Klaus-D. Heid

Zweitracht ...

Das babylonische Spiel mit Worten

Da es eine Einsamkeit gibt, gibt es eine Zweisamkeit. Äußerst selten findet man jedoch den Ausdruck ‚Siebensamkeit‘ im Gespräch. Ähnlich verhält es sich mit der Silbe ‚an‘ und ‚zu‘. Selbstverständlich benutzt man zur Umschreibung (warum nicht auch Umsagung?) den Begriff ‚anmutig‘. Da nun das Gegenteil von ‚an‘ ‚zu‘ ist, müßte doch auch nach laienhaften Verständnis das Wörtchen ‚anfeige‘ existieren oder aber zumindest, um die Umkehrung der Silbe ‚an‘ zu erreichen, das Wort ‚zumutig‘ im Wortschatz vorhanden sein. Ist es aber nicht! Schon ungewöhnlicher sind sogenannt ‚eingebürgerte‘ Begriffe des täglichen Lebens, die eine Funktion beschreiben sollen. Jeder kennt die Diskussion um ‚Frisöse‘ oder - nun – ‚Friseurin‘. Jeder kennt auch die ewig männliche Umschreibung einer Kontrollperson. Da sagt man natürlich ‚Kontrolleur‘! Haben Sie aber schon jemals die neue Fraulichkeit nachsinnen hören, daß das Wort ‚Kontrollöse‘ durch ‚Kontrolleurin‘ ausgetauscht werden soll? Nicht? Eben! Hier zeigt sich die Laschheit und Inkonsequenz feministischer Selbstbehauptung. Noch ein paar typische Demonstrationsbeispiele? Kennen Sie in Ihrem Bekanntenkreis eine ‚Maurerin‘? Aber doch sicher eine Architektin! Aha! Wie wäre es mit einer ‚Bundeskanzlerin‘? Hand auf´s Herz. Bundeskanzlerin hört sich nicht ganz erstzunehmend an! Ministerin hingegen klingt schon etwas selbstverständlicher. Eine gewisse Lernfähigkeit aus erzwungenen Gegebenheiten scheint somit möglich. Doch, was meinen Sie, wie viele Kanzlerinnen es braucht, bis hier etwas Routine im Sprachgebrauch einkehrt? Wahrscheinlicher ist da schon die Verweiblichung alteingefleischter männlicher Begriffe wie ‚Mond‘, ‚Computer‘ und ‚Krieg‘. Bitte versuchen Sie sich vorzustellen, wie die (die!) Raumkapsel die ‚Möndin‘ umkreist, während das Personal auf der (der!) Erde Daten in die ‚Computerin‘ eingibt. Unterdessen tobt auf Mutter Erde (also doch: die Erde) eine ‚Kriegin‘ und zerstört durch Einsätze von Atombömbinnen den Welterich! Unglaublich? Übrigens unglaublich: gibt es unglaublich, gibt es dann auch durch das weglassen der Vorsilbe ‚un‘ das Wort ‚Glaublich‘?

In diesem Falle bedient sich unsere Sprache des Wortes ‚Glaubhaft‘. Darin enthalten die Silbe ‚...haft‘, die wiederum eher Negatives assoziiert, als Positives. ‚Sittenhaft, Einzelhaft und Haftpulver‘ haben zwar miteinander recht wenig zu tun, kommen aber durch das Festhalten in sich in greifbare Nähe. ‚Greifbar‘ ist auch so ein schöner Begriff, der wie ‚haltbar‘ und ‚unsichtbar‘ oder ‚Nachtbar‘, vielleicht auch ‚Nachbar‘ nichts mit der Silbe ‚bar‘ zu tun hat, wenn diese als Beschreibung einer Zahlungsweise zu tun hat. Einzig die ‚Nachtbar‘ könnte auch mit der Zahlungsweise in Verbindung gebracht werden, wenn die Notwendigkeit dies erfordert...

Möchten Sie etwas über die verquere Bedeutung der Straßen- und Eisenbahn nachdenken? Was meinen Sie? Weshalb heißt die Straßenbahn, Straßenbahn? Richtig! Weil sie auch auf Straßen ihre Bahnen zieht. Und die Eisenbahn? Zieht die auf Eisen ihre Bahnen? Im Prinzip, ja. Weil sie ja auf Eisenbahnen, oder besser ‚Schienen’ fährt. Tut aber die Straßenbahn auch! Also nennt man die eine so, weil sie auf und die andere so, weil sie darüber fährt!? Unsinn? Haben Sie eigentlich auch eine Gartenzwergin in Ihrem Vorgarten? Oder schmückt den Garten ein weiblicher Gartenzwerg? Bedeutet das, daß es auch einen weiblichen Mann gibt? Eine männliche Frau? Und zwar in aller Konsequenz? Wußten Sie schon, daß es ‚der Baum‘ heißt, daß aber die Erle, die Buche und die Kiefer, weiblich sind? Wie wir hier merken, kann also durchaus ein männlicher Baum einen weiblichen Namen tragen. Die Folgerung in Bezug auf den Menschen wäre dann ein stark behaarter, Italotyp, Machoverschnitt mit dem Vornamen ‚Susi‘! Unmöglich ist, einen vergleichbaren Fall im Bereich der Blumenflora zu finden. Dort ist weiblich auch richtig weiblich. Da gibt es keine Blume, die ‚der Aster‘oder ‚der Rose‘ heißt. Wie sich‘s gehört, ist die Blume weiblich. Basta! Probleme bekommt der logisch denkende Mensch (der Mensch!) nur dann, wenn eine Anhäufung von Blumen ‚Strauß‘ genannt wird. Schon wird aus vielen weiblichen Blümchen eine männliche Einheit: ‚Der Strauß‘! Sozusagen eine Geschlechtsumwandlung durch Zusammenlegung mehrerer gleichgeschlechtlicher Artgenossen. Verzeihung, ‚Artgenossinnen‘

Hatten Sie schon einmal Gelegenheit, einem Politiker bei einer Rede zu lauschen? Wenn er mit den Worten „Meine sehr verehrten Damen und Herren\" beginnt?

Ist Ihnen dabei jemals aufgefallen, daß er 1. Damen und Herren getrennt anspricht und 2. die Damen sein Eigen nennt und 3. die Herren nicht? Wie kommt er überhaupt dazu, Sie oder mich ‚sein‘ zu nennen, wo wir doch wahrscheinlich längst oder in Bälde jemand anders gehören? Stop!

Sie gehören unter Umständen mit einem Partner zusammen; aber gehören sie ihm auch? Die Redewendung ‚wir gehören zusammen...‘ ist eine Selbstverständlichkeit. Der Ausspruch „...ich gehöre ihm/ihr\" läßt den Zuhörer schon an dem Selbstbewußtsein des Sprechenden zweifeln. Zum Glück sind Kinder nicht in der Situation, im frühen Kindesalter über Selbstbewußtsein nachdenken zu müssen. Ansonsten würden Kinder bestimmt Probleme bekommen, als ‚Sache‘ gesehen zu werden. Denn ‚das Kind‘ ist nun mal sächlich, im Gegensatz zu ‚die Frau‘ oder ‚der Mann‘. Etwas herangereift wird dann aus der Sache Kind ‚der Jugendliche‘. Und erst – und wieder in der Häufung vieler Einzelner - wird aus ‚der Jugendliche‘ - die ‚Jugendlichen‘. Selten benutzt der Bundesbürger einen Satz wie: „Die jugendliche Schnöselin kennt keine Zucht und Ordnung!“. Häufiger ist dann doch der Satz: „Der jugendliche Schnösel kennt keine Zucht und Ordnung!“. Schnell wird aus Worten wie z.B. ‚der Radikale‘ in der Vielzahl ‚die Radikalen‘. Wann jedoch sprach ein Nachrichtensprecher (bemerken Sie, daß ich automatisch die männliche Floskel nutze?) den Satz: „Die Radikale warf mit Steinen nach der Kanzlerin!\"? Das ‚der Radikale‘ mit Steinen nach ‚dem Kanzler‘ warf, ist hingegen wieder eine Selbstverständlichkeit im Wortgebrauch.

Wenn Sie dazu einen Einfall haben, fragen Sie sich doch einmal, warum Sie nicht einen ‚Dreifall‘ hatten! Und wundern Sie sich nicht über die Häufigkeit des Wortes ‚Fall‘, das Sie z.B. auch im ‚Durchfall‘ wiederfinden. Auch im ‚Abfall‘ steckt dieses Wörtchen. So kann denn etwas ‚abfallen‘ und das Produkt ist ‚Abfall‘. Stimmt das? Ihre Diamanten besetzte Brosche im Wert von einigen tausend Mark fällt von der Bluse ab. ‚Abfall‘? Ihnen fällt ein Fall ein, der Sie schon lange beschäftigt. ‚Einfall‘?

Ihnen fallen drei Fälle ein, die Sie schon lange beschäftigen. Drei ‚Einfälle‘ oder ein ‚Dreifall‘? Und ‚umfallen‘? Sie fallen aufgrund starker Sonneneinwirkung auf dem Marktplatz um. War das denn ein ‚Umfall‘ oder eher ein ‚Unfall‘? Wenn es ein Unfall war, sind Sie dann ‚verunfallt‘? In Befürchtung des Kommenden sagen Sie da, ich möchte nicht ‚verunfallen‘ oder nutzen Sie die Formulierung: ich möchte nicht ‚verunglücken‘? Bleibt Ihnen das ‚Unglück‘ erspart, sind Sie dann ‚verglückt‘?

Sie merken, hier herrscht ein heilloses Durcheinander mit Worten und Silben, mit Möglichkeiten und Unmöglichkeiten. Zum Schluß nun die Verabschiedung. Hier haben Sie die Wahl zwischen Sache, Mann und Frau. Sagen Sie, Sie sind am Ende, ist dies sächlich. Das Ende. Ist Ihnen der männliche Ausklang lieber, nutzen Sie ‚den Schluß‘. Der Schluß. Behagt Ihnen die weibliche Form am meisten, müssen Sie wohl oder übel das sächliche ‚Ende‘ mit etwas Buchstabensalat garnieren. Beenden Sie einfach die Sache mit einem ‚Be‘ und einem ‚gung‘ und schließen Sie zum Ende mit einer Beendigung! Die Beendigung findet somit Ihr Ende, damit der Schluß am Ende schließt. Und denken Sie bloß nicht darüber nach, daß zwar der Schluß ‚männlich‘ , hingegen die ‚Schließung‘ weiblich und das ‚Schloß‘ wiederum sächlich ist. Machen Sie‘s wie ich: hörten Sie ganz einfach auf, zuzuhören! Dabei nur als Abschluß Eines:

Zuhören bedeutet eigentlich, die Ohren offen zu halten, um etwas mitzubekommen. Warum aber heißt es dann ‚zuhören‘ und nicht ‚aufhören‘? Beim Zuhören also immer die Ohren auf!

Und beim Aufhören immer die Ohren zu?

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Langsam gehe ich auf das sechzigste Lebensjahr zu. Da hinter mir nahezu jede emotionale Erinnerung »verschwindet«, besitze ich keinerlei sichtbare Erinnerung! Vieles von dem, was ich Ihnen aus meinem Leben berichte, beruht auf alten Notizen, Erinnerungen meiner Frau und meiner Mutter oder vielleicht auch auf sogenannten »falschen Erinnerungen«. Ich selbst erinnere mich nicht an meine Kindheit, Jugend, nicht an meine Heirat und auch nicht an andere hochemotionale Ereignisse, die mich zu dem gemacht haben, was ich heute bin.

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