Anna Wacker

Das alte Telefon


Stockfinstere Nacht, der eisige Wind brachte das uralte Gebälk zum Knarren. In weiter Ferne grollte der Donner. Blitze durchzuckten die Finsternis. Doch sie achtete nicht auf die Geräusche der Dunkelheit. Viel zu lange ertönte das dumpfe Kratzen. Ihre schweißnassen Finger griffen zittrig zum Telefon. Bedrückende Stille. Sie fuhr mit den Fingern am Kabel entlang und erkannte ... es wurde durchschnitten. Aus Kindertagen wusste sie, auf dem Dachboden bewahrten ihre Eltern ein altes Telefon auf. Keine Chance, sie musste nach oben. Mit bis zum Hals klopfendem Herzen stieg sie die Stufen empor. Jeder Schritt ... das Kratzen wurde lauter. Mit dem Ächzen der Dachluke, das ihren Puls um ein Vielfaches beschleunigte, erstarb es plötzlich. Die einsame Stille zerrte an ihren Nerven. Der alte Mahagonischrank am anderen Ende des Raumes stach ihr sofort ins Auge ... dort musste das Telefon sein. Mit wankendem Gang erreichte sie das Möbelstück. Aus dem Augenwinkel glaubte sie plötzlich eine schemenhafte Gestalt zu erkennen, doch als sie über ihre Schulte blickte ... sah sie nur tiefes Schwarz. Das Knarren der Schranktür lenkte ihren gehetzten Blick nach vorne. Ihr Herz drohte stillzustehen. Die Hand, die ihr das Telefon entgegenhielt, war elfenbeinweiß. Die knochigen, spinnenbeinartigen Finger zeigten keine Regung. Und dann spürte sie es ... kalten Atem in ihrem Nacken.  Hände wie Eis schlossen sich um ihren schlanken Hals und zogen sie weg von dem erschreckenden Bild, dass sich auf ihre Netzhaut zu brennen schien. Mit Schrecken beobachtete sie, wie sich die Schranktür immer weiter öffnete und den Blick auf eine schwarz umhüllte Gestalt freigab ... Ihre Augen schienen die Seele des Mädchens ergründen zu wollen. Sie wollte fliehen, ausbrechen ... weg von hier. Der Griff der zweiten Gestalt glich eisernen Fesseln. Ein markerschütternder Schrei drang aus ihrer Kehle. Niemand konnte ihr jetzt noch helfen. Als die Gegenstände erkannte, mit denen die Gestalt auf sie zukam, wusste sie, was das Kratzen verursacht hatte ... Pfäh! le, aus hartem Holz geschnitzt. Die Angst trübte ihre Sinne. Sie spürte kaum den stechenden Schmerz, der ihren Körper durchfuhr, als die Pfähle ihre Handgelenke an der Wand festnagelten. Kein Ton drang über die Lippen ihrer Peiniger, als sie den Dolch in ihr Herz rammten. Ihr letzter Atemzug. Stille.
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.06.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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