ICH dachte immer, dass Thalidomid, der Wirkstoff des Schlafmittels
Contergan, produziert von der Firma Grünenthal, das Ende der 50-iger / Anfang
der 60-iger Jahre des 20. Jahrhunderts für die unendliche Tragödie tausender Menschen
verantwortlich war und gleichermaßen für nie dagewesene Schlagzeilen gesorgt
hatte, im Anschluss an diesen Skandal nicht nur vom deutschen Arzneimittel Markt
genommen worden wäre, was ja geschah, sondern darüber hinaus, und ich weiß gar
nicht, warum ich das dachte, ich nahm es ganz selbstverständlich an, auch
weltweit keine weitere Vermarktung erfahren hätte.
THALIDOMID zeigte bei Tests mit Mäusen und Ratten keine
antibiotische Wirkung oder andere Effekte. Obwohl das Thalidomid zunächst keine
beruhigende Wirkung bei den ersten Tierversuchen zeigte, wurde es vom
Management der Firma Grünenthal als „nicht tödliches Schlafmittel mit enormen
Marktpotential“ betrachtet. Nachdem Contergan in Deutschland 1961 vom Markt zurückgezogen wurde, wurde es weiterhin an
verschiedenen Tierarten getestet. Auch in höchsten Dosierungen konnte keine
fruchtschädigende Wirkung der Substanz an Ratten und Mäusen festgestellt werden,
die Tiere schliefen nur friedlich ein. Erst bei einer bestimmten Kaninchenrasse,
den Weißen Neuseeländern, zeigte sich eine teratogene, fruchtschädigende Wirkung.
DIESE dadurch nachgewiesene Artspezifität einer
teratogenen Wirkung war bis dato unbekannt und stellt bis heute ein Dilemma bei der Übertragbarkeit von Tierversuchsergebnissen
auf den Menschen dar.
IN der pharmazeutischen Industrie kam und kommt es immer
wieder zu „Überraschungen“ hinsichtlich der Anwendung eines Präparates. So
gelangen immer wieder Substanzen erst durch ihre Nebenwirkungen zu großem
Erfolg. Und natürlich tritt dies erst dann „so richtig deutlich“ zu Tage, wenn
ein neuer Stoff auf dem Markt ist und von ausreichend vielen Menschen
„probiert“ wird. Ein Beispiel:
DIE Zulassung von Bupropion als Antidepressivum bestand in den USA seit
1984, wurde jedoch, wegen wiederholten Meldungen von Krampfanfällen, die
teilweise tödlich endeten, 1986 zunächst wieder entzogen. Nach darauffolgenden
zusätzlichen Studien wurde festgestellt, dass Krampfanfälle eine seltene und
dosisabhängige Nebenwirkung sind. Daraufhin wurde die Zulassung in den USA 1989
in niedrigerer Dosierung wieder erteilt. In Deutschland und der Schweiz war
Bupropion bis dato als Antiraucherpille Zyban bekannt und erfolgreich,
zunächst, dann häuften sich Todesmeldungen im Zusammenhang mit der Einnahme des
Mittels. Seit 04/ 2007 ist Bupropion in Deutschland unter dem Handelsnamen
Elontril als Antidepressivum auf dem Markt und in der Schweiz unter dem Namen
Wellbutrin, obwohl die errechnete besonders niedrige Wahrscheinlichkeit für
Krampfanfälle bei dieser Präparatform in Deutschland nicht unumstritten war. Chemisch
gehört Bupropion zu den Phenylalkylaminen, genauer zu deren Untergruppe der Amphetamine. Durch die Stimulation des ZNS tritt eine
gewisse Euphorie und „Munterkeit“ ein, die mittel-und langfristig zu
Dosiserhöhung und zur Sucht führt. Da die Stimmungsaufhellung auch mit einer leichten,
zunächst wirkungsvollen, Appetitdämpfung
einhergeht, kommt Bupropion sicher bald als Appetitzügler auf den Markt.
IN der DDR wurde Thalidomid mit der Begründung, es sei
noch nicht ausreichend erprobt, von der Arzneimittelkommission abgelehnt und
nicht in den Handel gebracht. Bis 1998 mit der gleichen Begründung ebenfalls
nicht in den USA, wobei Frances Oldman Kelsey, die damals zuständige
Pharmakologin der US-Gesundheitsbehörde Food and Drug Administration höchstes
Lob gebührt, denn sie wurde von Geschäftsleuten und Politikern enorm unter
Druck gesetzt.
IM Jahr 1964 behandelte ein israelischer Arzt, Jacob
Sheskin, eine leprakranke Patientin mit Restbeständen von Contergan und stellte
am nächsten Tag verblüfft fest, dass sich ihre Geschwüre deutlich
zurückgebildet hatten. Durch diese Entdeckung, wurde Thalidomid für diese Indikation,
Lepra, getestet, vor allem in südamerikanischen Ländern wie Brasilien und Kolumbien.
Unglücklicherweise kam es dadurch zu der 2. Generation von Contergan Opfern,
denn durch die extrem hohe Analphabetisierungsrate in Brasilien, missverstanden
viele Frauen das Etikett mit einem durchgestrichenen schwangeren Bauch auf der
Verpackung als Antibabypille. Mit fatalen Folgen. Inzwischen ist die Liste der
Indikationen des Thalidomids gewachsen, es wird nicht nur gegen Lepra, sondern
auch gegen andere Erkrankungen wie verschiedene Krebsformen eingesetzt und wird
vielleicht weitere Anwendungsgebiete finden. Für jeden Menschen, der mit
Thalidomid eine bessere Lebensqualität bekommt oder überhaupt am Leben bleibt,
freue ich mich VON HERZEN, ABER FÜR JEDEN, der durch diese Substanz geschädigt
wurde, wird der neuerliche Siegeszug IMMER einen schalen Beigeschmack behalten,
zumal erst durch den oben erwähnten Film die Gespräche zwischen Tätern und
Opfern wieder aufgenommen und über Zahlungen gesprochen wurde. Die
Einmalzahlung von Grünenthal in Höhe von 100 Millionen DM an eine Stiftung, an
der sich die BRD in gleicher Höhe beteiligte, ermöglichte den Betroffenen Rentenzahlungen.
Dieses Stiftungsvermögen ist seit 27 Jahren aufgebraucht und der Staat trägt
seit 1997 die alleinigen Kosten. 2009 wurden, wie gesagt, die Renten der
Contergan Menschen deutlich aufgestockt.
DAS Unternehmen Chemie Grünenthal GmbH, das einst Contergan
produzierte, verschenkte bis Ende 2003 (!!!) sogenannte „Restbestände“ von
Contergan an forschungsinteressierte Wissenschaftler - ARZNEIMITTEL sind
höchstens 5 Jahre haltbar. Die inzwischen in Aachen beheimatete Firma vertreibt
heute jedoch kein Thalidomid mehr. Die Vertriebsrechte für die weltweite
Vermarktung besaßen bis vor kurzem die britische Firma Pharmion und die Firma
Celgene. Anfang 2008 übernahm Celgene die Firma Pharmion mit ihrem gesamten
Produktportfolio. Die Anwendung erfolgt unter strengen Sicherheitsrichtlinien.
NICHT unerwähnt soll bleiben, dass der Arzt, der sich für
die Wiederzulassung von Contergan in Deutschland, jetzt unter seinem
Wirkstoffnamen Thalidomid, als Krebstherapeutikum, einsetzte, nicht nur Onkologe,
sondern auch Contergan- Opfer ist. Er muss einer der Wissenschaftler sein, die
von den „Restbeständen“ von Contergan profitierten, damit forschten. Wie war
ihm wohl dabei zumute?
ERST 1978 trat das 2.AMG, Arzneimittelgesetz, in der BRD
in Kraft, das erstmalig in der bundesdeutschen Gesundheitsgeschichte den Nachweis
auf Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Medikamentes forderte und Regeln für
eine Risikoüberwachung des Arzneimittelmarktes einführte. Es wurde damals
begrüßt als Beweis einer „herausragenden gesellschaftaftlichen Konsequenz der Contergan
Katastrophe“. Auch dieses Gesetz hatte viele Defizite, auch weil es allzu
deutlich die Handschrift der auf die Politik nachweislich einwirkenden
pharmazeutischen Industrie trug.
Alle im Text vorkommenden
Fakten, außer der kurzen Geschichte von Familie Meier, sind belegt.
Stellvertretend für all die Internetseiten und Bücher, die ich zu diesem Thema
las, seien folgende genannt:
W. Silverman- The Schizophrenic Career of a “Monster Drug”
T. Stephens, R. Brynner- Dark Remedy
Linda Bren- Frances Oldham Kelsey
H. Sjöström, R. Nilson- Thalidomide and the Power of the Drug Companies
I. Simon- Contergan- Wahrheit versus Fiktion?
VDPP.de- Verein
demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten
Contergan-Karlsruhe.de
Gesetz-im-internet.de
Pressemitteilung von
Celgene von 2003
G. Taxacher- wdr.de
.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 22.05.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).
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