Rico Graf

Ein Versuch über das Ästhetische bei Schiller (Essay)

 

Ein Versuch über das Ästhetische bei Schiller – mit Gedanken zur Freiheit, Vernunft und Moral

 

Ein Essay zum Lobe Schillers – ohne wissenschaftlichen Anspruch

 

 

Ich habe Schillers „Kallias-Briefe“ gelesen, auch seine Abhandlung „Über Anmut und Würde“. Bevor ich mir das Recht herausnähme und etwas über Ästhetik schriebe, müsste ich vielleicht ein weites Feld an Literatur durchwandern. Mindestens jedoch den Begründer philosophischer Ästhetik sollte man gelesen, an dieser Stelle genannt haben: Baumgarten und seine Schrift Aesthetica. Oder vielleicht nenne ich auch noch einen Mendelssohn…

Mein  Ziel solle weniger die Kritik sein, als vielmehr ein Lob an Schiller. Natürlich ist er neben Goethe die Inkarnation der Weimarer Klassik. Sie steht für die Epoche des Idealismus, der sich nach der kantischen Verwissenschaftlichung des Begriffs der Ästhetik, die vormals als Wissenschaft der sinnlichen Erkenntnis angewandt wurde und sich folglich als Lehre vom Schönen etablierte, am Schönen orientierte. Klassik war Ausgleichssuche – die Sehnsucht nach der Harmonie, ästhetisch wie politisch. Idealistisch daran war, dass vor allem Schiller schon an seiner ästhetischen Betrachtung der menschlichen Seele insofern scheiterte, als dass er deren Vollkommenheit als Menschenendziel deklarierte – ein Ideal. Ideale waren ergo Unerreichbarkeiten, wobei sich die Frage stellte, warum etwas anprangern und sich nach etwas anderem sehnen, wenn auch getan werden könnte? Zwar sind für ihn Schönheit und Vollkommenheit keine  indifferenten Begriffe, in diesem Zusammenhang möchte ich sie aber synonym verwenden, einfach deswegen, weil es um dasselbe Ziel geht: um die uralte Vereinigung des Sinnlichen mit dem Sittlichen. Ob dies schön ist? Da stellt sich die Frage, was Schönheit denn sei? Ästhetik war ein idealistischer Begriff! Idealismus ist daher heut gut und gern ein belächelter Begriff. Führte er postum zu Missbräuchen Goethischer wie Schillerscher Werke, indem gerade Unterwürfigkeit gegenüber Obrigkeit als harmonisierende Wirkkraft zur Erfüllung irdischer Lebweise suggeriert wurde, waren die Impulse der Literaten doch anders gemeint. Doch dazu an dieser Stelle genug.

 

Leider war auch Schillers Versuch, Kants Leugnung eines Prinzips für die objektive Maßstabssetzung zur Definition von Schönheit zu durchbrechen, indem er jenen „Stein der Weisen“ zu finden glaubte, gescheitert, doch bauen seine Theorien auf die Kantische Definition von Schönheit „Das Schöne ist das Symbol des Sittlich-Guten“ auf. Und damit sind diese wiederum maßstäblich und unverzichtbar. Sein Versuch war die Deduktion von Schönheit a priori. Früh jedoch bemerkte er, dass seine Definition „Schönheit ist Freiheit in der Erscheinung“ doch nur – wenn überhaupt – auf empirischem Wege abzuleiten wäre. Der Versuch also, Ästhetik so zu definieren, dass durch den reinen Gedanken ein methodisches Vorgehen erlaubt sei, welches durch gewisse Instrumente dazu befähigt, etwas dem Menschen Erscheinendes als schön bemessen zu können, war ihm unmöglich – auch zu seinem Ärger. Kant blieb der Sieger, denn eine empirische Untersuchung käme einer Befragung eines jeden Menschen gleich, um Tendenzen oder gar Maximen zu erkennen. Das war ihm damals kaum möglich. Auch ist die These der Schönheit als Freiheit in der Erscheinung denkwürdig. Freiheit ist ein Vernunftbegriff, der sogar hochidealistischen Charakter hat. In der Natur existiert Freiheit als Ding an sich eo ipso nicht. Sie ist ein Begriff. Das heißt, wenn wir etwas als frei betrachten, dann nur, weil es unsere Vorstellung darüber sei, aber niemals, weil es sie (Freiheit) tatsächlich in der Natur gibt. Man betrachte das Tier in der freien Natur. Es ist ohne die Vernunft schlichtweg gleich, ob jemand es als frei oder unfrei (in welcher Weise auch immer) beschreibt. Freiheit ist ergo ein Begriff, der keine Allgemeingültigkeit in dem Sinne erfährt, wie der Begriff Stein. Es ist per se kein besonders großer Akt der Kraft, den Begriff der Freiheit als „allgemein akzeptabel“ zu definieren. Der fliegende Vogel sei es, oder das Händchen haltende Pärchen, welches nackend und lachend über eine Sommerwiese in den Sonnenuntergang hineinläuft. Für den Inhaftierten ist es der bloße Mensch, den er vom Gitterfenster heraus ansieht, auch (aber!) wenn er nicht weiß, dass dieser von einem anderen erpresst wird und daher (möglich) mit suizidalen Gedanken durch die Straße läuft, demnach gar nicht frei ist. Doch schon an dieser Stelle zeigt, der Freiheitsbegriff lässt sich offenbar nur metaphorisch übersetzen. Freiheit als etwas Objektives zu sehen, scheint rational kaum möglich, anders aber sinnlich: Ergo unsere Vorstellung durch die Erscheinung. Doch inwiefern ist die Erscheinung so evident in Bezug auf die Freiheit, als dass die Vernunft ihr das Freiheitliche auch real zuteilen könnte? Die Freiheit ist ein historisch begründeter Begriff. Unsere Vorstellungen von Freiheit beruhen auf unseren Erkenntnissen, die sich aus dem Erfahren des Gegenteiligen ergeben. So zumindest die Dialektik. Daher vermutet der Mensch eine allgemeingültige Formulierung der Freiheit. In Wirklichkeit aber gibt es diese Allgemeingültigkeit in der Welt mit den Dingen an sich nicht. Insofern hat Schiller Recht, wenn er die Freiheit in der Erscheinung sucht, die subjektiv erkannt werden kann. Ob aber nun das Freiheitliche, das der Sinnenwelt erscheint, schön ist, muss überlegt werden. Die Vernunft gibt den Begriff, das Sinnliche die wahrgenommene Anschauung einer Erscheinung. Doch wann ist etwas schön? Kann die Vernunft etwas, wie Schiller es versuchte, durch Bewertungskriterien als allgemeingültig schön bemessen? Ist Ästhetik etwas Bestimmbares? Über Geschmack lässt sich nicht streiten. Ist der Geschmack hiermit ein Sammelbegriff unserer Sinne, so heißt es, dass die schöne Erscheinung subjektiv ist. Gibt es eine objektive Schönheit? Tatsächlich findet sich in der Natur häufiger der Goldene Schnitt an, auch werden bestimmte körperliche Proportionen als schön erkannt (wobei bereits hier im soziokulturellen Bereich stark differenziert werden kann, dieses Argument seine Wirkung ergo verliert), auch wird Licht immer schöner sein als Dunkel (wobei die Allgemeingültigkeit auf der Sinnenwelt basiert, da Sonnenlicht die Vitalität und damit die Funktionalität des lebendes Apparates verbessert) und nicht letztlich haben die Menschen eine besonders ausgeprägte Präferenz gegenüber der Symmetrie. Aber das empfindet der Mensch aus verschiedenen Ursachen so. Das heißt, rational lässt sich durchaus Etwas als schön definieren, aber nur über die Empfindung. Das rational-objektive Prinzip ist nicht möglich. Etwas als schön zu empfinden durch die reine Vernunft scheint mir unmöglich, auch wenn man rationale Erklärungen für die Schönheit einer angeschauten Erscheinung findet. Daher ist Schillers Definition von Schönheit als Freiheit in der Erscheinung schlüssig, aber paradox. Wie kann das sein? Schlüssigkeit deswegen, weil er richtig erkennt, dass Freiheit nur in der Erscheinung empfunden werden kann. Sie ist demnach keine „objektive Größe“. Sie kann subjektiv-rational sein, weil es allgemeingültige Freiheitsbegriffe gibt, die tatsächlich aber keine universelle Validität aufbringen können, nur weil sie von jedermann so empfunden werden. Sie sei wie jeder Vernunftbegriff auch subjektiv-sinnlich, da Freiheit gefühlt, obgleich gar nicht darüber nachgedacht wird. Und sie sei sinnlich-objektiv, d.h. indem die Gefühlswelt sowie die Anschauung per se nach Anblick des Schönen analysiert und erklärt wird. Freiheit ist zudem auch ein moralischer Begriff. Vernunft und Moral sind nicht zwangsläufig auf einer Linie. In diesem Falle hat sie einen ethischen Charakter, der nichts mit ästhetischen Betrachtungen zu tun haben muss. Warum aber paradox? Die Schönheit wird a priori durch den Begriff der Freiheit eingesperrt. Denn die These bezieht keine andere Alternative des Schönheitsbegriffes mit ein. Schiller wusste, dass schöne Dinge nicht frei sind. Um praktische Vernunft auf die „schöne Welt der Dinge an sich“ zu projizieren, das Schöne mit der Freiheit ergo zu verbinden, musste die Definition Schillers durch das „Nichtvonaußenbestimmtsein“ erklärt werden. Schön sei ergo etwas, dass von außen nicht bestimmt oder einem Zwecke unterworfen scheine – etwas, dass nur seinem eigenen Gesetze folge – dies sei schön. Dieses Etwas sei also nur symbolisch für den Freiheitsbegriff praktischer Vernunft zu verstehen. Er scheitert. Denn das Schöne ist nur noch ein Analogon der praktischen Vernunft, d.h. der Versuch den Begriff der Ästhetik rein und naturgemäß zu erfassen, wird durch die eigene Vernunft, es zu versuchen, verhindert. Schönheit bleibt eine Idee, ein Vernunftbegriff wie die Freiheit. Beides lässt sich begrifflich denken durch die Vernunft, aber beides ist in Wirklichkeit nicht auffindbar. Sie können nur durch Symbole erfahren und erkannt werden. Also eine Idee durch eine Idee zu legitimieren, obwohl beide Begriffe leer, ohne wirkliche Anschauungen sind, scheint widersinnig – die Analogie durch den Einsatz bezeichneter Symbole ist dagegen subjektiv gesehen unkontrovers: der fliegende Vogel, der sogar der Gravitation trotzt (als erster Eindruck der Widersetzung natürlicher Gesetzmäßigkeit, die beim zweiten Hinschauen jedoch wirkungslos bleibt, bei eben ihrer Erklärung des Warums), ist frei und damit schön. Dieses „Nichtvonaußenbestimmtsein“ ist möglicherweise ein idealistischer Wunsch Schillers, der im Ästhetischen die Harmonie suchte, indem er sie der erscheinenden Freiheit unterwarf. Das bedeutet, dass er scheinbar eine (vielleicht) (un)bewusste Sehnsucht nach Einklang und Gleichstimmung aufzeigte, die den Menschen per se betraf, wenn es um die dichotome Einheit aus dem Sinnlichen mit dem Sittlichen geht sowie zugleich dessen Rolle im Kollektiv. Zum anderen musste er feststellen, dass natürliche Freiheit nur erscheint, nicht aber real existiert, weil der Mensch selbst die Freiheit nur vernunftmäßig durch natürliche Symbole vorstellen kann. War es vielleicht sogar eine tragische Abhandlung? Lohnt es über die Freiheit des Menschen nachzudenken, wenn er es real dann doch nie sein kann? Weil dieser Begriff keinerlei objektive Wirklichkeit besitzt? Gibt es eine mathematische Formel für Freiheit? Zerbricht die Freiheit an der Feststellung der bloßen Existenz des Begriffes per se als Idee? Schiller war Künstler. Der Freiheitsgedanke beginnend bei der Gedankenfreiheit an sich als fundamentales Ist zur Veredelung des Menschen war ihm die Schönheit. Kunst muss nicht schön sein, aber wenn sie es war, dann war sie demnach nicht idealistisch, denn Schönheit war Freiheit in der Erscheinung. Idealistisch ist aber Freiheit in der Welt der Dinge an sich. Und diese gibt es nicht. Jetzt lässt sich darüber streiten, ob Schiller tatsächlich Idealist war. Seine Definition von Schönheit scheint mir doch sehr realistisch. Woher kommt dann aber der Begriff der Freiheit, wenn er nicht natürlich ist? Seine Realität legitimiert sich durch dessen Anwendung in unterschiedlichen Kontexten. Idealismus war eben nur dieser Ausdruck des Schönen, der gesucht war. Realismus setzte erst mit der zunehmenden Industrialisierung ein, indem in der Kunst erkannt wurde, was real war in der Erscheinung. Ist das dann aber noch ästhetisch? An dieser Stelle versage ich. Ästhetik ist Kunst, die als Spiegel der Realität fungiert? Schiller war diesem Gedanken weitab entfernt. Seine Ästhetik basierte auf seinen Idealismus, der eben jene Schönheit in der Freiheit in der Erscheinung suchte.

Um ihn zu verstehen, an dieser Stelle ein Exzerpt:

 

[…] A: Ich genieße die Gesetze.

B: Dies Recht hat auch der Mörder.

A: Wie viel mehr der gute Bürger! […]

B: Viel Selbstgefühl und kühner Mut, bei Gott! Doch das war zu erwarten – Stolz will ich den Spanier. Ich mag es gerne Leiden, wenn auch der Becher überschäumt – Ihr tratet aus meinen Diensten, hör ich?

A: Einem Bessern den Platz zu räumen, zog ich mich zurücke.

B: Das tut mir leid. Wenn solche Köpfe feiern, wie viel Verlust für meinen Staat – Vielleicht befürchtet Ihr, die Sphäre zu verfehlen, die Eures Geistes würdig ist.

A: Oh nein! Ich bin gewiss, dass der erfahrne Kenner, in Menschenseelen, seinem Stoff, geübt, beim ersten Blicke wird gelesen haben, was ich ihm taugen kann, was nicht. Ich fühle mit demutsvoller Dankbarkeit die Gnade, die Eure königliche Majestät durch diese stolze Meinung auf mich häufen; doch-

B: Ihr bedenket Euch?

A: Ich bin – ich muss gestehen, Sire – sogleich nicht vorbereitet, was ich als Bürger dieser Welt gedacht, in Worte Ihres Untertans zu kleiden. – Denn damals, Sire, als ich auf immer mit der Krone aufgehoben, glaubt ich mich auch der Notwendigkeit entbunden, ihr von diesem Schritte Gründe anzugeben.

B: So schwach sind diese Gründe anzugeben? Fürchtet Ihr dabei zu wagen?

A: Wenn ich Zeit gewinne, sie zu erschöpfen, Sire – mein Leben höchstens. Die Wahrheit aber setz ich aus, wenn Sie mir die Gunst verweigern. Zwischen Ihrer Ungnade und Geringschätzung ist mir die Wahl gelassen – Muss ich mich entscheiden, so will ich ein Verbrecher lieber als ein Tor von Ihren Augen gehen.

 

A ist Untertan von B. B verlangt in königlich-majestätischer Würde des A seine Erklärung. A schindet nicht etwa Zeit, edelmütig und bedacht weist er B auf die erschütternde Wucht dessen hin, was kommen mag, wenn B weiterhin nach A fragt, der nicht in dessen Diensten scheint stehen zu wollen. Es sollte auf die kommende Wortwahl geachtet werden. Sie ist nach Schillerscher Manier schön – würdevoll und anmutig, sofern diese Worte akrobatisch auf die ästhetische Diktion übertragen werden dürfen, denn Sprache sei an dieser Stelle Kunst – rein formal, wichtiger doch bleibt der Inhalt des Gesprochenen, denn auch hier sei Sprache Kunst…

 

B: Nun?

A: Ich kann nicht Fürstendiener sein. Ich will den Käufer nicht betrügen, Sire. – Wenn Sie mich anstellen würdigen, so wollen Sie nur die vorgewogne Tat. Sie wollen nur meinen Arm und meinen Mut im Felde, nur meinen Kopf im Rat. Nicht meine Taten, der Beifall, den sie finden am Thron, soll meiner Taten Endzweck sein. Mir aber, mir hat die Tugend eignen Wert. Das Glück, das der Monarch mit meinen Händen pflanzte, erschüf ich selbst, und Freude wäre mir und eigne Wahl, was mir nur Pflicht sein sollte. Und ist das Ihre Meinung? Können Sie in Ihrer Schöpfung fremde Schöpfer dulden? Ich aber soll zum Meißel mich erniedern, wo ich der Künstler könnte sein? – Ich liebe die Menschheit, und in Monarchien darf ich niemand lieben als mich selbst.

B: Dies Feuer ist so lobenswert. Ihr möchtet Gutes stiften. Wie Ihr es stiftet, kann dem Patrioten, dem Weisen gleich viel heißen. Suchet Euch den Posten aus in meinen Königreichen, der Euch berechtigt diesem edeln Triebe genugzutun.

A: Ich finde keinen.

B: Wie?

A: Was Eure Majestät durch meine Hand verbreiten – ist das Menschenglück? Ist das dasselbe Glück, das meine reine Liebe den Menschen gönnt? – Vor diesem Glücke würde die Majestät erzittern – Nein! Ein neues erschuf die Krone Politik – ein Glück, das SIE noch reich genug ist auszuteilen, und in dem Menschenherzen neue Triebe, die sich von diesem Glücke stillen lassen. In ihren Münzen lässt die Wahrheit schlagen, DIE Wahrheit, die sie dulden kann. Verworfen sind alle Stempel, die nicht diesem gleichen. Doch was der Krone frommen kann – ist das auch mir genug? Darf meine Bruderleibe sich zur Verkürzung meines Bruders borgen? Weiß ich ihn glücklich – eh er denken darf? Mich wählen Sie nicht, Sire, Glückseligkeit, die SIE uns prägen, auszustreun. Ich muss mich weigern, diese Stempel auszugeben. – Ich kann nicht Fürstendiener sein.

 

Hier beginnt und endet Schiller mit dem Satz: „Ich kann nicht Fürstendiener sein“. Der Inhalt ist eindeutig. A ist ein Menschenfreund, ein Humanist. Was genau das ist, müsste erschlossen werden. Menschenfreundlichkeit ist ein gewaltiger Begriff. Ist es der Glaube an die Vernunft – und damit an die Gedankenfreiheit des Menschen, die ihn gegenüber Tieren aufwertet? Und Glaube? Ist Glaube nicht etwas Ideales? Anders als Wissen? Ist es Toleranz? Der Wunsch nach Freiheit des Einzelnen, als individuelle Besonderheit des Lebens als solches? Hier ist der unmittelbare Freiheitsgedanke ausschlaggebend. Schiller griff nach diesem an dieser Stelle im politischen Sinne (historisch gesehen). Nicht im religiösen, wie sich folglich zeigen wird:

 

B: Ihr seid ein Protestant.

A: Ihr Glaube, Sire, ist auch der meinige. Ich werde missverstanden. Das war es, was ich fürchtete. Sie sehen von den Geheimnissen der Majestät durch meine Hand den Schleier weggezogen. Wer sichert Sie, dass mir noch heilig heiße, was mich zu schrecken aufhört? Ich bin gefährlich, weil ich über mich gedacht. – Ich bin es nicht mein König. Meine Wünsche verwesen mir. Die lächerliche Wut der Neuerung, die nur der Ketten Last, die sie nicht ganz zerbrechen kann, vergrößert, wird mein BLUT nie erhitzen. Das Jahrhundert ist meinem Ideal nicht reif. Ich lebe ein Bürger derer, welche kommen werden. Kann ein Gemälde Ihre Ruhe trüben? – Ihr Atem löscht es aus.

 

Die Schillerschen Züge sind hier eindeutig. Die Vision von der Freiheit. Der Idealismus. Das Gemälde als Symbol der Kunst, welche am Realismus scheitert, denn war es undenkbar, in jener Zeit vor der Französischen Revolution, dass das Hässliche, Unfreiheitliche künstlerisch-ästhetisch in Einklang gebracht werden konnte, denn Schönheit war Freiheit in der Erscheinung. Die politische Repression konnte nicht eingefangen werden in einem schönen Verständnis, dieser Atem löscht die ästhetische Kunst aus.

 

B: Bin ich der Erste, der Euch von dieser Seite kennt?

A: Von dieser – Ja!

B: Neu zum wenigsten ist dieser Ton! Die Schmeichelei erschöpft sich. Nachzuahmen erniedrigt einen Mann von Kopf. – Auch einmal die Probe von dem Gegenteil. Warum nicht? Das Überraschende macht Glück. – Wenn Ihr es so verstehet, gut, so will ich mich auf eine neue Kronbedienung richten – Den starken Geist. –

A: Ich höre, Sire, wie klein, wie niedrig Sie von Menschenwürde denken, selbst in des freien Mannes Sprache nur den Kunstgriff eines Schmeichlers sehen, und dir deucht, ich weiß, wer Sie dazu berechtigt. Die Menschen zwangen Sie dazu; DIE haben freiwillig ihres Adels sich begeben, freiwillig sich auf diese niedre Stufe herabgestellt. Erschrocken fliehen sie vor dem Gespenste ihrer innern Größe, gefallen sich in ihrer Armut, schmücken mit feiger Weisheit ihre Ketten aus, und Tugend nennt man, sie mit Anstand tragen. So überkamen Sie die Welt. So ward sie Ihrem großen Vater überliefert. Wie könnten Sie in dieser traurigen Verstümmelung – Menschen ehren?

B: Etwas wahres find ich in diesen Worten.

A: Aber schade! Da Sie den Menschen aus des Schöpfers Hand in Ihrer Hände Werk verwandelten, und dieser neugegossnen Kreatur zum Gott sich gaben – da versahen Sie’s in etwas nur: Sie blieben selbst noch Mensch – Mensch aus des Schöpfers Hand. SIE fuhren fort als Sterblicher zu leiden, zu begehren; Sie brauchen Mitgefühl – und einem Gott kann man nur opfern – zittern – zu ihm beten! Bereuenswerter Tausch! Unselige Verdrehung der Natur! – Da Sie den Menschen zu Ihrem Saitenspiel herunterstürzten, wer teilt mit Ihnen Harmonie?

 

Hier greift A den B direkt an. Der absolutistische Apparat wird an den Pranger gestellt. Denn der Absolutist selbst wird als „schwacher“ Mensch deklariert, der sich gottgleich über alle anderen stellt. Denn er hat sich selbst dazu erniedrigt! D.h. Schiller hält diese Position des Höchsten als eine Tiefste überhaupt. Denn die neue Kreatur, eine Gesellschaft unter dem Banner des in Gottes Gnaden eingesetzten Königs, ist unfrei und ungleich. Wie kann ein Einzelner sich anmaßen, über viele andere Einzelne hinweg sich als ihr gebieterischer Messias hinauf zu beschwören, obgleich er leidet und begehrt (ergo, im Gegensatz der reinen Vernunft Gottes, eine sinnlich-sittliche Abbildung des Genannten und damit einen bloßen Menschen, wie jeder andere auch, darstellt). Was  ist das für eine Position? So gottähnlich? Ist der Mensch auf dieser Position denn frei? Wenn er andere mit seinem „Saitenspiel“ instrumentalisiert? Ist die Freiheit denn die Einsamkeit in einer solchen Position?

Lange habe ich selbst darüber nachgedacht, warum in vielen Geschichten das „Böse“ immer durch ein Wesen, das nach Macht strebt, dargestellt wird. Diese Machtsucht schien stets mit dem Leiden und der Unterdrückung anderer verbunden. Aber die Alleinstellung ist gleichbedeutend mit der Einsamkeit und eben jener Gefahr der biologisch begründbaren Autodestruktion (macht Macht, ergo Einsamkeit glücklich?) durch eben diese per se, als auch durch das Drangsal von außen (Neid, Ressentiments, Rebellion usw.). Das Streben nach Macht durch die Unterbindung freiheitlicher Gefüge ist wie eine individualbezogene Sucht  (Sucht im Sinne von Streben) nach Anerkennung durch gewaltsame Höherstellung (sofern die Vernichtung der Freiheit aller durch den Einzelnen ein Äquivalent der Gewalt ist) mit bewusster Verbannung moralischer Werte. So kann in vielen Geschichten das Böse bekehrt werden, aber es tötet auch die eigenen Mannen (z.B. Verwandte, wobei dies widersprüchlich ist, da hier eine enorme Selbstzüchtigung erfolgen muss, um das genuin bedingte Fürsorgeverhalten gegenüber Blutsverwandten abzulegen). Wird es bekehrt, ist es menschlich. Denn es ist einsichtig und stellt die egoistische Sache zurück für das Gemeinwohl (Vernunft nach Moral). Tötet es Verwandte oder ist es bis zum Tode uneinsichtig, obwohl es die Freiheit der Menschen zerstören will, ist es unmenschlich. Das Töten im Sinne der gewaltsamen Durchsetzung egoistischer Belange, die die Freiheit anderer negiert, ist erlernbar, aber die Frage ist nun, ob denn auch die Gefühle dabei abgestellt werden können. Oder aber ist das Böse das andere Gute? Wo das Gute den Frieden der Freiheit sieht, sieht das andere Gute (das Böse) die Unfreiheit, die es bekämpfen will, wobei wiederum die Frage der Moral auftaucht. Ist der eine unzufrieden mit dem anderen, darf er ihn dann bekämpfen, nur weil er sicher ist (und was ist schon individuelles Sichersein), oder sollte er ihn nicht vielmehr tolerant passieren lassen? Bekämpfung drückt sich im Argumentieren aus: Argumente sind beispielsweise Sprache oder Waffen. Ich denke, dass nicht immer die Vernunft obsiegt, denn wird versucht, die Richtigkeit einer Handlung kausal bzw. logisch herzuleiten (Tolerieren, Bekämpfen), müssen Vernunftargumente walten, doch sind diese stets auch wieder abhängig von ethischen Grundfragen der jeweiligen Kulturen (ich halte Kulturen als maximale Einheiten von Menschen, in denen sich so genannte universale Allgemeingültigkeiten postulieren lassen dürften).[1]

Ein Beispiel: Wenn ich den Lesenden dieses Textes frage, ob er es gut findet, wenn jemand ihm beim Chef anschwärzt und er deswegen verwarnt wird, obwohl die Anschwärze gelogen war und der Chef sich aber keiner weiteren Auseinandersetzung hingeben will (sich ergo aus dieser Situation zurückzieht), wird er die Frage sicherlich mit „nein“ beantworten. Unabhängig der Beweggründe des anschwärzenden Kollegen, ist man nun unzufrieden mit der Situation. Man kann sie nun akzeptieren durch Toleranz, man kann sie aber auch nicht akzeptieren und entweder aus dem Betrieb (beispielsweise) ausscheiden oder den anschwärzenden Kollegen bekämpfen durch Argumentation. Ab hier gibt es die Logik der Kausalität: Ursache des Anschwärzens und Wirkung auf das Verhalten des angeschwärzten Kollegen (in der Regel multikausal). Ich schränke in diesem Beispiel die Ursachen etwas ein: Der Kollege kann den Lesenden leiden, musste aber lügen, weil er sonst geflogen wäre (X). Der Kollege kann den Lesenden dieser Arbeit (der angeschwärzte Kollege) nicht leiden (Y). Prämisse sei, der Anschwärzende ist bei direkter Ansprache sofort geständig und offeriert dem Angeschwärzten ohne Zögern X oder Y. Beides schließt sich logisch gegeneinander aus! X kann ergo niemals Y sein. Erste Ursache: X. Wie sollte reagiert werden? Kausal ist dieses Argument nachvollziehbar, denn der Angeschwärzte hilft indirekt dem Anschwärzenden. Ist das eine gute Sache? Die Vernunft sagt in Bezug auf die Freiheit: Nein! Denn es war eine latente Hilfe, die die Freiheit des Angeschwärzten einschränkt! Die Moral sagt: Nein! Denn es war unvernünftig. Oder: Ja! Denn es hätte seitens des Angeschwärzten genauso gehandelt werden können. Und es war ja für eine gute Sache. Gut müsste an dieser Stelle bewertet werden durch Positionierung. Ist es besser, der Anschwärzende wäre möglicherweise gefeuert worden und der Angeschwärzte steht neutral da. Oder ist es besser der Anschwärzende steht neutral da, aber der Angeschwärzte steht nun negativ da, wobei die Negativität im Sinne der weiterführenden Tätigkeit im Betrieb immer noch positiver ist, als die Entlassung des Anschwärzenden? Moral ist Bewertung. Der Lesende sollte nun selbst entscheiden: Tolerieren oder Bekämpfen oder den Betrieb verlassen, weil die Möglichkeit besteht, dass der Anschwärzende wiederholt unvernünftig handeln würde – moralisch handeln tut er ja in jedem Fall. An dieser Stelle ist die Eindeutigkeit von Gut und Böse moralisch nicht geklärt. Vernunftgemäß schon. Was ist dann aber Gerechtigkeit? Wie du mir, so ich dir? Ist dies vernünftig? Nein! Denn der Sachverhalt ist passé. Die Reaktion des Angeschwärzten ist ein neuer Sachverhalt und der sollte vernünftig bleiben, indem nicht in die Freiheit des Anschwärzenden eingegriffen wird.

Situation Y: Ursache ist das Nichtleidenkönnen. Unvernünftig in jedem Fall. Ethisch gesehen: unmoralisch. Aber nur, wenn das Nichtleidenkönnen Urursache ist. Das wird sie wohl kaum sein. Es muss einen Grund geben dafür. Hier gilt die Klärung der Kausalkette! Dies soll an dieser Stelle nicht geschehen. Handelt es sich tatsächlich um die Urursache Nichtleidenkönnen, kann dies dennoch keine vernünftige Entscheidung gewesen sein, jemanden anzuschwärzen, denn es wurde in die Freiheit eingegriffen. Freiheit soll ergo Gleichheit im Betrieb darstellen. So die Vernunft. Die Moral wäre die Achtung dieser Gleichheit: Das Verhalten des Anschwärzenden ist unmoralisch gewesen. Es war bösartig. Das Böse wirkt ergo eingreifend in die Freiheit. Das Gute darf vernünftig gesehen nicht darauf reagieren (daher gibt es in der Vernunft folgerichtig kein Gut oder Böse), indem es sich rächt durch Bekämpfung oder es einfach tolerant hinnimmt. Die Moral muss hier ansetzen, um die Gleichheit des Vernunftbegriffes zu gewährleisten. Toleranz kann demnach nur solange wirken, wie Gleichheit herrscht und nicht angegriffen wird. Ist dem nicht der Fall, wird für die Gleichheit der Freiheit des Einzelnen gekämpft werden müssen, sofern die differenten Deklinationen moralischen Handels induziert sind (hier: Fairness oder Unfairness im Kampf). Böse sei die Seite, die offenbar zuerst eine allgemein akzeptierte Ordnung der Freiheit angreift. Denn die Argumentation, sie schränke die Freiheit des Angreifers ein, besitzt vernunftmäßig keine Validität. Moralisch hingegen ist in großen Freiheitsgemeinschaften die Zuordnung von Gut und Böse wesentlich komplizierter!

Wie gezeigt wird, ist es schwer, B als gut oder böse zu bezeichnen. Böse ist er, da er die Freiheit anderer einschränkt. Doch das trifft nur zu, wenn gilt: Freiheit aller ist die Freiheit des Einzelnen. Und Freiheit des Einzelnen ist die Gleichheit aller. Harmonie unter den Individuen eines Kollektivs. Daher fragt A auch nach der Harmonie des B. Denn er ist allein mit seiner Freiheit. Die Freiheit des Einzelnen kann ergo nicht die Freiheit aller bedeuten. Harmonie unter Individuen ist nicht möglich, wenn ein einzelnes Individuum sich alle anderen unterwirft. A kann kein Gut erkennen.

 

B: Bei Gott, er greift in meine Seele!

A: Aber Ihnen bedeutet dieses Opfer nichts. Dafür sind Sie auch einzig – Ihre eigne Gattung – um diesen Preis sind Sie ein Gott. – Und schrecklich wenn das NICHT wäre – wenn für diesen Preis, für das zertretne Glück von Millionen, Sie nichts gewonnen hätten! Wenn die Freiheit, die sie vernichteten, das Einz’ge wäre, das Ihre Wünsche reifen kann? – Ich bitte mich zu entlassen, Sire. Mein Gegenstand reißt mich dahin. Mein Herz ist voll – der Reiz zu mächtig, vor dem Einzigen zu stehen, dem ich es öffnen möchte. […]

 

An dieser Stelle wird der Dialog gemäß dem Original unterbrochen. Die Weiterführung wird sich jedoch nicht ändern, bleibt theatralisch, hymnisch. Des Königs Bekehrung ist nicht möglich, da der Absolutist das Opfer seines eigenen Machtapparats darstellt und daher für sich richtig, ergo gut handelt und sich selbst unter dem Banner Gottes verbeugen muss, wobei auch an dieser Stelle neben dem Politpranger ein zweiter, der religiöse, aufgestellt wird. Es geht A um die Gedankenfreiheit. Die hat der Mensch immer. Aber die nach außen getragene Freiheit der Gedanken kann unterdrückt werden. Es ist die Sehnsucht nach der Aufklärung. Diese hier niedergeschriebenen Worte sollen nicht nur gelesen und bedacht werden. Sie müssen gefühlt werden. Der Lesende solle sich eine Welt ohne Industrie vorstellen. Eine Welt, in der die Natur noch nahe ist. In der ein Wald oder ein Bach nicht als etwas Schönes, Exotisches in unserem heutigen Verständnis gesehen, sondern (die natürliche Schönheit war jedoch stets und unabänderlich) eben öfter, „normaler“ war. Dem Menschen war die eigene Arbeit Lohn und also Brot. Aber die Felder waren weit. Die Tage erträglich, trotz despotischer Aristokratie. Die Aufklärung verhalf zur neuen Forschungslust. Empirie! Verwissenschaftlichung! Das kam in dieser Zeit erst ins Rollen. Die Technisierung war in ihren Kinderschuhen. Das Elend war die Unterdrückung durch den Absolutisten und durch die Inquisition der Mutter Kirche. Doch war der Mensch freier und selbstverantwortlicher. Die Natur begann jedoch schon alsbald zu einem bloßen Begriff zu werden. Verstädterung, Landflucht und die ganzen Prozesse der Industrialisierung entfremdeten den Menschen von der Natur nicht mehr durch dessen reine Vernunft, sondern durch die Wissenschaft, die die Natur, ergo die Schöpfung, empirisch erklärte! Schiller konnte in seiner Kunst nur das Schöne sehen wollen, denn die Hässlichkeit eines Realismus ergab sich erst durch die Technisierung. Kirche und säkularer Stand mussten einem vollkommen neuen Begriff weichen: dem Kapitalismus. Smith legte den Grundstein der freien Marktwirtschaft. Für die Menschen gab es keinen Wald mehr, oder einen Bach. Es waren die Arbeiterviertel, die ihre Umgebung waren. Altneue Krankheiten wie der Alkoholismus waren häufig. Der Begriff „soziales Elend“ trat hervor. Die Epoche des Realismus begann, später dann der Naturalismus, wobei darauf geachtet werden sollte, dass er als konsequenter Realismus zu verstehen ist. Alles was wirklich war, war auch darstellungswert. Der Linkshegelianer Marx philosophierte den Kapitalismus als langfristig untauglich und analysierte das, was die Realisten, später die Naturalisten, künstlerisch kritisierten. Die Idealisten Schiller und Goethe haben dies für undenkbar gehalten! Ästhetik? Keine Spur. Kunst war nicht mehr ästhetisch. Kunst war Spiegel der Realität. Kunst verlor sich nicht mehr im Idealismus. Waren Kritiken durch Schiller zwar vorhanden, gehörten seine Werke in das Schöne, obgleich er reale Zwänge, wie oben beschrieben, für die Schicksalsgeber des Einzelnen verantwortlich machte und dies auch kritisierte. Aber der Unterschied war der, dass die Menschen edel waren – anmutig und würdevoll. Freiheit wurde am Hofe besprochen. Die Französische Revolution hingegen hatte Schiller zutiefst erschrocken. Dass die Freiheit durch den Mob erzwungen wurde, war unidealistisch. Ein Posa würde selbst heut nicht glücklich sein. Daher behaupte ich, dass zunehmend auch das Drama – die Kunst der Sprache und auch deren Kraft durch das Gesprochene der dramatischen Figuren – mehr und mehr dem Roman Platz machte (von Goethes Werther einmal abgesehen). Die Darstellung der Wirklichkeit – unideal – war durch den Roman viel ausdrucksstärker. Und damit auch schön. Ästhetik verändert sich. So auch die Struktur der sich zunehmenden industrialisierenden Gesellschaft. Die Kunst der Sprache findet ergo immer wieder zeitgemäße Anpassungsformen. Und das scheint mir die eigentliche Ästhetik der Kunst und letztlich auch deren Freiheit. Die Weimarer Klassik endete. Was blieb, waren die Vernunftideen Freiheit und Schönheit, auch wenn die Begriffe in der Realität neue Metaphern brauchten.

A (ergo Posa) ist selbstlos. Dieses Ideal der Selbstlosigkeit, der Aufopferung für den anderen, scheint mir doch sehr sonderbar. Gibt es reine Selbstlosigkeit im evolutionstheoretischen Verständnis? Kann der Mensch die genuine Sinnlichkeit (Triebe, Machtstreben etc.) loslösen von einer reinen, vernunftvollen Gedankenwelt (die letztlich auch wieder nur genetisch zumindest fundamentalisiert wird)? Und was will er damit erreichen? Ist die Selbstlosigkeit vernünftig? Gibt sie Freiheit für alle? Selbstlosigkeit, die bedingungslose Aufopferung kann entweder total geschehen, wobei dies gänzlich im Widerspruch zur genetischen Veranlagung bzgl. der darwinistischen Lehre steht (denn es kann genetisch und damit emotional unmöglich zu solch einem Altruismus kommen). Oder der Mensch löse sich vom sinnlichen Gedankenspiel, unterwirft sich reiner Vernunft und realisiert diese Selbstlosigkeit, trotz entgegenwirkender Gefühle, wobei sich die Frage nach dem Sinn stellt? War A alias Posa aus Schillers Don Karlos daher nicht reine Utopie? Die Aufopferung ist eine Vernunftidee. Natürlich kommt diese in der Natur vor, sofern dieser Zug im darwinistischen Zusammenhang kausal ist (die Mutter stirbt für den Schutz des Kindes). Daher ist dies auch menschlich möglich, aber auch wieder nur deswegen, weil dies genetisch veranlagt wurde, seine reproduktiven Erzeugnisse bis zum Tode zu beschützen. Nur dann ist dies keine idealistische Selbstlosigkeit. Denn dahinter steckt eine Intention, die einen Nutzen stiften soll. Freie, reine Selbstlosigkeit, der absolute Verzicht ohne Bedingungen ist mir nicht bekannt. Selbst Posa wollte die Freiheit damit durchsetzen, auch wenn er gescheitert ist. Ist absolute Selbstlosigkeit real existent? Und wenn ja, ist sie die Freiheit im idealistischen Sinne? Diese Frage zu beantworten scheint mir an dieser Stelle nicht weiter angebracht. Es ging um die Schönheit – vernünftig wie sinnlich. Es ging um den Idealismus. Um die Freiheit. Und alles hier Niedergeschriebene hat längst kein Ende. Was bleibt, ist nur: Danke an Schiller! Ein bewundernswerter Mann…

 

 



[1] Diese Aussage ziehe ich wieder zurück, Anm. des Verf.

 

Beim Überfliegen dieser Zeilen musste ich hier und da etwas schmunzeln. Bitte verzeihen Sie die fehlenden Quellenangaben. Es ist ja nur Gedachtes zum Gelesenen, wer aber interessiert ist, dem sei vor allem mit den folgenden Quellen (alle von Friedrich Schiller) bedient: Don Karlos (1787/1788), Kallias oder über die Schönheit (1793) und Über Anmut und Würde (1793).Rico Graf, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.05.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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