Max Frischer

Hightech im Hirn

 Mein Handy klingelt. Hektisch greife ich in meine vollständig mit Telefon ausgefüllte Hosentasche um mein Handy mit der Größe und dem Charme einer Coladose herauszupulen. Folgende Technik hat sich dabei über die Jahre hinweg entwickelt und bewährt: Mit der linken Hand von unten schieben und mit der rechten kräftig von oben ziehen, sobald sich der Antennenkopf an der frischen Luft blicken lässt. Wenn man dann gleichzeitig noch den rechten Oberschenkel kräftig schüttelt und zudem am Handy den Vibrationsalarm eingestellt hat, stehen die Chancen gut, das Mobiltelefon schon nach einer guten Minute aus seinem engen und miefigen Käfig befreien zu können. Kaum halte ich das Handy in meiner Hand, hört das Klingeln schlagartig auf. Scheiß Akku. Immer dasselbe mit dem Ding. Einmal laden, einmal telefonieren.

Zwei Tage später betrete ich den Handyladen bei mir um die Ecke und werde vom Verkäufer mit Anzug und Krawatte überfreundlich begrüßt. Eine unangenehm schleimige Erscheinung. Verkäufer eben. „Ich möchte gerne mein Handy reparieren lassen, der Akku ist ständig leer“. Als ich mein Telefon bei ihm auf den Verkaufstresen lege, bricht der Händler in breites Gelächter aus. „Ja was haben wir denn da? Welcher Archäologe hat denn dieses Teil ausgegraben? Oder haben Sie das etwa im Museum mitgehen lassen?“. Es folgt weiteres Gelächter. Ich bin mir unschlüssig, ob er immer noch über mein Handy, über seinen eigenen blöden Kommentar oder aber über seine viel zu große Brille lacht. Letzteres könnte ich wenigstens nachvollziehen.
Anstatt sofort den Laden zu verlassen, rechtfertige ich mich auch noch. „Das Handy funktioniert tadellos, nur der Akku macht Probleme.“ Erneutes Gelächter des Verkäufers. „Ein Wunder, dass das Ding überhaupt schon einen Akku hat.“ Der lustige Mann hinter dem Tresen hält sich den Bauch vor Lachen. Mannmannmann, jetzt halt endlich mal die Fresse und kümmer dich um mein Handy. Meine Gedanken haben sich offensichtlich auf meinen Blick übertragen, denn die Miene des Spaßvogels wird jetzt zumindest etwas ernster. „Also für das Modell krieg ich beim besten Willen keinen Akku mehr her“. Der Verkäufer reicht mir mein Handy, welches ich in meinem Rucksack verschwinden lasse.

„Wenn Sie mal schauen wollen, da drüben haben wir ein paar wirklich schöne neue Modelle“. So schön wie deine Brille? „Diese Woche haben wir sogar einen Sonderrabatt auf alle Nokia-Handys“. Was soll`s, kucken kostet ja nichts. Der Verkäufer zeigt mir diverse Modelle und erwähnt bei jedem ungefähr siebenunddreißig Abkürzungen, von denen ich außer „sms“ keine einzige kenne geschweige denn verstehe. „Ich möchte damit eigentlich nur telefonieren können“ unterbreche ich den Verkäufer in seinem abstrusen Redefluss. „Ja, das war früher mal. Heute sind das richtige Alleskönner. Mit dem hier zum Beispiel können Sie sogar Fernsehen.“ Erst kein verständliches Deutsch reden können und dann auch noch was an den Ohren. „Stellen Sie sich vor, Sie sind mit Freunden unterwegs und es läuft gerade ein wichtiges Fußballspiel. Dann können Sie das Spiel live auf ihrem Handy mitverfolgen. Ihnen und Ihren Freunden wird kein Tor mehr entgehen!“ Aah ja. Alles klar. Wir setzen uns dann zu zehnt um einen knapp zwei Zentimeter großen Bildschirm, trinken Bier, schwingen die Fahnen und feuern lautstark unsere Mannschaft an. Meine Fresse, wie kann man nur ernsthaft so was verkaufen wollen. „Eine Kamera mit digitalem Zoom hat dieses Modell natürlich auch, das ist ja klar“ Kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass man bei deiner Brillenstärke auch noch einen Zoom braucht.

„Oder dieses Modell hier. Da können Sie von überall ins Internet gehen.“ „Was soll ich da?“ frage ich sichtlich genervt nach. „Was Sie nur wollen. Sie können alles, was Sie gerade interessiert einfach und genauso wie bei Ihnen zuhause am Rechner über Google suchen.“ Blöd nur, dass Handyverkäufer+Intelligenz auch über dein tolles Handy vermutlich keine Treffer liefern wird. „Und das Modell hier ist unser bestes Stück im Hause. Da ist sogar ein Navigationsgerät mit drin. Sie werden sich nie wieder in Ihrem Leben verlaufen!“ Von der Stammkneipe nach Hause oder wie? „Das ist Hightech, nicht wahr“. Ja, das muss wohl Hightech sein. Etwas mehr Hightech im Hirn wäre mir an deiner Stelle allerdings weitaus lieber.
Ich versuche das Gespräch wieder in die richtige Richtung zu lenken: „Also wie bereits vorher gesagt, es reicht mir, wenn ich mit meinem Handy telefonieren kann.“ Der Mann aus der Zukunft schaut mich mit großen und verständnislosen Augen an. „Sie sind wohl ein unbelehrbarer Technik-Muffel, was? Aber für  Leute wie Sie haben wir auch noch ein paar Telefone von Vorgestern.“ Witzbold is back und klopft mir mitleidig lächelnd auf meine Schulter. Dankenswerter Weise befreit mich eine erzürnte alte Dame an der Kasse vorerst von dem Alleswisser. Sie wartet wohl schon länger auf den einzigen Verkäufer im Laden und möchte wohl endlich bezahlen. „Entschuldigen Sie mich bitte einen Moment, ich muss nur kurz kassieren“. „Kein Problem, ich schaue mich solange mal alleine etwas um“.

Gott sei Dank bin ich die Laberbacke los. Nach ein paar Runden im Telefon-Dschungel steht für mich allerdings schnell fest, dass ich hier wohl nicht fündig werden würde und schleiche mich in gebückter Haltung langsam in Richtung Ausgang und hoffe, dass mich der Telefonmensch nicht bemerkt. Als ich mich der Türe schon bis auf ein paar Schritte genähert habe, höre ich plötzlich meinen Freund hinter dem Tresen nach mir rufen: „Hallo, junger Mann“. Junger Mann, was ist den das für eine Ansage. Soll ich jetzt vielleicht mit Alte Sau antworten? „Jaa?“. „Haben Sie zufällig einen Kugelschreiber dabei? Ich möchte der Dame gerne eine Quittung unterschreiben, aber mein Kuli hat wohl gerade den Geist aufgegeben.“
Ich kann gar nicht sagen, wie mich das freut. Der Typ prahlt ohne Unterbrechung bei mir mit seinen futuristischen Geräten, die einen übers Internet ins Fernsehen navigieren können und dann benötigt er meine Hilfe um ein Blatt Papier zu beschriften. Ausgerechnet von mir, einem von Vorvorgestern. Ja, das Leben ist doch manchmal noch gerecht. „Können das Ihre Handys etwa nicht? Sind doch richtige Alleskönner heutzutage, oder?“ Frotzelgeschoss Nr. 1 wurde abgefeuert und hat sein Ziel erreicht. „Ahm, nein, ahh, so etwas wurde leider noch nicht erfunden“. Es kommt ihm nur sehr leise und äußerst schwer über die Lippen.

Plötzlich bin ich also wieder up to date. Meinem Kuli sei Dank. Dieser Triumph wird jetzt voll ausgekostet. Ich schlendere unter den wartenden Blicken des Verkäufers genüsslich und gemütlich in Richtung Kasse, als plötzlich mein altes Handy klingelt. Ich nehme schnell meinen Rucksack ab und greife darin nach meinem Mobiltelefon. Doch noch bevor ich es mit meinen Händen ertastet habe, verstummt der Klingelton schon wieder. Scheiß Akku mal wieder. Anstelle des Handys fühle ich jedoch den gewünschten Kugelschreiber zwischen meinen Fingern. Sofort nehme ich diesen aus dem Rucksack, drücke den Federknopf einmal durch und halte den Kuli dicht an mein Ohr. „Hallo…Ach Susi du bist es…Ja klar, morgen um fünf das klappt…Ja super, dann bis morgen, Tschüss.“ Erneut klicke ich den Federknopf nach unten und halte den Schreiber dem staunenden Verkäufer unter die Nase. „Hier bitte, Sie können gerne mein Handy zum Unterschreiben benutzen.“ Der Verkäufer nimmt den Stift mit weit geöffnetem Mund und ungläubigem Staunen entgegen. Jetzt wäre ein Hightech-Handy mit eingebauter Linse doch noch ganz praktisch gewesen, denn dieses Gesicht hätte nur zu gerne fotografiert.

 

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.02.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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