Ingrid Grote

TOPP, die Wette – Wie es weiterging...5

DAS FÜNFTE ELEMENT

 

Die teuren Logenplätze haben sich echt gelohnt. Man fühlt sich fast wie auf einem Balkon in luftiger Höhe, und auch die Aufführung ist wunderschön, noch besser als erwartet. Was heißt erwartet, sie hatte ja keine Ahnung, wie es sein würde. Jedenfalls ist Irma begeistert.

Neben ihr sitzt Ralf. Er hat sich echt in Schale geworfen und er sieht wirklich gut aus. Jessi hat natürlich kurzfristig abgesagt, war ja vorauszusehen, sie geht lieber mit einem Kerl aus. Warum lassen die Frauen immer alles stehen und liegen, wenn ein Kerl sie zu einem bescheuerten Fußballspiel einlädt? Unglaublich!

Diese Oper wird das blöde elende Wochenende vielleicht ein wenig aufwerten. Gestern noch hat sie den ganzen Tag lang furchtbare Krämpfe gehabt, wahrscheinlich wegen der verflixten Spirale, aber jetzt sind die Schmerzen abgeflaut, und mit zwei Schmerztabletten kann man sie einigermaßen ertragen.

Natürlich konnte sie in diesem desolaten Zustand nicht bei Chris erscheinen. Der hätte sie wahrscheinlich rausgeschmissen, wenn sie ihm erzählt hätte: Och wie schade, aber ich kann heute nicht, ich habe wahnsinnige Bauchschmerzen und außerdem blute ich wie ein abgestochenes Schwein...

Am Telefon hörte er sich zwar etwas enttäuscht an, aber er hat mit Sicherheit jemanden gefunden, mit dem er...

Doch das will sie sich nicht vorstellen. Nicht jetzt. Nein danke!

 

Denn die Wahnsinnsarie beginnt gerade. Lucia ist auf die Bühne gekommen, sie trägt ein weißes Nachthemd mit großen blutroten Flecken, sie kommt von ihrer Hochzeitsnacht, sie hat den Mann getötet, mit dem ihr Bruder sie verheiratet hat. Und jetzt ist sie dem Wahnsinn verfallen und singt für ihren Geliebten: Il Dolce Suono. Was soviel heißt wie: Der süße Klang...

Irma kennt die Arie, aber eigentlich nicht aus dieser Oper, sondern aus einem Film, es war ‚Das fünfte Element’ von, wie hieß der noch? Jean-Luc Picard, nee, das war der Kapitän der Enterprise, Godard, Godot, Luc irgendwie, aber wie? Ist ja auch egal. In diesem Film sang jedenfalls eine Außerirdische mit einer überirdisch schönen Stimme diese Arie. Diese Arie, die von Verzweiflung und Wahnsinn handelt und die einem die Tränen in die Augen treibt.

Auch Irma kommen die Tränen, und sie schließt die Augen, um die Tränen daran hindern, zu fließen. Sie fühlt sich seltsam aufgelöst und spürt im Innersten, dass es gar nicht um die wunderschöne Musik geht, sondern um etwas anderes, etwas, das sie nicht in den Griff kriegt und deswegen verdrängt.

Das fünfte Element... Es muss die Liebe sein. Das kommt ihr urplötzlich in den Sinn. Feuer, Wasser, Erde und Luft, das reicht nicht aus. Nur die Liebe ist wichtig. Alles Leben strebt zur Liebe. Auch bei Insekten wird es irgendwann so sein – nur bei der Spezies Mensch. klappt es nicht, die entfernt sich immer weiter davon. Und das wird bestimmt ihr Ende sein...

 

Okay, ist schon recht, denkt Irma, sie spielt ja auch nicht mit im Konzert, war nie so richtig so dabei. Bei der Liebe. Obwohl etwas in ihr danach strebt…

Irma hält immer noch die Augen geschlossen, aber plötzlich merkt sie, dass da irgend etwas ist, denn sie kann sich nicht mehr auf die Musik konzentrieren, weil sie sich beobachtet fühlt. Nein, sie fühlt sich nicht ausspioniert, nicht durch einen Stalker unangenehm verfolgt, sie fühlt nur, dass jemand sich auf sie konzentriert.

Sie spürt es auf ihrem ganzen Körper, es ist zudringlich und verhalten zugleich. Es ist entblößend, aber auch wärmend. Es ist, oh verdammt, was ist es? Wer ist es?

Sie öffnet die Augen und schaut in die gegenüber liegenden Logen, aber die liegen in ziemlicher Dunkelheit, und sie kann nicht viel erkennen, vielleicht weil sie ein wenig nachtblind ist.

Das Gefühl verstärkt sich, und Irma ist einen Augenblick lang total verunsichert.

Was ist das? Wer ist das? Das kann nicht sein, sie will das nicht, und es ist bestimmt alles nur Einbildung. Sie schließt wieder die Augen, versucht, sich auf die Arie zu konzentrieren. Und es klappt. Seltsamerweise klingt die Musik noch intensiver als vorher, und sie fasst sich unauffällig an die Augen, um ihre Tränen zu verbergen, aber sie kann nicht verhindern, dass etwas Nasses ihre Wangen herab fließt.

Warum ist sie heute so empfindlich und so sentimental? Muss natürlich an ihrer Periode liegen, was sonst. Da ist man als Frau immer etwas daneben.

 

~~~~~~~~~~~

 

Chris hat sich in die Dunkelheit der Loge zurückgezogen, endlich hat er sie gefunden, und er schaut sie wie gebannt an. Und während er sie im Halbdunkel ansieht, bemerkt er, wie sie sich an die Augen greift. Herrgott, sie wird doch nicht etwa weinen? Warum sind die Weiber immer so sentimental? Aber Irma ist nicht sentimental, das glaubt er zumindest – und trotzdem heult sie hier wegen der Musik? Es ist gute Musik, er kennt sie hauptsächlich aus diesem Film von Luc Besson, das fünfte Element. Starker Film – und mit Bruce Willis.

Es ist tröstlich zu wissen, dass sie überhaupt heulen kann. Sie hat eine Schwachstelle, sie ist nicht aus Stein, und vielleicht ist sie ja in Wirklichkeit nicht so hart, wie sie sich immer gibt.

 

Chris schaut seine junge Begleiterin an. Sie ist wirklich hübsch, aber auch ziemlich nervig. Sie ist auch sehr jung, aber trotzdem schon abgebrüht, sie weiß, was sie will. Sie hat eine Härte, die Irma abgeht. Das weiß er instinktiv oder hofft er es nur? Nein, Irma ist nicht so, obwohl sie ihn nicht mag. Im Gegensatz zu der jungen Kusine, die ihn schon massiv angemacht hat. Es war schmeichelhaft für ihn, mal wieder begehrt und angehimmelt zu werden, aber sie ist nicht Irma, und sie hat auch nicht die geringste Chance bei ihm. Wie jede andere Frau…

 

Plötzlich spürt er das unwiderstehliche Verlangen, neben Irma zu sitzen. Warum? Sie macht ihn doch immer so zornig. Warum macht sie ihn zornig? Weil sie ihn beschäftigt. Weil er immer an sie denkt. Warum denkt er an sie? Weil sie ihn zornig macht. Warum macht sie ihn zornig? Das ist eigentlich die beste Frage von allen, aber er kann sie nicht beantworten.

Er möchte einfach nur neben ihr sitzen, dieser Ralf passt dort nicht hin, er ist in sie verliebt, und er ist gefährlich in seiner Nettigkeit. Hoffentlich fällt Irma nicht auf ihn hinein, denn er kann ihr nicht das geben, was er, Chris, ihr geben könnte. Oder legt sie etwa Wert auf so einen romantischen Quatsch wie Liebe? Die meisten Frauen legen Wert darauf, aber Irma auch? Warum weiß er nicht, was sie will. Witz lass nach, sie hat es ihm ja nie gesagt...

Er weiß nur eines, er möchte Irmas Hand nehmen und sie zärtlich mit dem Mund berühren. Er möchte den Arm um ihre Schulter legen. Er möchte, dass sie ihn liebevoll anschaut und sich an ihn lehnt. Er möchte ihr die Tränen von der Wange wegküssen.

 

Chris spürt, wie sein Körper sich irgendwie versteift.

Oh Gott! Scheiße!

‚Hat es dich endlich erwischt? Du bist doch nicht etwa verliebt? Nein, das glaube ich nicht!’ Schlagartig erinnert er sich an die Worte seiner älteren Schwester.

Chris stöhnt auf. Wieso wissen Frauen immer schon alles vorher? Und wieso haben sie immer recht?

 

~~~~~~~~~~~

 

PAUSE

 

Es herrschte ziemliches Gedränge im Foyer. Fast alle Gäste nahmen die Gelegenheit wahr, um an der Bar etwas zu trinken – und um auf die Toilette gehen.

Ralf reihte sich in die lange Schlange vor der Theke ein, um Sekt zu bestellen, und Irma ließ sich von Ralf Sekt ausgeben. Sie standen an einem winzigen Stehtisch und prosteten sich zu.

„Hier ist ja ganz schön was los“, sagte Irma. Sie fühlte sich immer noch etwas verwirrt. Dieses Gefühl vorhin während der Arie, es war so seltsam gewesen.

„Ja, es ist ziemlich gut besucht“, sagte Ralf. Er sah wirklich gut aus mit seiner dunklen Jacke.

Ach Ralf, warum bist du nur so verlässlich und überhaupt nicht aufregend? Und du Chris, warum bist du nicht ein bisschen verlässlicher und weniger aufregend? Das Zusammensein mit Chris war wie ein Höhenflug, von dem man immer wieder abstürzte in die Niederungen des Alltags. Aber andererseits konnte man sich dann auch erholen von dem aufregenden Zusammensein, von dem geilen Stress – und überhaupt von dem Spiel, das zwischen ihnen ablief.

Und wenn sie mit Chris jeden Tag zusammen wäre, könnte das gut gehen? Immer zusammen, immer diese Nähe? Ja, sagte irgendetwas in ihr. Du spinnst, sagte etwas anderes, allein schon die Vorstellung ist absurd und vor allem unmöglich.

Ja, es ist unmöglich, gestand Irma sich ein, und es ist auch nicht wünschenswert, denn Chris gehörte zu einer anderen Spezies. Zu der Spezies Mann... Die ja sowieso schwer zu verstehen war, aber Chris war so... Scheiße souverän, der brauchte bestimmt keine Frau, die ihm jeden Tag auf der Pelle hing... Allein schon der Gedanke daran war abartig. Irma riss ihre Gedanken von Chris los.

 

„Ich wusste gar nicht, wie schön so eine Aufführung ist.“ Sie hob versonnen ihr Sektglas an die Augen, sie blickte hindurch und sah schemenhaft irgendwelche Leute.

Dann stutzte sie. Was war das? Das konnte nicht sein. Nicht hier!

 

„Hallo Irma, hallo Ralf!“

 

Chris sah fantastisch aus. Wie immer. Es war nicht fair! Wieso sah der immer so gut aus? Und was machte er hier?

Sie fühlte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss, und sie hielt sich unauffällig das Sektglas abwechselnd an beide Wangen, um sie abzukühlen und die verräterische rote Farbe zu besänftigen.

„Geht es dir besser?“ Er schaut sie direkt an, und seine Stimme klang ein bisschen belegt.

Irma starrte ihn an. Was zum Teufel sollte das jetzt? Jetzt würde jeder wissen, dass sie irgendwas miteinander zu tun hatten. Ralf guckte auch schon so seltsam.

„Jaaaa...“ Sie realisierte, dass ein hübsches junges Mädchen neben ihm stand. Aus den Augenwinkeln konnte sie erkennen, dass das Kleid dieses engelhaften Wesens sehr gewagt war, mit einem sagenhaften Ausschnitt und einer sagenhaften Kürze im Saum. Sah so richtig nach Schlampe aus.

Irma nickte der Schlampe freundlich zu. Sie sollte sich jetzt besser zusammenreißen. Jetzt, wo man sich endlich gegenüberstand und der Wahrheit ins Gesicht sehen musste.

„Das ist meine Kusine Mandy“, erklärte Chris gerade. „Sie ist zu Besuch hier...“

„Und wie gefällt Ihnen die Oper“, fragte Irma, und sie legte viel Nettigkeit in ihre Stimme, obwohl sie überhaupt nichts nett fand, die ganze Situation war vollkommen daneben.

„Ist cool irgendwie! Toll, dass Chrissie mich eingeladen hat.“ Mandy legte Besitz ergreifend die Hand auf Christophers Arm und flüsterte ihm laut zu: „Kannst du mir noch ein Glas Sekt besorgen. Ich liebe dieses Prickelzeugs!“

Chrissie? Besorgen? Prickelzeugs? Was zum Geier bildete die sich ein? Irma schaute wie gebannt auf Mandys Hand, die auf 'Chrissies' Arm lag.

Er schien ihren Blick zu sehen oder zu fühlen, denn er schüttelte Mandys Hand unauffällig ab.

Klasse, dachte sie. Die hat er in die Oper eingeladen? Was hab’ ich mir nur gedacht? Er ist ja überhaupt kein Geizkragen, nur mir gegenüber! Und Irma fühlte, wie sie etwas überschwemmte, das eine ziemliche Ähnlichkeit mit Wut hatte...

~~~~~~~~~~~

 

„Wollt ihr auch noch was trinken?“ Chris’ Blick versuchte, sich an Irmas Blick festzusaugen, aber Irma wandte sich ab und schaute uninteressiert irgendwo anders hin.

„Nein danke! Wir müssen sowieso wieder hinein“, sagte sie nach einer endlos scheinenden Weile. Und dabei sah sie ihm direkt in die Augen. Es traf ihn wie ein Schlag. Er biss sich auf die Lippen, denn ihr Blick war so gleichgültig, dass es ihm wehtat. Und am liebsten hätte er ihren Kopf genommen, ihn an sich gezogen und ihren Mund geküsst. Denn dann hätte er wenigstens ihren gleichgültigen Blick nicht mehr ertragen müssen.

Stattdessen riss er sich zusammen und sagte: „Du kommst doch am nächsten Freitag vorbei?“

Irma sah ihn an, als könnte sie ihren Ohren nicht trauen, und Chris merkte, dass auch Ralf und die liebreizende Mandy ihn anglotzten.

„Och, ich weiß nicht. Kommt drauf an...“ Irma sah aus, als wollte sie ihm gleich an die Kehle gehen, und das war das letzte, was er bezweckte. Was bezweckte er überhaupt? Er wollte nur mit ihr reden, sich in Erinnerung bringen, sich vergewissern, dass sie am Freitag vorbeikommen würde. Himmeldonnerwetter, wie bescheiden er doch geworden war...

Irma machte mit den Schultern eine Bewegung, als wollte sie ein lästiges Insekt verscheuchen, dann drehte sie sich langsam um und ging einfach weg. Und Ralf, der übrigens ziemlich verwirrt aussah, folgte ihr natürlich.

 

Oh Scheiße, bleib’ doch!

 

Als hätte sie seinen geistigen Hilferuf gehört, kam sie noch einmal zurück, und er starrte sie erleichtert und hoffnungsvoll an, obwohl er nicht wusste, was er eigentlich erwartete.

Sie nahm ihr Glas vom Tisch und warf ihm einen spöttischen Blick zu. „Ich muss es zurückbringen...“

Sie nahm das Glas und schlenderte langsam weg, aber dann auf einmal dreht sie sich um, und er starrte sie wie hypnotisiert an.

„Ach ja, viel Spaß noch!“ sagte sie.

 

Der Abend war im Eimer, schlimmer hätte es nicht kommen können.

Chris sah ihr hinterher. Sie trug einen halblangen fliederfarbenen Rock und darüber ein schwarzes Mieder, es war weit ausgeschnitten, aber es war nicht entblößend, denn darunter trug sie etwas Weißes mit Spitzen. Sie erinnerte ihn an Schneewittchen, und sie sah hinreißend aus! Ihre Sachen waren immer so dezent, aber trotzdem auffallend. Dagegen sah seine junge Begleiterin aus wie ein, ach war ja auch egal. Irma war weg, und sie legte wohl keinen Wert auf seine Gesellschaft. Oder war sie sauer auf ihn, weil er eine Frau bei sich hatte? Aber die konnte sie doch nicht als Konkurrenz ansehen. Die war ein Nichts! Ein überaus lästiges Nichts.

Chris fühlte sich elend. Warum war er überhaupt in die Oper gegangen? Um sich beschissener als vorher zu fühlen? Möglich... Wahrscheinlich hatte er einen Hang zur Selbstzerstörung, und das war schlecht. Er sollte besser einen Schlussstrich ziehen. Irma war nicht gut für ihn, er fühlte sich ihretwegen beschissen, und das tat weh. Sehr sehr weh.

Wenn das Liebe war, dann brauchte er sie nicht. Er musste dem ein Ende bereiten, denn wenn er so weitermachte, dann würde er sich wirklich zerstören.

Aber konnte er sich ein Leben ohne Irma vorstellen? Nein. Er konnte es nicht, und er wollte auch sein altes Leben nicht wieder aufnehmen. Es würde schal und unbefriedigend sein, nach Irma. Allein der Gedanke daran war schrecklich. Aber was sollte er tun? Es musste doch eine Möglichkeit geben, ihr zu zeigen, was er fühlte. Er musste es erzwingen, mal längere Zeit mit ihr zu verbringen und nicht nur einen Abend und eine Nacht. Aber wie? Und wenn sie ihn trotzdem zurückwies, über ihn lachte...

Chris stöhnte auf, und Kusine Mandy sah ihn erstaunt an.

„Sag’ mal, hast du was mit der?“ fragte sie ihn tatsächlich.

Chris starrte sie wortlos an. Hast du was mit der? Das war so was von daneben, so was von banal, es traf die Sache nicht im geringsten.

 

„Ich hab’ nicht nur was mit der, ich liebe sie auch!“ So, es war gesagt, und es stimmte.

Kusine Mandy starrte ihn mit offenem Mund an und brachte zur Abwechslung mal kein Wort heraus.

Na also, endlich hielt sie die Klappe, hatte es kapiert, dass er sie nur benutzt hatte, um in die Oper zu gehen. Und um Irma zu sehen...

„Tja, das sollten wir feiern, Mandylein!“

Chris wollte es sich nicht zumuten, den Rest der Oper auch noch zu sehen, mit Irma im Hintergrund. Er ging einfach hinaus in die frische Luft des Septemberabends, und Mandy musste ihm wohl oder übel folgen.

Was für eine Scheiße, dachte er.. 

~~~~~~~~~~~

 

Das ist dann wohl die Wahrheit, sagte sich Irma, als sie wieder auf ihrem Platz saß. Wieso hatte sie nie damit gerechnet, ihn durch Zufall zu treffen. Aber war es ein Zufall? Hatte sie sich nicht irgendwann mit Jessi über diese Oper unterhalten und sogar den Termin am Telefon genannt? Das konnte kein Zufall sein. Aber was sollte das? Er war doch kein Opernfan, er mochte eher Jazz und Funk, zum Beispiel Level 42, die sie ihm letztens mitgebracht hatte - und zu deren Musik sie dann unvergleichlichen Sex erlebte*, der ja schon fast mystisch war. Oh nein, sie hatte sich voll in seine Hände gegeben, ihm vertraut...

Und jetzt war er auf einmal hier? Mit Kusine? Na gut, warum nicht, Chris gab sich doch nicht mit so einem Blag ab, das war doch gar nicht seine Art. Aber eigentlich wusste sie doch gar nicht, was seine Art war, und wen er, na ja... Und sein Blick war so seltsam gewesen, was hatte das alles zu bedeuten? Wollte er sie niedermachen?

Irma fühlte sich hin und her gerissen. Bis jetzt hatte sie mit Chris in einer abgeschotteten Welt gelebt, in der es nur sie beide gab und ihre Bettsachen. Irma verzog den Mund. Aber jetzt war die Wirklichkeit in diese abgeschottete Welt eingebrochen, und Irma fragte sich, ob sie das ertragen könnte. Dazu war ihr Verhältnis viel zu... ja was war es? Es war ein Nichts, genau! Es funktionierte nur, wenn kein anderer dabei war. Und die gemeinsamen Kneipenbesuche zählten dabei nicht. Es waren keine Freunde, die sie dort trafen.

Aber konnte sie die Außenwelt ertragen? Die anderen Frauen? Seine Freunde, die über die anderen Frauen Bescheid wussten? Nein, nein, nein, das konnte sie nicht. Aber was sollte sie tun?

Irma erkannte zu ihrer Bestürzung, dass sie Angst davor hatte, mit Chris Schluss zu machen. Oh Gott warum, sie fühlte doch nichts für ihn, außer im Bett natürlich, aber das konnte doch nicht so ausschlaggebend sein. Oder doch? War sie ihm irgendwie hörig? Irma saß starr in ihrer Loge und grübelte vor sich hin. Von der Oper bekam sie nicht mehr viel mit.

Sie konnte das mit Chris natürlich nicht ewig durchziehen, dazu war sie auch gar nicht der Typ. Sie wollte einen Mann, der sie liebte und den sie auch liebte und mit dem sie eines Tages Kinder haben würde. Und so gesehen war Chris die absolute Sackgasse. Obwohl es geil mit ihm war. Aber auf Dauer würde es nicht gehen. Irma griff sich wieder an die Augen, und dieses Mal war es nicht wegen der traurigen Arie, sondern es war der Vorgeschmack auf die Zeit ohne Chris. Obwohl sie ihn doch gar nicht mochte...

Was sollte sie nun tun? Am besten so, als wäre gar nichts geschehen. Und vielleicht war ja auch gar nichts geschehen.

 

‚Schließ nur weiter die Augen, Irma’, sagte ihr lästiger Verstand.

‚Ja das tue ich’, erwiderte Irma patzig, ‚und ist ja auch egal. Warum sollte ich auf ihn verzichten, er ist absolut gut im Bett, das finde ich so schnell nirgendwo anders – und vor allem weiß ich, woran ich mit ihm bin...’

‚Da weißt du aber was Tolles!’

‚Und du, du hast überhaupt keine Ahnung!’

 

Irma spürte, wie Ralf sie von der Seite her ansah. Sie würde ihrem besten Freund wohl einiges erklären müssen, und es würde ihm nicht passen. Aber das war ihr im Moment egal.

 

Fortsetzung folgt

 

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Alle Irma-Chris Geschichten sind auf meiner Homepage, und zwar dort:
http://ingridgrote.de/html/bucher.html
Ingrid Grote, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 26.02.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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