Marcel Hartlage

Der letzte Pfad (Kapitel 1)

  Der Schattenwolf floh durch den Dschungel, und der Dämonenjäger folgte ihm.
  Nephanius reiste nun schon seit Tagen durch das dichte Unterholz, doch es gab bis jetzt keine Spur die auf den Schattenwolf wies. Schon drei Wochen lang tyrannisierte die Bestie sein Heimatdorf Kúl'drak und er war derjenige, der die Bestie erlegen musste, da es sonst keinen Dämonenjäger in seiner Umgebung gab, der eine einhundert jährige Ausbildung bei einem der größten Meister hinter sich hatte. Er war der beste, denn niemand konnte mit einer messerscharfen Klinge und apokalyptischer Magie umgehen wie er. Hunderte von Dämonen hatte er gefunden und zur Strecke gebracht, da würde dieser hier keine Ausnahme sein.
  Der Dschungel im Westen des Kontinents Bahndá'drak war eine der größten Zonen. Das Wetter hier spielte verrückt wie nirgendwo, mal gab es Hagelkörner größer als das Ei eines Huhns, mal regnete es in Strömen, damit das Wetter blitzartig schnell wieder auf warme Luft und strahlenden Sonnenschein wechselte. Doch am schlimmsten waren riesige Stürme, die sich über hunderte Meilen erstreckten, meist zu einem einzigen großen Tornado vereint, der immer nur auf einem und den selben Fleck wütete, und so ganze Regionen mit seiner Kraft zerstörte. Doch diese – man könnte sagen Jahrtausendstürme – waren selten.
  Das Unterholz war dicht. Die Baumstämme der Mammutbäume waren von Unkraut und allerlei Ranken überwuchert, der feuchte Erdboden von Moos bewachsen, auf den das verschiedenste Ungeziefer krabbelte und von den Blättern der vielen Büsche tropfte es noch vom letzten Regen. Zwar war Nephanius Dämonenjägerrüstung wasserdicht, aber es könnte gut passieren, dass einzelne Tropfen in die Scheide seines Schwertes liefen. Die Folgen daraus wären, dass die Klinge begann zu rosten. Sie war eine Spezialanfertigung seines persönlichen Schmiedes. Tief im diamantverstärkten Metall floss eine magische Ader mit Blut des Schattenwolfes. So war es die einzigste Möglichkeit, ihn zur Strecke zu bringen, da man dieses Biest nur mit eigenes Blut vernichten konnte. Das Schwert war für einen langen Gebrauch einfach nicht geschaffen.
  Nephanius schlich langsam über den Boden. Er roch frisches Blut in der Luft, es war ganz nahe. Er spürte förmig die Wärme des Fleisches in der Luft hängen. Ein Tier war erlegt worden, dass stand außer Frage. Doch was hatte es erlegt?
  Direkt vor ihm befand sich eine Lichtung. Er pirschte sich nahe genug heran, dann suchte er Deckung hinter einem umgekippten Baumstamm. Alls er seine Hände darauf legte, hörte er das Knirschen, als sein Zeigefinger eine lästige Dschungelameise zerquetscht hatte. Ihr Hügel war sicher ganz nahe, also war Vorsicht geboten …
  Langsam strich Nephanius ein Blatt eines kleinen Busches beiseite, gewährte sich so Sicht auf die Lichtung und erblickte den Kadaver eines verstümmelten Terrorkrokodils, dass komplett in Stücke gerissen wurde. Doch noch viel mehr beunruhigte ihn die Tatsache, dass es in dieser Gegend nirgends einen Bach oder See gab. Dieses Terrorkrokodil, dass sicher mehr als zehn Schritt an Länge maß, konnte unmöglich diesen Landgang gewagt haben. Es wurde hierher geschleppt, und Nephanius kannte nur ein Wesen in diesem Dschungel, dass in der Lage war, ein solch gefährliches Tier zu erlegen.
  Hinter ihm brüllte etwas.
  Instinktiv rollte Nephanius sich zur Seite, um den Sprung des Schattenwolfes zu umgehen. Schmerzhaft prallte er gegen einen Mammutbaum, rappelte sich aber schnell wieder auf, das Schwert bereits in der Hand. Dann sah er die Bestie auf der Lichtung stehen, imposant und böse zugleich, mit schwarzem, langen Fell, blutroten Augen, Zähnen, so lang wie ein Dolch und Blut überströmten Klauen. Das also war die Bestie, die dreizehn Menschen in Kúl'drak ermordet und gefressen hatte. Dann plötzlich brüllte dieses Monster, doch Nephanius vernahm den Klang nicht mit seinen Ohren, sondern vernahm ihn in seinem Kopf. Es war ein eisiges Kreischen, dass Nephanius eine Gänsehaut über den rücken fuhren ließ. Nach all den Jahren der Dämonenjagd hatte er noch nie so etwas wahrgenommen wie diesen Schrei. Doch er verspürte keine Furcht, den er war ein Dämonenjäger – der
Dämonenjäger – und Furcht durfte er nicht zeigen. Es war die Ehre seines Volkes, die ihn dazu antrieb, niemals Angst zu zeigen, sondern nur den Willen der Gerechtigkeit zu folgen. Und diese Bestie musste der Gerechtigkeit wegen sterben!
  Nephanius kam auf die Lichtung gesprungen und hielt sich in Kampfstellung. Er sah dem Schattenwolf konzentriert in die Augen. Dennoch bekam er erschrocken mit, dass sich das Fell dieser Bestie plötzlich sträubte und es in schwarzen Zügen zu brennen begann. Es waren jedoch schwarze Flammen, die sich überall vom massigen Körper des Wolfs ab stießen und ohne den Rhythmus des Windes zu folgen, in der Luft tanzten. Der Schattenwolf brüllte von Neuem, doch diesmal war es ein echtes Brüllen, dass die Mordlust dieses Dämons zeigte.
  »Nun komm schon ...«, murmelte Nephanius leise zu sich. Die Bestie ging in die Knie, starrte ihn an, brüllte von Neuem und sprang vom Boden ab. Sie kam auf ihn zugeflogen, und Nephanius machte zwei Schritt nach rechts und sprang ebenfalls in die Höhe. Mitten in der Luft, als er dem Schattenwolf auf selber Höhe war, stach er mit der Klinge direkt in den Körper. Er beendete seinen Sprung mit einer zweifachen Drehung um die eigen Achse, damit er in bester Kampfposition stand, als er wieder festen Boden erreichte. Die Bestie knickte kurz mit den Hinterläufen ein, doch sie stand immer noch, während das Blut an ihrem Fell herab lief. Nephanius sah den zornigen Blick des Dämons und schmunzelte schadenfroh. Ohne Hilfe seiner Magie jedoch wäre er niemals schnell genug gewesen, den Angriff des Schattenwolfes zu kontern. Aber der Kampf war noch nicht vorbei, und Nephanius machte sich bereit für die direkte Offensive.
  Wieder brüllte der Schattenwolf voller Wut und er stürmte auf ihn zu, mit fletschenden Zähnen als Waffe.
  Nephanius sprang geradewegs zur Seite und entging erneut dem Angriff des Dämons. Dabei erblickte er auch den Hügel der Dschungelameisen, der kleinen Viecher, die die zehnfache Größe einer normalen Ameise besaßen, und die alles und jeden bis auf die Knochen abnagten. Doch bei größeren Wesen, etwa einem Menschen, warteten sie, bis ihr Opfer bereits Tot war. Und bei einem Magie begabten Menschen, der Jahrhunderte lang leben konnte, waren sie besonders vorsichtig.
  Der Schattenwolf kam direkt auf Nephanius zu gesprintet und setzte eine Klaue zum Hieb an. Reflexartig parierte der Dämonenjäger den Schlag. Zu seiner Verwunderung jedoch war die Klaue nicht abgehackt. War sie den härter als Diamant und Metall? Sie müsste längst durch seinen Hieb abgehackt sein, doch das war sie nicht. Nicht ein Kratzer!
  Die zweite Klaue traf Nephanius an der Hüfte. Sein Lederschutz riss auf und mit großen Schmerzen an seiner Hüfte wurde er durch die Luft geschleudert und landete direkt mit seiner Verletzung im Dreck der Lichtung. Das war ihm noch nie passiert! Wie konnte das nur geschehen sein? Würde er kein zweites, magisches Kettenhemd tragen, dann wäre er jetzt tot! Er hatte nicht aufgepasst! Warum nur? Er hatte sich ablenken lassen, von der Stärke einer Klaue! Und seit langen verspürte er Schmerz durch einen Feind, und auch das Gefühl der Demütigung.
  Ein Brüllen ließ ihn zusammen zucken.
  Der Schattenwolf stand direkt über ihm …

 

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.07.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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