meine Linke das andere Jochbein zertrümmerte.
Ich war jetzt echt sauer, er hätte Gabi besser nicht schlagen sollen.
Von hinten fegte jemand mir die Beine weg und ich lag auf dem Boden und bekam einen Tritt in den Bauch.
Meine Freunde hatten derweil einen taktischen Rückzug vorgenommen und sich hinter Gabi versteckt.
Feiglinge. Schon wieder muss ich allein den Scheiß hier durchstehen, waren meine Gedanken als mich der nächste Tritt erwischte.
„Du scheiß Hippie, brauchst wohl was auf die Fresse!“ schrie der Rocker und baute sich vor meinen Füßen auf.
Ich sah nur eine Chance, solange ich noch auf dem Boden lag, und die nutzte ich.
Ich zog meine Beine an und trat mit beiden Füßen dem Arschloch vor mir auf die Kniescheiben.
Ich bin mal mit der Kniescheibe an die Anhängerkupplung eines Autos gestoßen und wusste welcher Schmerz das war. Da wird einem schlecht, so weh tut das.
Genauso fühlte der Typ, er jaulte auf wie ein getretener Hund und kippte, sich die Knie dabei haltend, zur Seite. Blieb liegen und jammerte wie ein kleines Kind.
Es war aber noch nicht vorbei.
Ich rappelte mich auf und suchte die übriggebliebenen Schläger.
Einer preschte vor landete mit seinem Kinn direkt an meiner Fußspitze. Er verdrehte die Augen, sackte in sich zusammen und rührte sich nicht mehr.
Bleibt noch einer dachte ich als etwas Hartes meinen Kopf traf. Feucht und warm lief etwas klebriges an meinem Gesicht herunter und nahm mir die Sicht, als ein heftiger Schlag in den Bauch mich erschütterte und ich im nächsten Moment von dem Kerl zu Boden geworfen wurde.
Das Blut in meinem Gesicht ließ mich nicht erkennen was nun passieren würde. Ich hatte Mühe es weg zu wischen, alles drehte sich, mein Blick wurde verschwommen.
Dann sah ich wie der Rocker auf mir sitzend zum vernichtenden Schlag ausholte und zuschlug.
Noch während die Faust auf mich zupreschte entfernte sie sich gleichzeitig mitsamt dem Schläger von mir.
Knut „die Keule“ hatte sich eingemischt.
Er packte den Drecksack mit seiner rechten Hand am Gürtel, mit der linken am Jackenkragen und warf ihn an die nächste Wand.
Einen blutigen Streifen ziehend rutschte der Kerl an der Wand herunter und blieb regungslos liegen.
Das letzte was ich noch mitbekam waren die Worte von Knut.
„Ey, Alter. Ich hab gehört was ich letztes Wochenende angerichtet habe.
Tut mir echt leid.“
Dann wurde es dunkel um mich herum.
Das erste was ich im Krankenhaus wieder mitbekam waren Knut’s Worte.
„Hey, Gabi. Er ist wieder bei sich.“
Und dann sah ich Gabi’s Gesicht über meinem und spürte einen warmen, innigen Kuss.
Ende
Am nächsten Tag besuchte mich mein jüngerer Bruder. Er war noch keine dreizehn Jahre alt und trug seine schwarzen Haare schon schulterlang, sah ein wenig aus wie ein Indianer. Ich glaube, aus ihm würde mal ein echter Hippie werden, sein Name ist Alfred...
n Alfred Hermanni 21.02.2007 Alle Rechte vorbehalten
Vorheriger TitelNächster TitelJa, mein Bruder Norbert war schon ein harter Brocken. Weil er damals ein Hippie war
dachten viele Schläger er sei ein leichte Beute. Das ging aber echt daneben. Tatsächlich
hat er diese Hauereien aber erlebt, nur nicht an einem Abend.Alfred Hermanni, Anmerkung zur Geschichte
Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Alfred Hermanni).
Der Beitrag wurde von Alfred Hermanni auf e-Stories.de eingesendet.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.02.2009.
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