Chilo, ein mittelgroßer Salz-und Pfefferschnauzer, ein einmaliger Hund mit einem ausgeprägten
Gefühlsleben und Verstand.
Mit vier Monaten kam er zu meinen Großeltern, die außer ihm noch drei wohlgeratene Kinder,
einen Jungen und zwei Mädchen, ihr eigen nennen durften. Also eine komplette und glückliche
Familie.
Chilo trug viel dazu bei zu dieser Harmonie im gutsituierten Haus. Stolze sechzehn Jahre wurde
er alt und war so gut wie nie krank, um das vorwegzunehmen. Überall hatte er seine Augen und
Ohren, blieb aber trotzdem in gebührendem Abstand zu seiner Herrschaft. Von seinem Platz aus
überschaute er die kleinste Bewegung jedes einzelnen mit großem Instinkt. Er griff erst ein, wenn
es mal brenzlig wurde, wartete geduldig ab, bis meine Großmutter seine Schüssel füllte und sein
dankbarer Blick zeigte ihr immer wieder, wie vorzüglich es ihm geschmeckt hatte. Kuchen war
und blieb seine große Leidenschaft bis ins hohe Alter.
Karl, der einzige Sohn, saß der Schalk schon früh im Nacken. Jeden Mittag, wenn alle am reich-
gedeckten Tisch Platz genommen hatten, band er die feingestickten weißen Schürzenbändel seiner
Mutter aus Jux an der Rückenlehne ihres Stuhles fest, so dass sie nicht aufstehen konnte. Meine
Großmutter ließ ihm das harmlose Vergnügen.
Doch Chilo beobachtete Tag für Tag diese Zeremonie mit Argwohn, bis ihm klar wurde, da geht
etwas nicht mit rechten Dingen zu.
Eines Tages, als die Unterhaltung in vollem Gange war, schlich er sich unbemerkt hinter die Stuhl-
lehne und machte vorsichtig mit seinen scharfen Zähnen die Schleife auf , ging ganz leise zurück an
seinen Platz und legte sich klugerweise auf`s Ohr. Jeder war erstaunt, was sich während des Essens
ereignet hatte und fand keine Erklärung dafür. Natürlich, am folgenden Tag paßten alle wie die Luchse
auf, aber es geschah nichts, die Großmutter blieb festgebunden.
Ein Schlaumeier, dieser Chilo, so schnell verriet er sich nicht. Erst viel später wurde er dabei erwischt
und für seine Klugheit sogar belohnt. Auf Schritt und Tritt folgte er seinem Herrchen, auch dann, wenn
er hundertmal in den Keller gegangen wäre.
Keiner Fliege hatte er jemals etwas zu leide getan, noch einem Kind oder Briefträger. Aber wehedie
Fasnachtszeit begann, da kannte er keine Grenzen. Ich weiß nicht, wieviele Kostüme er in seinem
Leben zerrissen hat, und da sein Herr auch gegen diesen Brauch war, zahlte er die hohen Schäden
und war sogar stolz wie ein Spanier auf sein kluges Tier, obwohl er sonst schon sehr auf`s Geld achtete.
Doch eines Tages war sein Platz leer um dieMittagszeit und keiner konnte sich erklären, wo Chilo blieb.
Mein Großvater erhob sich schließlich ohne Worte und schweren Herzens, ging sehr langsam mit ge-
senktem Kopf an sein weiches Lager und legte sein Halsband mit seinem eingravierten Namen darauf.
Morgens hatte er ihn still und leise auf seinem letzten Weg begleitet, weil er fast nichts mehr sah. Die
Tragödie war unvorstellbar, unsagbar das Leid.
Seine Nachfolger, wie sie auch hießen, konnten den Chilo nicht ersetzen, obwohl sie es genau so gut
hatten wie er.
E n d e
von Christina Wolf, Lahr
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Mutter während meiner Kindheit und hat sich tat-
sächlich bei ihren Großeltern so zugetragen.
Mein Bruder und ich konnten diese Geschichte nicht
oft genug hören, da auch wir immer einen Hund hatten.Christina Wolf, Anmerkung zur Geschichte
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.06.2009.
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