Ingrid Grote

TOPP, die Wette – doch der letzte...

Die Autorin hat sich nun doch noch entschlossen, den echten letzten Teil zu schreiben. Der ist zwar überflüssig, aber sie mag ihn. Und eigentlich ist er ihr bester... Also:

 

ERKENNTNISSE

 

Dieser Blick! Es ist ein mörderischer Blick, er trifft Chris wie ein Schlag und lässt ihn leicht zurücktaumeln.

Verdammt noch mal, hasst sie ihn etwa? Ist das die Wahrheit? Aber wieso hasst sie ihn? Er hat ihr doch nichts getan.

 

Automatisch erinnert er sich an die letzte Nacht, als sie einschlief, während er noch in ihr war. Er wollte diese Verbindung aufrecht erhalten, solange es ging, auch wenn sie nur rein körperlich war. Ihre Haut fühlte sich so zart an, er küsste sie auf ihr Haar und legte vorsichtig den Arm um sie. Er war einfach glücklich. Dich zu lieben, dich berühren, mein Verlangen, dich zu spüren... Der dusselige Text von einem Schlager kam ihm in den Sinn. Aber er fühlte das tatsächlich, und am liebsten hätte er ihr Gesicht angeschaut, doch er wusste auch so, dass sie friedlich und schön aussah.

Nach einer Weile, die erfüllt war mit seltsamen unbekannten Gefühlen wie Beschützertrieb, Zärtlichkeit und Liebe, Liebe, Liebe, bekam er Angst. Was wäre, wenn sie aufwachte und sich in seinen Armen wiederfand? Er ließ sie vorsichtig los und drehte sich unauffällig zur Seite. Er hätte es nicht ertragen können, von ihr abgewiesen zu werden. Aber obwohl er sie nicht mehr berührte, spürte er immer noch ihre Wärme, es war zwar nur ein Abglanz von ihr, aber sogar dieser Abglanz machte ihn glücklich.

Irgendwann schlief er ein. Und irgendwann träumte er wieder diesen Traum, er hasste den Traum, er wusste nicht, was er bedeutete, er wusste nur, dass er Angst davor hatte. Doch dann fühlte er die zarte Berührung einer Hand, die federleicht auf seiner Schulter lag – Irma sagte leise: Ist ja schon gut. Du träumst nur. Und er ließ sich getröstet in einen traumlosen Schlaf fallen.

 

Aber jetzt ist sie wohl stinksauer auf ihn. Dieser mörderische Blick... Warum, was ist los? Wie schamlos Siggy sie angeglotzt hat, fast hätte er dem Idioten dafür eins aufs Maul gegeben. Und was hat Siggy da eigentlich erzählt?

Oh nein, die angeblich so geile Kusine... Aber deswegen kann sie doch nicht so... Ach du Scheiße, denkt sie etwa, er hätte mit seiner Kusine geschlafen? Aua!

Chris’ analytischer Verstand kommt innerhalb von fünf Sekunden zu der Erkenntnis: Sie ist sauer auf ihn, und das kann bedeuten, dass sie eifersüchtig ist. Und wenn sie eifersüchtig ist, kann es vielleicht bedeuten, dass sie Gefühle für ihn hat. Und das wäre – er atmet tief aus – vielleicht der Anfang für sie beide...

Irma zeigt Emotionen, und diese Erkenntnis ist neu für ihn. Sie hat sich bis jetzt immer so cool und ungerührt verhalten, aber vielleicht ist sie das ja gar nicht.

Chris fühlt sich so erleichtert, dass er gar nicht auf die Idee kommt, Siggy auf seine blöden Anspielungen zu antworten. Mit ein paar deutlichen Worten, wie zum Beispiel: Nein, ich habe die Kusine nicht gefickt, du Idiot! Ich liebe Irma, und ich hoffe, sie liebt mich auch...

Sie wendet sich zur Tür, und er schaut ihr wie gelähmt hinterher. Warum kann er sie nicht festhalten, warum kriegt er den Mund nicht auf? Wer weiß, was sie jetzt anstellt, sie benimmt sich ja immer so impulsiv, hoffentlich stürzt sie sich nicht in irgend etwas hinein. Mit einem anderen Mann womöglich... Man sollte sie übers Knie legen und ihr den Hintern versohlen, falls sie... Hmmm, verführerischer Gedanke... Träum’ weiter, du Idiot! Er liebt sie, und er ist gut für sie. Er wird sie unterstützen, er wird sie ehren, er wird ihr treu sein, er wird sie über alles verwöhnen – und wenn nötig, wird er sie auch zurechtstauchen...

Das hört sich ja fast an wie eine Eheformel. Chris staunt über sich selber. Wer hätte jemals gedacht, dass so etwas in ihm steckt, aber es ist unzweifelhaft da. Und er schämt sich nicht dafür, er hat immer das getan, was er für richtig hielt, er hat nie einer Frau etwas vorgemacht, hat nie eine belogen, hat nie gesagt, dass er sie liebt. Auch die, mit der er ein halbes Jahr zusammen war, hat er nicht belogen. Und auch jetzt wird er nicht lügen, er wird zu seinen Gefühlen stehen und wenn nötig, wird er darum kämpfen.

 

Wie in Zeitlupe sieht er Irma die Treppe hochgehen. Der Drang, ihr hinterher zu laufen ist groß, aber er beherrscht sich. Wenn sie ihn will, dann wird sie irgendwann von alleine kommen. Und wenn nicht, dann muss er sich etwas einfallen lassen.

 

~~~~~~~~~~~

 

WARTEN AUF WAS ???

 

Verdammte Kusine, verdammter blöder Chris! Irmas Stimmung ist mörderisch, dauernd muss sie daran denken, wie Siggy mit ein paar Worten alles zerstörte, woran sie wohl geglaubt hat. Das Wochenende mit der Oper war doch fast schon vergessen, die Phantome der Oper hat sie sich nur eingebildet, und selbst die Kusine war nicht wichtig.

Ha, und dann träumt Chris einen schlechten Traum, und sie lässt sich von seiner Hilflosigkeit einlullen? Wie bescheuert!

Hahaha, boah, was ist deine Kusine hübsch, du Glücklicher! Hast es ihr hoffentlich ordentlich gegeben... Das sind die Tatsachen und nicht ihre sentimentalen Vorstellungen. Alles kommt wieder in ihr hoch, obwohl sie es ja so genial verdrängt hat. Chris mit einer anderen Frau... Allein die Vorstellung daran tut Irma weh, und das ist nicht in Ordnung, daran will sie nicht denken. Sie muss die Gedanken daran vertreiben, die gehören nicht zu dem Programm mit Chris. Chris ist Sex ohne Gefühle, Chris sieht gut aus, Chris ist ohne Verpflichtungen, Chris ist einmalig, aber er ist nicht für sie bestimmt. Und hoffentlich auch für keine andere Frau. denn keine von denen hat ihn verdient.

Huch, was zum Teufel denkst du da, Irma? Chris ist Chris, und so toll ist er nun auch wieder nicht. Abgesehen von seinem Aussehen, seinen Kenntnissen im Bett, seiner Intelligenz, seinem Witz...

Scheiße, der Mistkerl ist gut, es gibt keinen Vergleichbaren. Aber es gibt auch keinen, der so unverschämt, so arrogant und vor allem so unfähig ist, sich zu verlieben. Hmmm, oder war er etwa schon in andere Frauen verliebt? Wen juckt’s, Irma prustet zornig vor sich hin. Sie will weg von ihm, dieser Mist bringt ihr doch gar nichts!

 

Okay, da ist diese Einladung von Harald.

Vielleicht wird die alles ändern. Sie will doch einfach nur geliebt werden, sie will selber lieben, und sie will respektiert werden, denn es haben schon viele Männer versucht, ihr Wesen umzukrempeln. Sie will natürlich keinen Hampelmann, der sich alles gefallen lässt, aber wenn jemand sie als das annimmt, was sie ist, dann würde sie alles für ihn tun. Hmmm, natürlich nur, wenn sie ihn lieben würde...

Irma grübelt weiter. Aber bis jetzt hat es nie geklappt. Der Ex hat sie schamlos betrogen, und sofort nach der Trennung von ihm hat sie sich ohne Plan hysterisch in die Suche nach einem neuen Kerl gestürzt. Und wieder klappte es nicht. Hans-Peter oder Klaus-Peter – wie auch immer der hieß – wollte dass sie Röcke trug, wollte sie auf der Stelle heiraten, wollte in ihre Wohnung einziehen, wollte ein Kind mit ihr, wollte mit ihr angeben. Irma fühlte sich schwer unter Druck gesetzt und zog sich zurück.

...Und landete in der nächsten Katastrophe, und zwar mit Bernie, der sie gar nicht wollte. Von einem Extrem ins andere...

Dann kam ein One-Night-Stand, denn so einen musste man ja unbedingt als Frau haben. Ihre Freundinnen waren Spezialistinnen darin, die legten sich einfach hin – und dann Orgasmus... Aber für Irma war dieser One-Night-Stand so enttäuschend, dass sie an sich selber zweifelte und es nicht noch einmal versuchen wollte. Doch was tat sie Monate später? Landete mit dem dunklen Felipe-Gott im Bett. Irma schüttelt den Kopf und lacht auf, denn diesen Stand, der so verheißungsvoll begann, hat sie nicht einmal gestanden. Was ist sie nur für eine Pfeife! Aber vielleicht lag es ja an Chris.

Denn in der Zwischenzeit hatte sie Chris kennen gelernt. Chris, den Supermann. Aber die Fronten wurden schon am ersten Abend geklärt, er wollte nur mit ihr schlafen. Na ja, immerhin...

Chris gibt ihrem Körper, was er braucht. Trotzdem ist sie frei und kann in aller Ruhe nach dem suchen, der für sie bestimmt ist. Eigentlich sollte alles bestens sein. Doch trotzdem würmelt da etwas im Hintergrund und versaut ihr alles.

 

~~~~~~~~~~~

 

Auch der Abend mit Harald wird dadurch versaut. Aber warum? Harald hat doch so eine beruhigende Wirkung auf sie, man könnte ihn, wenn man böse wäre, fast schon als Schlaftablette bezeichnen.

Es fängt schon an, als sie mit ihm in der S-Bahn sitzt. Sie ist zwar gespannt darauf, in was für eine Behausung er sie führen wird, aber gleichzeitig fühlt sie sich fremd. Harald ist ihr fremd, auch wenn er noch so nett ist. Und eigentlich gehört sie nicht hier hin, sie sollte besser... Nein, um Himmels Willen, jetzt nach der blöden Sache mit dieser Scheiß Kusine hat sie keine andere Wahl, sie will nicht die Idiotin sein, über die man lacht, weil sie einem Kerl treu ist, der es mit anderen Weibern treibt.

Irma schaut zum Fenster hinaus, aber sie sieht kaum etwas von der vorbeifliegenden Landschaft. Ihre Mundwinkel zittern, aber dann reißt sie sich zusammen und unterhält sich zerstreut mit Harald.

 

Als das Ziel erreicht ist, vergisst sie kurzfristig ihren Frust. Mal wirklich was anderes! Haralds Bekannter, ein arbeitsloser Architekt wohnt auf dem Grundstück einer nie fertig gebauten Neubauruine, deren Betonwände ohne Fenster immerhin schon ein Dach und ein paar angedeutete Zimmer haben. Der Architekt – Irma und er können sich übrigens auf Anhieb nicht ausstehen – haust in einem Wohnwagen am Rande des Grundstücks. Für die körperlichen Ergüsse steht ein Pixi-Klo zur Verfügung. Es erinnert Irma irgendwie an die Plumpsklos in ihrem Heimatdorf, und vorsichtshalber checkt sie die üppigen Büsche ab, welche das Grundstück umgeben, denn vielleicht kann man dort besser seine Notdurft verrichten...

Sie muss das unbedingt Chris erzählen, der liebt so interessante Örtlichkeiten. Sie wird natürlich nicht erwähnen, dass sie mit einem Kerl hier war. Madame, genau, sie wird Madame vorschieben. Die passt gut hier hin!

Oh Mist! Chris... Sie will ihn doch gar nicht wiedersehen, aber trotzdem ist er da, irgendwie hat er sich in ihrem Gehirn eingenistet...

Irma spricht dem ausgezeichneten Rotwein des Gastgebers zu, und allmählich erlebt sie den Abend wie in kurzen bewegten Bildern, manchmal mit Ton hinterlegt und manchmal auch im Stil einer Schwarzweißfilm-Groteske.

 

Szene 1  Harald klimpert auf seiner Gitarre herum, Irma mag das, sie bewundert Leute, die ein Instrument spielen können, sie selber kann das nicht, sie kann nur Geschichten schreiben. Irma streichelt ihm über sein schwarzes langes Haar. Harald schaut sie verträumt an, er hat eine gewisse Ähnlichkeit mit Keanu Reeves.

Zwei junge Typen die aussehen wie Theologiestudenten oder wie Jesuitenzöglinge, unterhalten sich angeregt. Sie hängen aufeinander wie die Kletten, und der Gastgeber mag sie anscheinend sehr.

 

Szene 2   Ein Diplom-Ingenieur, Irma weiß das, weil er es immer wieder erwähnt, erscheint mit seiner Frau. Die Gattin ist Diplom-Psychologin, auch das wird immer wieder erwähnt. Sie haben ihre Kinder mitgebracht, ein Mädchen und einen Jungen. Der Junge ist älter als das Mädchen. Beide verhalten sich total schüchtern und toben nicht in den Ecken der Neubauruine herum, wie Kinder es tun sollten. Komische Kinder, denkt Irma.

 

Szene 3   Michael, der Gastgeber lässt sich über seine Kindheit aus. Er ist wohl in einem sehr gutbürgerlichen Hause aufgewachsen.

„Ach ja, wie war das früher schön“, schwärmt er. „Meine Eltern besaßen ein Musikzimmer mit einem Klavier, und es wurde immer Hausmusik gemacht. Ja, das war noch Kultur!“ Er spricht Kultur so genüsslich aus, als ob man sie essen könnte, mit einem langen uuu und einem rollenden rrr. Kultuuurrr... Hört sich irgendwie zum Anbeißen an.

 

Szene 4   Das gegrillte Zeugs ist unheimlich lecker und der Rotwein auch. Es wird dunkel, es wird kälter, und es fängt langsam an zu nieseln. Es nieselt sich in einen penetranten Regen hinein. Alle Anwesenden ziehen sich in die Neubauruine zurück, die immerhin schon ein Dach hat, und man unterhält sich über Kultuuurrr...

Irma geht ab und zu aufs Pixi-Klo, um sich auszulachen. Das ist der einzige Ort, wo man sich auslachen kann.

 

Szene 5   Allmählich schaltet Irma geistig ab. Sie kriegt nur noch mit – während sie den vermutlich sehr teuren französischen Rotwein trinkt – dass die sooo emanzipierte Frau Diplompsychologin ihre verschüchterten Kinderchen nach Hause bringen muss, während ihr Gatte munter weitersäuft, als ob ihn diese Familiensache überhaupt nichts angeht.

Und wenig später versucht er tatsächlich, klein Irma anzumachen! Das ist absolut lächerlich! Klein Irma bekommt fast einen Schluckauf und geht wieder aufs Pixi-Klo.

 

Szene 6   Die Neubauruine erinnert an ein Bühnenstück, da standen die Leute auch in irgendwelchen Ruinen herum und schienen auf irgendetwas zu warten.

Michael hat anscheinend die gleiche Idee. „Das kommt mir vor wie in diesem französischen Schauspiel“, bemerkt er. „Wie ‚Warten auf Godot’. Von wem ist das noch? Ich komm’ jetzt nicht drauf.“

„Samuel Beckett“, sagt Irma spontan. „Ich glaub’, der war Ire...“

„Tatsächlich“, meint Michael daraufhin, „fallen einem manchmal die einfachsten Sachen nicht ein...“

Du Arsch, denkt Irma daraufhin und besucht wieder das Pixi-Klo. Sie und das Pixi-Klo sind mittlerweile gute Freunde...

 

Szene 7   Man zieht sich in den Wohnwagen zurück, dort ist es richtig gemütlich und vor allem viel trockener. Irma spielt Skat mit Harald und den beiden Jesuitenzöglingen. Irma ist alles so egal, dass sie auf volles Risiko spielt, und sie gewinnt, sie gewinnt viel. Pech in der Liebe, Glück im Spiel...

Der Gastgeber sitzt nebenan mit drei Leuten und redet schlaues Zeug. „Skatspielen finde ich irgendwie proletenhaft“, meint er, hat wohl mitgekriegt, dass Irma, das aufsässige Proletenkind das Spiel angeregt hat. Haha, Irma findet das lustig. Mittlerweile ist die letzte S-Bahn weg, und sie gewinnt immer noch...

 

Szene 8   Sie liegt neben Harald auf diesem komischen Klappbett, es fühlt sich fremd an. Auch Haralds Körper fühlt sich fremd an, und sie rutscht unwillkürlich ein Stück von ihm weg. Harald scheint zu spüren, dass sie ein wenig daneben ist, und er legt den Arm um sie. Irma macht sich ganz steif und schüttelt seinen Arm ab. Er hat nicht das Recht, sie zu trösten, er ist unwichtig, sein Trost ist unwichtig, und sie weiß überhaupt nicht, was sie hier tut.

 

Szene 9   Bis zum Morgengrauen vergeht eine endlos lange quälende Zeit. Auch das Frühstück ist quälend. Michael erzählt total lächerliche Sachen, nämlich wie sie damals die Frauen penetriert haben.

Was heißt penetriert?

Sie sitzt neben Harald in der S-Bahn, und sie schweigen beide.

Sie sehnt sich nach Chris’ Bett und vor allem nach seinem Körper, auch wenn dieser Körper vielleicht anderen Frauen Freude bereitet.

Aber nächste Woche wird sie nicht bei ihm andackeln, da muss er schon selber kommen.

 

~~~~~~~~~~~

 

BREAKING THE WALL

 

Sie sieht ihn seltsam an, als sie die Tür aufmacht. Nein, sie sieht ihn gar nicht seltsam an, sondern an ihm vorbei. Was ist los mit ihr? Verunsichert geht er in die Küche und setzt sich dort auf einen Stuhl.

Nach kurzem Zögern folgt sie ihm und räumt zerstreut Geschirr in einen Hängeschrank. Immer noch weicht sie seinem Blick aus. Und sie ist so seltsam ruhig

„Was ist los?“

Sie schaut an ihm vorbei und sagt locker: „Gar nichts...“

Na toll, jetzt ist er wieder verunsichert. Dieses Weib zeigt nicht die geringste Gefühlsregung. Er will doch nur ein Zeichen von ihr, aber da ist nichts, da ist nur Ausweichen, es ist zum verrückt werden!

Er weiß gar nichts von ihr, er weiß eigentlich nur, wie er diese Barriere zwischen ihnen durchbrechen kann. Breaking the wall... Ja genau, das ist es. Und er will sie durchbrechen. Er will SIE!

Er steht auf und fängt langsam an, seinen Gürtel zu öffnen. Die Schnalle klimpert ein wenig, und er lässt dabei Irmas Blick nicht los. Das ist nicht schwer, denn mittlerweile hängt ihr Blick an ihm, der Blick sieht ängstlich aus und auch schuldbewusst.

Schuldbewusst? Was hat sie getan? Meint sie etwa, er wolle sie mit dem Gürtel züchtigen? Ärger durchzuckt ihn wie ein Messerstich.

„Hast es wohl verdient, was?“ Seine Stimme klingt brutal. Und in diesem Augenblick meint er es auch so.

Sie starrt ihn an, und es sieht aus, als würden ihr gleich die Tränen kommen. Das bringt ihn wieder zur Besinnung, oh Gott, er will nicht, dass sie weint. Aber er will sie auch besitzen. Nein nicht besitzen, er will doch nur, dass sie sich zu ihm bekennt. Und wenn jetzt nicht, dann irgendwann einmal vielleicht...

Er geht auf sie zu und nimmt sie in seine Arme. Irma fängt heftig an zu atmen, und sie sackt irgendwie zusammen, als würden die Füße unter ihr nachgeben.

Chris sagt kein Wort, instinktiv weiß er, dass Worte im Moment nichts bringen, er drängt sie nur unaufhaltsam ins Schlafzimmer, wo sie sich fieberhaft auszieht, während er sie dabei beobachtet.

Sie lässt sich auf das Bett sinken und schaut teilnahmslos an die Decke. Aber sie ist nicht teilnahmslos, das weiß er.

„Sag’ mir, was du willst!“ Seine Stimme klingt erregt.

 

~~~~~~~~~~~

 

„Sag’ mir, was du willst!“

Oh Gott, er öffnet seinen Gürtel, klimpert damit herum, und schon kriegt sie Gewissensbisse? WARUM? Sie hat doch nichts getan. Hat nur neben einem anderen Mann die Nacht verbracht. Wohlgemerkt NEBEN einem anderen Mann. Und trotzdem hat sie Gewissenbisse? Er hat doch viel mehr Dreck am Stecken als sie. Stecken? Sinnig, sinnig... Aber sie will ihn, sie ist dabei, sich fallen zu lassen, und instinktiv weiß sie, dass er sie auffangen wird. Das sagt zumindest ihr Körper. Ihr Gehirn gibt natürlich keinen Muckser von sich. Hat sich wohl verabschiedet...

„Ich will... dich!“ bricht es aus ihr hervor. Chris liebt es, solche Sachen zu hören. Er findet es antörnend. Oh ja.

Und dieses Mal findet er es wohl besonders antörnend, er macht sich nicht einmal die Mühe, sie irgendwie zu stimulieren, nein, er tut es einfach und dringt unerbittlich in sie ein.

Und sie lässt sich nehmen und mitreißen, bis sie schließlich nur noch ein Bündel zuckendes Fleisch ist. Und außer ihm, der so tief in ihr ist, ist da noch etwas anderes tief in ihr, dem sie aber nicht traut, denn wenn sie es herauskommen lässt, dann ist sie wohl verloren. Also drin lassen, ignorieren, vergessen, alles...

Meine Güte... Es ist überwältigend, und sie klammert sich an ihn, als wollte sie ihn nie wieder loslassen.

Aber natürlich lässt sie ihn los, und er fällt keuchend neben sie, aber erst nachdem er ihren Mund kurz geküsst hat.

 

„Irma?“

„Ja was denn?“ Irma ist immer noch atemlos, ihr Körper schwingt immer noch nach in einem seltsamen Gemisch aus Wollust und Selbstaufgabe. Selbstaufgabe? Was für ein Quatsch!

„Was Siggy da angedeutet hat“, Chris’ Stimme klingt zögerlich und leicht belegt. „Das glaubst du doch wohl nicht.“

„Was?“ Irma schaut ihn erstaunt von der Seite her an. Was will er von ihr? War die Situation nicht schon peinlich genug?

„Na, dass ich...“

„Wen juckt’s, das interessiert doch keine Sau! Du kannst machen, was du willst. Und ich kann auch machen, was ich will!“ Irma wendet sich unwirsch ab. Was soll das? Wenn er meint, sie würde in Tränen zerfließen, weil er ihr ja angeblich so treu war, dann hat er sich geschnitten. Sie wird sich nicht weh tun lassen. Sie weiß, wie er ist, und sie nimmt sich nur das von ihm, was sie kriegen kann. Und das ist nicht das Schlechteste.

 

Chris beißt sich auf die Unterlippe. Na super! Verdammt noch mal, die Frau ist ja so hochmütig, am liebsten würde er sie schütteln...

„Sag’ mal, kennst du den Ausdruck penetrieren?“

„Wie kommst du da drauf?“ Chris schaut sie erstaunt an. Sie überrascht ihn immer wieder.

„Kennst du ihn oder nicht?“

„Hat irgendwas mit Bumsen zu tun“, sagt er schließlich.

„Mit Bumsen?“ Irmas Augen werden sehr groß.

„Ja mit Bumsen. Penetrieren ist ein Ausdruck für Bumsen.“

„Hätte ich nicht gedacht! Ich dachte, das wäre was mit auf die Nerven gehen. Penetrant und so...“

„Findest du das penetrant?“ Chris beugt sich zu ihr und streicht zart mit dem Finger über ihre rechte Brust.

„No Sir!“ Irma schnappt nach Luft und windet sich erwartungsvoll unter seinem Finger...

 

~~~~~~~~~~~

 

FRÜHSTÜCKSCAFÉ

 

Er mag das Frühstückscafé, der Kaffee riecht aromatisch, und die Brötchen schmecken ausgezeichnet. Aber am meisten mag er es, mit Irma hier zu sein. Sie war tatsächlich einverstanden, mit ihm frühstücken zu gehen – und das grenzt schon an ein Wunder.

Er sitzt ihr gegenüber, und Irma beißt gerade mit Appetit in ein Käse-Brötchen. Er sieht ihr gerne beim Essen zu. Er mag Frauen, die Appetit haben. Und Irma mag er ganz besonders.

 

Vom Nebentisch klingt Geplapper herüber. Er schaut kurz hin. Ein Mann und eine Frau, sie unterhalten sich über Sex.

„Aber Sex ist doch nicht so wichtig“, sagt die Frau gerade. Sie sieht mürrisch aus, und ihre Mundwinkel sind heruntergezogen. Du lieber Himmel, der Typ kann’s ihr nicht richtig besorgen...

„Was meinst du dazu, Irma?“ Christopher beugt sich zu ihr hinüber und spielt mit ihrer zierlichen Halskette. Irma sieht ihn zuerst verwirrt an, aber dann kontert sie sofort.

„Ich finde auch, dass Sex nicht so wichtig in einer Beziehung ist!“

Das ist mein Mädchen, denkt er belustigt. Immer große Klappe haben und vor allem sich nichts anmerken lassen.

„Ach findest du?“ sagt er sanft, während ein gewisser Plan gerade in seinem Kopf Gestalt annimmt. Es geht um eine Wette…

 

 

Und die befindet sich hier in diesem Theater oder  DORT>>>

 

© Ingrid Grote 2009   

 

PS: Nachdem ich mich nun genug über die beiden ausgelassen habe, kann ich es immer noch nicht lassen. Ich habe etwas neues in Planung, es handelt vom Ernst der Liebe, aber das kann dauern, denn keine Zeit, keine Zeit... Ich danke allen, die diese Story gelesen haben und verabschiede mich erst einmal. 

Es geht weiter, und zwar hier:
http://www.e-stories.de/view-kurzgeschichten.phtml?26502+liebe

Aber seid gewarnt, das ist kein Zuckerschlecken, sondern höchst dramatisch...
Ingrid Grote, Anmerkung zur Geschichte

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Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Ingrid Grote).
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 07.05.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

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