Uli Garschagen

Familienbesuch

Seit nunmehr 2 Jahren war ich clean. Hatte mir nichts mehr zu Schulden kommen lassen. war einfach ein sauberer und guter Mitmensch geworden.

Das war nicht immer so. Steckte ich doch in so manchen verzwickten Gaunergeschichten. Meine Familie wandte sich von mir ab. Keiner wollte mit mir etwas zu tun haben.

Die Liebe zu meinen Blutsverwandten sagte jedoch nie, nie!

So kam es eines Tages, dass ich mich freute wie ein Schneekönig! 

Vor einer Woche rief mich mein Bruder an! Er, seine baldige Gemahlin und deren süßen zwei Kinderlein samt Fellkind wollten mich besuchen. Das war mir sehr recht! Mag ich doch alle fünf so sehr gerne und lange hatte ich sie nicht mehr gesehen.

Ich malte mir wundervolle Stunden aus mit meinem kleinen Bruder und seinem gesamten Familientross. Ich freute mich seit seinem Anruf so sehr auf sie.

 

Jeder einzelne Tag bis zu deren Erscheinen war voller Vorfreude.

Und bald schon kam dieser Tag.

 

7, 6, 5, 4, 3, 2, 1!

Dann war er da, dieser Besuchstag.

 

Der Tag des Besuches war also gekommen. Mein Bruder hatte frei, also keinen Polizeimannzistendienst. Seine Gattin, beruflich auch dem Schutz der Bevölkerung dienend, genießt ihren Mutterschaftsurlaub! Der Hund , das Fellkind, war übrigens ebenso dem Wachtmeisterdienst unterlegen. Nun aber aus verschiedenen Gründen außer Dienst.

 

Ich selber nutzte die ganze Woche um hier Reine zu machen. Sollten sie doch einen guten Eindruck von mir haben. Den sollten sie bekommen.

Guter Bruder, angenehmer Schwager, liebevoller Onkel und natürlich ein begeisternder Hundefreund.

Das wollte ich alles sein. Meiner Vergangenheit trotzen.

 

Ca. `ne  Stunde vor deren Eintreffen, raste ich noch mal in die Stadt. Ein paar wichtige Besorgungen standen noch an. Ich hatte in diesem Moment kein Bargeld in der Tasche. Musste also los mit der EC-Karte.

Diese tat ihren Dienst beim Bezahlen mit ungeheurer Zuverlässigkeit. Ein Schatz dieses Stück Plastik.

In der Vorfreude grüßtre ich noch Hans und Franz, die eigentlich Werner und Jupp hießen.

 

In meiner Wohnung wieder angekommen, alles glänzte und war rein, verstaute ich die gekauften Lebensmittel schnell in ihren Depots.

 

Nun war ich etwas platt, der Beeilung wegen und setzte mich auf  `nen Stuhl. Der erschrak sich und knarrte, so wie sich mein Unterleib unwohl zu spüren wagte. Die EC-Karte steckte in einer meiner vorderen Jeanstaschen und zwickte mich. Es tat fast so weh, als hätte eine Ratte in meinen Unterbauch gebissen. Wirklich nicht sehr angenehm.

 

Ich saß auf diesem Stuhl am Schreibtisch und holte aus meiner Vordertasche der Jeans die zwickende Karte hervor. Legte sie grobmotorisch auf die schwarze Schreibtischplatte. Das tat sehr gut.

Beim Weglegen der Karte sah ich auf meine Finger.

Oje, meine Fingernägel sahen ungepflegt und hexisch lang der Welt entgegen.

 

Das durfte nicht sein, sagte ich mir und holte schnell die Nagelpfeile hervor um mir die Nägel zu modellieren. Welchen Eindruck hätten Jens und Andrea von mir, waren meine Gedankengänge

Es blieb mir noch ein wenig Zeit. Alles war angerichtet und im Top-Zustand. Nur meine Nägel nicht.

 

Die Feile in der rechten Hand begann die Grapscher der Linken zu bearbeiten. Linke Hand fertig! Auf der mattschwarzen Platte war weißer Abrieb meiner Nägel schneelisch zu erkennen

Wollte gerade loslegen die Nägel der rechten Hand zu stutzen, als es bimmelte. 

 

„Oh Gott, da sind sie. Pünktlich wie eh und je“ freute ich mich, sie endlich bei mir begrüßen zu dürfen.

 

Ich schmiss die Nagelfeile schnurstracks auf die schwarze Arbeitsplatte des Schreibtisches.

Erkannte noch eben, das diese direkt neben die EC-Karte fiel und eine weiße Linie beim Aufprall hinterließ. Ohne mich zu wundern.

 

Rannte dann zur Tür und entriegelte die Haustür.

 

Da waren sie also. Alle fünf.

Sie traten in die Wohnung herein und wir drückten uns, als wenn wir uns jahrelang nicht gesehen hatten. Die Freude stand uns allen ins Gesicht geschrieben.

 

Bis zu dem Zeitpunkt, als mein Bruder, der angehende Drogenkomissar auf meinen schwarzen Schreibtisch sah.

 

Der Besuch dauerte ganze 70 Sekunden.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.06.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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