Helmut Wurm

Mephisto, sein kleiner Hilfsteufel und die Sommerfahrt

 

Eine längere Zeit ist vergangen. Die in Schweine verwandelten Hilfsteufel haben allmählich wieder ihre normale Teufelsgestalt angenommen. Mephisto hatte sie in dieser Übergangszeit der allmählichen Rückwandlung sicherheitshalber in einen unbeachteten Teil der Hölle schaffen lassen, denn die Übergangsformen zwischen Schwein und Teufel dürften teilweise etwas amüsant ausgesehen haben. Menschen hätten die Schweine-Hilfsteufel und diesen Prozess zwar nicht gesehen, aber er wollte diese Peinlichkeit vor umher fliegenden Engeln und umher streunenden Hilfsteufeln verbergen. Man würde sowieso darüber tratschen.

 

Aber allmählich war die Teufels-Welt äußerlich wieder in Ordnung gekommen, nur innerlich in Mephisto natürlich nicht. Aber das kann bei solch einem Naturell, wie Mephisto es ist, auch gar nicht sein. Die Bündischen und seine Blamagen beschäftigten ihn mehr, als ihm lieb war.

 

Mephisto sitzt nicht mehr auf dem Brocken-Gipfel, sondern etwas abseits am Hang zwischen Felsen und Bäumen. Er wirkt irgendwie verunsichert, schaut sich auch nicht frei um und nach oben, wie es sonst seine Art ist, sondern schaut geduckt nach unten und schräg vorwärts. Manchmal schaut er geradezu ängstlich unsicher nach oben. Dabei murmelt er verbissen vor sich hin.

 

Mephisto: Jetzt muss man sich schon als Teufel etwas verkriechen, damit einen die vielen Auftragsengel nicht sehen. Früher machten die einen großen Bogen um mich, ich war ja ihr gefürchteter Gegner, vor dem sie zwar nicht Angst hatten, der ihnen aber unangenehm war. Jetzt scheint es mir, dass sie mich geradezu aufsuchen, eine Runde um mich fliegen und dabei mir Nasen drehen und hämisch lachend winken. Neulich hatte sogar eine kleine Gruppe dieser Botenengel bündische Baretts auf den Lockenköpfen und Halstücher und Gitarren umgehängt und haben über mir ein Wanderlied gesungen.

 

Das ist alles nur Hohn und Spott über meine Niederlagen gegenüber den Bündischen. Wie weh das selbst einem Teufel tut. Wie habe ich mich früher hämisch gefreut, wenn ich Streit und Zank zwischen den Menschen säen konnte und beobachtete, wie die anderen über einen der Menschen herfielen und ihn verspotteten. Heute geht es mir selber so. Die da oben im Himmel würden jetzt sagen, das sei ausgleichende Gerechtigkeit. Aber ich sage nur, dass das zum Verzweifeln ist. Als Teufel so blamiert worden zu sein, das kam lange Zeit nicht mehr vor.

 

Und die in der Hölle sind jetzt auch nicht mehr so unterwürfig mir gegenüber. Man weiß zwar um meine vielen Verdienste im Dienst des Schlechten und Bösen, aber trotzdem ist die große Bewunderung vorbei. Auch ein Oberteufel ist mit Fehlern behaftet, denken sich viele Hilfsteufel jetzt. Wer weiß, wenn die erste Befehlsverweigerung, die erste offene Höllen-Revolte kommt.

 

Aber ich habe ja auch entscheidende Fehler gemacht. Ich habe es bei den Bündischen jedes Mal mit einem Generalangriff versucht, habe alles auf eine Karte gesetzt. Und jedes Mal habe ich alles verloren. So etwas macht kein kluger General. Nach einer schweren Niederlage haben sich kluge Generale auf kleine Aktionen, auf kleine Nadelstiche beschränkt, bis sich wieder eine größere Möglichkeit geboten hat. Das hätte ich nach der ersten Blamage auch tun müssen.

 

Im Himmel dürfen die Bündischen sogar, durch keine strengen Heiligen mehr behindert, ihre wilden Lieder singen. Die Bündischen gelten dort oben jetzt als eine Menschengruppe, die sich selbst vor dem Teufel nicht fürchtet...  Wenigstens ein kleiner Sieg über die Bündischen würde mein Ansehen wieder etwas heben und denen da oben einen Dämpfer geben... Wenigstens nur ein kleiner Erfolg... Aber wie könnte ich das erreichen?...

 

Ich müsste bei einer besonders angesehen bündischen Gruppe das Ansehen mindern, das wäre schon ein kleiner Teilerfolg... Aber wo und mit was?... Am besten, ich schicke einige Spionage-Hilfsteufel aus, damit sie herausfinden, wo eine besonders angesehene Gruppe ist und wo ihre Schwachstellen sind... Ja, das wäre eine Möglichkeit.

 

Mephisto ruft nach allen Seiten seinen Teufels-Sammelruf, den Menschen zwar nicht hören können, sie meinen höchstens der Wind heule in den Wäldern, und der auch für Teufel nicht so weit wirkt wie die Teufels-Seifenblasen-Botschaften, aber einige Hilfsteufel in der weiteren Umgebung des Brocken werden ihn hören und kommen. Und so ist es auch. Noch am selben Abend sind etwa ein Dutzend Hilfsteufel um ihn versammelt. Diesmal hält Mephisto keine teuflisch-freundliche Einleitungsrede, sondern ist kurz und knapp.

 

Mephisto: Ich habe 2 Aufträge an euch.

Erstens möchte ich gerne durch euch herausfinden lassen, wo es besonders vorbildliche bündische Gruppen gibt. Streift deswegen unauffällig durch die Lande, beobachtet, horcht und analysiert Gruppen, die zu den Bündischen gezählt werden, achtet auf ihr Auftreten, ihr Programm und ihr Verhalten in der Öffentlichkeit, versucht über ihre Gruppenstunden, Fahrten und sonstigen Treffen etwas Genaueres heraus zu bekommen. Widmet euere Aufmerksamkeit dabei besonders vorbildlichen Gruppen. Wo Gruppe und Führung schlecht sind, das merkt man schnell. Die interessieren mich diesmal nicht. Ich möchte Mustergruppen von euch ausgespäht haben. Ich denke, in einem Monat könnt ihr mir sicher schon einige Beobachtungsergebnisse mitteilen. Dann seid wieder zu Beginn der Dämmerung hier.

 

Meinen zweiten Auftrag erfüllt gleich. Schickt mir einen von den kleinen Benjamin-Teufeln hierher, einen von denjenigen, die bisher bevorzugt in Schulklassen eingesetzt worden sind, um dort das Lehren und Lernen zu erschweren. Er soll seine Personalakte mitbringen. Ich warte hier auf ihn.

 

(Damit entlässt Mephisto die Gruppe der Hilfsteufel und wartet auf einen Benjamin-Teufel. Er muss nicht lange warten. Es erscheint bald ein kleiner, jugendlich-jungenhaft aussehender Teufel mit einem verschlagenen Gesichtsausdruck. Mephisto betrachtet ihn lange und fragt ihn dann)

 

Mephisto: Informiere mich kurz, wo du in der letzten Zeit eingesetzt warst und wie du dort gewirkt hast.

 

Der kleine Hilfsteufel: Ich war bevorzugt in Schulklassen eingesetzt. Ich habe mich dort jeweils als angeblicher kurzzeitiger fremder Gast wegen familiären Reisen aufgehalten und so viel Schwierigkeiten und Schaden angerichtet wie möglich. Ich war ein schlechtes Vorbild für die anderen Schüler, ich habe gestört und vom Lernen abgelenkt, so gut ich konnte. Ich habe die Lehrer schlecht gemacht und die Schüler gegen die Lehrer aufgewiegelt. Ich hoffe, ich habe jeweils länger wirksame teuflische Spuren hinterlassen und manchen labilen Jugendlichen für länger negativ beeinflusst.

 

Mephisto (zufrieden nickend): Du scheinst für mich geeignet zu ein. Diesmal habe ich einen Spezialauftrag für dich, den wir gründlicher besprechen und vorbereiten müssen. Du sollst dich als Gast oder interessierter Neuling in eine besonders vorbildliche bündische Jugendgruppe einschleichen und dort Schaden anrichten. Du merkt, dass das eine besondere Aufgabe ist, die viel teuflische Phantasie und Menschenkenntnis erfordert. Traust du dir das zu?

 

(Der kleine Hilfsteufel hat erst erwartungsvoll abgewartet, aber bei dem Hinweis, dass er in einer bündischen Jugendgruppe, und dazu noch in einer besonders vorbildlichen, Schaden anrichten soll, ist er zusammen gezuckt und unsicher geworden. Nun stottert er verlegen)

 

Der kleine Hilfsteufel: In einer bündischen Jugendgruppe... Man hat in der letzten Zeit so einiges erzählt von teuflischen Misserfolgen bei diesen Bündischen... Das sind keine normalen Menschen, sondern für Teufel harte Nüsse, die offensichtlich nicht leicht zu knacken sind... Wäre es da nicht besser, ein anderer Benjamin-Teufel mit mehr Geschick würde sich dieser Aufgabe annehmen?...

 

Mephisto (blättert in der Personalakt des kleinen Teufelsund liest): Eine bisher ruhige Schulklasse renitent gemacht... Einen bis dahin guten Lehrer zur Frühpensionierung getrieben... Einen Lehrer in den psychischen Zusammenbruch geführt... Ein Schulfest mit Streit enden lassen ... Eine Klassenfahrt musste abgebrochen werden, weil die Schüler nicht mehr lenkbar waren... (Mephisto packt den kleinen Teufel jetzt an seiner teuflischen Ehre): Das sind ja sehr positive teuflische Beurteilungen... Das mit der abgebrochenen Klassenfahrt

wäre genau die Qualifikation, die deine neue Aufgabe erfordert... Du wärest der Richtige dafür... Sei nicht so ängstlich... Denke an die Ehre, die dir zuteil würde, wenn du gerade den Bündischen einen erheblichen Schaden zugefügt hättest.

 

Der kleine Hilfsteufel (nach einem gewissen Zögern, aber stolz geworden): Also gut, ich übernehme die Aufgabe. Was soll ich konkret tun?

 

Mephisto: Lass dir in der teuflischen Bibliothek ein kleines Buch geben über gute bündische Fahrten, das du dann gründlich durcharbeiten musst. Darin wird dargestellt sein, wie eine gute bündische Jugendgruppe einfach in der Natur lebt; wie sie zusammen hält; welche schönen Fahrtenziele in Deutschland ausgewählt werden können, worauf ein guter Führer bei einer solchen Fahrt alles achten muss, usw... Du hast nun die Aufgabe, alles dort Dargestellte in der realen Fahrtenpraxis einer Gruppe zu torpedieren, zu erschweren, die Jugendlichen renitent zu machen, usw., so dass eine Fahrt, an der du teilnimmst, dann abgebrochen werden muss... Sei bitte in einem Monat gut vorbreitet wieder abends hier. Ich werde dir dann weitere Instruk-tionen geben.

 

Der kleine Hilfsteufel: Gut, ich gehe gleich in die teuflische Bibliothek und hole mir so ein Buch und beginne mich vorzubereiten. Die Aufgabe wird nicht einfach sein, das merke ich, aber sie ist für mich als Jugendteufel reizvoll. Ich werde mir Mühe geben.

(Er geht ab bzw. verschwindet genauer als Schatten irgendwo in der Bergwand)

 

Mephisto (bleibt sinnend zurück): Vielleicht ist das eine Chance für einen kleinen taktischen Erfolg... Der kleine Jugendteufel, wir nennen die hier auch Benjamin-Teufel, macht einen ganz brauchbaren Eindruck.

 

 

Etwas zur selben Zeit im Haus der alten bündischen Führers

 

Dort sitzt eine kleine bündische Runde, Sokrates ist auch dabei, und plaudert über die Qualität der Gruppen, über die geplanten Fahrten und natürlich auch über die Ereignisse der letzten Monate, zu denen ja auch die ärgerlichen, aber glücklich abgewehrten Schadens-Bemühungen des Mephisto gehören. Während der alte bündische Führer meint, dass Mephisto jetzt eine Weile Ruhe geben werden, ist Sokrates diesbezüglich anderer Meinung. Er hat als Begründung angefügt, dass er Mephisto schon seit über 2000 Jahren mehr oder minder kenne bzw. von ihm gehört habe und wüsste, dass dieser schon als früherer Engel ein überehrgeiziger und überempfindlicher Charakter gewesen sei und nach dem Bruch mit seinem Chef seien diese

Charaktereigenschaften noch ausgeprägter geworden. Der werde keine Ruhe geben, er werde nur andere Wege und Zielobjekte suchen. Er, Sokrates, könne sich vorstellen, dass Mephisto aber nicht mehr global gegen die bündische Bewegung als Ganzes vorgehen, sondern sich auf Schadaktionen gegen einzelne Gruppen spezialisieren werde und dass sich hier wiederum seine Aktionen gegen die leichter negativ beeinflussbaren bündischen Jugendlichen richten könnten. Dass Sokrates mit seiner Vermutung Recht hatte, hat der Leser bereits erfahren.

 

Der bündische alte Führer hatte daraufhin gemeint, dass sich Mephisto dann wohl weniger gegen schlechte und schlecht geführte Gruppen wenden würde, sondern eher guten und gut geführten Gruppen Schaden zuzufügen sich bemühen werde. Er kenne außerdem nur wenige schlechte und schlecht geführte bündische Gruppen, die Mehrzahl der Gruppen sei gut geführt und gut und eine ganze Reihe sei sogar als vorzügliche Gruppen unter sehr guten Führern zu kennzeichnen. Diese besonders guten Gruppen werde sich Mephisto vermutlich als Ziele seiner Bemühungen auswählen, denn ein eventueller Erfolg sei dann umso höher zu bewerten.

 

Der alte bündische Führer verfasste deswegen mit Hilfe der anderen anwesenden Freunde ein vertrauliches Schreiben an die besonders guten Führer von bündischen Gruppen mit etwa folgendem Inhalt: Man müsse vermuten, dass Mephisto nach seinen bisherigen demütigenden Niederlagen weitere, aber anders geartete Aktionen planen werde und dass vermutliche Ziele  seiner Schadens-Aktionen besonders gute Gruppen sein könnten. Es wäre denkbar, dass über Neue oder Gäste in den Gruppen negative Einflüsse verschiedener Art in die Gruppen gebracht werden sollten. Es seien deswegen Neuzugänge freundlich, aber kritisch zu beobachten und Auffälligkeiten vertraulich an ihn, den alten Führer, zu melden. Denn solche eingeschleusten Kinder-Teufel, und darum werde es sich vermutlich handeln, dürften nicht zu früh verunsichert werden, um ihre Demaskierung nicht zu erschweren. Das sei wie bei der Spionageabwehr. Er, der alte Führer, und seine Freunde würden dann die richtigen Gegenmaßnahmen empfehlen und steuern

 

Der alte Führer (zur Runde seiner Freunde): So, mehr kann man jetzt nicht tun, jetzt müssen wir abwarten. Und du, lieber Sokrates, wirst sicher auch wieder mit Ideen, Rat und Tat dabei sein.

(Und damit wandte sich die bündische Freundesrunde wieder anderen, heitereren Themen zu)      

 

 

Einen Monat später, gegen Abend am Brocken

 

Die ausgesandten Späher-Teufel sind zurück und ebenfalls ist der kleine Hilfsteufel erschienen.

Die Späher-Teufel berichten von ihren Beobachtungen.  

 

Die Späher-Teufel (der Reihe nach): Es gibt viele gute bündische Gruppen und eine Reihe sehr guter Gruppen unter guter Führung... Die meisten bündischen Gruppen sind besser, als sie missgünstige Spießbürger darstellen... Die Jugendlichen werden meistens gut erzogen und erhalten positive Anregungen für ihr ganzes Leben... Es ist schwer, eine besonders gute und besonders gut geführte Gruppe zu nennen... Ich müsste mehrere Gruppen zugleich als Spitzen nennen, wenn ich eine Rangfolge aufstellen sollte... Es gibt da eine Gruppe in Y-Stadt, die mir besonders auffiel. Die könnte ich vielleicht als Spitzengruppe nennen...

 

Mephisto (unterbricht): Weshalb könntest du diese Gruppe in Y-Stadt aus den anderen herausheben? Bericht mal genauer.

 

Der Späher-Teufel: Also, da muss ich weit ausholen und ausführlicher berichten. Ich zähle mal einige Merkmale auf:

 

- Der dortige Gruppenführer, er benutzt den Ausdruck Gruppenführer unbekümmert neben dem Ausdruck Gruppenleiter, hat bereits als junger Mann eine Gruppe aufgebaut oder auch übernommen, das konnte ich nicht herausbekommen. Nun ist er verheiratet, hat selber Kinder, aber er führt seine Gruppe weiter. Seine Gruppe ist ein erweiterter Teil seiner Familie, sagt er.

 

- Er nimmt erst Jugendliche ab 11/12 Jahren, je nach Entwicklungsstand, in seine bündische Gruppe auf. Jüngere seien dafür noch nicht reif genug und seien deswegen besser in seiner bündischen Jungschar aufgehoben, die eine Mutter betreut.

 

- Der Gruppenführer nimmt zwar Jungen und Mädchen auf, aber er hat sie auf jeweils eine separate Mädchen- und Jungengruppe verteilt. Er meint, dass für die Jugendlichen ab diesem Alter eine getrennte Entwicklungswelt und Erziehung besser sei. Bei der Mädchengruppe hilft ihm seine Frau. Aber er veranstaltet regelmäßig gemeinsame Treffen und Fahrten, damit die Jungen mit den Mädchen zusammen leben lernen. Er betreibt also eine sinnvolle, sowohl getrennte als auch koedukative Erziehung.

 

- Er sorgt sich sehr um seine Jugendlichen, betreibt eine aktive Gesundheitserziehung und achtet auch auf ihre schulischen Leistungen. Wenn einer seiner Jugendlichen in der Schule Probleme hat, spricht er mit den Lehrern und besorgt, wenn nötig, kostenlose Nachhilfe durch ältere Bündische oder Eltern.

 

- Er betreut und unterhält die Jugendlichen nicht nur mit bündischem abenteuerlichem Leben, sondern er erzieht sie neben und in Abstimmung mit den Eltern zu höflichen, freundlichen, selbstständigen und fleißigen Menschen. Wenn Eltern ihrer Erziehungspflicht nicht genügend nachkommen, dann spricht er mit diesen Eltern.

 

- Zu allen seinen Gruppenstunden kommt er gut vorbereitet. Er bezieht die Gruppenmitglieder in das jeweilige Thema mit ein, behält aber immer die Fäden in der Hand. Für ein rein partner-schaftliches Miteinander seien Jugendliche noch nicht geeignet, meint er, dass müssten sie erst allmählich lernen.

 

- Er gewöhnt die Jugendlichen an ein einfaches Leben in jeder Hinsicht, weil er meint, dass in unserer Wohlstandsgesellschaft Jugendliche vor allem Einfachheit und Selbstbescheidung lernen müssen. Dazu gehört, dass alle bei Fahrten und Lagern auch niedere Arbeit verrichten und körperlich arbeiten müssen und dass sich alle einfach ernähren.

 

- Die Mahlzeiten sind für alle gleich. Alle Mahlzeiten werden gemeinsam begonnen und beendet und keiner darf sich gesondert Leckereien gönnen. Wer mit Essen fertig ist, wartet ruhig, bis der Letzte ebenfalls fertig gegessen hat.  

 

-  Als Fahrtenziele und Fahrtenräume werden überwiegend mitteleuropäische Landschaften gewählt. Dieser Gruppenführer ist der Ansicht, dass seine Jugendlichen zuerst den weiteren Heimatraum kennen lernen sollen. Fahrten ins weitere Ausland sollen in der Jugend nur eine Ergänzung sein. Bei den Auslandsfahrten werden aber alle europäischen Landschaften gleich-wertig berücksichtigt.

 

- Dieser Führer besucht an Wochenenden, wenn er mit seinen Jugendlichen auf Fahrt ist, öfter Gottesdienste und betet manchmal auch vor dem Essen oder abends mit ihnen, weil er der Ansicht ist, dass bündisches Leben nicht religionsloses Leben sein soll (bei diesen Worten schüttelte sich der erzählende Späh-Teufel unwillkürlich).

 

Mephisto (unterbricht): Das genügt... Dieser Führer besucht sogar öfters Gottesdienste mit seinen Jugendlichen (er schüttelt sich ebenfalls unwillkürlich)... Vermutlich gehört der zum Umfeld des alten bündischen Gandalf, denn der hat auch so fromme Allüren... In diese Gruppe

Unordnung zu bringen, wäre natürlich sehr verlockend... Aber sie gehört zum Umfeld des alten Gandalf und damit in den Bereich eines sehr ernst zu nehmenden Gegners... Was soll ich da tun?... Ob diese Gruppe den ausgewählten Kinderteufel überfordert?...

 

(Mephisto geht unruhig und vor sich hin murmelnd hin und her) Ist das zu leichtsinnig und zu schwer... Soll ich es wagen?... Ich wage es, ein Teufel muss Mut für seine Bosheiten haben.

 

(Zu den anderen Teufeln um ihn herum) Nur der Kinderteufel und der letzte Erzähler bleiben hier, alle anderen gehen wieder ihrer normalen teuflischen Arbeit nach.

 

So, Späher-Teufel, nun erzähle mal diesem Benjamin-Teufel hier genau von dieser Gruppe, beschreibe den Gruppenführer und die einzelnen Gruppenmitglieder genau, berichte von den Gruppestunden und den Fahrten, von den eventuellen Problemen in dieser Gruppe... Und du, kleiner Jugend-Teufel, höre ganz genau zu, mache dir eventuell Notizen. Je besser du über deine Einsatzgruppe informiert bist, desto größer ist dein möglicher Erfolg, ich meine der durch dich angerichtete Schaden.   

 

(Der Späher-Teufel berichtet nun ganz detailliert, was er beobachtet und erfahren hat. Der Jugend-Teufel macht sich Notizen. Anschließend entlässt ihn Mephisto mit einer Anweisung)

 

Mephisto: Du meldest dich jetzt als Feriengast in dieser Gruppe. Deine Eltern würden die Ferien in der Y-Stadt verbringen und du wärest schon Bündischer und möchtest auch in diesen Ferien bündisches Leben erleben. Du zeigst besonderes Interesse an der Sommerfahrt dieser Gruppe. Sobald ihr dann auf Fahrt seid, versuchst du die anspruchsvollen Ziele des Führers bei den Gruppenmitgliedern zu unterlaufen, sie lächerlich zu machen und durch moderne, flache Vorschläge und Theorien zu ersetzen. Schaffe Unfrieden innerhalb der Gruppe, unterminiere das Ansehen des Gruppenführers. Dein Ziel muss sein, dass diese Sommerfahrt ein Misserfolg wird oder sogar vorzeitig abgebrochen werden muss.

 

So und jetzt brauchst du noch eine glatte Haut, wie sie bei den Menschen-Jugendlichen üblich ist, und eine fahrtengerechte bündische Kleidung und Ausrüstung. Bleibe bitte ruhig stehen.

 

(Mephisto schnippt mit den Fingern, murmelt:“ So soll er aussehen, das soll er anhaben und das soll er als Ausrüstung haben“, und schon seht vor ihm ein bündischer Jugendlicher mit Halstuch, Barett, festen Schuhen, gepacktem Rucksack und Schlafsack. Mephisto betrachtet ihn und murmelt)

 

Mephisto: Du siehst gut aus. Der Gruppenführer wird keinen Verdacht schöpfen, wenn er dich mitnimmt... Ich werde ständig mit dir Kontakt halten. Wie und wo, das wird sich ergeben... So und jetzt ab nach Y-Stadt. Ich beame dich dorthin, das geht schneller als eine normale Reise.

(Und wieder schnippt Mephisto mit den Fingern und murmelt: “Dort soll er hin“ und schon ist der Benjamin-Teufel verschwunden, den Menschen sowieso nur als Schatten wahrgenommen hätten)

 

 

Etwa 1 Monat später im Haus des alten bündischen Führers

 

Sokrates ist wieder zu Besuch gekommen und der alte bündische Gandalf erzählt ihm, dass einer seiner besten Gruppenführer ihn kürzlich angerufen und einen interessanten Verdacht mitgeteilt habe. Offensichtlich versuche Mephisto, einen Jugend-Teufel in seine Gruppe einzu-schleusen. Anfangs sei dieser Neue, der sich als befristeter Gast in der Gruppe angemeldet habe, nicht negativ aufgefallen. Aber als der Gruppenführer nach den angeblich zu Besuch weilenden Eltern in Y-Stadt forschte, bekam er keine konkreten Hinweise auf die tatsächliche Existenz solcher Eltern. Deren Anmeldeschreiben schien also gefälscht zu sein. Und dann seien nach immer mehr Auffälligkeiten und Hinweise auf eine Teufelei dazu gekommen, so dass er sich an die Warnung des alten Führers erinnert und ihm sicherheitshalber die Auffälligkeiten mitgeteilt habe. Als der alte Führer eine der beobachteten Auffälligkeiten seinem Freund Sokrates weiter erzählte, mussten beide erst einmal eine Weile herzlich lachen. Aber dann wurden sie beide wieder schnell ernst und sie waren sich sicher, dass es sich um den Versuch eines Einschleusens eines Jugend-Teufel und eine geplante Teufelei von Mephisto handele.

 

Der Gruppenführer habe nun angefragt, was er machen solle. Er plane eine größere Fahrt und würde diesen verdächtigen Neuen sicherheitshalber ausschließen. Aber dieser habe gedroht, er werde die ganze Stadt rebellisch machen, wenn er nicht mit dürfe. Der alte Gandalf und auch Sokrates meinten nun, der Gruppenführer solle den verdächtigen Neuen ruhig mitnehmen. Er solle nur die Gruppe, auf die er sich ja völlig verlassen könne, insgeheim von dem Verdacht informieren. Sie Beide würden die Gruppe unauffällig begleiten und gemeinsam nach Mitteln und Möglichkeiten suchen, den Kinder-Teufel und Mephisto gründlich zu blamieren. So geschah es denn auch.

 

Was war zwischenzeitlich geschehen?

 

Bei dem Gruppenführer in Y-Stadt hatte sich eines Abends ein Junge, der bündisch gekleidet war, gemeldet und gebeten, er möchte für einige Zeit als Gast in seiner Gruppe dabei sein und an der geplanten Großfahrt teilzunehmen dürfen. Er legte eine schriftliche Bitte seiner Eltern vor. Der Gruppenführer hatte eingewilligt und den bündischen Gast aufgenommen. Aber er konnte keinen Kontakt mit den Eltern aufnehmen (das tat er stets bei Neuen), weil deren Aufenthalt nicht zu ermitteln war. Deswegen hatte er ein Probe-Wochenendlager angesetzt um zu testen, ob sich der Neue in die vorzügliche Gruppe einfügen würde. Er hatte dieses Wochen-endlager als koedukatives Lager getarnt, weil eines schon längst wieder stattfinden müsste. An diesem Lager nahmen also Jungen und Mädchen teil. Und dort hatte es einige Überraschungen gegeben die jetzt etwas genauer dargestellt werden müssen.

 

Zuerst einmal fiel auf, dass der Neue anfing, die bisherigen klaren Gruppenregeln erst heimlich und dann immer offener und provokativer zu missachten. Er kam nicht in der bündischen Kluft, sondern mit Jeans, einem modernen Hemd mit grellen Werbeaufdrucken und einer knallroten Schirmmütze auf dem Kopf. Er hatte auch keinen Rucksack, sondern einen Kunststoffkoffer mit 2 Rädern. Mit dem rollte er mühsam und ständig schimpfend stundenlang zu der Waldwiese, auf dem die Kothen aufgebaut werden sollten, und verlangte gefahren zu werden. Das sei heute doch üblich.

Dann naschte er unterwegs dauern Süßigkeiten und ungesunde Kartoffelchips und hielt alle Viertelstunde eine Cola-Flasche an den Mund. Niemand konnte sich genauer erklären, wo er diese Mengen an Knabbereien und Cola eigentlich hernahm, zumal er dauernd davon an die anderen verteilen wollte. Bei dieser guten Gruppe kam er allerdings an die Falschen. Denn die bisherige Erziehung zu gemeinsamer Disziplin, Einfachheit und gesunder Ernährung hatte gut Früchte gebracht.

 

An den Kohten bemeckerte er das umständliche Aufbauen und plädierte für bequeme moderne Campingzelte. Statt eines weichen Lagers aus Schilf, Gras und Zweigen holt er eine riesige Luftmatratze aus seinem scheinbar unerschöpflichen Roll-Koffer. Nur als Feuer in den Kothen angemacht wurde und das Holz anfangs noch tüchtig qualmte, saß er behaglich und zufrieden im dicksten Rauch. Den Kräutertee lehnte er allerdings wieder ab und das gemeinsame Abend-essen war ihm zu einfach. Sein Koffer gab für seine persönlichen Wünsche wieder eine Flasche Cola und fertige Toastbrote her. Als es dann ans gemeinsame Holzholen ging, zog er aus dem Koffer einen Game-Boy hervor und vergnügte sich mit albernen PC-Spielen. Und als das gemeinsame Singen begann, holte er aus seinem Koffer ein Kofferradio und hörte sich laute Schlagermusik an. Die gesungenen Lieder (die Gruppe sang übrigens vorzüglich) bezeichnete er als überholtes altmodisches Gesinge.

 

Bisher hatten alle mit erstaunlicher Geduld das Treiben des Neuen ignoriert. Als es aber jetzt dem guten Gruppenführer doch zu bunt wurde und er ihn ermahnte, sich den Gruppenregeln anzupassen, musste er sich anhören, dass sein Stil völlig veraltet sei und dass er, der Neue, den weit verbreiteten modernen bündischen Stil praktiziere. Dabei schaute der Neue sich um, ob er bei den anderen heimliche Zustimmung beobachten könne. In Wirklichkeit hatte er aber bei der Gruppe den letzten Rest an Toleranz eingebüßt und er musste sich nun anhören, dass dieser angeblich neue bündische Stil hier völlig unerwünscht sei. Darauf setzte sich der Neue beleidigt vor das Zelt und nahm zur allgemeinen Erleichterung nicht an dem besinnlich-nachdenklichen Gespräch teil, das der Gruppenführer im Rahmen seiner Charaktererziehung begonnen hatte. Nur als dann ein sehr kurzes Nachtgebet gesprochen wurde, hörte man den Neuen aufschreien und mit den Händen an den Ohren davon rennen.

 

Wo er die Nacht verbrachte, war nicht klar, denn er hatte sich mit seiner Luftmatratze in den Wald verzogen, weil er dort angeblich besser schliefe und Radio hören könne (Mephisto hatte ihn in Wirklichkeit getröstet und ihm neue Instruktionen mit gegeben). Als er dann am anderen Morgen zurückkehrte und sich wie alle anderen auch am Bach waschen sollte, weigerte er sich, selbst die Füße wollte er sich nicht waschen. Er habe auf einer Seite einen Klumpfuß, sagte er, und er schäme sich, diesen Fuß zu zeigen. Dann kam das Entscheidende, was den Neuen enttarnt.

 

Der Gruppenführer hatte für die Verdauungs-Entsorgung zwei Gebüsche bestimmt, eines für die Jungen und eines für die Mädchen. Der renitente Neue ging anschließend an das Frühstück, wo er dasselbe Theater machte wie beim Abendessen und sein Koffer größere Mengen Toasts und Knusper-Riegel bereit hielt, zur Verdauungs-Entsorgung demonstrativ in Richtung des Mädchengebüsches und schimpfte dabei auf die angeblich altmodischen und verklemmenden Erziehungsmethoden. Dort begegnete er einem Mädchen und weil Mädchen ja auch neugierig sind, entdeckte dieses bei einem verstohlenen Blick etwas, was sie in höchster Aufregung zum Gruppenführer rennen ließ. Der Neue habe, so druckste sie verlegen, nicht nur ein kleines Schwänzchen vorn wie alle Jungen, sondern auch eines hinten.

 

Spätestens in diesem Augenblick klingelte es im Kopf bei dem Gruppenführer. Er beendete das Lager noch vor dem Mittagessen und rief nach der Rückkehr sofort den alten Führer an und berichtete von dem oppositionellen Verhalten des Neuen und der letzten Beobachtung des Mädchens. Das war übrigens der Grund, weshalb der alte Gandalf und Sokrates in ein kurzes herzliches Gelächter ausgebrochen waren. Dann hatten sie dem Gruppenführer geraten, den Neuen auf die Großfahrt mitzunehmen, um Mephisto die nächste Blamage zu bereiten. Und so kam es auch.

 

Die Gruppe, die so vorbildlich den modernen Lagerstil-Aufweichungen widerstanden hatte, war sofort Feuer und Flamme, dem Jugend-Teufel und Mephisto eine neue Blamage zu bereiten, als sie heimlich von ihrem Gruppenführer informiert worden war. Sie würden ihre Phantasie so viel wie möglich anstrengen, versprachen sie.          

 

Die Großfahrt kam also zustande und der Neue durfte daran teilnehmen. Diesmal nahmen nur Jungen daran teil. Was dem Neuen nun alles für Enttäuschungen und Schwierigkeiten durch die Gruppe bereitet wurden, das soll nur kurz angedeutet werden. Er war diesmal zwar in bündischer Tracht und mit Rucksack erschienen, aber auch diesmal schien dieser Rucksack einen unerschöpflichen Inhalt zu haben, denn was der Neue sich gerade wünschte, konnte er aus dem Rucksack ziehen, ob es Essen, Radio, Laptop, Game-Boy, Cola, Video-Kamera oder Sonstiges war. Aber er hatte nicht viel davon. Denn die Gruppenmitglieder sammelten heimlich alle diese Geräte ein und schicken sie in einem Paket postlagernd nach Y-Stadt. Sie fütterten mit den Naschereien die Wildtiere und füllten die leeren Tüten mit Rindenstücken. Sie gossen das Cola in den Bach und füllten die Flasche mit Moorwasser. Sie sangen Volkslieder, in denen Engel vorkamen und weideten sich an dem Anblick des Neuen, der dann geduckt dasaß und ängstlich nach oben schielte. Sie sprachen täglich ein Gebet, was sonst nicht üblich war, und feixten, wenn der Neue sich die Ohren zu hielt und schreiend fortlief. Aber das Finale bereitete sich vor, als man erlebte, dass sich bei einer Kirchenbesichtigung der Neue in den Büschen versteckte und mit dem Rücken zur Kirche schweißtriefend wartete, bis die Gruppe wiederkam. Da endlich beschloss man dem Neuen, dessen Nerven mittlerweile blank lagen (und die des Mephisto auch), den entscheidenden Stoß zu versetzen.

 

Der alte Führer hatte den entscheidenden Plan vorbereitet und mit der Gruppe besprochen. Er kannte in einer kleinen Stadt in der Nähe einen von außen unauffälligen viereckigen Kloster-komplex, in dessen Innenhof man durch ein großes Tor mit 2 Holzflügeln gelangen konnte. In diese Stadt zog man nun singend, wie bisher üblich, ein. Doch dann erklärten die Jungen, sie hätten jetzt das einfache Leben satt. Viel schmackhafter als die einfache (aber gesunde) Fahrtenkost sei die moderne Mehlpampe, viel besser als ihr (gesunder) Kräutertee seien die modernen Limos mit Aroma und Farbstoffen, viel gesünder die modernen Fertiggerichte mit Geschmacksverstärkern und viel erfrischender als kühler Zitronentee seien die modernen Fertig-Eise ohne Milch und Früchte, nur aus Imitaten und Geschmacksstoffen hergestellt. Und der Gruppenführer gab sich (angeblich traurig) geschlagen und war bereit, dass die Gruppe in einen modernen Fress-Gebäudekomplex gehen und sich dort voll schlagen dürfe. Der Neue glaubte bereits, dass sich das Blatt zu seinen Gunsten gewendet habe und schwelgte bereits in den Lobsprüchen, die er hören würde. Er ließ sich deswegen überreden, sich sein Halstuch vor die Augen binden zu lassen, bis man den Fress-Komplex betreten habe, denn die Gruppe wollte ihm angeblich eine Überraschung bereiten.

 

So führte man den Kinder-Teufel mit verbundenen Augen in den Klosterkomplex, schloss die beiden Holzflügel und hängte von innen ein großes Kreuz dagegen, das man heimlich aus 2 größeren Ästen gemacht hatte. Als der Neue sich dann voller Erwartung das Halstuch von den Augen nahm und wieder um den Hals hängen wollte, erstarrte er. Zuerst fiel sein Blick auf die einfache, niedrige Kirche, dann auf die anderen Gebäude mit Heiligenbildern und zuletzt auf das große geschlossene Tor. Brüllend wie ein verwundetes Tier rannte er auf dieses Tor zu, doch kurz davor prallte er zurück, weil er das Holzkreuz sah. Als dann noch auf einen Wink des alten Führers die Kirchenglocke zu läuten anfing, setzte sich der Kinder-Teufel mitten in den Innenhof auf den Boden, wickelte sich wieder das Halstuch um die Augen, hielt sich die Ohren zu und schrie so jämmerlich, dass er einem leid tun konnte, sofern man mit einem Teufel überhaupt Mitleid haben kann. Als dann noch der Abt und die Mönche neugierig auf den Hof kamen, sich um ihn herum stellten und ihn mit Bibelworten bedrohten und ihm ankündigten, er käme jetzt in eine enge Zelle mit lauter Kreuzen an den Wänden, schrie und krümmte sich der kleine Teufel so, dass man bei einem Menschen denken würde, er werde bald sterben.

 

Das war der Zeitpunkt, an dem der alte Führer zu Sokrates und dem Gruppenführer sagte:      

 

Der alte Führer: Ich glaube, es ist jetzt Zeit, dass wir das Ganze zu Ende bringen. Draußen wird jetzt ein gewisser Mephisto verzweifelt auf und ab gehen und nicht helfen können. Denn auch draußen vor das Tor habe ich ein Holzkreuz hängen lassen und damit kann er nicht hinein und seinen Benjamin-Teufel abholen. Mal sehen, zu welchen Zugeständnissen er bereit ist.

 

(Und damit öffnete er das Tor einen kleinen Spalt und schlüpfte mit Sokrates hinaus)

 

Draußen ging tatsächlich eine dunkel gekleidete Gestalt, die irgendwie halb durchsichtig war,

unruhig auf und ab. Als die Beiden heraus kamen, ballte diese Gestalt die Fäuste, fluchte und stampfte mit den Füßen wütend auf den Boden. Die Beiden blieben ruhig vor dem Tobenden stehen und nach einer Weile fragte der alte Führer ungerührt:

 

Der alte Führer: Na, sieht man sich so wieder, Mephisto? Weshalb bist du so erregt?

 

Mephisto (direkt und keuchend vor Wut): Welche Bedingungen stellt ihr, damit der arme Teufel da drinnen heraus kann?

 

Der alte Führer (ganz ruhig): Du kommst also direkt auf das Wesentliche... Du hast dir auch dieses Mal wohl alles etwas anders vorgestellt... Gut, wir haben Bedingungen, wobei man bei einem Teufel niemals weiß, ob er abgeschlossene Bedingungen auch einhält. Denn ihr Teufel seid ja Lügner von Berufs wegen. Aber wir können es diesmal ja mal mit einem kleinen Vertrag versuchen. Ich habe hier bereits einen Vertrag vorbereitet, in dem du uns zusicherst, diese vorbildliche Gruppe hier künftig in Ruhe zu lassen. Wenn du diesen Vertrag jetzt eigenhändig unterschreibst, lasse ich die Holzkreuze von den Torflügeln abhängen und du kannst mit deinem Kinder-Teufel in die Hölle abziehen... Hier habe ich einen schwarzen Permanent-schreiber.

(Er hält Mephisto den Schreibstift hin. Der greift hastig danach und unterschreibt mit einem schwarzen M..., das sich zum rechten Rand hin langsam in Wellenlinien auflöst).

 

Mephisto (zähneknirschend): Du hast viel von mir verlangt, eine eigenhändige Unterschrift... Weshalb hast du kein Geld von mir verlangt? Du hättest davon einen ganzen Bund ausrüsten können.

 

Der alte Führer (lächelnd): Des Teufels Geld bringt meistens kein Glück, auch für einen guten Zweck bin ich unsicher... Vielleicht aber das nächste Mal... (dann nach hinten gewandt) Jetzt hängt die Kreuze bitte wieder ab und macht die Tore auf.

 

Einige Jungen hängen die Kreuze wieder ab und öffnen die Torflügel. Mephisto stellt sich vor das offene Tor und ruft den kleinen Teufel. Sobald der die Stimme seines Herren hört, springt er auf und rast durch das offene Tor nach draußen. Dort nimmt ihn Mephisto wortlos am Arm, beide drehen sich um und verschwinden dann irgendwie, ohne dass man sagen könnte, ob sie weggeflogen sind oder sich einfach aufgelöst haben.

 

Der alte Führer (lächelnd zu den anderen gewandt): Teufel sind zwar raffiniert, aber sie sind überwindbar, wenn man ihre Schwachstellen kennt. Dann ist das gar nicht so schwer.

 

Der Abt (der das Erlebt erst noch verdauen muss, denn wann trifft ein Abt schon einen echten Teufel und dazu noch in einer derart peinlichen Lage): Offensichtlich... offensichtlich!

 

Der alte Führer (faltet das Dokument mit der Originalunterschrift des Mephisto sorgfältig zusammen und steckt es in eine mitgebrachte Tasche) Wie gesagt, man kann einem Teufel niemals trauen, ob er ein Versprechen hält... Vermutlich wird Mephisto jedoch eine Zeit lang Ruhe geben... Aber dieses Dokument mit seiner eigenhändigen Unterschrift werde ich sorg-fältig aufheben. Vielleicht bekommt es einmal Seltenheitswert... Denn ein Dokument mit einer eigenhändigen Unterschrift des Mephisto besitzt nicht jeder.

 

Die bündische Gruppe aus Y-Stadt wird ihre Großfahrt vermutlich fortsetzen, unbeschwerter als vorher und mit berechtigtem Stolz.

 

Übrigens: Jeder bündische Führer, der eine solche Gruppe führt, darf berechtigt stolz sein, und jede bündische Gruppe, die einen solchen Gruppenführer besitzt, ebenso.

 

(Verfasst von discipulus socratei, der die Reinschrift des Dokumentes anfertigen musste)   

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