Daniel Siegele

Woodstock mit Hasen und Eichhörnchen

 

Auf einer – zumindest aus der Sicht von Hasen und Eichhörnchen – recht großen Waldlichtung findet – sofern das Wetter mitspielt – vom wärmer gewordenen Frühling bis zum beginnenden Herbst an möglichst jedem Samstagabend ein „tierisches“ Musikfestival der sehr munteren Art statt. Zu den Hauptakteuren dieses Festivals gehören vier lebhafte Eichhörnchen, die – auf einem der unteren Äste eines Baumes sitzend – oft einen ganzen langen Abend bestreiten, indem sie – ebenso laut wie falsch singend und mit fröhlichem Dilettantismus auf kleinen Klampfen spielend – jedes verfügbare Liedgut enthusiastisch gegen den Strich bürsten.

Die vier Eichhörnchen lassen es nicht einfach nur damit sein Bewenden haben, daß sie ihr Fell für jeden großen Auftritt kräftig lilarosa färben – sie tun noch sehr viel Weiteres, indem sie äußerst skurrile und geradezu alberne Gesänge im steten Wechsel mit eigentlich tieftraurigen und zu Herzen gehenden Balladen zum Besten geben, weshalb sich die in großer Zahl zuhörenden Hasen, Mäuse und Igel abwechselnd vor Lachen ausschütten oder einander tränenüberströmt in den Pfoten liegen – wirklich traurig ist auch bei den eigentlich tragischsten Balladen allerdings niemand, weil die Eichhörnchen auch diese gnadenlos veralbern, indem sie auswärts schielen, die Tonlage so wenig wie möglich halten, und während des Vortrages so lebhaft herumhopsen, daß es ihnen oft noch gerade eben gelingt, nicht vom Ast zu fallen.

Zu einem nicht geringen Teil rührt die ausgelassene Stimmung, die während des hier beschriebenen „tierischen“ Musikfestivals herrscht, von der Trinkfreudigkeit sowohl der vortragenden Künstler, als auch der feiernden Zuhörerschaft her, weshalb die allgemeine Munterkeit mit jeder weiteren Stunde des Abends und der anschließenden Nacht auch immer weiter zunimmt. Wenn sie eine der besonders anrührenden Balladen nach besten Kräften veralbert und durch den Kakao gezogen haben, müssen sich die vier vortragenden Eichhörnchen vor dem nächsten Lied erst ein wenig beruhigen, indem sie sich zunächst mit dem Schweif ihres Astnachbarn die von (Lach-)Tränen nassen Augen trocken und die Nase putzen.

Wenn sich die Eichhörnchen dann wieder einigermaßen hergerichtet haben, unterhalten sie ihre zahlreichen Zuhörer vor dem nächsten fröhlich-albernen oder skurril-traurigen Gesang gerne mit einer kleinen komischen Schauspieleinlage, indem sie einander beispielsweise gegenseitig vorwerfen, den Ton beim Gesang und mit der Klampfe überhaupt nicht halten zu können und außerdem dauernd aus dem Rhythmus zu fallen – die lebhaftesten Vorwürfe kommen dann natürlich von dem Bandmitglied, das beim vorhergehenden Lied mit voller Absicht ganz besonders falsch gesungen und gespielt hat.

Während der Gesänge – und ebenso während der komischen Einlagen dazwischen – drehen unten im Publikum Hasen, Igel und Mäuschen ihre Runden, die aus kleinen Körben verschiedene Waldfrüchte und in kleinen Flaschen auch flüssige Stimmungsmacher anbieten, damit die ganze Gesellschaft bis in die späte Nacht und den beginnenden Morgen hinein noch so recht munter bleibt – als Folge davon müssen spätestens in der zweiten Nachthälfte allerdings auch schon die ersten Enthusiasten nach Hause gebracht werden, wobei manche von ihnen jedoch nur noch zwischen zwei hilfsbereiten Freunden (oder sogar auf einer improvisierten Trage) bis zur eigenen Haustür gelangen.

Einer unserer Freunde – er soll hier einmal Friederich heißen – wird dann auch in der schon beschriebenen Weise von zwei Trink- und Kegelkumpanen nach Hause zu seiner Frau Marianne gebracht, die ihren Friedrich – wie schon so oft und daher auch in routinierter Weise – an der Wohnungstür in Empfang nimmt. Marianne dankt Friedrichs Freunden dafür, daß sie ihren lebensfrohen Ehemann einmal mehr sicher nach Hause gebracht haben und macht sich dann daran, den trotzt seines Zustandes noch erstaunlich munteren Friedrich zu seinem Bett zu befördern.

Zu Mariannes Verdruß mag der reichlich betrunkene Friedrich aber durchaus noch nicht schlafen gehen, statt dessen ist er sehr darauf bedacht, seinen beiden Freunden hinterherzulaufen, die – wie er aus reichlicher Erfahrung annimmt – jetzt bestimmt noch kegeln und in ihrer Lieblingskneipe einen trinken gehen wollen. Während Marianne ihren Friedrich also nach besten Kräften zu seinem Bett hin zieht oder schiebt, strebt ihr Ehemann – so gut er eben noch kann – der Wohnungstür zu, wobei er seiner Marianne in einem fort seelische Grausamkeit vorwirft, weil sie – seine eigene Frau – ihn nicht mit seinen Kumpels zum Kegeln gehen lassen will.

Obwohl es Marianne zu guter Letzt doch noch gelingt, ihren widerstrebenden Friedrich ins Bett zu verfrachten, hat ihr Verdruß durchaus noch kein Ende, weil der reichlich betrunkene Friedrich im Halbschlaf noch während mehrerer Stunden vor sich hin lamentiert und viel verworrenes Zeug über seine Lieblingskneipe, Kegeln und seine so sehr grausame Marianne erzählt, die ihm überhaupt keinen Spaß gönnen würde. Marianne erlebt eine der unangenehmsten Nächte ihres ganzen bisherigen Lebens, weil sie fast bis in die Morgendämmerung hinein das Gebrummel ihres Gatten anhören muß und sich nur frustriert ihre großen, haarigen Ohren zuhalten kann.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.03.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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