Marvin C. Stahl

Die 'wahre' Weihnachtsgeschichte

Und es begab sich zu der Zeit... aber diesen ganzen Salm kennt ja eh jeder und deshalb werde ich ihn weglassen, obwohl Herodes ein ganz, ganz schlimmer Finger war und eine Verfilmung seiner Kindermassenmeuchelung sicher ein Kassenschlager wäre. Setzen wir also dort ein, wo ein Zimmermann, der so arm war, dass er nicht einmal einen Familiennamen hatte, sich mit seiner hochschwangeren Frau aufmachte, um nach Bethlehem zu ziehen.
Josef, den seine Kumpels kurz Jossl nannten, grummelte den ganzen Weg lang. Erstens musste er mit seinen windigen Sandalen laufen, während seine Frau bequem aus dem Esel ritt und zweitens gingen ihm andauernd die Worte seiner Kumpels durch den Kopf. "Jossle, bist Du denn völlig meschuggen? Wie will dei Frau noch Jungfrau sein, wenn se is schwanger?" oder "In der letzten Zeit is dei Frau immer verdächtig lang beim Ölhändler Cohn jewesen!" und Ähnliches musste er sich tagein und tagaus von seinen Kumpels Mosche und Izak anhören.
So kam ihm der Erlass, dass jedermann in seinen Geburtsort gehen sollte, um sich zählen zu lassen, gerade recht. Er kam sich ja selbst wie ein Idiot vor, dass er seiner Frau diesen Blödsinn mit dem 'Heiligen Geist' glaubte, aber wenn er's nicht tat... uihhh! Maria war eine äußerst streitbare und zänkische Frau, wenn es nicht nach ihrem Willen ging und so akzeptierte er halt diese dumme Ausrede für ihr ehebrecherisches Treiben. 'Pah, heiliger Geist! Der berauschende WeinGEIST des Ölhändlers wird se jefügig gemacht haben!' und "Hab ich se nich zur Frau jemacht, am ersten Abend als wir waren allein im Olivenhain?!" ging es Josef durch den Kopf.
Da seine Frau andauernd Pausen machen wollte und so das Tempo drosselte, kam es, wie es kommen musste. Statt am Tage, kamen sie mitten in der Nacht in Bethlehem an und alle Fremdenzimmer waren belegt. Selbst die Betten im RVJM - im Römischen Verein Junger Männer - waren alle belegt und so irrten sie ziellos durch den Ort. "Ich denk, Du hast hier so gute Beziehungen und dann findeste nich ma a Zimmer für uns!?" keifte Maria andauernd und Josef war kurz vor dem Nervenzusammenbruch.
Sie bogen gerade in die Wir gebbe nix'-Straße ein, als Maria einen offenstehenden Stall entdeckte. "Sag was Du willst, ich MUSS jetzt irgendwo rein und niederkommen. Also lass uns in den Stall dort gehen!". "Aber..." wollte Josef entgegnen, doch Maria war schon vom Esel gefallen und schleppte sich mühsam in den Stall. Josef zuckte mit den Achseln und folgte ihr gehorsam. Kaum hatte er den Esel vor dem Stall angebunden, hörte er seine Frau auch schon keuchen und schreien.
Zum Glück war Josef vor Wochen beim Schwangerschaftstraining gewesen und konnte seine Frau hilfreich unterstützen. "Atmen... tief atmen! Und jetzt pressen! P-R-E-S-S-E-N!!!" wies er sie an und Maria atmete und presste und presste... plötzlich machte es laut und vernehmlich -PLOPP- und das nackte, schleimige, unansehnliche Gör schoss aus ihr heraus, pralle von der nahe stehenden Krippe ab, klatschte dem im Stall stehenden Ochsen gegen die Seite und fiel neben Maria ins dreckige Stroh. Josef hob den Balg an der Nabenschnur hoch und ließ es wie einen Uhrpendel hin- und herschwingen. Als das keinen Erfolg zeigte, versetzte er dem Kind eine schallende Ohrfeige - "Wirste wohl atmen, Du Kind der Schande!?"
"Buähhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh!!!!!!!!!" plärrte das Balg los und vorbei war's mit der beschaulichen Ruhe im weihnachtlichen Stall! "Wirste wohl still sein, Du außerehelicher Sohn eines lüsternen Ölhändlers! Du weckst ja noch die ganze Nachbarschaft!" herrschte Josef das Kind an und versetzte ihm erneut eine schallende Ohrfeige. "JOSEF!!!" vernahm er vom Boden, wo seine Frau noch immer mit dreckigen Stroh lag. "Ich mein ja nur, wenn nu die Leit kommen und uns aus dem Stall werfen täten!" Achtlos schob Maria das Stroh zur Seite und raffte sich mühsam auf. "Das lass man ruhig meine Sorge sein!" sagte sie und biss gekonnt die Nabelschnur des kleinen Jesuskindes durch. "Und räum den Dreck hier weg!" herrschte sie Josef an.
Während Josef seinen Aufgaben nachging, herzte und küsste Maria das Kind, versetzte dem Ochsen einen Hieb und legte das Gör dann in die freigewordene Futterkrippe. Und so herrschte plötzlich ein besinnliches Bild der Eintracht, des Friedens und Glücks in diesem kleinen schnuddeligen Stall. Plötzlich wurde die Decke am Eingang zur Seite gerissen und drei finster dreinblickende Gesellen, gesellten sich zu Maria, dem Kind und dem Einfallspinsel Josef.
"Machla me chuktu ib'n absa kal...ähhh... ich vergaß. Seit gegrüßt edle Mutter. Wir sind drei Magi... ähhh... Weise aus dem Morgenland und sind gekommen, dass Kindlein zu preisen!" grüßte einer von ihnen. Misstrauisch beäugte Maria die drei Eindringlinge, von denen einer sogar schwarz war... SEHR bedenklich! Alle Drei waren in seltsame Lumpen gehüllt, rochen streng und hatten so einen gierigen Blick, wenn sie zur Krippe mit dem kleinen, unschuldigen, nackten, hilflosen Knaben schauten...
Schützend stellte sich Maria zwischen die seltsamen Typen und ihrem Kind, griff zur Heugabel und hielt diese drohend in Richtung der Eindringlinge. "Aber ehrenwerte Frau, wir wollen dem Knaben nichts Böses! Wir folgten dem Stern, um ihm zu preisen!" Maria machte zwei Schritte vorwärts und drängte die in Lumpen gehüllten Ausländer aus dem Stall. "Ich weiß genau, was ihr Ungläubigen von meinem Sohn wollt, ihr Pederasten! Lasst euch noch einmal hier sehen und ihr bekommt die Heuforke hinein bis zu den Zinken! Schleicht euch!" Mit angsterfüllten Blicken flohen die Weisen... während Maria noch die halbe Nacht lang hinter ihnen her fluchte.
Und so endet meine kleine Weihnachtsgeschichte. Die allseits bekannte Form wurde von den Weisen verbreitet, die somit mit die ältesten Geschichtsfälscher der Geschichte sind.
Ich wünsche euch ein geruhsames, friedliches Weihnachtsfest!
Marvin

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.12.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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