Petra Virbinskis

22 Stunden mit dir

Es war schön, deine Stimme zu hören. Sie war so warm und erfreut. Ihr Klang ist noch immer so unglaublich erotisch und liebevoll. Seit längerer Zeit hatten wir nichts mehr voneinander gehört und dennoch klopfte mein Herz wie wild, als ich den Klang deiner Stimme am Telefon vernahm.

Monate waren inzwischen vergangen. Damals, als wir zum ersten Mal miteinander telefonierten, war ich aufgeregt, wie ein kleines Schulmädchen und ich weiß, dir ging es auch nicht anders. Du hast es mir später einmal erzählt. Ich war so aufgeregt, daß ich feuchte Hände bekam und das Lächeln in meinem Gesicht wuchs zu einem Lachen heran, das nicht aufhören wollte. Ja, es ist lange her...

Lange ist es auch her, daß wir uns zum ersten Mal trafen. Es war der 12. April 2000. Ich weiß es noch wie Heute. Ich putzte und schrubbte die Wohnung blitzeblank, denn schließlich solltest du ja einen guten Eindruck von mir haben. Wie habe ich mich auf dich gefreut und ich konnte es kaum abwarten, bis du endlich klingelst. Es schneite an dem Tag und du hast dich in Hamburg verfahren, also dauerte es etwas länger...

Es ist leicht, sich in Hamburg zu verfahren, ja es ist geradeso, als würde man in dieser Stadt nirgends links abbiegen dürfen.
Dann war es soweit. Du klingeltest an der Haustür und hättest mein Herz bis dorthin hören müssen, aber das Klopfen deines eigenen Herzens übertönte es.

Mir einem Körbchen kleiner Narzissen standst du vor mir, wie ein großer Schuljunge. Mit wunderschönen dunkelbraunen Augen, die so viel Sanftmut ausstrahlten, wie ich sie selten sah.
Schüchtern und Zurückhaltend begrüßten wir uns artig.

Wir saßen im Wohnzimmer, nachdem wir gemeinsam zu Abend gegessen hatten und konnten uns vor Verlegenheit nicht in die Augen sehen. Ich blickte ständig ins Aquarium und du an die Wand, sobald sich unsere Blicke trafen. Eine unglaubliche Spannung lag in der Luft und dabei hätte ich dich zu dem Zeitpunkt schon wahnsinnig gerne in meine Arme genommen. Wie eine Befreiung erschien es mir, als wir dann gemeinsam an den PC gingen um ihn zu defragmentieren. Du hattest es mir angeboten, denn ich wußte Damals gerade mal, wie ich den PC an und ausschalten mußte.
Wie zufällig berührten sich unsere Hände und langsam, ganz langsam kamen wir uns näher. Der Beginn einer wundervollen Nacht!

Am nächsten Morgen saßen wir schweigend am Küchentisch, unfähig ein Wort miteinander zu reden. Das war auch gar nicht nötig, denn wir wußten auch so, was der Andere dachte. Unglaublicher Abschiedsschmerz lag in deinen Augen und deine Hand hielt sich an Meiner fest. Stundenlang!
Irgendwann war es soweit. Du mußtest gehen und ich spürte die Verzweiflung in dir und fühlte, daß etwas nicht stimmte.

Du warst fort und der Kummer begann...

Nächtelang telefonierten wir und wälzten Probleme. Stück für Stück kam heraus, daß du Angst vor einer Bindung hast. Selbstvorwürfe machten sich in dir breit, weil du neugierig genug warst, um mich zu sehen und die Verzweiflung über deine Gefühle wühlten dich auf.
Zu viel hattest du schon verloren, als daß du dich auf eine neue Beziehung hättest einlassen können.
Schmerzen und Tränen waren die Folge... Bei uns Beiden!
Doch aufgeben wollte ich nicht so schnell und so beschloß ich zu dir zu fahren. Sechseinhalb Stunden im Zug für nicht einmal einen ganzen Tag. Sechseinhalb Stunden Herzklopfen...

22 Stunden mit dir.

Wundervolle Stunden, in denen wir gemeinsam aßen, lachten und uns liebten.
Stunden, die sich bei uns Beiden ins Herz und in die Seele brannten und die wir bis heute nicht vergaßen. 22 Stunden, in denen uns ein Band für den Rest des Lebens verbunden hat, egal was auch immer wir tun, das Band ist auf eine geheimnisvolle Weise da und verbindet uns untrennbar miteinander, auch, wenn längst Jeder seine eigenen Wege geht.

Ich sehe dich noch genau vor mir, als du mich zum Bahnhof brachtest, nicht fähig mich auf den Bahnsteig zu begleiten, wütend auf den bevorstehenden Abschied und auf deine Unfähigkeit eine Zukunft mit der Frau, die du liebst, einzugehen Ich sehe die Verzweiflung in deinen Augen ganz deutlich vor mir und fühle noch immer den Schmerz, den wir verspürt haben.
Nein - deine Augen logen nicht.

Danach war alles noch viel schlimmer. Noch mehr Qual und noch mehr Tränen, bis ich es nicht mehr ertrug dich so leiden zu sehen. Ich beendete die Beziehung gegen mein Herz und gegen mein Gefühl.
Wochenlang schrie ich lautlos vor Kummer. Ich schlief mit einer nie gekannten Trauer in Gedanken an dich ein und wachte mit zerrissenem Herzen morgens auf. Es war vorbei!
Sonnenschein und blauen himmel ertug ich nicht. Die Musik, die wir gemeinsam hörten, trieb mir Tränen in die Augen und immer wieder hatte ich die Bilder unserer gemeinsamen Stunden vor Augen. Sie wollten nicht aus meinem Kopf verschwinden.
Doch ich bin ein Kämpfer und so kramte ich meinen Trotz hervor. Ich wollte nicht länger leiden und ich wollte nicht alleine sein. Ich stürzte mich in verschiedene Beziehungen, jedoch waren sie alle bei Weitem nicht wie das, was wir miteinander hatten. Mein Herz war nicht frei, für einen anderen Mann, aber ich wußte es nicht.

Zwischendurch hatten wir immer mal wieder Kontakt und jedesmal klopfte mein Herz, wenn wir miteinander telefonierten. Die Sehnsucht nach dir wurde wieder größer, aber deine Angst war nicht besiegt. Es hatte keinen Sinn, länger darauf zu hoffen, daß wir eines Tages zusammen kommen. Ich begriff es, wenn auch nur sehr langsam.
Ich fing an ein neues Leben zu leben doch in meinem Herzen hast du den besonderen Platz. Ihn wird dir keiner streitig machen...

Gestern hörte ich deine Stimme und unser Gespräch dauerte Stunden. Stunden, in denen wir wieder gemeinsam von Später träumten. Von unserer Veranda, auf der wir eines Tages sitzen werden, um den Sonnenuntergang vor unserer kleinen Farm in Amerika zu beobachten. Hand in Hand und schweigend...




by Petra Virbinskis 30.11.2002

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