Hella Schümann

Loslassen

 

Paul saß am Ufer der Ostsee und schaute betrübt aufs Wasser.

Immer wenn er hier saß umgab ihn eine seltsame Traurigkeit.

Manchmal, wenn der Wind vom Wasser her kam war ihm,

als hörte er ein Kind singen, eine melancholische Melodie.

Diese Melodie zog ihn mit solcher Macht zum Wasser, dass

er eines Tages beschloss, hineinzutauchen in die Wellen und

sich treiben zu lassen. Es war, als würde er von dieser Melodie

auf der Oberfläche des Wassers getragen, immer weiter und

weiter hinaus.

Plötzlich fröstelte er, er war in eine eiskalte Strömung geraten.

Sein Körper wurde schwerer und schwerer, die Kräfte verließen

ihn und er sank in die Tiefe. Mit offenen Augen trieb er einer Stadt

entgegen, die dort auf dem Meeresgrund lag. Gerade wurden in

den Häusern ein paar Lichter angezündet. Er blickte von außen in

eine Stube. Dort saß das Mädchen und sang diese eine wunderschöne

Melodie. Ihm wurde ganz warm ums Herz, er hätte gerne dieses

Mädchen begrüßt, doch er traute sich nicht. Da schaute sie zum

Fenster und als sie ihn sah, winkte sie, er solle hereinkommen.

Wo bin ich hier,“ fragte er. „Dies ist ein Geheimnis, “antwortete das

Mädchen und es lächelte auf eine wundersame Weise. „Aber wie kann

ich Dich dann hier besuchen,“ wollte Paul wissen. „Nur Menschen die

sterben können das.“ 

Und das Mädchen ergriff seine beiden Hände und lächelte wieder so

liebevoll, dass er sich hingab, losließ, dem Leben entfremdet.

 

 

Dies ist eine Geschichte vom Sterben. Da man immer wieder damit konfrontiert wird, habe ich mir mal Gedanken gemacht. Sterben heißt für mich loslassen.Hella Schümann, Anmerkung zur Geschichte

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