Helmut Wurm

Mephisto und die Rechts-Links-Flügel

 
Vorwort

Der nachfolgende Bericht bedarf sicherheitshalber einiger Erklärungen, auch wenn der eine oder andere Leser das eine oder andere vielleicht schon weiß. Also hier die Vorbemerkungen:

1. Wer Mephisto genau ist, konnte die Wissenschaft bisher noch nicht eindeutig klären. Auch die dichterische Literatur ist in dieser Hinsicht nicht eindeutig. Die einen halten ihn für den obersten Teufel direkt, also für den Höllenchef, der nur als Mephisto sein Unwesen auf dieser Erde treibt, die anderen meinen, er wäre zumindest einer der wichtigen Oberteufel, speziell für die Menschen zuständig. Wie dem auch sei, der Bursche ist gefährlich und raffiniert, wie der nachfolgende Bericht zeigen wird.

2. Unter „rechts“ und „links“ ist natürlich politisch rechts und links gemeint. Das sind politische Richtungen, die noch innerhalb unseres Grundgesetzes angesiedelt sind und trotz ihrer inhaltlichen Gegensätze frei vertreten werden dürfen. „Extrem links“ und "extrem rechts“ liegen aber bereits außerhalb unseres Grundgesetzes und hier sollte man wachsam sein und gegebenenfalls Maßnahmen ergreifen.

3. Die beiden Fachausdrücke „Bündigung“ und „bündisch“ sollten genauer erläutert werden.

Unter „Bündigungen“ versteht man Gruppen- und Vereinsbildungen jeglicher Art, also in den politischen, sportlichen, religiösen, freizeitgestaltenden, usw. Bereichen. „Bündisch“ ist dann im weiteren Sinn nur ein kürzeres Wort für solche Bündigungen und sie gibt es in allen Gesellschaften dieser Welt.

„Bündisch“ im engeren Sinne meint dagegen eine sprachliche Zusammenfassung, einen Ober-begriff für alle die vielen Gruppen in Deutschland, die als Pfadfinder, Wandervögel, Jungenschaftler oder in Mischformen davon die Wälder, die romantischen Landstriche und die Fachwerkstädte durchstreifen (manche sagen auch: unsicher machen) und an Feuern schöne Lieder singen, also alle romantischen Gruppen, die mit und ohne Halstuch, Pfadfinderhut oder Barett, aber mit Wanderschuhen und Gitarren hier in Deutschland und von dort aus nach allen Seiten herumstreifen. Es handelt sich mittlerweile in Deutschland um eine kaum mehr überschaubare Anzahl von größeren und kleineren bündischen Gruppierungen, ein Phänomen, was es in dieser Fülle und Vielfalt nur in Deutschland gibt.

Diese romantische bündische Bewegung hat einen hohen Wert, der nicht unterschätzt werden darf, nämlich als entspannendes Gegengewicht gegen den Alltags-Stress und in kultureller und pädagogischer Hinsicht. Gleichzeitig findet sich unter ihren Mitgliedern, den Bündischen, eine derartige Vielfalt von interessanten Typen, dass sich eigentlich die soziologische Wissenschaft viel mehr mit dieser romantisch-bündischen Bewegung beschäftigen müsste – ohne sie ändern zu wollen, denn das darf auf keinen Fall sein. Aber das ist ein anderes Thema.

4. Welche Bündigungen und Gruppierungsrichtungen der Leser sich im nachfolgenden Bericht nun vorstellt, wenn von „bündisch“ die Rede ist, das ist seine Sache. Er kann sich z.B. all die verschiedenen Gruppen im Bereich einer Großstadt vorstellen (da kommen viel zusammen), er kann sich aber auch in seiner Vorstellung auf die romantischen Gruppierungen beschränken. Das Grundprinzip, wie Mephisto, leider sehr oft erfolgreich, vorgeht, ist immer dasselbe. Und darum geht es und daraus sollte man lernen.

5. Wer Gandalf ist/war, dürften die meisten Leser wissen. Er ist gewissermaßen in dem Roman „Der Herr der Ringe“ der eigentliche unbeirrbare Kämpfer für das Gute und der Retter vor dem Bösen. Solche Gandalfs im Kleinen gibt es glücklicherweise bei uns überall, wenn auch nur in kleiner Zahl und oft verspottet. Aber sie sind unbedingt notwendig. Welchen Gandalf unter uns sich der Leser jeweils vorstellt, bleibt ihm ebenfalls überlassen. Jedenfalls brauchen wir solche Gandalfs. Darüber sollte man sich im Klaren sein. Denn die Meisten von uns gehören doch, seien wir ehrlich, zur trägen Mitte.

Und nun zum eigentlichen Bericht.

(Mephisto sitzt auf dem Brocken, es ist Abend, er schaut enttäuscht drein. Er hat den Kopf in die Hände gestützt und sinniert missmutig vor sich hin. Wenn man ihn so von weitem sieht, erkennt man nicht, dass es Mephisto ist. Er hat ein scheinbar edles Gesicht, wenn nicht das heimtückisch-bösartige Leuchten in seinen Augen wäre. Die beiden Hörner hat er unter einer dichten Frisur versteckt und der Pferdefuß ist in den halbhohen Schuhen nicht zu erkennen. Seine Kleidung ist vornehm, aber trotzdem sportlich-modern, Man könnte meinen, dass es sich bei ihm um einen wohlhabenden Herrn handelt, der nur Markenartikel kauft. Normalerweise hat er noch ein beeindruckendes Lächeln, aber diesmal ist sein Mund bitter zusammen gekniffen und die Mundwinkel sind nach unten gezogen. Mephisto murmelt vor sich hin)

Mephisto: Bis jetzt ein verlorener Tag... Noch nirgends Unheil gestiftet, noch keine Gruppe entzweit, noch niemanden zu Leichtsinn überredet, noch kein Gutes in Böses verkehrt... Dabei ist das doch meine Freude… Normalerweise finde ich doch jeden Tag eine Gelegenheit dazu. Die Menschen sind ja so unvollkommen geschaffen. Dem Chef da oben sind sie nicht gut gelungen, auch wenn er immer das Gegenteil behauptet… Ich hätte sie viel besser, viel vollkommener gemacht… Aber so habe ich jedenfalls eine Aufgabe und eine, die viel Freude macht, weil sie täglich Erfolge bringt… Nur heute noch nicht... Ein verlorener Tag bisher…

Dabei ist es doch so einfach, Streit zwischen den Menschen zu säen. Gerade z. B. bei den besonders Frommen aller Religionen… Ich brauche denen doch nur einzuflüstern, dass sie die alleinige wahre Religion hätten und der Maßstab der Orientierung seien, dann kann man viele von ihnen zu Ausgrenzungen, Unterdrückung, sogar zu Mord und Bürgerkrieg gegen Anders-gläubige aufhetzen... Wie oft ist mir das gelungen und das wird mir hoffentlich noch oft in der Zukunft gelingen…

Und dann die vielen besonders Heimattreuen, Konservativen und Patrioten... Wie leicht ist es, die die Grenzen von Vernünftig und Sinnvoll zu Unvernünftig und Fanatisch überschreiten zu lassen. Wie oft ist mir das gelungen und wird mir hoffentlich noch oft in der Zukunft gelingen…

Und dann diese entschiedenen, von sich selbst überzeugten fanatischen Reformer und Weltverbesserer... Wie oft habe ich deren Selbstbewusstsein dahin überdreht, dass sie alle diejenigen, die weniger veränderungsbereit waren als sie, unterdrückten oder sogar beseitigten…

Und dann im Kleinen: Wie oft habe ich Streit gesät zwischen den vielen Gruppen, Vereinen und Bünden in Deutschland... Da fallen mir u.a. die Bündischen ein, diese ewigen Sektierer, Individualisten, Streithähne und Separatisten. Wie oft habe ich die zu Spaltungen gebracht, bereits wenige Jahre nach ihrer Entstehung... Die Liste der Spaltungen, Abspaltungen und Neugründungen bei ihnen ist sehr lang... Das machte Freude…

Aber der heutige Tag ist ein verlorener Tag…

Aber halt! Die Bündischen, vielleicht ist da wenigstens irgendwo was zu machen. Mal sehen... Damit könnte ich zumindest etwas den Deutschen schaden, auch wenn es sich um nichts Weltbewegendes handelt... Denn ich kann die Deutschen einfach nicht leiden... Die haben zu viele kluge und kritische Köpfe hervorgebracht und solche Leute sind hinderlich für meine Teufeleien... Aber ich habe den Deutschen trotzdem schwer schaden können. Wenn ich nur daran denke, wie ich den 30-jährigen Krieg ausgelöst und so lange am Leben erhalten habe. Ein herrliches Gefühl... Auch am Ausbruch des 1. Weltkrieges bin ich nicht ganz unbeteiligt gewesen... Aber mein Meisterstück war doch Hitler. Wie oft habe ich dem erfolgreich abends etwas eingeflüstert. Mir läuft noch heute ein Schauer des Entzückens über den Rücken, wenn ich daran denke...

Aber nun zu den Bündischen. Besser etwas kleines Böses als gar nichts Böses... Ein verlorener Tag braucht es heute noch nicht zu sein...

(Mephisto nimmt sein Fernrohr, das neben ihm liegt, hebt es an sein Auge und sucht den Horizont ab. Diesem Fernrohr, das fast so gut ist wie das des Petrus, entgeht nur wenig und es leuchtet innen rot auf, wenn sich irgendwo eine eventuelle Möglichkeit bietet, Schlechtes zu tun. Diesen roten Farbindikator hat sich Mephisto extra in der Hölle einbauen lassen und der hat ihm die Suche nach Möglichkeiten, Schlechtes zu tun, ungemein erleichtert… Mephisto sucht und sucht… Und plötzlich ein triumphierendes Lächeln)

Mephisto: Vielleicht gleich zwei Möglichkeiten bieten sich mir… Vielleicht schließt der Tag doch noch ganz gut… Also dahinten sehe ich ein größeres Treffen, wo hitzig diskutiert wird. Hitzige Diskussionen sind schon immer gut für mich gewesen. Da kann man Öl ins Feuer gießen und zu übersteigerten und unbedachten Handlungen reizen…

Und da rechts eine weiteres größeres Treffen, wo ebenfalls heftig-hitzig diskutiert wird… Mal hören, worum es den beiden Gruppen geht.

(Mephisto greift nach seinem Hörrohr. Damit kann er auf weiteste Entfernungen hören, was gesprochen wird. Und da er ein Sprachgenie ist, macht es ihm kein Problem, in welcher Sprache und welchem Dialekt gesprochen wird…Ein Sprachgenie-Sein gehört zu seinem unverzichtbaren Handwerkszeug... Er hört eine Weile zu, dann lächelt er zufrieden-teuflisch und murmelt)

Mephisto: Da kann man etwas machen, das müsste funktionieren… Mal überlegen… Die eine Gruppe hinten-links diskutiert darüber, allen konservativen, heimattreuen und politisch rechten Gruppen das Leben schwer zu machen, sie möglichst auszuschließen von großen bündischen Veranstaltungen und alle vor ihnen zu warnen… Das hört sich gut an… Da kann man sicher durch richtige Worte zur richtigen Zeit Öl ins Feuer gießen und überschießende Reaktionen hervorrufen, aus denen dann Zank und Streit entstehen…

Und da rechts-hinten die Gruppe bedauert gerade heftig, dass man unter den Bündischen die eigene Heimat und Kultur nicht mehr achtet und auch zu wenig Ordnung und Disziplin hält… Auch das ist ein guter Ansatz, den kann man sicher weiter entwickeln...

„Rechts gegen Links, Links gegen Rechts“, das wäre eine interessante Möglichkeit für einen Teufel, das hat bisher in der Geschichte oft, nein meistens, geklappt...

Was könnte ich da machen? Am besten mische ich mich zuerst unter die eine Gruppe und dann unter die andere und flüstere denen jeweils etwas ein... Dafür muss ich mich aber äußerlich etwas anpassen. Die hinten-links sind teilweise, natürlich nicht alle, etwas lockerer und nachlässiger gekleidet: lange Haare, Bärte, Hemd über der Hose, Piercing im Gesicht, Halstuch mit einigen Resten der letzten Mahlzeiten drauf... Am besten, ich nehme einen solchen modern-lockeren Habitus an, dann mache ich nichts falsch.

(Mephisto schnippst mit den Fingern und sagt nur “so möchte ich aussehen“ und verwandelt sich damit in einen lockeren bündischen jungen Mann. Er schaut an sich herunter, grinst und murmelt)

Mephisto: In dieser Form errege ich keinen Verdacht, auch wenn natürlich nicht alle in dieser Versammlung da hinten-links so locker-typisch aussehen. Es gibt nirgends den Einheitstypus. Los, auf die Reise...

(Er schnippst wieder mit den Fingern und sagt nur „los-dahin“ und ist schon mitten in der Versammlung).

Die Versammlung hinten-links ist seit einigen Stunden in einer heftigen Diskussion. Es geht einigen Einflussreichen der Runde in durchaus gut gemeinter Absicht darum, Neonazis zu entlarven und ihnen keinen Einfluss im bündischen Bereich zu gewähren. Das ist sicher richtig und notwendig. Aber man ist sich in dieser Versammlung noch nicht ganz sicher, woran man Neonazis erkennt und außerdem könnten sich ja bündische Neonazis ja auch geschickt tarnen.

(Da erhebt sich Mephisto, man hat sein plötzliches Erscheinen nicht weiter zur Kenntnis genommen, und sagt mit wohl tönender und eindringlicher Stimme):

Mephisto: Liebe Freunde, ihr dürft nicht vorsichtig und tolerant dieses drängende und ernste Problem angehen. Die Mehrzahl der Bündischen ist gleichgültig-nachlässig bei diesem Problem. Wir hier sind die einzigen Wachen und Wächter. Ich kann nur sagen, wehret den Anfängen. Alles, was nur irgendwie verdächtig sein könnte und an Hitler positiv erinnern könnte, muss entschieden bekämpft werden. Wenn jemand Deutschland und seine Kultur lobt, kann das schon ein Zeichen dafür sein, dass er insgeheim die Nazi-Ideologie vertritt. Macht es so wie bei den Inquisitionsprozessen in Spanien oder bei den stalinistischen Schauprozessen: Nur der eindeutige Beweis, dass die Anklage nicht zutrifft, schützt den Angeklagten vor Strafe. Man muss schon das Vorfeld möglicher Entwicklungen austrocknen, auch wenn die befürchtete Entwicklung noch nicht eingetreten ist. Lasst uns mit dieser Einstellung zum überbündischen Kongress gehen und radikal alles bekämpfen, was rechts von der Mitte ist, wobei die Mitte schon verdächtig sein kann, denn wir hier allein haben die richtige Einstellung und Einsicht in die Zusammenhänge.

Die linke Versammlung (wirre, zumeist zustimmende und sogar begeisterte Zurufe): Der Redner hat Recht... Harte Konsequenz ist hier richtig... Zurückhaltung ist falsch... Links muss radikal sein... Macht die Rechten fertig... Verdacht allein genügt schon... Schmeißt sie raus aus unserer Bewegung... Wir müssen im Inland und Ausland das Ansehen Deutschlands bewahren... Lasst uns einen Entschluss in diesem Sinne fassen für den überbündischen Kongress in 1 Monat.

Mephisto (murmelt, zufrieden-böse lächelnd): Das ging leichter, als ich dachte... Die habe ich richtig in Fahrt gebracht, die halten sich jetzt für die Retter Deutschlands und der reinen bündischen Bewegung... Jetzt schnell zu der anderen Gruppe... Aber da muss ich in einem etwas anderen Outfit erschienen. Mit einer gut gescheitelten Frisur, ordentlich und sauber gekleidet, ohne Bart und Piercing, vielleicht mit einer Deutschlandfahne als Anstecknadel falle ich da kaum auf, obwohl nicht alle so dort hinten-rechts herumlaufen.

(Er schnippst wieder mit den Fingern und sagt nur „so möchte ich aussehen“ und schon ist er ein offensichtlich konservativer, disziplinierter und vermutlich heimattreuer Ideenvertreter)

Mephisto (schaut schmunzelnd an sich herunter): So könnte es gehen... Die Anstecknadel gibt den letzten Schliff... Nun nichts wie nach hinten-rechts.

(Er schnippst wieder mit den Findern und sagt nur „dorthin möchte ich“ und schon ist er mitten in der Versammlung).

Die Versammlung hinten-rechts ist seit einigen Stunden in einer heftigen Diskussion. Einige Einflussreiche dieser Versammlung haben bedauert, dass die deutsche Kultur so wenig innerhalb der bündischen Bewegung beachtet, geachtet und fortgeführt wird, dass das schöne Deutschland und Mitteleuropa als Fahrtenland nicht genügend geschätzt und auch für Großfahrten zu selten ausgewählt werden. Sie haben deswegen angeregt, wieder mehr deutsche Volkslieder zu singen, mehr deutsche Bräuche im bündischen Leben zu pflegen und innerhalb der Gruppen die jugendlichen Mitglieder wieder mehr mit deutscher Tradition bekannt zu machen. Die in Deutschland leider beobachtbare Vernachlässigung der eigenen Kultur sei nicht so ausgeprägt in den Nachbarstaaten um Deutschland herum. Man wisse zwar, dass in Deutschland eine besondere Situation durch die NS-Vergangenheit bestehe, aber man solle sich dadurch nicht entmutigen lassen, die vielen überwiegend positiven Seiten der deutschen Kultur zu vernachlässigen.

(Bei diesem Satz erhebt sich Mephisto, man hat sein plötzliches Erscheinen nicht weiter zur Kenntnis genommen, und sagt mit wohl tönender und eindringlicher Stimme)

Mephisto: Liebe Freunde, ihr habt Recht mit eurer Sorge um die beobachtbare bedauerliche Vernachlässigung und abnehmende Wertschätzung der deutschen Kultur. Die Mehrzahl der Bündischen ist gleichgültig-nachlässig diesem Problem gegenüber. Wir hier sind die einzigen Wachen und Wächter. Ich kann nur sagen, wehret den Anfängen. Wenn wir ehrlich sind, dann findet derzeit doch ein Ausverkauf der deutschen Kultur und der deutschen Werte statt. Dabei können wir stolz auf die deutsche Kultur sein. Die Nazis sind nur eine traurige Entgleisung gewesen und vieles, was die Nazis propagiert haben, war nur übernommen, ja geklaut von anderen Bünden und anderen Traditionssträngen. Wenn ich nur an das „Heil“ der Nazis denke, so haben sie diesen Gruß von den frühen Wandervögeln übernommen, die sich fröhlich-naiv einfach „Heil“ im Sinne „Gesundheit“ wünschten. Es war nicht alles falsch, was die Nazis propagiert haben. Hitler war zwar eine Entgleisung, aber man muss an die Zeit davor und danach wieder anknüpfen. Und das wollen die Linken, auch die bündischen Linken, mit allen Mitteln verhindern. Die vaterlandslosen Linken wollen den Niedergang der deutschen Tradition. Ihr seid die Bewahrer der deutschen Kultur und müsst solche linken Bemühungen bekämpfen. Seid dabei nicht zimperlich, ihr habt Werte zu verteidigen. Im Straßenkampf waren die Rechten schon immer besser, seid dieser Tradition würdig. Macht die Linken nieder. Lasst uns mit dieser Einstellung zum überbündischen Kongress in 1 Monat gehen und radikal alles bekämpfen, was links von der Mitte ist, wobei die Mitte schon verdächtig sein kann, denn wir hier allein haben die richtige Einstellung und Einsicht in die Zusammenhänge.

Die rechte Versammlung (beginnt zu kochen, wirre, meist positive oder sogar begeisterte Zurufe): Der Redner hat Recht... Macht die Linken nieder... Wir sind die wahren Verteidiger der nationalen Kultur und ihrer Werte... Wir müssen im Inland und vor dem Ausland die deutschen Werte, die deutsche Kultur und die deutsche Tradition bewahren... Fasst eine Resolution in diesem Sinne für den bündischen Kongress in 1 Monat

Mephisto (murmelt, zufrieden-böse lächelnd): Das ging leichter, als ich dachte... Die habe ich richtig in Fahrt gebracht, die halten sich jetzt für die Retter Deutschlands... Das wird eine Saalschlacht anstatt ein überbündischer Kongress werden...So und jetzt schnell zurück zum Brocken.

(Er schnippst mit den Fingern und sagt nur „dahin möchte ich“ und schon sitzt er wieder auf dem Brocken in seinem Outfit vor einigen Stunden. Hier murmelt er vor sich hin)

Mephisto (gut gelaunt): Der heutige Tag war doch kein verlorener Tag und der Tag des überbündischen Kongresses wird es auch nicht sein... Man muss eben klug für später schon Teufeleien einfädeln... Der einzige, der mir den Erfolg auf diesem überbündischen Kongress noch streitig machen kann, ist der alte, weise bündische Mann, so eine Art Gandalf wie im Roman „Der Herr der Ringe“... Wenn das kein Roman, sondern Wirklichkeit gewesen wäre und ich dabei mitgespielt hätte, wäre übrigens die Geschichte anders ausgegangen... Was macht denn dieser bündische Gandalf gerade?

(Mephisto nimmt wieder sein Teufelsfernrohr und sucht den Horizont ab.)

Mephisto (murmelnd): Ah, da ist ja sein Haus... Man glaubt nicht, welch ein gefährlicher Gegenpart zu mir in dem einfachen Haus wohnt... Er telefoniert gerade. Da wüsste ich ja gerne, mit wem er telefoniert... Vielleicht kann ich mal mithören.

(Er nimmt sein Teufelshörrohr, hält es in die Richtung und hört mit, zuerst neugierig, dann entsetzt laut murmelnd):

Aber was höre ich denn da? 2 Bündische, offensichtlich Freunde, berichten ihm von den beiden Versammlungen, auf denen sie getrennt gewesen sind, der eine auf der linken, der andere auf der rechten Versammlung... Und sie berichten gerade von dem Unbekannten, der auf den beiden Versammlungen so radikal geredet hat und jeweils die ganze Versammlung zum Kochen brachte... Die meinen offensichtlich mich!... Und was antwortet ihnen dieser bündische Gandalf? Da hätte vermutlich irgendein Teufel die Hand im Spiel gehabt und er müsse dessen Wirken wohl auf dem überbündischen Kongress wieder entgegen steuern. Er werde also auf jeden Fall hingehen... Der Kerl macht mir am Ende den Erfolg noch streitig... Jetzt ist wieder alles offen... (Mephisto flucht fürchterlich).

Die überbündische Versammlung 1 Monat später.
Der große Saal ist gut gefüllt. Man kann 3 Gruppierungen erkennen: Eine linke auf der linken Saalseite, eine rechte auf der rechten Saalseite und in der Mitte die nicht Festgelegten, die Gemäßigten aber auch Unentschlossenen. Diese Gruppe stellt zwar die Mehrheit dar, das Geschehen wollen aber die beiden Gruppen an den Außenseiten bestimmen. Diese beiden Gruppen jeweils außen haben wütende, entschlossene Mienen, in den Fäusten halten einige Wanderstöcke und Wimpelstangen, die Mehrzahl hat die Fäuste geballt. Man merkt, dass diese extremen Gruppierungen auf eine Schlägerei als letztes Mittel vorbereitet sind.  

(Mephisto sitzt hinten in der Mitte am Fenster, in einer unauffälligen bündischen Verkleidung. Er sitzt deswegen am Fenster, weil er heute einen schwachen Schwefelgeruch nicht ganz vermeiden kann. Das hat mit seiner Tätigkeit kurz vorher zu tun. Er sitzt dort angespannt, mit verkniffenem Gesicht).

Mephisto (murmelnd): Bisher ist der bündische Gandalf noch nicht eingetroffen... Je früher das Spektakel losgeht, umso besser... Wenn die Linken und die Rechten sich erst einmal handgreiflich in die Haare bekommen haben, dann dürfte es selbst für diesen weisen alten bündischen Mann unmöglich werden, noch einzugreifen und meinen Erfolg zu verhindern. Ich sollte das Geschehen beschleunigen.

(Er steht deswegen auf und ruft in die Versammlung): Liebe Freunde, bevor wir zu unserer geplanten Tagesordnung kommen, sollten die beiden Gruppen rechts-außen und links-außen mitteilen, was ihnen auf dem Herzen liegt. Denn dass sie jeweils ein ihnen ernstes Anliegen haben, sieht man ihren Mienen an. Lasst sie sprechen!

Die Links-Außen und die Rechts-Außen (emotional durcheinander, es beginnt ein Gewirr von Stimmen und Rufen von einer Saalseite zur anderen): Wir haben allerdings ein Anliegen... Nieder mit den Neonazis... Nieder mit den Vaterlandslosen... Wehret den Anfängen... Ja, wir wehren jetzt den Anfängen... Macht endlich reinen Tisch... Wir machen den deutschen Tisch wieder sauberer... Schmeißt die Linken raus... Schmeißt die Rechten raus... Räumt endlich in Deutschland auf... Ja, wir räumen gleich hier auf...

(Die beiden extremen Gruppen rücken langsam aufeinander zu, die Gemäßigten, Neutralen, Unentschlossenen ducken die Köpfe. Gleich wird eine Saalschlacht beginnen, aber noch zögern die beiden extremen Gruppen...)

Mephisto (springt verbissen-ungeduldig mit geballten Fäusten auf und ruft laut): Na los, fangt doch endlich an... Zeigt, dass man sich bei der Durchsetzung eurer Einstellungen und Ziele auf euch verlassen kann!

In diesem Augenblick geht die Tür auf und der weise alte Bündische kommt herein und ruft.

Der weise alte Bündische: Haltet ein, habt ihr denn nichts aus der Geschichte gelernt? Mit den Fäusten kann man seinen Argumenten keine Glaubwürdigkeit verleihen. Das macht alles nur noch schlimmer. Argumente müssen besonnen diskutiert werden.  

(Sofort halten alle inne, denn so groß ist sein Einfluss. Die extremen Parteien, die sich gerade aufeinander stürzen wollten, erstarren. Die mittlere Gruppe, die sich feige wegducken wollte, erhebt wieder die Köpfe. Der weise alte Bündische fährt fort):

Der weise alte Bündische: Ich bin glücklicherweise noch rechtzeitig informiert worden. Beide extreme Gruppen, die Linken und die Rechten, hatten ursprünglich Auffassungen, die zwar teils sehr unterschiedlich waren, die aber in einer Demokratie toleriert und vertreten werden dürfen, denn sie überschritten noch nicht das, was man als Verantwortungsbewusst und Vertretbar bezeichnen kann.

Aber dann ist eine fremde Person plötzlich in eueren Gruppen erschienen und hat euch dazu gebracht, zu übertreiben und das Vertretbare zu überschreiten und Forderungen zu stellen und Maßnahmen zu planen, die außerhalb einer demokratischen Gesellschaft stehen. Und niemand hat sich den Einflüsterungen dieses Fremden widersetzt...

In der Abwehr von Rechtsextrem und Linksextrem müssen wir alle zusammenstehen. Aber nur rechte oder linke Meinungen muss jeder bei uns vertreten können und jeder muss abweichende andere Meinungen ertragen.

Und nun zu euch hier in der Mitte: Ihr wart zu feige, eine vermittelnde und ausgewogene Position einzunehmen und die Gegensätze zu mildern. Dabei ist das, was die beiden jetzt extremen Gruppen hier im Saal ursprünglich vertraten, nicht falsch gewesen. Man könnte sogar viele Argumente beider Gruppen miteinander verbinden. Ihr Gemäßigten habt deswegen besonders versagt, weil erst immer dann und überall dort, wo die Gemäßigten sich wegduckten, die Extremen zu gefährlichen und erfolgreichen Meinungsbildnern und Meinungsführern werden und Unglück in eine Gesellschaft tragen konnten...

Das Ganze sieht mir nach einer typischen Teufelei aus und wenn ich mich nicht irre, riecht es hier sogar etwas nach Schwefel... Wer ist denn der merkwürdige Mann dahinten im Saal?

(Alle drehen sich zu Mephisto um, der vor Schreck und Wut zugleich noch mit geballten Fäusten stehen geblieben ist, und schauen ihn an. Das ist der Moment, in dem Mephisto stammelt)

Mephisto: Der hetzt jetzt noch den ganzen Saal gegen mich auf... Ich habe verloren... (Und dann schnippst er mit den Fingern und murmelt) Auf zum Brocken, da will ich hin...

(Und damit ist er plötzlich verschwunden und nur noch ein leichter Schwefelgeruch zieht aus dem geöffneten hinteren Fenster ins Freie)  

Mephisto (sitzt wieder auf dem Brocken in seinem bereits beschriebenen Outfit, hat die Fäuste immer noch geballt und knirscht mit den Zähnen): Zwei für mich Teufel verlorene Tage, der Tag vor 1 Monat und der heutige Tag... Dieser bündische Gandalf hat mich genau an meiner verwundbarsten Stelle erwischt, indem er die Menschen zu Vernunft, Toleranz, Ruhe, Ausgewogenheit und die Gemäßigten zu Mut aufgerufen hat... Das darf mir künftig nicht mehr passieren... Solche verlorenen Tage!!!

       

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.06.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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