Konrad Berghausen

Das System verlangt das!


Gedanken zu populären Zwängen
Also, man muss ja mit der Zeit gehen. Internet habe ich ja schon länger, aber noch mit Modem. und analogem Telefonanschluß. Damit, so höre ich im Bekanntenkreis, ist man nur zweiter Klasse online. DSL ist ein "Muss", wenn man in Online- Kreisen mitreden will. Eigentlich geht mir das Internet- Zappelkino schnell genug, aber, ich beuge mich dem Trend:
 
Provider-Shop Köln.
 
Wartesaal zum großen IT-Glück.
 
Warteschlange wie in der DDR, wenn es bei der HO Bananen gab.
 
Die Shop-Agenten, Hüter der Schwelle zum High-Tec-Paradies, verbergen sich hinter Bildschirmen, murmeln Fragen tippen eilfertig ein, ziehen Bögen aus ratternden Nadeldruckern. Ihre Minen tragen jenes Gemisch aus Verbindlichkeit und Herablassung, das höchstens noch von einem Croupier einer Spielbank übertroffen werden könnte. Hier geht alles online. Jeder Vertrag, der hier zustande kommt, ist Sekunden später bereits beim Shareholder und vielleicht morgen schon börsenrelevant.
 
Ich bin dran.
 
Mein Wunsch nach einem DSL- Anschluss nimmt der Agent eher gelangweilt entgegen. Ich sage artig wie ich heiße, meine Anschrift, meine Telefonnummer.
 
"Ihr Geburtsdatum?" fragt er.
 
"Bitte?"
 
"Wann sind sie geboren?"
 
"Wieso, gibt´s Rentnerrabatt?"
 
"Nein!"
 
"Wozu brauchen Sie dann mein Geburtsdatum?"
 
Der Hüter der Schwelle zum IT- Paradies setzt eine Dienstmiene auf. Er verkündet mir, wie weiland am Sinai der Allmächtige Mose die zehn Gebote gegeben haben könnte:
 
D a s  S y s t e m  v e r l a n g t  d a s !
 
"Was für ein System", frage ich. "Das System mit dem wir arbeiten" antwortet er unwirsch, deutet auf den Bildschirm und beginnt mit den Fingern seiner rechten Hand auf die Schreibtischplatte zu trommeln. Diese Zeit-ist-Geld-Gestik löste bei mir schon immer schwere Allergien aus. "Wenn Sie nun meinen Geburtstag nicht eingeben?" bemerke ich zaghaft. "Dann kann der Vorgang nicht abgeschlossen werden, weil das System verlangt das" sagt er in jenem modernen, falschen Deutsch, aber doch jedes Wort betonend.
 
Ich sage nichts.
 
Er trommelt.
 
Ich will kein DSL mehr.
 
Ich wende mich ab und verlasse den Wartesaal zu großen IT- Glück.
 
Nicht dass ich so eitel währe, meinen Geburtstag geheim zu halten. Ich bin am 20. September 1940 in Köln geboren, demzufolge bin ich dieses Jahr 68 geworden. Das darf jeder wissen, interessiert aber kaum jemanden. Aber wenn ein "System" etwas von mir verlangt kommen mir Erinnerungen:
 
"Warum waren Sie als Volksschullehrer Mitglied der Nazi-Partei?"
 
"Das System verlangt das", sagte damals der Dorfschulmeister in Porz
 
"Wie können Sie als christlicher Abgeordneter für Aufrüstung stimmen"
 
"Das System verlangt das", sagte wenig später der Hinterbänkler aus Bergisch Gladbach.
 
"Warum haben Sie als Grenzwächter auf Republikflüchtlinge geschossen?"
 
"Das System verlangte das", sagte auch der Mauerschütze aus Großenbroda.
 
„Warum haben sie Millionen Euro redlicher Leute verzockt?“
 
"Das System verlangt das", sagt heute der Investmentbanker aus Frankfurt.
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.02.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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