Ceri Summers

Haunted - Der Kauf

"Glaubst du an Geister?"
Verwirrt drehte ich mich zu der alten, grauhaarigen Frau um. Sie war kleiner als ich, und obwohl ich nur Turnschuh trug, musste ich auf sie hinab sehen.
"Wie bitte?", fragte ich etwas irritiert.
Die alte Frau (Mrs. Miller? Mrs. Minner? Wie hieß sie doch gleich?) nickte zu dem wunderschönen Anwesen hinter uns. "Was glaubst du warum ich es so billig verkaufe, Kleine?"   Ich runzelte die Stirn.  Wer war hier die kleinere von uns beiden?   Ich seufzte. Meine Eltern standen ein paar Meter abseits und redeten mit dem  Börsenmakler, der uns dieses traumhafte Haus mit dem zauberhaften grüne Palmengarten vermittelt hatte.  Ich sah am Gesichtsausdruck meiner Muter, dass sie ganz begeistert war.  Die Sonne strahlte, es waren um die 36 °C und ich schwitzte.  Wieso nur, mussten die Verrückten immer mich ansprechen?
"Was ist mit Geistern?", fragte ich leicht genervt.
Mrs. Miller (oder Mrs. Minner. Wie auch immer sie hieß) verzog ihren Mund zu einem leichen Lächeln. "Das Haus. Sie leben darin."  Ich zog eine (ja eine. Nach stundenlanger Übung vor dem Spiegel hatte ich das jetzt drauf) Augenbraue hoch. "In Ihrem Haus?"   
Das Lächeln der Frau wurde breiter. "Eurem Haus, Liebling. Deine Eltern unterschreiben gerade."
Ich warf einen Blick zu Mom und Dad hinüber. Man konnte sehen, dass sie vollkommen in das Haus verliebt waren. Aber, dass sie gerade irgendeinen Kaufsvertrag unterschrieben, wagte ich zu bezweifeln.
"Es ist der Grund, weshalb ich verkaufe. Keiner meiner Mieter will mehr in dem Haus leben."
"Wegen den Geistern", sagte ich sarkastisch.
Sie nickte. "Wegen den Geistern."
Wunderbar. Die Verkäuferin war ein Spinner.
Ich drehte mich unauffällig weg und fing an mich besonders stark für einen Bambusstrauch neben mir zu interessieren, doch sie redete weiter.
"Die letzte Familie hat es keine zwei Monate darin ausgehalten", fuhr sie fort, als hätte ich sie darum gebeten.  
Etwas ungeduldig sah ich mich wieder nach meinen Eltern und dem Börsenmakler um. Wie lange hatten sie noch vor, mich hier alleine mit ihr stehen zu lassen?  "Weißt du, sie hatten sogar eine kleine Tochter. Die hat sie sogar gesehen. Wir anderen hören nur die Schreie."
Ich sah der alten Frau ins Gesicht. Sie grinste, als sie erkannte, dass sie endlich meine ungeteilte Aufmerksamkeit hatte. "Schreie?", fragte ich.
Wieder nickte sie begierig. "Schreie. Jede Nacht. Egal wie spät."
Ich schluckte. Meine Augen wanderten zu der Traumvilla. Sie war weiß und glänzte im Sonnenlicht. Sie sah ganz und garnicht bedrohlich aus. Ich dachte nach. Schreie...
"Türen die sich von alleine schließen. Fenster, die wie von unsichtbare Hand geöffnet werden. Und Schritte, wenn man alleine im Haus ist. " Die Frau zählte ihre unheimlichen Spukgeschichten wie Fakten von den Fingern ab.
"Fünf Familien. Fünf Familien in den letzten zwei Jahren. Keiner hat es länger dort ausgehalten." Auch Mrs. Miller (Minner. Wie auch immer.)  sah nachdenklich auf ihr Haus zurück. "Es wird Zeit, dass ich es verkaufe."
Ich warf meinen Eltern eine flüchtigen Blick zu. Ich wollte nicht, dass sie bemerkten, wie ich auf die Erzählungen der Frau einging.  Wo sie doch verrückt war und all das. "Haben sie...haben sie sie auch gesehen?"
Sie lachte. "Kleine, ich hab meine Kindheit in dem Haus verbracht. Und wie ich sie gesehen habe."
Als sie meinen Blick bemerkte, fügte sie leise hinzu: "Und keine 10 Pferde bekommen mich dazu, in das Haus zurück zu gehen."
Trotz der Hitze bekam ich langsam eine Gänsehaut. Verrückt oder nicht, was unsere Verkäuferin erzählte war unheimlich.
"Sie haben mich nachts gerufen. Meinen Namen. Und das jede Nacht, die ich in dem Haus verbracht habe. "
"Wieso erzählen sie mir das alles?", fragte ich unsicher.
Die Frau zuckte die Schultern. "Du solltest nicht überrascht sein, wenn du sie hörst. Ich dachte ich sollte dich vorwarnen." Sie sah mich kritisch von der Seite an. "Du scheinst ein kluges Kind zu sein. Du hättest auch so erkannt, dass etwas nicht stimmt mit dem Haus."
"Was wenn ich meinen Eltern davon erzähle? Und sie dann das Haus nicht mehr kaufen wollen?", ich sprach schnell und ich merkte selbst, dass ich mich kindisch anhörte.  Die Frau warf mir einen spöttischen Blick zu. "Was willst du ihnen erzählen, Mädchen? Dass es spukt? Wie alt bist du? 16? 17?"
Ich ballte die Hände zu Fäusten. "Ich bin 17."
Sie zuckte wieder die Achseln und gestikulierte zu dem wunderbaren Anwesen. "Du würdest dir die Chance auf dieses Traumhaus verderben? Diesen großen Garten vergessen? Dieses Haus fallen lassen? Weil dir eine verrückte, alte Dame erzählt, dass es darin spukt?"
Ich öffnete den Mund um etwas zu antworten und schloss ihn dann wieder. Sie hatte Recht. Wer glaubte schon an Geister?  Die Frau war verrückt. Total. Oder sie war einfach so einsam und verbittert, dass sie sich einen Spaß daraus machte, junge Mädchen zu verunsichern. Was auch immer.
"Ella, komm doch bitte mal her!", winkte mich meine Mom zu ihr.  Ich warf Mrs. Miller (oder Minner) einen letzten Blick zu. Sie hatte die Arme verschränkt und grinste beinahe selbstgefällig.   "Und, Ellie, mein Schatz? Was hälst du davon?", strahlte Mom mich an. "Ich...", begann ich. "Liebling", unterbrach mich mein Dad, "dieses Haus ist unglaublich günstig. Du weißt, dass wir uns sonst nicht so ein Haus und Gründstück leisten können, oder? Ella, sollen wir es kaufen?"
Die beiden sahen mich so hoffnungsvoll und glücklich an. Ich schluckte. "Klar Dad, Ich liebe das Haus. Kaufen wir es." 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 24.04.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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