Hella Schümann

Au Weia, Ärzte

Nicht alle Ärzte sind so, wie ich gleich berichten werde, denn mein alter 2. Hausarzt z.B., der leider in „Rente“ gegangen ist, war der Beste, den ich je hatte. Ich konnte nachts bei ihm anrufen (was ich nur im äußersten Notfall tat) und er kam sofort. Er gab sonntags morgens Spritzen, weil er meinte, dass manchmal nicht so lange Abstände zwischen den Spritzen sein sollten. Er verschrieb nicht nur immer Tabletten sondern zeigte auch andere Alternativen auf, zum Beispiel alte Hausmittel oder Sport. Immer hat er erklärt, welchen Sinn seine Behandlung hatte und warum er dieses und jenes verschrieb.

Mein allererster Hausarzt war ein Phänomen. Ich kam in seine Sprechstunde und die erste Frage die er stellte war: „Wie lange soll ich sie krank schreiben?“ (So lange ich bei ihm in Behandlung war, arbeitete ich als Hausfrau). Dann: „Was haben Sie denn nun?“ Das veranlasste mich, zu Hause schon in meinen Körper hineinzuhorchen um Ihm dann die richtige Antwort geben zu können. Meistens hatte ich Recht, doch wenn ich unsicher war, fragte er auch schon mal nach den Symptomen und dann blätterte er in einem dicken Wälzer bis er das Krankheitsbild fand. Manchmal fragte ich mich, ob es sein könnte, dass er gar kein richtiger Arzt war, vielleicht war er ja Bäcker? So auf dem Land würde niemand bezweifeln, wenn an der Tür steht: Dr. Scharlatan, dass das kein Doktor ist.

Der dritte Hausarzt war ganz passabel, er liebte es, Spritzen zu geben, denn wenn ich über Schmerzen klagte, zückte er gleich eine Spritze. Leider halfen sie nicht immer. Der Höhepunkt kam dann mit meinem geklemmten Fingernagel, der ganz dunkelrot gefärbt war. „Der Nagel muss runter“, lächelte er und mein Vater, der mich begleitete erwiderte dieses Lächeln auch noch. Dr. B. holte eine Cognacflasche aus dem Schrank, goss zwei Gläser voll und reichte eins davon nicht mir, sondern meinem Vater. Sie prosteten sich zu und dann entfernte er ohne Betäubung den Nagel während mein Vater mich in den Würgegriff nahm.

Übrigens ich finde es nicht schlimm, wenn Ärzte Fehler machen, sie sind auch nur Menschen.

Soviel zu den Hausärzten.

Nun komme ich zu einer besonderen Spezi: Dem Orthopäden.Vorne an der Theke hatte ich schon mein von mir zusammen gestelltes Krankheitsbild abgegeben. Also ich hatte Schmerzen im Knie und saß damit im Behandlungszimmer. Das Knie wurde erst mal geröntgt. Die Tür ging auf, ein mir völlig fremder Mann im weißen Kittel schritt forsch mit einer Spritze in der Hand auf mein Knie zu, rammte ohne ein Wort zu sagen die Spritze hinein und verschwand genauso schnell und stumm. Ich wartete 10 Minuten, nichts passierte. Schließlich fragte ich die Sprechstundenhilfe, was nun sei, ob das der Arzt gewesen wäre, ob ich noch mal wiederkommen müsse und was ich nun hätte. Die Auskunft war so dürftig, dass ich diese Praxis nie wieder aufsuchte.

Ein neuer Orthopäde , eine neue Erfahrung. „Sie brauchen Einlagen“. Ich weiß, Orthopäde lieben es, Einlagen zu verschreiben. Ich bin dagegen glaube, dass Einlagen nur sinnvoll sind bei verschieden langen Beinen zum Ausgleich. Dann muss eine Einlage dicker sein. Zur Unterstützung für meine Senkfüße brauche ich keine Einlagen, denn wenn Muskeln ständig gestützt werden erschlaffen sie. Ich fragte mich, ob Gymnastik nicht sinnvoller wäre. Aber versuchen Sie mal die Diagnose eines Arztes anzuzweifeln…

Ich wollte es wenigstens mal mit den Einlagen versuchen. Der Arzt hatte Glück, dass gerade Winter war und ich meine Winterschuhe sowieso immer eine Nummer größer kaufe. Als der Sommer kam war das Problem da: Was macht man mit Einlagen wenn man Sandalen trägt? Ich warf sie auf den Müll und ging statt dessen zur Gymnastik.

Viele Jahre später dann der absolute Höhepunkt. Es fing an mit dem rechten Fuß, es war ein stechender Schmerz und die Abstände zwischen den Schmerzen wurden immer kürzer. Als dann auch der linke Fuß anfing und ich manchmal beim Gehen laut aufschrie vor Schmerzen, machte ich mich schweren Herzens auf zum dritten Orthopäde. Nachdem ich ihm meine Beschwerden geschildert hatte, ließ er die Zehen röntgen. „Das ist Arthrose, wir müssen die Zehen ruhig stellen, das wird aber nicht viel bringen“, verordnete er. Drei Tage lief ich fest gewickelt herum, ohne Schmerzen. Dann wurde der Verband entfernt und schmerzfrei trat ich auf die Straße. Der erste Schritt auf dem Kopfsteinpflaster ließ mich verzweifeln. Die Schmerzen waren wie vorher.

Schweren Herzens machte ich mich auf zum Fitness Studio, um mich abzumelden. Als ich meiner Trainerin die Schmerzen schilderte sagte sie: „Du brauchst dich nicht abzumelden, das kriegen wir schon wieder hin. Kannst Du eigentlich richtig gehen?“ Ungläubig sah ich sie an. „Geh mal aufs Laufband, dann zeige ich Dir, wie man richtig geht.“ So lernte ich, den Fuß abzurollen und Bauch und Po dabei anzuspannen. Sie hatte Recht. Es sind nun schon 12 schmerzfreie Jahre vergangen, obwohl alle gesagt haben: „Arthrose bleibt, die Schmerzen kommen immer wieder.

Und wie war das mit dem Orthopäde der behauptete meine Schultergelenke wären so verschlissen, dass ich nie wieder ohne Schmerzen meine Arme über den Kopf halten könne? Ich habe Gymnastik gemacht, er hat davon keine Silbe gesagt, und inzwischen habe ich schon Decken gestrichen und andere über Kopf Arbeiten verrichtet ohne Schmerzen.

Es gibt noch eine Menge anderer Stilrichtungen, da sind zum Beispiel die Psychotherapeuten. Da weiß man schon im Vorfeld, dass sie selber ein Problem haben, deshalb wählten sie diesen Beruf. Am schlimmsten war der, der einen Tick an seinem Auge hatte. Als ich nach fünf Sitzungen seine Praxis verließ hatte ich außer einem leichten Zucken an meinem Auge nichts weiter bekommen.

Der Nächste, zu dem mein Mann und ich wegen unserer Eheprobleme gingen empfing uns mit den erfrischenden Worten: „Ja, so sieht ein Therapiezimmer aus. Wer von Ihnen hat nun wen betrogen?“ Das war gar nicht unser Problem. Er hatte wohl den Altersunterschied von 9 Jahren gesehen und seine Schlüsse gezogen. Wie einfältig! Außerdem waren wir nicht mehr 20 sondern 40 und 49.

Die schlimmste Rubrik der Ärzte sind die Neurologen.

Als ich mein Gehirn untersuchen ließ, weil ich unter schweren Gedächtnislücken litt, warf mir der Arzt das Wort Demenz an den Kopf. Nach einem kleinen Test bestätigte er mir einen IQ von 128. Die Wahrheit um meine Gedächtnislücken fand ich später selber heraus: Seit meiner Kindheit hatte ich eine Konzentrationsschwäche und der enorme Stress und die Angst unter der ich litt beeinträchtigten mein Gedächtnis so stark.

Wieder wechselte ich den Neurologen, der übrigens einen guten Ruf vorausschickte. Die mittleren Zehen an beiden Füßen fühlten sich manchmal taub an. Die Muskeln und Nerven wurden gründlich untersucht und dann brachte mich die Antwort doch noch zum Staunen: „Ich kann nichts finden, vielleicht haben Sie eine Entzündung in der Lendenwirbelsäule, machen Sie Rückengymnastik, Sie kennen das ja“. Seltsam, er kannte mich doch gar nicht, woher wusste er, dass ich die Rückengymnastik längst vergessen hatte? Ist denn das jetzt das Ergebnis der Gesundheitsreform? Oder geben die Ärzte sich schon keine Mühe mehr, weil ich über 60 Jahre alt bin.

Im Krankenhaus, wo ich eine Woche lang bleiben sollte, weil mein Gehirn durchgecheckt wurde, ich musste also nicht liegen, kam die Schwester noch bevor ich meine Sachen im Schrank verstaut hatte mit einer Spritze zu mir. „Was ist das für eine Spritze?“ fragte ich ahnungsvoll. Dachte ich es mir doch, sie wollten mir tatsächlich eine Thrombosespritze verabreichen. Als ich sie verweigerte wurde sie richtig böse, „der Arzt hat das angeordnet.“ „Dann sagen Sie dem Arzt, ich nehme sie nicht, weil ich den ganzen Tag herumlaufen werde, und sogar Treppen steige bis in den 6. Stock (wo sich meine Station befindet)."

Frauenärzte sind sauer, wenn man keine Hormone mehr will. Dabei habe ich sie ja eine Weile genommen, sogar verschiedene Präparate probiert, so lange bis die Nebenwirkungen schlimmer als die Wirkung waren. Dann hatte ich eine fürchterlichen Streit mit meiner Frauenärztin weil ich sagte: "Sieben Jahre Hormone sind genug, ich will nicht mehr meine Periode bekommen, denn die dauerte immer 8 Tage." Das Einzige was sie dagegen setzen konnte war: Hormone machen schöner und jünger. Noch jünger als ich ohnehin schon wirkte und noch schöner, nein danke, nicht um diesen Preis.

Als Krönung meiner Ärztegeschichte kann ich meinen Hautarzt bezeichnen, ein guter Chirurg aber…

Erstens kam er selten richtig mit dem ganzen Körper in das Behandlungszimmer, er stand an den Türrahmen gelehnt, den Ellbogen am Rahmen und mit der Hand stützte er seinen Kopf. Er ist schuld, dass ich über dreißig Jahre mit einem Fußnagelpilz kämpfte, obwohl ich nie vergaß ihn zu behandeln. Als ich ihn fragte, „ob die Salbe denn durch den Nagel dringen könnte“ bejahte er das. Endlich fand ich dann eine kompetente Hautärztin, die mir bestätigte, dass dieses Mittel nur für Fußpilze gedacht wäre und sie verschrieb mir etwas, das sanft den Nagel ablöste und jetzt konnte man zusehen, wie  der Nagel immer gesunder wurde.

Wie gesagt, ich habe nie geglaubt, dass Ärzte Götter in weiß sind, Ärzte sind auch nur Menschen.

Beinahe hätte ich ja noch den Perversen vergessen.

Er sollte eine Magenspiegelung machen weil ich fünf Tage vor Heiligabend nichts im Magen behalten konnte, nicht mal Tee. Seine Bemerkung dazu war: „Sie haben wohl zu viel von der Gans gegessen.“ Fünf Tage vor Heiligabend ist diese Bemerkung wohl ziemlich daneben.“  Er ließ also den Schlauch herunter und es dauerte lange, bis er mit der Bemerkung: „Ich kann nichts sehen“, den Schlauch wieder herauszog. „Doch halt, da war doch was?“ Er ließ den Schlauch wieder herunter. „Da ist ein Riss in der Magenschleimhaut, freute er sich. Noch einmal zog er den Schlauch bis zur Hälfte hoch. „Das muss ich noch mal ansehen.“ Der Schlauch ging wieder hinunter. Endlich zog er ihn wieder heraus. Bis zur Hälfte gekommen sagte er zu der Krankenschwester: „ Wollen sie auch mal sehen?“ Wieder ging der Schlauch nach unten. Das war in der Notaufnahme des Krankenhauses am Heiligen Abend. 

Jetzt im Alter von über 60 Jahren wünsche ich mir von meinem Arzt, dass er nicht sofort nach Medikamenten greift, sondern mit mir nach Alternativen sucht. Ich werde alles dazu tun, dass ich nicht wie so viele alte Leute 5-14 Tabletten schlucken muss. Das fängt erst ganz harmlos an mit einer Tablette, die man bis zum Lebensende nehmen soll. Da diese Tablette Nebenwirkungen hat, die manchmal erst später herauskommen, gibt es dann eine Tablette gegen diese Nebenwirkungen und so beginnt die Endlosschleife. Ich traf mal im Krankenhaus eine Frau, die 14 Tabletten nehmen musste. Sie war Türkin und hatte „nur“ einen Bandscheibenvorfall. Weil sie nicht so gut deutsch konnte, fragte ich den Arzt, wofür diese vielen Tabletten wären. Er erklärte mir dann die ganze Palette. Als ich wissen wollte, ob das sein Ernst wäre, dass so viele Tabletten nötig seien überprüfte er diese und siehe da, 4 Stück waren unnötig. (Zehn sind immer noch zu viel !!!! )

Haben Sie schon mal den Roboterarzt aufgesucht? Er ist Kardiologe. Ich kam zu ihm mit einer Überweisung auf der klar und deutlich stand: Herzrhythmusstörungen. Nachdem ich einen Tag lang ein Langzeit EKG getragen und einen Zettel mit meinen früheren Krankheiten ausgefüllt hatte, kam ich in sein Sprechzimmer zum Gespräch.  Noch einmal fragte er mich nach früheren Gebrechen. Mir ging es so schlecht, dass ich kaum antworten konnte, warum auch, es stand doch alles auf dem Zettel.

Dann sagte der Roboter: "Sie haben Herzrhythmusstörungen." Ernsthaft, er sagte genau das, was auf dem Zettel stand und was auch ich ihm schon gesagt hatte. Kommen Sie in 4 Wochen zur Untersuchung wieder. Dreimal sagte ich ihm eindringlich, dass es mir schlecht geht. Sein Programm befahl: Lunge röntgen. Ich widersprach: Meine Lunge ist in Ordnung, ich bin Sängerin, ich würde merken, wenn dort etwas nicht stimmte. So wurde meine Lunge geröntgt, denn Robotern kann man nicht widersprechen, was erst mal einprogrammiert ist kann man nicht mehr löschen.

Wenn Sie jetzt denken, diese Geschichten seien meiner Phantasie entsprungen, so muss ich Sie enttäuschen. Es ist die reine Wahrheit.

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.07.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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