Mirjam Horat

“ Vom Finger berührt... “

 

Mea saß auf dem breiten Fenstersims. Ihr Blick schweifte gedankenverloren durchs Fenster, hinweg über die nächtlich, beleuchteten Häuser, entlang des Seeufers, deren Lichter wie tausend kleine Sterne leuchteten. Sie liebte diese Aussicht von ihrem Haus, wenn der Nachthimmel klar war und ihr so eine ungetrübte Sicht darbot. Ihre Gedanken schweiften weiter und ein zufrieden wirkendes Lächeln zierte, kaum merklich, ihren Mund.

 

Genau hier sass sie damals auch, an jenem sonderlichen Abend, der ihr Leben für immer verändern sollte. Auch an diesem Abend blickte sie in die Ferne, über den See, doch die andere Seite des Seeufers war nicht zu erkennen. Der unaufhörliche Dauerregen verkürzte ihre Sichtweite erheblich.

Nach einem letzten Kontrollblick in den Spiegel, wagte sie sich mit Trenchcoat und Regenschirm bewaffnet auf die Strasse hinaus. Das Taxi wartete bereits bei der Hofausfahrt.

“Wo soll’s denn hingehen?”

“Zur Stadtmitte bitte.”

Während der Fahrt kramte Mea in ihrer Handtasche nach ihrem Notizbüchlein suchend, um darin einige Gedanken und Ideen nieder zu kritzeln, wie sie es stets zu machen pflegte. Durch ein abruptes Bremsmanöver des Taxifahrers zurückgeholt in die Gegenwart, schaute sie erst mal durchs Fenster.

“Wo sind wir denn?”

“Ich musste eine Umleitung nehmen, wegen der Baustelle auf der Hauptstrasse.”

Stimmt, das hatte sie bereits wieder vergessen. Hoffentlich komme ich jetzt nicht zu spät, dachte sie nervös auf die Uhr blickend. Mist, es ist bereits zehn Uhr gewesen.

“Gibt es keinen Schleichweg, oder eine Abkürzung?”

“Es gibt eine, die nächste da vorne rechts. Aber da herrscht um die Zeit überall das blanke Chaos.” sagte er mit wohl wissender Stimme. “Da wären sie wahrscheinlich noch schneller zu Fuss.” hängte er mit einem ironischen Lacher an.

Kurz entschlossen fragte sie:

“Was bin ich ihnen schuldig?”

Sie zahlte den Betrag, schnappte sich ihren Regenschirm und marschierte mit grossen Schritten, geradewegs auf die eben gezeigte Abkürzung zu.

Daniel wartet sicher schon ganz ungeduldig, dachte sie zerknirscht, denn sie wusste nur zu gut, dass er Unpünktlichkeit nicht ausstehen konnte. Sie eilte so schnell sie konnte durch die Gasse. Das Wasser bespritzte sie. Mit jedem Schritt der dazu kam, zeichneten sich neue Wasserflecken ab auf ihrer Hose.

‚Was war das?’

Irgendein seltsam klingendes Geräusch war hinter ihr. Sie blieb stehen, drehte sich um, schaute für einen Augenblick in die Dunkelheit.

Es war nichts…

Sie setzte ihren Weg fort ohne weiter darüber nach zu denken.

‚Da!’

Erneut erhallte ein seltsames Geräusch durch die Gasse. Aufmerksam um sich blickend schaute sie sich die grauen, fast schon schwarz wirkenden Gebäude genauer an, aber nichts Auffälliges war zu entdecken, oder zu sehn. Mit konzentriertem Lauschen, ging sie nun leisen Schrittes weiter voran.

‚Da… da war es wieder!’ Schnell wandte sie ihren Kopf in die Richtung, von wo das vermeintliche Geräusch zu hören war. Nichts war zu sehen.

‚Seltsam.’

Langsam wurde es ihr unheimlich zu Mute. Sie überlegte kurz, ob sie besser wieder umkehren sollte, um der vorgeschriebenen Umleitung zu folgen, doch zu ihrem Bedauern musste sie feststellen, dass sie bereits mehr als die Hälfte der Gasse hinter sich hatte. So ging sie tapfer, und so schnell sie nur konnte, weiter. Wieder hörte sie, klar und deutlich dicht hinter ihr, ein undefinierbares Geräusch. Kein Licht brannte in der Gasse, alles war finster, Dunkelheit, wo sie auch hinblickte. Angestrengt hielt sie links und rechts Ausschau nach einer rettenden Tür, oder Treppe. Tatsächlich glaubte sie in der Finsternis, keine zwei Meter weiter vorne, eine kleine Nische zu erblicken. Vorsichtig  abtastend, schlich sie sich an den nassen, kalten Steinmauern der Häuser entlang. Ja, da war was. Sie huschte leise hinein, um sich für einen kurzen Moment darin zu verstecken. Ihr Herz pochte wie wild, ihr Puls raste.

‚So, einmal tief durchatmen, dann geht’s bestimmt wieder, ’ sagte sie sich selbst beschwichtigend. Sie lauschte in die Dunkelheit. Nun herrschte Stille, kein sonderbares Geräusch hallte mehr durch die Gasse.  

Doch dann, völlig unerwartet passierte es…

“Da bist du ja endlich!” ertönte, bestimmt keine zehn Zentimeter hinter ihrem linken Ohr, eine markant tiefklingende Stimme.

Reflexartig wandte sie sich um. Zwei gelb, leuchtende Augen blitzen ihr aus der Dunkelheit entgegen. Sie wollte schreien, aber es ging nicht, sie hatte das Gefühl ihr Herz hat für eine Schrecksekunde aufgehört zu schlagen. Sie wich immer weiter zurück, bis ihr Rücken schliesslich an der Wand anstiess und es kein weiteres Ausweichen mehr gab.

In der dunklen Nische, war nebst dem gelb funkelndem Augenpaar, noch was zu erkennen. Etwas Seltsames. Fast wie ein langer, gelblich-gräulicher, verkrümmter Fingernagel, dem sogleich der knochige Zeigefinger folgte. Dieser näherte sich, wie in Zeitlupe, aber unabwendbar, ihrer Stirn. Wie versteinert schielten ihre Augen auf diesen Finger, unfähig sich zu wehren, geschweige denn was zu rufen, stand sie einfach nur da, innerlich zitternd, von Angst erfüllt, schreiend … mach doch was, renn weg, nimm dein Handy aus der Handtasche, oder schlag zu! Doch es ging nicht. Nur noch wenige Millimeter trennten ihre Stirn von diesem hässlichen Finger. Erneut war die tiefe Tonlage der Stimme zu vernehmen. Während dem die Stimme, die beinahe gesanglich, melodiös wirkenden Wörter aussprach, berührte der Finger Meas Stirn.

 



Quidem tuus erat, rursum deverti, existo tecum conspiro,

quid semper tu adesse, ut consecutivum tu reperio,

quo versustu quaesitum, et de Innocentis peraco.

 

...

 

Ich hab euch hier meine ersten Beiden Seiten von meinem heranwachsenden Roman eingestellt.
Ich bin gespannt auf eure Reaktionen, Kommentare, Beurteilungen & Feedbacks...viel Spass beim lesen wünscht, mirjam
Mirjam Horat, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.07.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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