Kurzgeschichte von Artur von Zell
Die Gaststube der kleinen Kneipe Sachsenhausens leerte sich langsam nach einem sehr geschäftigen Tag. Am Rande des Schankraums saß noch ein verliebtes Pärchen, für das die Zeit offensichtlich stehen geblieben war. Der Wirt begann, aus der anderen Ecke heraus bereits die Stühle auf die Tische zu stellen. Angela, die etwa vierzigjährige Kellnerin des Lokals, deren ebene Gesichtszüge verrieten, dass sie auch einmal schönere Tage erlebte hatten, wusch einen der Tische nach dem anderen, bevor der Wirt die Stühle umstülpte. An der Theke des Raums saß ein Mann mittleren Jahres mit ergrautem Haar, der seinen offensichtlich vom Weine schweren Kopf in beiden Händen verborgen hielt.
Als Angela wieder einmal auf dem Weg zur Küche hinter die Bar trat, hob der Gast an der Theke seinen Kopf, und sie glaubte Tränen in den Augen des Mannes zu sehen, der nun seit fast vier Tagen Abend für Abend bis spät in die Nacht hier am Tresen hockte.
„Chef, ich hock mich mal ein bisschen zu Herrn Dr. Weihrauch, ist es recht?“ fragte Angela hren Chef, „ich glaube, mit dem stimmt etwas nicht.“
„Ei, ja klar, den Tisch dahinten mach ich schon selbst, ich muss die Beiden nur erst wieder in die Wirklichkeit zurückholen.“
Angela legte ihre weiße Schürze ab und setzte sich auf den Hocker unmittelbar neben den Mann am Tresen, der sich ihr schon vor Tagen als Dr. Weihrauch, vorgestellt hatte, nachdem sie sich selbst ein Glas Wein eingeschenkt hatte.
„Mein Gott, war das wieder ein Tag“, sagte Angela zu dem Gast gewandt.
„Ja, wirklich ein Scheißtag“, erwiderte Herr Weihrauch, „wieder so ein Tag, den man besser vergessen sollte.“
„Gell, Sie haben Sorgen, nicht wahr? erlaubte sich Angela zu fragen.
„Sorgen? Ob ich Sorgen habe? Weiß Gott. Und davon mehr als mir lieb ist.“
„Der morgige Tag wird alles in einem besseren Licht erscheinen lassen, alles wird gut. Nichts kann so schlimm sein, dass man darüber den Kopf total hängen lässt.“
„Sie haben gut lachen“, entgegnete Dr. Weihrauch mit schwerer Zunge. „Bei Ihnen ist die Welt ja auch noch in Ordnung und nicht so verkorkst wie bei mir. Wenn Sie wüssten. Ich weiß ja heute noch nicht einmal, wo ich meinen Kopf heute Nacht hinlegen kann.“
„Warum gehen Sie nicht nach Hause?“ fragte die Kellnerin. „Sie haben doch ein so schönes Zuhause, einen Bungalow am Lerchesberg mit Schwimmbad und schönem Steingarten.“
„Mein Zuhause? Ich habe kein Zuhause mehr. Alles kaputt, alles vorbei.“
Und wie der Mann dies mit leiser Stimme dahin stammelte, rannen Tränen über sein blasses Gesicht.
„Sie haben kein Zuhause mehr?“ erwiderte Angela, „und wissen nicht wohin für diese Nacht? Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Kommen Sie mit mir nach Hause. Ich weiß, dass Sie ein anständiger Mann sind, vor dessen Gegenwart ich mich nicht scheuen muss. Wir können uns dann in aller Ruhe einmal unterhalten, und vielleicht sieht dann die Welt am nächsten Morgen für Sie wirklich wieder besser aus.“
Herr Dr. Weihrauch stimmte nach einer kurzen Pause mit einem leisen „o.k.“ zu, zahlte seine Zeche, nahm seinen Trenchcoat von der Garderobe, legte ihn über den Arm und lies sich von der Kellnerin stützen, als sie gemeinsam nach einem kurzen Gruß an den Wirt die Gaststube verließen.
„Wir nehmen mein Auto“, sagte Angela, als sie merkte, dass Herr Dr. Weihrauch in Richtung seines Wagens zog.
„Auch gut“, murmelte Herr Dr. Weihrauch und ließ sich schwer in den Sitz des BMW fallen.
Die Fahrt dauerte keine halbe Stunde, als Angela ihren PKW auf den kleinen Parkplatz hinter ihrer Wohnung in Bergen-Enkheim abstellte. Während der Fahrt hatten die Beiden kein einziges Wort gewechselt, ja es war Angela so vorgekommen, als wenn ihr Begleiter im Wagen sofort eingeschlafen sei.
Auf dem Parkplatz ging Angela um den Wagen herum, öffnete die Tür, um ihren Gast behutsam zu wecken.
„Kommen Sie, wir sind schon da“, sagte sie mit leiser Stimme, in der ein Hauch von Schweizer Dialekt mitschwang. Ihr war, als hätte sie Herrn Dr. Weihrauch unsanft aus dem Schlaf geweckt, denn er fuhr förmlich wie erschreckt hoch.
„Sind wir schon bei Ihnen angekommen?“ fragte er.
„Ja, ja, Sie haben die ganze Strecke über geschlafen. Kommen Sie, ich helfe Ihnen aus dem Wagen.
„Nicht nötig“, erwiderte Herr Dr. Weihrauch, “ich bin wieder total fit, das kurze Nickerchen hat meine Lebensgeister wieder geweckt.“
Gemeinsam stiegen die Beiden nun die zwei Treppen zu Angelas Eigentumswohnung hinauf. Im Hause selbst war es zu dieser späten Stunde vollkommen still. Irgendwo schlug die Uhr eines Nachbarn die mitternächtliche Stunde.
Etwas verunsichert betrat Herr Dr. Weihrauch die Wohnung der Kellnerin.
„Macht es Ihnen wirklich keine Mühe, wenn ich heute bei Ihnen schlafe?“ fragte er die Frau, während er seinen Trenchcoat an der kleinen Garderobe aufhängte.
„Wenn es mir Mühe machen würde, hätte ich Sie nicht eingeladen. Nein, es macht mir keine Mühe, mich einmal wieder mit einem Menschen zu unterhalten, macht mir Freude, und ich glaube, wir haben beide viel zu erzählen, was man nicht in seinem Inneren belassen sollte.
Mit diesen Worten wies sie ihrem Gast einen Platz auf der Couch an und ging in die Küche, um für sie beide einen Kaffee zu kochen.
„Der wird uns Beiden gut tun“ sagte sie mit einem Lächeln. „Ihnen, um Sie wieder auf gute Gedanken zu bringen und mir die Müdigkeit aus meinen Beinen zu vertreiben.“
Alleine nun in der kleinen aber sehr hübsch und geschmackvoll eingerichteten Wohnstube sah sich Herr Dr. Weihrauch gründlich um, bewunderte den schönen Weitblick auf das nächtlich erleuchtete Frankfurt und stellte zu seiner Verwunderung fest, dass in den Regalen einer kleinen Bücherwand Literatur zu finden war, die er der Kellnerin wirklich nicht zugetraut hätte. Bücher von Dürrenmatt, Boris Pasternak, Anton Tschechow, Leo Tolstoi, Günter Grass und Hermann Hesse waren hier versammelt und ließen erkennen, dass sie gelesen waren.
„Wie man sich täuschen kann“, murmelte er leise vor sich hin, „Literatur dieser Art hätte ich dieser Frau nicht zugetraut.“
An den Wänden hingen wunderschöne Aquarelle mit Bodensee-Motiven, eines schöner als das andere. Die Polster von Couch und Stühle des Esstisches waren gut auf die beige Farben des Teppichs abgestimmt, und das Braun der Nussbaummöbel des Raumes rundeten den angenehmen Eindruck ab, der sich Herrn Dr. Weihrauch in diesem Moment bot.
„Finden Sie auch hin und wieder Zeit zum Lesen?“, fragte nun Angela, als sie mit dem frisch gebrühten Kaffee das Zimmer betrat. Sie hatte bemerkt, dass sich ihr Gast für ihre Bücher zu interessieren schien.
„Leider bislang nicht genug“, antwortete Herr Dr. Weihrauch. „In meiner Jugend habe ich fast ein jedes ihrer Bücher gelesen. „Krieg und Frieden“, „Anna Karenina“, Die Gebrüder Karamasow“, „Tod eines Handelsreisenden“, „Der Postmeister“, „Die Blechtrommel“ und dergleichen. Aber in den letzten Jahren an der Uni blieb mir wenig Zeit zum Lesen, vor allem nicht in den letzten drei Jahren.
Warum nicht in den letzten drei Jahren?“ fragte Angela interessiert, hat Sie Ihre Arbeit als Dozent an der Uni zu sehr in Beschlag genommen?“
„Ach, Mädchen, das ist eine lange Geschichte und der Grund, warum ich heute Ihr Gast sein muss.“
„Jetzt machen Sie mich aber neugierig“, erwiderte Angela und rückte etwas näher an ihren Gast heran. „Erzählen Sie mir doch einmal, was in den letzten drei Jahren geschehen ist.“
„Sie werden mich auslachen, mir vorhalten, was ich doch für ein blöder Hund gewesen bin, so leichtsinnig, dass ich alles verloren habe und Menschen Leid zufügte, die ich eigentlich von ganzem Herzen geliebt hatte.“
„Ich werde bestimmt nicht lachen, und Ihnen Vorhaltungen zu machen, steht mir nicht zu. Nein, mich interessiert Ihr Schicksal, denn auch ich habe vieles durchgemacht, über das ich bisher kaum zu anderen Menschen sprach, weil ich es nicht wollte. Ihnen aber würde ich mich auch anvertrauen, denn ich glaube, dass wir Beide vom Schicksal nicht besonders verwöhnt worden sind.“
„Aber, es war alleine meine Schuld“, erwiderte Herr Dr. Weihrauch, „niemand hat mich dazu gedrängt, mein Glück herauszufordern.“ Wieder erlebte Angela, wie Herrn Dr. Weihrauch bei diesem Geständnis dicke Krokodilstränen über die Wangen rollten.
„Was war denn passiert?“ fragte Angela, „erzählen Sie doch, es interessiert mich sehr.“
Herr Dr. Weihrauch schien mit sich zu kämpfen, aber Angela war ihm offensichtlich vertraut, er hatte nicht das Gefühl, sich bloßzustellen, wenn er ihr sein Herz ausschütten würde.
Er nahm noch einmal einen tiefen Schluck des guten und warmen Kaffees und begann zu erzählen:
„Ja, wie Sie wissen, Angela, verzeihen Sie, ich weiß nicht einmal Ihren Nachnahmen, verzeihen Sie mir, dass ich Sie einfach mit Ihrem Vornamen anrede.“
„Ach“, hörte er als Antwort, „vergessen Sie meinen Nachnahmen, der ist nicht interessant, ich habe wieder meinen Mädchennamen angenommen, Angela von Berg, aber warum, werde ich Ihnen später erzählen. Lassen wir es bei Angela.“
„Auch gut“, murmelte Herr Dr. Weihrauch. „Ja, was ich sagen wollte. Wie ich Ihnen, so glaube ich jedenfalls, schon einmal erzählte, lebte ich seit sechsundzwanzig Jahren mit meiner Frau in Neu-Isenburg. Seit mehr als fünfzehn Jahren arbeite ich als Dozent der Mathematik an der Frankfurter Uni. Ein geregeltes Leben mit gutem Auskommen, mit dem man eigentlich sehr zufrieden hätte sein können.
Vor etwa fünf Jahren verstarb mein Schwiegervater, ein berühmter Facharzt für Netzhauterkrankungen, und die Schwiegermutter lebte von da an allein in dem schönen Bungalow am Lerchesberg. Seit etwa zwei Jahren hat sich ihr nun ein Freund aus Jugendtagen zugesellt, der beabsichtigte, als Witwer mit zwei seiner Kinder zu ihr zu ziehen. Das gefiel meiner Frau überhaupt nicht, rechnete sie doch damit, selbst einmal in den Bungalow der Eltern zu ziehen. Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr sie mir mit dieser Vorstellung täglich in den Ohren lag. Sie reagierte richtig allergisch, wenn ich ihr diesen Plan ausreden wollte, bezeichnete mich als Lahmarsch, der tatenlos zusehen würde, wie ihnen der Bungalow unter dem Hintern weggezogen würde. Es war richtig schlimm mit ihr, sie gab keine Ruh, bis ich schließlich entnervt zustimmte, zur Schwiegermutter in den Lerchesberg zu ziehen.
„So kann ich mich um meine Mutter kümmern, sie ist schließlich auch nicht mehr die Jüngste“, wusste sie zu argumentieren. Ob es schließlich ihrer Mutter recht war, hinterfragte sie nicht. Anfangs ging ja alles auch recht gut. Ich ging meiner Arbeit nach und bekam nichts davon mit, dass zuhause zwischen dem Bekannten der Mutter und meiner Ursula ein richtiger Kleinkrieg begann. Wenn ich dann abends nach Hause kam, überschüttete mich meine Frau mit Anschuldigungen gegen ihre Mutter, die unverständlicherweise mehr zu ihrem Bekannten hielt als zu ihrer Tochter. Mich interessierte dieses Theater nicht, und so kam es, dass sich das bis dahin gute Verhältnis zu meiner Frau merklich verschlechterte. Ich weiß nicht, ob Sie das komische Gefühl kennen, nicht mehr unbedingt gerne nach Hause zu kommen. So blieb es auch nicht aus, dass ich nach meinen Vorlesungen nicht immer gleich nach Hause ging, sondern lieber erst einmal einen Streifzug durch die Sachsenhäuser Kneipen machte. Und dabei lernte ich sie kennen.“
Herr Dr. Weihrauch atmete tief durch, als müsse er gegen einen Weinkrampf ankämpfen. „Wen lernten Sie dort kennen? Fragte Angela interessiert.
„Martina“, entgegnete Herr Dr. Weihrauch, „Martina, ein Engel in Menschengestalt.
Es war an einem Freitagabend, als ich gerade die Bodega verlassen wollte. Da sah ich sie das Lokal betreten. Blond wie ein Engel mit langen Haaren und einer Figur, wie sie mit Sicherheit nur für Engel geformt wurde. Das Lokal war zu dieser Stunde relativ angefüllt, so dass Martina keinen besseren Platz fand, als sich neben mich an die Bar zu stellen. Es dauerte nicht lange, und sie sprach mich mit einem zauberhaften Lächeln ungeniert an. Über Allgemeines hinaus konnte ich bald erfahren, dass dieser Engel sich gerade darum bemühte, ein Studium der Naturwissenschaften an der Frankfurter Uni zu beginnen. Als ich ihr sagte, dass ich selbst Dozent dieser Fachrichtung sei, war der letzte Bann gebrochen, und sie rückte näher an mich heran. Ich werde nie vergessen, wie sie mich mit ihren großen, schwarzen Augen anhimmelte, ein Blick, der mir warm die Herzkammern flimmern ließ. Als ich ihr dann Feuer zum Anzünden einer Zigarette aus meinem Feuerzeug anbot, erfasste sie meine Hand mit ihren beiden zarten Händen. Dabei durchfuhr mich eine Glut, wie ich sie seit Jahren in mir nicht mehr verspürt hatte. Kein Wunder also, dass ich mich mit ihr für den kommenden Montag wieder verabredete.
Das folgende Wochenende war voller Qual. Es wollte einfach nicht vergehen. Zwar hatte mir meine Frau zu erzählen, dass der Bekannte ihrer Mutter inzwischen Knatsch mit ihr bekommen hätte, weil er die Mutter vor die Alternative gestellt hatte, „Deine Tochter oder ich“, wonach die Mutter ihm die Tür gewiesen hatte. Dieses Thema schien nun endgültig aus der Welt zu sein. Aber die Zeit wollte einfach nicht vergehen. Ja, ich musste mich von meiner Frau ertappen lassen, dass ich von Zeit zu Zeit immer wieder ungeduldig auf die Uhr schaute. „Hast Du einen wichtigen Termin?“ fragte sie. „Nein, nein“, antwortete ich damals, „es ist die schöne Rollex, die Du mir zu Weihnachten geschenkt hast, ich muss sie immer wieder betrachten.“
Mit dieser Ausrede konnte ich sie zufrieden stellen, aber in Wirklichkeit war es die Ungeduld meines Herzens, Martina bald wieder zu sehen. Auch am darauf folgenden Montag schienen die Uhren eine langsamere Gangart eingeschlagen zu haben. Aber schließlich war es wieder so weit. Quasi mit den Studenten verließ ich den Hörsaal und machte mich unverzüglich auf den Weg zur Bodega. Sie glauben nicht, wie lange einem zwei Stunden vorkommen können. Eine Unendlichkeit, bevor Martina schließlich im Eingang erschien. Ich sehe sie noch heute vor mir in ihren frechen, knappen Jeans und einer Bluse, die den Bauchnabel frei ließ und auch im weiten Ausschnitt tiefe Einblicke erlaubte.
„Schön, dass Sie schon da sind“ flüsterte sie mir damals mit ihrer warm klingenden Stimme zu. „Ich freue mich, Sie wieder zu sehen.“
Ich weiß nicht, wie lange ich ihre Hände in den meinen hielt, die ich erst losließ, als mich die kleine Kellnerin nach unserer Bestellung fragte.
„Wollen wir hier bleiben?“ flüsterte mir damals Martina zu.
„Haben Sie eine bessere Idee?“ hörte ich mich fragen.
„Ich kenne in einer Seitenstraße zum Hauptbahnhof eine Hotelbar, in der zu dieser Zeit ein phantastischer Pianist zu hören ist. Wollen wir da nicht hingehen? Hier ist es doch reichlich laut, ich möchte mich mit Ihnen unterhalten.“
Wie sehr das Mädchen mir damals aus der Seele gesprochen hatte. Klaviermusik an der Bar. Vielleicht könnte man dort tanzen. Also willigte ich gerne ein.
Martina schien einen wirklich guten Geschmack zu haben, denn die Hotelbar im Bahnhofsviertel entsprach auch meinem Geschmack. Stilvoll eingerichtet, ertönte eine Klaviermusik, wie sie aus Filmen wie „Madagaskar“ weltberühmt war. Nach dem zweiten Cocktail wagte ich, sie um einen Tanz zu bitten. „Gerne“, hörte ich sie flüstern, „was gibt es Schöneres als Tanz bei schöner Musik mit einem Menschen, der einem gefällt.“
Angela, Sie glauben ja nicht, was ich in diesem Moment empfand. Ein Engel lag in meinem Arm, und sie tanzte wie ein Engel, wie eine Feder, die ich kaum zu führen brauchte. Diese Frau war ein spätes Geschenk der Götter. Ich atmete ihre Haut, als sie sich eng an mich schmiegte, und in mir erwachte die Jugend. In dem Moment, als ich verschämt meine Erektion vor ihr verbergen wollte, schmiegte sie sich noch enger an mich, genoss das, was sie verspürte, und als der Pianist „Windmeels in your mind“ ausklingen ließ, hielt ich Martina noch eng an mich gepresst. Wären wir in diesem Moment an unsere Plätze zurückgegangen, ich wäre mit meiner Manneskraft aufgefallen. Und Martina ließ es gewähren, um sich im Anschluss daran wieder genüsslich einem englischen Walzer hinzugeben. Dann folge ein Blues der schönsten Art: „Feelings“. Wieder tanzten wir Wange an Wange.
„Martina“, flüsterte ich ihr ins Ohr. „Ja?“ hauchte sie mir zu, während mich ihre tiefen, schwarzen Augen anblickten. Ohne ein weiteres Wort küsste ich sie, und sie erwiderte meinen Kuss.
„Martina, ich liebe dich, wie ich zuvor noch keine Frau geliebt habe.“
„Ich liebe dich auch, Volker, du bist so lieb und zärtlich.“
„Ich kann noch viel zärtlicher sein, meine Liebe, lass mich mit dir allein sein, und ich zeige dir, wie zärtlich ich sein kann.“
„Hab Geduld, mein Lieber“, entgegnete Martina, „gib mir etwas Zeit, „don´t rush me“, und ich werde Deine Zärtlichkeit erwidern. Hast Du am Freitagabend Zeit?“
„Ich werde mir Zeit nehmen. Wann wollen wir uns treffen? Ich würde Dich gerne zum Abendessen einladen.“
„O ja, das wäre schön. Was hältst du von sieben Uhr?“
„Das ist o k, ich freue mich schon jetzt auf dich. Treffen wir uns zum Aperitif in der Bar.“
Wieder begann die Zeit des ungeduldigen Wartens. Ich weiß nicht, ob mir Ursula an diesen Tagen etwas angemerkt hatte, ich muss wohl ziemlich wortkarg gewesen sein. Endlich kam der Freitag, und der war wieder zäh und dickflüssig, jedenfalls bis zum Abend.
Ich hatte an diesem Freitag schon recht früh meine Lesung beendet, war gegenüber unserer Bar zum Friseur gegangen und hatte mich nach allen Regeln der Kunst verwöhnen lassen.
Im gegenüberliegenden Restaurant des Hotel Exelsior war ein gemütlicher Eckplatz vorbestellt und der Concierge des Hotels angewiesen, dafür zu sorgen, dass unser Tisch mit fünfzehn dunkelroten Rosen geschmückt würde. Zugleich reservierte ich vorsorglich ein Doppelzimmer.
Ich saß schon ungeduldig in der Bar, in der zu dieser Abendstunde ein Pianist sein Bestes gab und hatte den Kellner um Verständnis gebeten, mit der Bestellung sich bis zum Eintreffen meiner Partnerin zu gedulden.
Um Punkt sieben kam Martina in einem schwarzen, eng anliegenden Cocktailkleid, das nicht nur ein verführerisches Dekolleté auswies sondern auch Beine zeigte, die bis zum Hals zu reichen schienen.
„Du siehst bezaubernd aus“ flüsterte ich ihr nach einem Begrüßungskuss zärtlich zu.
„Du siehst auch schick aus“, antwortete sie mit einem Lächeln, das schon jetzt den Himmel versprach, und Du duftest, als wärst Du gerade erst aus einem Parfümbad gestiegen.“
Wie saßen noch eine kleine Weile scherzend und lachend beisammen, genossen unseren Aperitif und gingen dann ins Restaurant zum Abendessen. Ich erinnere mich noch genau an jenen Abend voller Glück und Harmonie. Martina war sehr erstaunt, dass unser Tisch von fünfzehn dunkelroten Rosen geschmückt war. Fragend schaute sie mich an.
„Nein, mein“, sagte ich zu ihr, „die sind nicht von mir, die bekommt jede Dame auf den Tisch. Warte nur, bis andere Frauen kommen, dann wirst Du es sehen.“
Tastsächlich waren zu diesem Zeitpunkt nur einige Geschäftsleute anwesend, und Martina gab sich zufrieden.
Beide bestellten wir uns ein Chateau Briand, tranken einen badischen Wein, und wenn wir nicht gerade mit dem Essen oder Trinken beschäftigt waren, hielten wir uns an den Händen und genossen den Augenblick.
Im Hintergrund spielte leise ein Pianist Weisen von Gershwin. Wir bestellten noch zwei Espresso als ich leise zu Martina sagte: „Du, Schatz, wollen wir hier in diesem Hotel nicht gemeinsam frühstücken?“
Sie ergriff damals meine Hände, drückte sie lieb und flüsterte: „Ja, das möchte ich auch, lieber Volker.“
Können Sie sich vorstellen, wie mir zumute war? Ich, ein Mann, der schon auf die Fünfzig zuging, und an meiner Seite ein junges Mädchen von neunzehn Jahren, das mir ihre Zuneigung und Liebe schenkte. Ich war wie von Sinnen.
Was in dieser Nacht geschah, will ich nicht näher erläutern, ein Glück, das sich kaum beschreiben lässt. Wenn immer ich auch die Augen für ein kurzes Nickerchen schließen wollte, weckten mich zärtliche Berührungen und Liebkosungen, die diese Nacht unvergesslich machten. So etwas hatte ich noch nie erlebt, dass ich zu einer solchen Leistung überhaupt fähig war. Und als ich nach einem kurzen Schlaf am Morgen wieder erwachte, erfasste mich das erneute Verlangen nach dem Glück der Liebe, dem wir uns beide wie trunken hingaben.
Das Frühstück ließen wir uns aufs Zimmer bringen.
Angela, ich weiß bis heute nicht, was für eine Lüge ich meiner Frau an diesem Vormittag auftischte, ich weiß auch nicht, ob sie mir meinen Schwindel geglaubt hat. Mir war es in diesem Moment auch egal, meine Frau schmeckte mir nicht mehr, und als sie von mir in der folgenden Nacht Liebe erbat, erfüllte ich diese Pflicht mit einer gewissen Abscheu, ja, Ursula musste sogar nachhelfen, meine abfallende Manneskraft immer wieder erneut aufzurichten.
Von da ab trafen Martina und ich uns zweimal in der Woche in unserem Liebesnest.
Am dritten Tag erzählte sie mir davon, dass sie von der Uni mit Hinweis auf den „Numerus Clausus“ eine Absage erhalten habe, die sie sehr traurig machen würde.
„Kannst du mir helfen?“ hatte sie mich gefragt, „Du bist doch an der Uni und hast sicher einflussreiche Kontakte.“
An einem der nächsten Tage bat ich Frau Gropius, die Sekretärin jenes Büros, in dem über Zu- und Absage der Bewerberinnen entschieden wurde, mir doch einmal ein Blanko- Formular eines Zulassungsantrags zu überlassen. Ich war vor vielen Jahren mit ihr mal näher befreundet, bevor sie schließlich zu meiner Überraschung Professor Gropius geheiratet hatte. Martina hatte mir alle erforderlichen Angaben über ihre Person gegeben, und in einem Augenblick, da Frau Gropius mich für einen kurzen Moment ihr Büro alleine gelassen hatte, bemächtigte ich mich des Uni-Stempels und hinterlegte das abgestempelte und unterschriebene Antragsdokument. Zwei Tage später erfuhr Martina, dass sie das Studium an der Frankfurter Uni nach Ende der Semesterferien antreten könne. Das war geschafft.
Unser Liebesverhältnis währte eine geraume Weile, und ich schwebte wie auf Wolken. Zuhause fiel mir die Decke auf den Kopf, und es widerte mich an, meiner Frau weiterhin Liebe vorzutäuschen.
Eines Abends sagte sie mir unverblümt auf den Kopf zu: „Gell, da gibt es eine andere Frau, Du betrügst mich.“
Ich fiel wie aus allen Wolken. Woran hatte sie es bemerkt? Erst stotterte ich irgendein dummes Zeug, doch als sie unter Tränen auf mich einschlug, sagte ich von Martina und ließ sie wissen, dass ich nicht mehr ohne Martina leben könne. „Dann lassen wir uns scheiden!“ schrie mich Ursula damals heulend an, „dann scher Dich zum Teufel, Du Ehebrecher! Auf einen solchen Mann kann ich verzichten!“
Ja, und so kam es schließlich zu unserer Scheidung, und ich bezog vorläufig ein Appartement im Hotel Exelsior. Martina kam nun fast jeden zweiten Abend und zu den Wochenenden zu mir, um mit mir die Nächte zu durchlieben, aber schon nach einer kleinen Weile merkte ich, dass die Glut unsrer Liebe zu schwinden begann. Unmittelbar in der Nachbarschaft zum Hotel, unten in der Baseler Straße war ein Juwelier, bei dem ich eine wunderschöne Halskette für Martina erstand. Das war eine große Überraschung für sie, und die folgende Nacht ließ mich erneut in den Himmel schweben. Nach und nach wurden Martinas Besuche weniger, mal musste sie zu ihrer kranken Mutter oder zu einem Onkelbesuch über das Wochenende fort. Sie fehlte mir in diesen Stunden sehr.
Eines Tages, ich schaute in einer Pause meiner Vorlesung aus dem Fenster in den Hof, da sah ich Martina, wie sie gerade einem großen, schlanken Burschen in den Armen lag. Sie küssten sich, und das direkt unter meinem Fenster.
Den hübschen Ring, den ich für Martina gekauft hatte, behielt ich noch zurück, als Martina an diesem Abend wieder ins Hotel kam. Nach einem opulenten Abendessen gingen wir gemeinsam in mein Appartement, und ich fragte sie beiläufig, wer denn der junge Mann gewesen sei, den sie am Nachmittag im Hof in die Arme genommen habe. „Ach das, das war ein Cousin von mir, den ich zufällig im Hof getroffen habe. BistdDu etwa eifersüchtig?“ hatte sie mich damals gefragt.
„Und ob“, antwortete ich lachend und zog sie an mich und bald darauf aus.
Ich schenkte ihr den Goldring und sah mit Freuden ihren entzückten Blick. Wieder erlebte ich eine schöne Nacht, die sich wieder viel zu schnell an den jungen Tag verlor.
Ich weiß nicht, was mich verunsicherte, und was mich damals veranlasst hat, Martina an jenen Abenden zu beobachten, wenn sie unter irgendwelchen Vorwänden keine Zeit für mich aufbrachte. Ich hatte mich an einem regnerischen Tag im Schatten eines mächtigen Kastanienbaumes gegenüber dem Haus, in dem sie ein kleines Zimmer bewohnte, versteckt und beobachtete den Hauseingang. Der Regen lief mir hinten ins Genick. Das Licht in Martinas Zimmer brannte. Nach einer kleinen Weile kam ein Roadster vorgefahren, und der Fahrer, den ich in der Dunkelheit nicht erkennen konnte, hupte zweimal. Das Licht in Martinas Zimmer erlosch, und es dauerte nur wenige Minuten, bis Martina mit einem fröhlichen Lachen in das Auto stieg.
„Aha“, dachte ich, „so ist das also, mal sehen wo es denn hin geht.“ Und ich folgte dem Auto, das gradewegs nach Sachsenhausen fuhr. Unterhalb der Jugendherberge parkten sie das Auto am Mainufer und gingen dann, fest umschlungen, zu Daut-Schneider. Ich folgte so, dass man mich nicht entdecken konnte. Was ich dann aber sah, verschlug mir den Atem. Sich küssend und laut scherzend saß Martina mit jenem Burschen zusammen, mit dem ich sie schon Tage zuvor auf dem Hof der Uni ähnlich verliebt gesehen hatte.
An diesem Abend blieb ich nicht in Sachsenhausen. Ich fuhr in den grünen Baum nach Neu-Isenburg und ließ mich voll laufen.
Ich weiß nicht einmal mehr, wie ich in mein Hotel gekommen bin, so betrunken wie ich war. Die nächsten vier Tage war ich überhaupt nicht ansprechpaar und auch für niemanden zu erreichen. Der Rezeption hatte ich aufgetragen, jeden abzuweisen, der sich nach mir erkundigen wollte. So war ich auch für meine treulose Martina nicht erreichbar. Ich fühlte mich wie der betrogene Betrüger.
Ich kündigte mein Appartement, setzte mich in einen Zug, und fuhr, ohne nach rechts oder links zu schauen, schnurstracks nach Amsterdam.
Nach etwa einer Woche hatte ich mich gefangen und rief beim Uni-Sekretariat an, um mich für meine Abwesenheit mit dem Hinweis auf eine Erkrankung zu entschuldigen. Doch hierbei musste ich zu meinem Entsetzen erfahren, dass meine Dozentenstelle inzwischen aufgekündigt und an einen anderen Dozenten vergeben war. Ja, meine Liebe, soweit war es mit mir gekommen. Meine Familie war aufgegeben, mein Zuhause verloren und mein Job im Eimer. Jetzt wissen Sie, warum ich momentan keine feste Bleibe habe und versuche, meinen Weltschmerz im Alkohol zu ertränken. Ich habe im Himmel eingebildeten Glücks geschwebt und bin umso tiefer in die Hölle der Wirklichkeit gefallen, das ist es, was ich zu erzählen habe“.
„Haben Sie denn ihre Martina später noch einmal gesehen?“
„Sagen Sie nicht ihre Martina, ich glaube, sie war niemals die Meine. Was sie wollte, war die Immatrikulation an der Uni, etwas Spaß mit einem Mann, der bei ihr vielleicht Vaterkomplexe ausgelöst hat, das war alles und sonst nichts. Nein, ich habe dieses Mädchen nie wieder gesehen und will sie auch nicht wieder sehen!“
Angela schwieg betroffen. Nach einer geraumen Pause sagte sie, Herrn Dr. Weihrauch über die Haare streichelnd: „wenn Sie erst einmal meine Geschichte gehört haben, werden sie die Ihre leichter ertragen, glauben Sie mir.“
„Was ist Ihnen denn geschehen?“ fragte nun Herr Dr. Weihrauch interessiert.
„Wollen Sie das heute Nacht wirklich noch hören?“ fragte Angela, „es ist eine wahrlich längere Geschichte, die ich zu erzählen habe.“
„Ist mir doch egal, wie lang Ihre Geschichte ist, ich möchte sie hören und zwar jetzt.“
„Kommen Sie“, sagte Angela beim Aufstehen, „ich schenke uns erst noch einmal etwas Kaffee nach, ist das recht?“
„Ja, ja“, murmelte Dr. Weihrauch und legte sich ein wenig auf der Couch zurück.
Als Angela wieder aus der Küche kam, lag ihr Gast seitwärts auf der Couch und war am Schnarchen.
„Ja, guter Mann“, murmelte die Frau, „schlaf dich erst einmal richtig aus, das wird dir gut tun.“ Sie zog ihm behutsam seine Schuhe aus, löste die Krawatte und den oberen Hemdkragen mit äußerster Vorsicht, dass sie ihn nicht aufwecke, dann ging sie selbst zu Bett, müde von der anstrengenden Arbeit des Tages.
Als Herr Dr. Weihrauch am nächsten Morgen wieder erwachte, schaute er sich erst einmal ganz verwundert im Raum um. Langsam erinnerte er sich wieder des gestrigen Tages, und als Angela den frisch gebrühten Morgenkaffee auf den liebevoll gedeckten Frühstückstisch stellte, kam neues Leben in ihm auf. Er erinnerte sich daran, dass er Gast bei der netten Kellnerin war, und dass diese ihm noch ihre Lebensgeschichte erzählen wollte.
„Seien Sie mir, bitte, nicht böse, dass ich gestern Nacht einfach so eingeschlafen war. Das war sicher nicht höflich, aber mein Körper forderte seinen Tribut.“
„Das ist schon in Ordnung“, gab Angela lachend zur Antwort. „Ich war auch fix und foxy und gleich im Reich der Träume, kaum dass ich meine Bettdecke zurückgeschlagen hatte. Das Bad ist frei, und wenn sie sich frisch gemacht haben, können wir frühstücken.“
Als Herr Dr. Weihrauch wieder ins Wohnzimmer zurückkam, stand vor ihm eine sehr adrett gekleidete Frau in äußerst gepflegtem Zustand, die sich um Jahre von der gestrigen Erscheinung unterschied. Ihr offensichtlich langes Haar war zu einem modischen Knoten geknüpft, und das Rouge auf ihren Wangen unterstrich eine sehr angenehme Persönlichkeit.
„Hoppla“, rief Dr. Weihrauch überrascht, „sind Sie über Nacht in einen Jungbrunnen gefallen?“
„Sie fangen den Tag ja schon mit reichlich Schmeicheleien an, mein Lieber“, antwortete Angela, und man merkte ihr an, dass ihr diese ungewohnten Komplimente sehr gut taten. Der Tisch war wirklich liebevoll eingedeckt. Selbst frische Brötchen lagen im Brotkorb.
„Woher haben Sie die Brötchen am frühen Morgen?“ fragte Herr Dr. Weihrauch.
„Früher Morgen ist gut. Schauen Sie doch mal auf Ihre Uhr. Es ist bereits halb elf.“
„Wann müssen Sie heute wieder zur Arbeit?“
„Heute erst um 17.00 Uhr“, antwortete Angela, „uns bleibt also noch reichlich Zeit, mir Ihre Geschichte zu erzählen. Betrachten wir dieses Frühstück als Brunch, dann sparen wir Zeitlich das Mittagessen.“
Als sie beide gesättigt waren, trug Angela den Tisch wieder ab, verstaute das gebrauchte Geschirr in der Spülmaschine und trug eine neue Tischdecke auf.
„Kommen Sie“, sagte sie dann, „Lassen wir es uns auf der Couch gemütlich machen, und dann will ich Ihnen erzählen, wie grausam das Schicksal mir mitgespielt hat.
Es war vor ungefähr fünfzehn Jahren, da lebte ich als gerade mal Zwanzigjährige in einer wunderschönen Villa in Konstanz, direkt am Bodensee. Unser Haus war so schön gelegen, dass unsere Pergola direkt bis über den See ragte. Ich erinnere mich gut, wie ich mit meinem damaligen Mann, Engelbert von Sutter, einem geschäftstüchtigen Vermögensverwalter aus Luzern, so manchen Sonnenuntergang über dem See auf unserer Pergola erlebt habe. Es war eine große Veranda, auf der wir nicht selten rauschende Feste bis spät in die Nacht feierten.
Eigentlich hatte ich nicht vor, so früh zu heirate, ich wollte erst einmal mein Jurastudium zu Ende bringen, das ich in Zürich begonnen hatte. Dann lernte ich Engelbert kennen. Wir verliebten uns ineinander, und als ich merkte, dass sich unter meinem Herzen junges Leben regte, heirateten wir.
Bald nun wurde meine Melissa geboren, ein Mädchen so zart und lieblich, wie lieblicher kein Kind auf Erden sein kann.
Mein Mann war viel auf Geschäftsreisen, wobei er zwischen Zürich, London und Frankfurt hin und her pendelte. Melissa sah ihn nur hin und wieder an den Wochenenden oder zu den Feiertagen. Als meine Tochter in den Kindergarten und bald darauf zur Schule ging, fiel mir in unserem Zuhause, trotz aller Schönheit und dem Luxus eines reich umsorgten Lebens, die Decke förmlich auf den Kopf.
Zwar hatte ich anfangs sehr gegen die Einwände meines Mannes zu kämpfen, der mich lieber ans Haus gebunden gesehen hätte, aber schließlich war ich es gewesen, die über ein erhebliches Vermögen verfügte, in das mein Engelbert hinein geheiratet hatte. Heute weiß ich, dass er mich nur meines Vermögens wegen geheiratet hatte.
Ja, wenn ich damals nur ein wenig von dem gewusst hätte, was ich heute weiß, mir wäre manches Leid erspart geblieben.
Na, ja, wie dem auch sei, damals war ich sehr glücklich mit Engelbert und meiner Melissa. Ich setzte schließlich meinen Kopf durch und eröffnete in der Konstanzer Innenstadt, genauer gesagt in der Marktstätte, eine kleine Boutique, die ich gemeinsam mit meiner Freundin Laura führte. Laura war meine beste Freundin, wir kannten uns schon seit der frühen Schulzeit. Sie war mit mir gemeinsam im Internat in Zürich gewesen, und so war ich hocherfreut, als sie sich anbot, nachmittags, wenn ich mich um Melissa zu kümmern hatte, in der Boutique meine Interessen zu vertreten. Lara hatte mehrere Semester Medizin studiert, das Studium dann aber abgebrochen. Sie war eine bildhübsche Frau mit langen, blonden Harren Man sollte es nicht glauben, aber wenn man so den ganzen Tag nicht aus dem Haus kommt, fängt man an, sich selbst zu vernachlässigen. Ich hatte eine Garderobe, von der ich heute nur träumen kann, aber für die Arbeit in Haus und Garten reichten Pullis und Jeans. Meine Eltern, Gertrud und Gernot von Berg waren Jahre vorher bei einer Autofahrt über den Fluelapass ins Davoser Landwassertal tödlich verunglückt. Die Bremsen waren, wie sich bei der Untersuchung der Polizei herausstellte, durch das viele Bremsen auf der abschüssigen Serpentine total verglüht, so dass der Wagen in einer der letzten Kurven seitlich aus der Bahn geschleudert wurde und sich mehrmals überschlug.
Als die einzige Tochter erbte ich ein erhebliches Vermögen. Ihre reizende Enkelin haben meine Eltern leider nie erlebt.
Laura war oft unser Gast, verbrachte sogar manches Wochenende bei uns. Sie verstand sich bestens mit Melissa, und mir schien, dass Engelbert sie auch gerne in seiner Nähe sah.
Engelberts Geschäfte gingen offensichtlich in letzter Zeit nicht gut. Ich verstand nichts von Geldgeschäften, die Vermögensverwaltung hatte ich in die Hände des Direktors Möbius gelegt, den ich zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates meiner Bank bestimmt hatte. Selbst ließ ich mich dort nur im Rahmen besonderer Anlässe sehen. Engelbert nahm mir es übel, dass ich ihn nicht mit der finanziellen Wahrnehmung meiner Interessen beauftragt hatte. Immer und immer wieder erbat er sich von mir finanzielle Zuschüsse. Bald reduzierte er auch seine Geschäftsreisen und hielt sich tagsüber zuhause auf. Nachts musste er oft zu Kongressen oder Veranstaltungen irgendwelcher Institute. Mein Gott, was war ich doch so blauäugig gewesen. Aber, wer hätte denn glauben wollen, dass mich mein Mann mit meiner besten Freundin betrügen würde? Heute sehe ich die Bilder deutlich vor Augen, wie Laura und Engelbert in meiner Gegenwart lachten und scherzten. Wie sie mit Melissa im Garten tollten oder gemeinsam im See schwammen, während ich mit einem grippalen Infekt ans Haus gebunden war. Während ich in meiner Boutique beschäftigt war, trafen sich mein Mann und Laura ungeniert bei uns, bauten dort ihr Liebesnest aus und schliefen in unseren Ehebetten. Von Zeit zu Zeit rief mich Engelbert an und sagte mir irgendwelche Nettigkeiten. So war er seiner Sache sicher, dass ich kilometerweit beschäftigt war, und sie ungestört ihr Liebesspiel fortsetzen konnten.
Mir war zwar damals eine Veränderung in Lauras Verhalten aufgefallen, sie trat selbstbewusster, ja vielleicht sogar kecker mir gegenüber auf, aber ich hätte mir nicht im Traum einfallen lassen, dass beide mir Hörner aufsetzten. Wäre ich damals doch nur kritischer gewesen! So aber schien mir meine Welt in Ordnung, und ich hatte überhaupt keine Bedenken, meinem Engelbert auch die Vollmacht über mein Sparkonto zu gewähren. Es war doch unser gemeinsames Leben in einer glücklichen Familie, also war es auch unser gemeinsames Geld. Ja, mein lieber Dr. Weihrauch, so blind und blöd war ich damals, wähnte mich in einer heilen Welt. Doch dieses Gefühl sollte sich an einem der nächsten Tage jäh ändern. Als ich an einem Freitagnachmittag nach Hause kam, fand ich Engelbert ganz aufgeregt und aufgelöst im Haus. Melissa war verschwunden und nirgends in Haus und Garten aufzufinden. Das Telefon klingelte, und Engelbert lies mich wissen, dass Entführer am Apparat seien, die Zweimillionen Schweizer Franken Lösegeld für die Freilassung unserer Melissa forderten. Engelbert hatte damals den oder die Entführer noch nach weiteren Details fragen wollen, als diese wohl schon den Hörer aufgelegt hatten.
„Lass uns die Polizei informieren“, hatte ich damals geraten. „Bist Du verrückt“, hatte mein Mann geantwortet, „wenn wir die Polizei einschalten, wird Melissa getötet. Willst Du das riskieren“ Natürlich wollte ich das nicht. Ich war wie von Sinnen. Meine geliebte Melissa in den Händen grausamer Entführer, die auch vor dem Tod eines Kindes nicht Halt machen würde. Mein Mann malte mir die Möglichkeit, dass dem Kind Finger oder Ohren abgeschnitten werden könnten, grässlich aus, und als nach etwa einer Stunde das Telefon erneut läutete und Engelbert wieder mit den Entführern verhandelte, war ich mit meinen Nerven am Ende und bereit, jede auch nur geforderte Summe als Lösegeld zu bezahlen.
„Ich möchte mit meiner Tochter sprechen!“ hörte ich meinen Mann sagen, „ich will sicher sein, dass ihr dem Kind nichts angetan habt.“ Nach einer kurzen Weile schien er Melissa am anderen Ende der Leitung zu haben, denn ich hörte ihn fragen:
„Hallo, mein Kleines, wie geht es dir? Ist bei dir alles in Ordnung. Ja, mein Schatz, dein Papi holt dich da raus, nicht weinen, alles wird wieder gut.“ Und offenbar zu den Entführern gewandt sagte er für mich deutlich vernehmbar: „Also gut, wir werden euch die geforderten Zweimillionen Franken gegen unsere Tochter übergeben. Sagt mir nur wo und wann. Ja, ich komme alleine, mit der Polizei haben wir uns nicht in Verbindung gesetzt. Doch eins sage ich euch, wenn meiner Tochter auch nur ein Haar gekrümmt wurde, werde ich euch alle Bullen unseres Landes auf den Hals hetzen.“ Dann legte er den Hörer mit einem Seufzer wieder auf.
„Mein Gott“, hatte ich damals weinend gesagt, „was müssen wir tun, damit Melissa wieder zurück kommt?“
Mit dieser Frage hatte ich damals meinem Engelbert umarmt, meinen Kopf an seine Brust gelegt.
„Wir haben noch ein Problem“, sagte damals mein Mann. „Wie Du weißt, habe ich nur Bankvollmacht bis maximal 100.000 Mark. Sie verlangen aber Zweimillionen Franken. Du musst also zu Deiner Bank gehen und das Geld beschaffen, soviel geben die mir nicht, das weißt Du.“
„Ich gehe nicht aus dem Haus“, hatte ich damals unter Tränen gesagt, „ich gehe nirgendwo hin. Vielleicht kann Melissa ja ihren Entführern entkommen, und ich möchte zuhause sein, wenn sie kommt, verstehst Du das?“
„Ja, das verstehe ich wohl, aber wie kommen wir an das Lösegeld?“
„Komm, Engelbert, ich erteile Dir hiermit die Vollmacht, über unser gesamtes Vermögen zu verfügen. Bring mir nur unseren Engel gesund zurück.“
Engelbert legte mir damals einige Papiere zur Unterschrift vor, die ich bereitwillig und guten Glaubens unterschrieb.
So nahm das Schicksal seinen Lauf.
Engelbert sagte mir damals, dass Geldübergabe und die Freilassung unserer Tochter am Nachmittag des nächsten Tages erfolgen sollten.
An diesem Abend konnte ich nicht einschlafen. Ich versuchte, meine aufgeregten Gedanken im Alkohol zu ertränken und sank schließlich reichlich benebelt ins Bett. Am nächsten Morgen weckte mich die Sirene eines Polizeiautos oder eines Krankenwagens aus dem Schlaf.
Noch reichlich benommen, griff meine Hand nach meinem Mann, aber sie griff ins Leere. Ich glaubte, dass er schon aufgestanden sei, um sich das Geld aus der Bank zu beschaffen. Als ich mich aufrichtete, sah ich das Bett meines Mannes blutverschmiert, und eine Blutspur führe durchs ganze Haus bis auf die Terrasse am See. Selbst auf der Balkonbrüstung war Blut zu sehen. Ich griff mir an den Kopf. Was war hier geschehen, und was hatte dies alles mit Engelbert zu tun. Direkt unterhalb der Balkonbrüstung lag ein blutverschmiertes, langes Küchenmesser. Ich hob es gedankenverloren auf und hielt es noch in meiner rechten Hand, als drei Polizeibeamte auf den Balkon stürmten, um mich in Handschellen abzuführen. Ich leistete keinen Widerstand.
„Frau von Sutter“, sagte einer der Beamten damals zu mir, „Sie sind wegen des Verdachts, Ihren Mann ermordet zu haben, verhaftet. Alles, was Sie jetzt sagen, kann vor Gericht gegen Sie verwendet werden.“
„Was?“, stammelte ich damals verzweifelt, und mein Kopf schien förmlich zu zerplatzen, „was soll ich getan haben? Meinen Mann ermordet?“
Doch all meine Unschuldsbekundungen blieben ohne positive Resonanz.
„Es wäre am besten, wenn Sie sich einen guten Anwalt nehmen“, riet mir einer der Beamten.
Mein Kopf glich einem Bienenhaus, in das man gerade mit einem Stock hinein gestochen hatte. Tausend Dinge gingen mir damals durch den Kopf. Die Tochter entführt, und der Mann ermordet. Da war bestimmt ein Zusammenhang zu sehen. Noch aus dem Untersuchungsgefängnis heraus bestellte ich den Anwalt unserer Familie und erzählte im genau, was in den letzten Tagen passiert war.
„Ja“, sagte dieser, nachdem er sich meine Geschichte angehört hatte, „das klingt ja alles reichlich plausibel, aber die Indizien sprechen gegen Sie. Das Messer in Ihrer Hand, die Blutspuren im ganzen Haus. Mir können Sie es sagen, wenn Sie Ihren Mann nach dem von Ihnen beschriebenen Alkoholkonsum im Streit erstochen haben. Vielleicht können wir auf Notwehr plädieren.“
„Aber nein, Dr. Rübsam“, brüllte ich ihn an, „ich habe meinen Mann nicht ermordet“ Glauben Sie mir. Ich war selbst überrascht, als ich am Morgen das viele Blut sah. Was wird nun aus meiner kleinen Melissa, wenn keiner im Haus ist?“
„Beruhigen Sie sich erst einmal ein wenig“, sagte der Rechtsanwalt, „wir müssen erst einmal alle Fakten gegenüberstellen, ein Mediziner hat die Blutproben aus Haus und Veranda ins Labor gegeben. Wer war der behandelnde Arzt Ihres Mannes?“
„Sein Arzt ist Dr. Weber. Das ist gut, dass das Blut untersucht wird, dann wird sich hoffentlich zeigen, dass es nicht Engelberts Blut ist, das da vergossen wurde. Aber was wird aus Melissa? Hat mein Mann schon persönlichen Kontakt zu diesen Halunken aufgenommen?“
„Das wird sich herausstellen“, erwiderte der Anwalt. „Bleiben Sie erst einmal diese Nacht im Gewahrsam, dann wird sich am morgen alles in einem vielleicht besseren Licht aufklären.“
Ja, und dann ließ er mich allein zurück in meiner Zelle. Ich muss in diesem Moment laut aufgeschriehen haben, denn ein nicht gerade freundlicher Wachmann schrie mich an, Ruhe zu halten.
„Aber ich bin unschuldig“, hatte ich ihm zugerufen. „Ja, ja“, hörte ich ihn höhnisch sagen, „das behaupteten alle, die wir eingebuchtet haben, und am Ende wurden sie doch überführt und verurteilt.“
Ich weiß nicht, wie ich die folgende Nacht verbracht habe, ich fühlte mich elendig, und als mir mein Anwalt am nächsten Nachmittag berichtete, dass die Blutanalyse einwandfrei erwiesen habe, dass das Blut am Tatort und am Messer das Blut meines Mannes war, brach ich zusammen.
Später erfuhr ich noch, dass die Polizei am Morgen meiner Verhaftung einen anonymen Anruf erhalten hatte, der auf einen Streit in unserem Haus und eine tätliche Auseinandersetzung hingewiesen hatte. Das war der Grund, warum die Polizei gerade in dem Moment aufgetaucht war, als ich das blutverschmierte Küchenmesser noch in der Hand hielt.
Tatsächlich deuteten alle Indizien darauf hin, dass ich meinen Mann umgebracht hatte. Aber ich war es nicht, und wo war die Leiche geblieben?
Diese Frage beschäftigte auch die untersuchenden Beamten. Wo war die Leiche? Taucher untersuchten den Teil des Bodensees, der unmittelbar an unsere Terrasse grenzte. Aber man fand meinen Mann nicht.
Noch am gleichen Tag wurde ich dem Haftrichter vorgeführt und vom Untersuchungsgefängnis in die Frauen-Haftanstalt überstellt. Ich war verzweifelt und total verunsichert. Langsam zweifelte ich an mir selbst. Sollte ich wirklich meinen Mann im Suff ermordet haben? Aber warum? Nein, soweit war ich mir ganz gewiss sicher, ich hatte meinen Mann nicht ermordet. Aber auch Herr Dr. Rübsam schien mir nicht zu glauben. Keiner glaubte mir, und so wurde ich letztlich in einem Indizienprozess zu zehn Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt, nachdem selbst meine beste Freundin unter Eid bezeugte, dass es zwischen mir und Engelbert in letzter Zeit häufig Auseinandersetzungen gegeben habe, die einmal sogar in ihrem Beisein, ein Streit, der mit meiner Drohung gegipfelt hätte, dass ich Engelbert umbringen wolle. Sie hätte damals dieser Drohung keine besondere Bedeutung zugemessen, aber heute sehe sie das anders. Ich verstand die Welt nicht mehr. Warum hatte Laura vor Gericht diese Lüge unter Eid ausgesagt?
Diese Aussage brachte wohl für die Geschworenen das Fass zum Überlaufen.
Ihr Urteil lautete einstimmig: „Schuldig!“ Man verurteilte mich zu fünfzehn Jahren Haft.
Ich musste in diesen Tagen meiner Gefangenschaft um Jahre gealtert sein.
So sehr ich mich auch bemühte, zu erfahren, was mit meiner Tochter geschehen war, keiner konnte oder wollte mir hierzu etwas sagen.
Nach etwa fünf Jahren erhielt ich die Erlaubnis, selbst innerhalb der Stadt zu telefonieren.
Lauras Rufnummer kannte ich auswendig, und so versuchte ich über sie, etwas über Melissa zu erfahren. Doch am anderen Ende der Leitung hörte ich nur: „Kein Anschluss unter dieser Rufnummer.“
Laura musste verzogen sein.
Da fiel mir zum Glück ein, dass eine Jugendfreundin von mir im Rathaus unserer Stadt beschäftigt war, Ich rief sie an und bat sie, über das Einwohnermeldeamt herauszufinden, wohin Laura verzogen sei. Ich hatte Glück. Marlene war mir nicht nur eine gute Freundin in guten Zeiten, sondern sie stand auch in diesen schweren Tagen zu mir.
„Ich glaube dir“, sagte Marlene mir damals am Telefon, „ich glaube dir, dass du Engelbert nicht ermordet hast, dazu wärst du überhaupt nicht fähig. Nein, ich helfe dir gerne. Ruf mich, bitte, nächste Woche wieder an, vielleicht habe ich Lauras Wohnsitz bis dahin herausgefunden.
Es dauerte vierzehn Tage, bis Marlene mir sagen konnte, dass sie in Erfahrung gebracht habe, dass Laura nach München verzogen war. Sie gab mir die entsprechende Rufnummer durch, die sie über die Auskunft erfragt hatte.
Leider konnte ich an diesem Tage nicht noch mehr telefonieren, also erwartete ich den nächsten Tag voller Spannung.
Es war wie verhext. Ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt, standen vier Frauen vor mir an der Telefonzelle, und mir schien es, als würde eine jede von ihnen ihr Telefon besonders in die Länge ziehen. Endlich kam ich an die Reihe und wählte Lauras Nummer. Ihr Anrufbeantworter war eingeschaltet.
„Laura“, rief ich ins Telefon, „Laura, wenn du zuhause bist, melde dich bitte!“ Aber Laura meldete sich nicht. Ich versuchte es am nächsten Tag noch einmal. Laura war am Apparat.
„Hallo, Laura, hier ist Angela. Weißt Du etwas von Melissa?“ Laura antwortete nicht. Ich hörte nur ihren schweren Atem. „So antworte doch, Laura!“ rief ich in den Hörer, doch Laura antwortete nicht. Im Hintergrund hörte ich eine Jungmädchenstimme „Papa“ rufen. Das war Melissa, ohne Zweifel. Eine Mutter erkennt ihr Kind auch nach Jahren der Trennung an der Stimme. Das war meine Melissa, mein Kind.
„Wenn Du schon nicht mit mir reden willst“, sagte ich nun mit gedämpften Zorn zu Laura, „dann gib mir wenigstens Melissa an den Apparat.“ In diesem Moment legte Laura auf.
Ich war wie benommen, mir war schwindlig. Ich muss so leichenblass ausgesehen haben, dass mich eine Wärterin ansprach und mich schließlich in meine Zelle zurückführte.
„Mein Gott, ich danke Dir“, betete ich zu Gott in meiner Zelle kniend, nachdem ich mich wieder ein wenig gefangen hatte, „mein Kind lebt, ich habe seine Stimme gehört.
Aber hatte sie nicht „Papa“ gerufen? Also lebt Engelbert!
Wieso sind Laura und Engelbert mit Melissa gemeinsam nach München gezogen?“ Fragen über Fragen, die ich in diesem Moment nicht zu beantworten wusste.
Dass ich in der folgenden Nacht keinen Schlaf fand, können Sie sich sicher denken. Tausend Dinge gingen mir durch den Kopf.
Wenn Engelbert lebte, wie kam dann sein Blut auf Bett, Parkett und Terrasse? Wer hatte das Messer dort hingelegt, das mir schließlich zum Verhängnis wurde?
„O Gott, nein“, fuhr es mir durch den Kopf, „sollte dies alles eine abgekartete Sache zwischen Engelbert und Laura gewesen sein? Hatten die Beiden ein Verhältnis, und hatte Engelbert über eine vorgetäuschte Entführung unserer Tochter sich den Zugang zu unserem Vermögen verschafft? Darum die Falschaussage meiner so genannten „Freundin“ Laura.“ Langsam aber sicher ging mir ein Licht auf, und ich fühlte Hass in mir aufsteigen und ein Rachebedürfnis, das meinen Schmerz bald überdeckte.
Aufgrund meiner juristischen Ausbildung war mir bewusst, dass man in Deutschland wegen ein und desselben Deliktes nur einmal verurteilt werden konnte. Mehr als fünf Jahre meines Lebens hatte mir mein Mann gestohlen, mich all meiner Ehre beraubt. Er hatte mich mit meiner Freundin betrogen und mich schließlich von meiner Melissa getrennt. Das sollte er mir büßen, das schwor ich mir damals.
So oft ich in der folgenden Zeit auch versuchte, über Lauras Telefonanschluss Kontakt zu Melissa zu erhalten, es gelang mir nicht. Immer war es nur der Anrufbeantworter, hinter dem sich Laura und Engelbert versteckten. Schließlich gab ich es auf.
Ich hatte seit ungefähr drei Jahren meine Zelle mit einer Frau aus Stuttgart teilen müssen, die wegen eines schweren Betrugsdeliktes verurteilt worden war. Sie war eigentlich recht nett, aber ihr andauerndes Gequatsche ging mir damals auf den Keks. So wurden wir beide auch nicht recht warm und gingen uns, so gut es eben ging, aus dem Weg.
Als deren fünfjährige Haft abgelaufen war wurde sie entlassen. Es dauerte ungefähr einen Monat, bis ich eine neue Zellengefährtin erhielt. Eine etwa fünfunddreißigjährige Frau, die einen jungen Mann aus Leipzig ermordet hatte.
Diese Frau sprach fast kein einziges Wort, sie war sehr verschlossen.
Eines Tages, als ich in wieder aufkommenden Schmerz mein Gesicht in meinen Händen verborgen hatte, sprach sie mich an:
„Was trauerst du denn so, mein Kleines, oder hast du schlecht geträumt?“
„Ach Gott, Sie können ja reden“, antwortete ich damals, „ich dachte schon, wir könnten nie miteinander reden.“
„Ach, Mädchen, lass die Förmlichkeiten und das „Sie“, wir sind für die nächsten Jahre aufeinander angewiesen und sollten uns nichts vormachen. Weißt Du, ich habe noch eine solche Wut in meinem Bauch, dass ich laut schreien wollte, wenn ich nur einmal meinen Mund aufmachte. Darum habe ich ihn lieber geschlossen gehalten. Aber um was oder wen trauerst Du heute so, dass es was die Kerkersteine erweichen könnte?“ Ich erzählte ihr meine Geschichte.
„Den würde auf der Stelle kalt machen“, meinte sie daraufhin, „ich habe auch nicht lange gefackelt.“
„Wieso?“ fragte ich.
„Weil ich ihm den Hals umgedreht habe. Deshalb sitze ich hier ein.“
Jetzt war ich doch neugierig, zu erfahren, was mit ihr geschehen war, und sie begann, mir ihre Leidensgeschichte zu erzählen:
„Ich bekenne mich zu dem, was ich getan habe, und ich würde es auch wieder tun. Das habe ich auch den Geschworenen gesagt. Ich bereue meine Tat nicht.
Stell Dir vor, da hast du eine liebreizende Tochter, mit der du die Jahre der Pubertät und Deine eigene Scheidung gut überstanden hast, die du lieb hast, und die mit gerade mal fünfzehn Jahren einem Burschen begegnet, der sich ihr gegenüber als der Märchenprinz aufführt, von dem sie schon lange geträumt hat. Sie verliebt sich in diesen Kerl, der ihr Abend für Abend Rauschmittel in ihre Cola gibt, bis ihr Körper immer mehr von diesen Drogen verlangt. Meine Tochter kam einfach nicht mehr nach Hause, bettelte bei ihm um jenen Drink, der sie abheben ließ. Als das Ganze dann in eine totale Abhängigkeit mündete, gab er ihr nichts mehr, obwohl sie ihn anbettelte und schließlich bereit war, für eine einzige Dröhnung auf den Kinderstrich zu gehen. Weigerte sie sich, dann schlug er sie mit nassen Handtüchern windelweich, verweigerte ihr die Rauschmittel, bis sie wieder ganz gefügig wurde.
Meine Tochter muss ein Martyrium durchlebt haben.
Wie mir zu Ohren gekommen war, zogen Beide nach Berlin, und meine Sonja ging am Bahnhof Zoo auf den Strich. Dort traf ich sie eines Abends. Ich hätte meine Tochter damals beinahe nicht wieder erkannt. Bleich und mir schien am ganzen Körper zitternd stand sie im Schatten des Bahnhofs. Zuerst wollte sie mir davonlaufen, aber schließlich willigte sie ein, mir in eine kleine Gaststätte zu folgen. Es brauchte eine ganze Weile, bis sie mir endlich von jenem Halunken erzählte, der sie so auf gemeine Art in den Dreck der Gosse gezogen hatte. Sie fuhr noch in der gleichen Nacht mit mir nach Hause.
Am nächsten Morgen schleppte ich sie auf eine Suchtberatungsstelle und schaffte es schließlich, dass sie wieder entwöhnt wurde.
Da sie mir ein Bild von dem Kerl gegeben hatte, der wohl noch in Berlin verblieben war, machte ich mich wieder auf den Weg nach Berlin. Drei Tage und Nächte verbrachte ich in der Großstadt, lungerte am Bahnhof Zoo herum und musste dabei selbst erfahren, dass ich von irgendwelchen geilen Säcken als Hure angesprochen wurde. Ich durchstreifte die anliegenden Nachtbars. Endlich hatte ich Glück.
Er war an der Bar einer schmierigen Kneipe gesessen. Da neben ihm gerade ein Hocker frei war, setzte ich mich zu ihm. Es dauerte nicht lange, bis er mich anbaggerte. Ich ging auf ihn ein und zeigte mich bereit, mich mit ihm auf ein Liebesabenteuer einzulassen.
Ich erzählte ihm, dass mich mein Mann verlassen habe und ich ohne Arbeit heute nach Berlin gekommen sei, um mir hier vielleicht als Kellnerin oder Bardame etwas zu suchen. Der Gauner fiel auf mich rein und sah schon wieder ein nächstes Opfer für sein brutal grausames Spiel.
Mein kurzes, schwarzes Minikleid gewährte nach allen Seiten verlockende Einblicke, so dass der Gauner es kaum abwarten konnte, mit mir ein Zimmer in diesem Etablissement aufzusuchen.
Doch kurz bevor wir die Bar verließen bemerkte ich, wie dieser Halunke auch mir etwas in meinen Drink schüttete.
Wir hatten beide einen Caspari-Orange vor uns stehen, und als er sich nach meinem versehentlich herunter gefallenen Autoschlüssel beugte, vertauschte ich unsere Gläser. Damit hatte er wohl nicht gerechnet, denn kurz nachdem wir das für zwei Stunden gemietete Zimmer betraten und er ausgezogen bereits im Bett auf mich wartete, überkam ihn eine Müdigkeit, wie er sie vielleicht bei mir erwartet hatte. Trotz allem war er noch sehr erregt, als ich mich splitternackt über ihn beugte.
„Was ist mein Schatz“, sagte ich zu ihm, „Du wirst doch nicht schlapp machen, oder?“ Er wollte mir noch etwas sagen, doch bevor er dazu kam, schnitt ich ihm mit einem scharfen Rasiermesser seinen Schwanz und beide Eier ab. Seinen Schrei begrub ich unter einem Kissen. Ich weiß nicht, ob er noch hören konnte, was ich ihm in seiner letzten Stunden zugerufen hatte, dass ich Rache nehmen würde für das, was er meiner Sonja angetan hatte.
Als sein Röcheln zu Ende ging, wartete ich, bis er vollends verblutet war, duschte, ordnete mein Haar, zog mich wieder ordentlich an und verlies in aller Ruhe die Beize.
„Und wie haben Sie dich dann erwischt?“ fragte ich äußerst interessiert.
„Nachdem man den Kerl wenig später in seinem Blut entdeckte hatte, wurde die Polizei alarmiert, die sofort die noch anwesenden Gäste ins Verhör nahm und schließlich ein Bild von der Frau hatte, die mit dem Getöteten auf das Zimmer gegangen war. Es wurde ein Phantombild entworfen, das an alle Polizeistationen übermittelt wurde. So wurde ich bereits am nächsten Nachmittag verhaftet.
Ja, so war das mit mir, und nun habe ich hier fünfzehn Jahre abzusitzen. Aber das ist es mir wert, denn ich weiß, dass meine Sonja heute eine ordentliche Arbeitsstelle als Friseuse hat und der Zuhälter für seine Untat bestraft wurde.“
.“Was für Schweine sind doch manche Männer!“ entfuhr es mir, „auch meiner wird seine gerechte Strafe und meine Rache erfahren. Ich weiß nicht, ob du das weißt, aber man kann in Deutschland wegen ein und derselben Tat nur einmal bestraft werden. Also kann mir nichts geschehen, wenn ich diesen Lumpen von Mann umlege, sobald er mir nur unter die Finger kommt.“
Von diesem Tag verstanden wir uns sehr gut, und Rosi, so hieß diese Frau, half mir, dass mir die verbleibende Haftzeit kürzer erschien. Sie war seit ihrer Jugend eine aktive Sportlerin und beherrschte verschiedene Kampfsportarten. Ja, sie war sogar Europameisterin in einer Koreanischen Kampfkunst, von der ich bis dahin noch nie etwas gehört hatte. Eine tödliche Waffe, an der ich großes Interesse hatte. Wenn Sie mich heute so betrachten, lieber Herr Dr. Weihrauch, dann wird Ihnen sicher auffallen, dass ich eigentlich eher eine zierliche Person bin, der man nicht zutrauen möchte, dass sie sich gegen die Gewalt eines Mannes zur Wehr setzen könne.
„Also“, hatte damals Rosi gesagt, „wenn du ernsthaft diese Kampfsportart erlernen willst, musst du dich gewaltig anstrengen. An morgen werden wir mit der Grundausbildung beginnen, Gymnastik der besonderen Art, du darfst dich schon jetzt darauf freuen.“
Mein lieber Herr Dr. Weihrauch, was dann auf mich zukam, war wirklich kein Honiglecken. Wenn wir gegen Mittag von unserer Arbeit in der Wäscherei zurückkamen, begannen wir sofort mit den Übungen. Wenn ich vorher manchmal meine Last hatte, meine Esslöffel zu halten, konnte ich nach etwa drei Monaten bereits fünfundzwanzig Liegestützen mit einer Hand machen und hatte gelernt, meine Beine als Waffe einzusetzen, wie ich es früher nicht erahnt hätte. Wieder und wieder nutzten wir unsere freie Zeit im Gefängnis, um uns im Kampf zu erproben.
Ich muss nicht untalentiert gewesen sein, denn es war an einem Tag im Herbst, als Rosi nach einer Niederlage gestand, in mir eine Meisterin gefunden zu haben.
Eines Tages wurde ich am Vormittag zu der Gefängnisleitung gerufen, die mir erklärte, dass ich wegen guter Führung drei Jahre früher als vorgesehen aus dem Gefängnis entlassen würde. Ich hätte der Direktorin um den Hals fallen können. Endlich wieder einmal eine gute Nachricht!
Rosi war traurig, als ich mich von ihr verabschiedete. „Machs gut, Kleine“ sagte sie zum Abschied, „und trete dem Halunken tüchtig in die Eier, ich hab dich gelehrt, wie es geht.“ Danach drehte sie mir spontan den Rücken zu, damit ich nicht sehen konnte, dass sie weinte.
Ich verließ, ohne mich noch einmal umzudrehen, unsre Zelle, holte mir meine hinterlegten Kleidungsstücke und Gegenstände ab und betrat die Straße vor dem Gefängnisbau. Hier blieb ich erst einmal stehen und sog die Luft der Freiheit tief in mich hinein.
Von der Gefängnisleitung hatte ich ein wenig Geld als Lohn meiner täglichen Arbeit erhalten, so dass ich es mir leisten konnte, mir eine Fahrkarte mit der Bahn nach Zürich zu kaufen.
„Was wollten sie in Zürich?“ unterbrach Herr Dr. Weihrauch Angelas Bericht.
„Ich fuhr nach Zürich, weil ich dort bei der Schweizer Kantonalbank über ein Nummernkonto verfügte, an das Engelbert nicht herangekommen war. Die Nummer des Kontos hatte sich mir leicht eingeprägt: Die Geburtsdaten meiner Mutter, das berühmte 4711 und die Postleitzahl von Stuttgart Mitte. Also kam ich auch ungehindert an mein Geld, das dort für mich verwahrt wurde. Ich hob einhunderttausend Schweizer Franken ab, ging zu einem Friseur, kleidete mich in der Bahnhofstraße bestens ein und hatte das Gefühl, ein neuer Mensch zu sein. Nur etwas hatte der Neue mit dem Alten gemein: Ein unglaubliches Rachegefühl.
Ich fuhr nach München und miete mich im Hotel Arabella ein, ein Hotel, das etwas außerhalb der City lag und von dem ich ausgehen konnte, dass dies bestimmt nicht ein Ort sei, den Engelbert oder Laura frequentieren würden. Am nächsten Tag kaufte ich mir am Rande der Stadt einen BMW, den Sie ja kennen.
Am Abend nahm ich ein Bad in meinem Zimmer, und ein Piccolo aus dem Kühlschrank und schaltete das Fernsehen ein. Dies geschah offensichtlich im richtigen Moment. „Leute heute“ oder so ähnlich hieß die Sendung, in der immer wieder über interessante Menschen berichtet wurde.
„Heut“, so sagte gerade die Moderatorin der Sendung, „heute befassen wir uns mit einem Schweizer Vermögensverwalter, der ein System entwickelt hat, mit dem mutige Anleger innerhalb kürzester Frist ein kleines Vermögen machen können.“
Das Bild wechselte, und die junge Frau begrüßte einen Mann, bei dessen Anblick mein Herz stehen zu bleiben drohte. „Ich begrüße Sie, Herr von Bülow“, sagte die Frau, „Sie haben also ein Finanzpaket anzubieten, dass Ihren Klienten ein erhebliches Vermögen zusichert. Können Sie an dieser Stelle Näheres über Ihr Konzept verraten?“
„So viel kann ich sagen, kommen Sie morgen Abend in den Bayerischen Hof und dort in die Palaishalle. Dort werde ich mein Konzept im Detail vorstellen. Reservieren Sie sich ihren Platz, wenn Sie sicher sein wollen, an der Chance meines Anlagesystems teilhaben zu können.“
Mir verschlug es den Atem. Da sprach mein Mann unter falschem Namen und schien im großen Stile damit beschäftigt zu sein, leichtgläubigen Menschen ihr Geld aus der Tasche zu ziehen. “Herr von Bülow“, was dieser Mensch sich doch alles einfallen ließ. Morgen also hatte er in der Palaishalle seinen großen Auftritt, da musste ich hin.
Ich rief noch in der gleichen Stunde im Hotel an und ließ mich mit dem Concierge verbinden. Mein Zugang war gesichert. „Bitte, holen Sie Ihre Karte aber nach Möglichkeit eine halbe Stunde vor Beginn der Veranstaltung am Empfang ab“ sagte mir der freundliche Herr.
Der nachfolgende Tag wollte wieder einmal nicht vergehen. Ich spazierte ein wenig an der Isar entlang, ging bei „Käfer“ gut essen und dann noch ein wenig durch die Münchener Innenstadt promenieren.
Pünktlich, wie angeraten erschien ich im Hotel und nahm meine Eintrittskarte, die alleine fünfundzwanzig Mark kostete, in Empfang. Die Palaishalle beeindruckte mich durch ihre herrliche Holztäfelung. Ich nahm im hinteren Teil an der Seite Platz und harrte der Dinge, die da auf mich zukommen sollten.
Es war Punkt acht Uhr, als Engelbert, oder wie immer er auch jetzt mit Vornamen hieß, eleganten Schrittes in die Halle kam und dort stürmisch begrüßt wurde. Der Münchner Merkur hatte diese Veranstaltung am Tag zuvor groß herausgestellt, und auch das vorangegangene Fernsehinterview hatte das Seine dazu beigetragen, dass man mit größtem Interesse dem Vortrag des Herrn von Bülow entgegen sah. Schnelles Geld auf leichte Art und Weise machen, das interessierte viele in einer Zeit, da die Banken selbst für Guthaben an liebsten noch Zinsen kassieren wollten.
Wissen Sie, Herr Dr. Weihrauch, man hat ja im Zeitraum des Zusammenlebens so die eine oder andere Eigenart des Ehepartners kennen gelernt. Seine Gesten, seine Ausdrucksweise: Es war mein Mann, der sich hier mit großartigem Szenario unter falschem Namen an das Geld reicher Leute heran machte.
Am Ende seiner Vortrags, den er mit einigen, sicher gefälschten, Referenzschreiben untermalte, die er mittels Beamer großflächig auf eine weiße Leinwand projektierte, bat er um Wortmeldungen und Fragen zu seinem Thema.
Als sich keine weitere Stimme mehr meldete, erhob ich mich und fragte: “Herr von Bülow, arbeiteten Sie nicht vor etwa zehn Jahren mit einem Herrn Engelbrecht von Sutter aus Konstanz zusammen, und betrog dieser nicht auch damals schon leichtgläubige Menschen um ihr Geld?“ Der vorher so selbstsicher aufgetretene Herr von Bülow schien sein Fassung zu verlieren. Er schaute mich stotternd mit weit aufgerissenen Augen an. "Also, gnädige Frau“, so begann er stockend, „also über dieses Thema sollten wir uns im Anschluss an diese Veranstaltung einmal unterhalten. Kannten Sie Herrn von Sutter? Fragte er scheinheilig. Wenngleich ich mit meinem kurz geschnittenen Haar und sicher gealterten Gesicht auf den ersten Blick nicht als die lebensfrohe Angela von Sutter zu erkennen gewesen war, hatte mich mein Mann erkannt. Er blickte mir nach und sah, dass ich mich in Richtung der Bar bewegte.
Ich habe nicht mitbekommen, wie er seine Vorstellung im Palaissaal beendet hatte, denn schon wenige Minuten nach meinem Abgang stand er neben mir an der Bar.
„Haben Sie dich früher entlassen als vorgesehen?“ fragte er mit einem frechen Grinsen, „oder bist du ausgebrochen?“
In diesem Moment hätte ich ihm am liebsten schon eine rein gehauen, aber ich blieb gefasst und sagte: „Wo ist Melissa?“ „Melissa ist in guten Händen, da kannst Du Dich drauf verlassen.“ „Ich will Melissa sehen und zwar sofort“, sagte ich und fühlte einen enormen Zorn in mir aufkommen.
„Kannst du, meine Liebe, aber mach hier keinen Terz vor den Leuten. Nur, dass du es weißt, den Engelbert von Sutter gibt es nicht mehr, der wurde von seiner Frau ermordet.“
„Das habt ihr euch ja schön ausgedacht. Mir einen Mord anhängen und dann mit meinem Vermögen ein Leben in Saus und Braus und das mit meiner besten Freundin, Ihr solltet euch schämen. Die angebliche Entführung von Melissa war auch nur ein übler Trick, um an mein Geld zu kommen. Was war ich doch so blöd, einem Halunken wie dir auf den Leim zu gehen! Was hast du mit meiner Bank gemacht. Wie ich erfahren musste, wurde die Bank meiner Eltern an eine badische Bank verkauft. Ich will meine Tochter wieder zurück haben und das schon morgen, ist das klar. Solltest du dich weigern, lasse ich dich hochgehen, darauf kannst du dich verlassen. Über das Geld, das du mir gestohlen hast, werden wir uns vor Gericht unterhalten, das kannst du mir glauben. Ich lass mich doch von dir nicht bestehlen, du Gauner.“
„Nun reg dich wieder ab und riskier nicht so eine große Lippe“, zischte mein Mann, morgen um zwanzig Uhr bringe ich dir deine Tochter, die allerdings auch meine Tochter ist, vergiss das nicht. Sie studiert auf der Uni, und ich kann davon ausgehen, dass sie vorher nicht zurück ist.“
Also, morgen um Punkt acht hier vor dem Bayerischen Hof, klar?“
„OK, so machen wir es“, erwiderte mein Mann.
Ich drehte mich auf dem Absatz um und verließ das Hotel, ohne meinen Mann auch nur noch eines Blickes zu würdigen.
Den morgigen Tag konnte ich kaum erwarten, wie Sie sich sicher denken können.
„Wie wird sie aussehen, meine Melissa?“ fragte ich mich im Stillen. „Als sie angeblich entführt wurde, war sie geraden sieben Jahre alt gewesen, zwölf Jahre war ich im Gefängnis, also musste sie jetzt neunzehn Jahre alt sein.“
Am Vormittag des nächsten Tages kauft ich eine hübsche Goldkette mit einem mit Brillianten besetzten Anhänger, den wollte ich ihr aus Anlass unseres Wiedersehens schenken. Doch es sollte alles anders kommen.
Bereits um neunzehn Uhr fünfundvierzig stand ich am Prommenadenplatz vor dem Bayerischen Hof und blickte in jedes Auto, das vor dem Hoteleingang hielt. Die Uhr zeigte acht Uhr, als ein schwarzer Pullman langsam auf den Eingangsbereich zufuhr. Direkt vor mir hielt der Wagen an, und ich sah, wie das hintere der verdunkelten Scheiben sich nach unten bewegt. Am Fenster erkannte ich eine Blondine, die mich interessiert betrachtet.
„Melissa“, rief ich. Doch in demselben Moment schloss sich die Scheibe wieder, während sich das große Gefährt wieder in Bewegung setzte.
Ich war wie von Sinnen und lief dem Wagen nach. Ich konnte ihn verständlicherweise nicht einholen und kehrte wütend, andererseits aber auch beruhigt wieder zum Eingangsbereich des Hotels zurück. Ich hoffte, dass mein Mann mich nur etwas ärgern wollte und vielleicht gleich wieder um die Ecke kommen würde. Doch ich wartete vergebens.
Plötzlich wurde ich von einem der Pagen des Hotels von hinten angesprochen: „Verzeihen Sie, gnädige Frau, „sind Sie Frau von Sutter?“
„Ja, das bin ich.“
Dann darf ich Sie höflich einmal ans Telefon bitten, es ist ein Anruf für Sie da.“
Während ich ins Hotel eilte, fragte ich mich natürlich, wer um Gottes Willen mich hier im Hotel anrufen würde. Es war mein Mann.
„Nun hast du Melissa gesehen und kannst zufrieden sein. Ich habe meinen Teil erfüllt, nun erfüll auch deinen und lass mich und Melissa in Ruhe. Wir wollen von dir nichts wissen.“
Bevor ich noch etwas entgegnen konnte, hatte der Schurke aufgelegt, und ich stand da wie ein begossener Pudel und heulte.
„Jetzt reicht es mir“, sagte ich so laut, dass sich einige der vor dem Empfang stehenden Hotelgäste nach mir umdrehten.
Am Vormittag des nächsten Tages ging ich auf das Polizeirevier für Wirtschaftsdelikte in die Adenauerstraße und erstattete Anzeige gegen Herrn Engelbert von Bülow. Dem jungen Kriminalkommissar Bender erzählte ich meine ganze Geschichte und von meiner Begegnung mit diesem im Bayerischen Hof.
Der junge Mann schien sehr viel Verständnis für meine Situation zu haben und versprach mir, die Angelegenheit strafrechtlich zu verfolgen.
Noch am gleichen Abend suchte ich die Telefonnummer der Vermögensberaters Engelbert von Bülow aus dem Telefonbuch des Hotels und rief ihn an.
Es meldete sich der Telefonanrufbeantworter.
„Engelbert!“ schrie ich in den Apparat, „Engelbert, ich weiß, dass du Zuhause bist, nimm gefälligst den Hörer ab und sprich mit mir. Was war das heute Abend für eine Show, die du da abgezogen hast. Du bist doch ein Lump und wirst es immer bleiben.
Ich werde heute Abend um zweiundzwanzig Uhr in der Bar des Bayerischen Hofes sein. Wenn Melissa bis dreiundzwanzig Uhr dort nicht aufgetaucht ist, werde ich zur Polizei gehen und Dich anzeigen. Du sollst mal sehen, wie schnell deine Show ein für dich bitteres Ende Hat.“
Wütend knallte ich den Höre auf die Gabel zurück, als sich mein Mann nicht meldete.
Um zweiundzwanzig Uhr saß ich an der Theke der Bar.
Wer nicht kann, war Melissa. Doch etwas anderes fiel mir auf, oder bildete ich es mir nur ein? Mir war so, als wenn mich ein dunkel gekleideter Mann aus der hinteren Ecke der Bar unaufhörlich anstarren würde. Wenn ich meinen Blick ihm zuwandte, drehte er sich zur Seite. Na ja, ich war nicht direkt beunruhigt, denn diesen Mann konnte es ja auch interessieren, wenn eine nicht gerade hässlich wirkende Frau allein an der Bar saß. Ich warte bis etwa eine halbe Stunde nach elf, zahlte und verließ das Hotel in Richtung der Tiefgarage, in der ich mein Auto geparkt hatte.
Bereits auf dem Weg fiel mir auf, dass der Mann in Schwarz mir gefolgt war. Blieb ich stehen, verharrte er ebenfalls, ging ich schneller, beschleunigte auch er seinen Gang. Ich ging zum Parkscheinautomat, zahlte und begab mich in den Aufzug, als ich noch im Hochfahren sah, wie der dunkel gekleidete Mann in das Treppenhaus stürzte.
Als ich den Aufzug im ersten Stock des Parkhauses verlassen hatte, versteckte ich mich hinter einer Säule, als auch schon die Tür dieser Etage aufgerissen wurde. Der Mann blickte sich suchend um, und ich gewahrte zu meinem Schrecken eine Pistole in seiner rechten Hand.
„Also, unterhalten will der sich nicht mit dir“, schoss es mir durch den Kopf, „sicher ein Killer, der von meinem Mann bestellt wurde.“ Ich verhielt mich mucksmäuschenstill bis zu dem Moment, als der Mann direkt auf meine Säule zutrat.
Die Pistole hielt er immer noch im Anschlag, und ich hörte ihn sagen: „Wo steckst du, Mäuschen? Komm nur heraus, ich finde dich sowieso. Mach kein Theater, ich soll dir nur von deinem Mann etwas ausrichten.“
In diesem Moment wirbelte ich hinter der Säule hervor und trat mit einer solchen Wucht gegen den rechten Unterarm des Mannes, dass die Pistole in einem weiten Bogen davonflog. Sie schlidderte über das Parkdeck und fiel in die untere Etage. Der Mann hielt sich den schmerzenden Arm, als ich ihm in einer schnellen Seitwärtsdrehung ins Gesicht trat. Er fiel seitwärts mit einer leichten Drehung aufs Gesicht und blieb wie ohnmächtig liegen. Ich drückte seinen Körper mit meinem rechten Fuß am Hals nieder, und als er wieder zu sich kam, fragte ich ihn, was er mir denn von meinem Manne auszurichten habe.
„Er will Sie loshaben, damit Sie seine Kreise nicht stören“, röchelte der Mann. Ich sollte Sie nur warnen, ihm nicht noch einmal in die Quere zu kommen.“
„Warnen, und das mit einer Pistole in der Hand? Dann richten Sie dem Herrn von Bülow mal aus, dass ich ihm den Hals herumdrehen werde, wenn er meinen Forderungen nicht unverzüglich nachkommt. Sagen Sie ihm, dass er mich am Abend in der Bar des Bayerischen Hofs erreichen kann.“
Mit diesen Worten trat ich dem Mann in die Seiten, dass er laut aufstöhnte.
In diesem Moment dachte ich an Rosi und war ihr dankbar, dass sie mir beigebracht hatte, zu kämpfen.
Als ich mich danach in Richtung meines Wagens bewegte, glaubte ich, Kommissar Bender ein halbes Stockwerk über uns gesehen zu haben. „Aber das bildest du dir sicher nur ein“, sagte ich mir damals, ging schnellen Schrittes zum Auto und verließ das Parkhaus.
Am Abend des nächsten Tages bat mich der Barkeeper ans Telefon, mein Mann war dran und forderte mich auf, noch in der gleichen Stunde zum Haupteingang des Allacher Friedhofs zu kommen. Als ich mehr über seine Absicht erfahren wollte, hängte er wieder ein.
Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend ging ich zum Parkhaus und glaubte mich schon wieder verfolgt. Doch sooft ich auch stehen blieb, um mich umzuschauen, ich konnte keinen Verfolger wahrnehmen.
„Ich glaube, du fängst langsam an zu spinnen“, sagte ich halblaut zu mir, bestieg den Aufzug und fuhr ohne jeden Personenkontakt in den dritten Stock. Auch hier konnte ich nicht Verdächtiges bemerken.
Während meiner Fahrt durch München in Richtung Untermenzing glaubte ich mich von einer schwarzen Karosse verfolgt. „Vielleicht ist es mein Mann“, dachte ich, „der sich ebenfalls gerade auf den Weg gemacht hat. Wenn ich meine Fahrt verlangsamte, hielt sich auch dieser Wagen zurück, und als ich mein Auto in der Allacher Friedhofsgasse parkte, kam der andere Wagen etwa hundert Meter weiter hinten zum Stehen. „Vielleicht nur ein Zufall“, dachte ich, „wenn der Fahrer etwas von mir gewollt hätte, wer er nicht dahinten stehen geblieben.“
Im dämmrigen Licht der Straßenlaternen kam mir der kleine Friedhof reichlich gespenstig vor. Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken, als ich den ersten Grabreihen entlang ging. Im Schein einer Friedhofslaterne trat plötzlich wie aus dem Nichts mein Mann vor mich.
„So“, sagte er, „Du willst dich also mit mir anlegen. Was willst du mir gegenüber denn beweisen? Meine Arbeit ist sauber, da lass ich mir von niemanden etwas nachsagen, und meine Papiere sind von einer solch guten Qualität, dass selbst die gescheitesten Bullen an ihnen keinen Anstoß nehmen werden. Mein Stammbaum lässt sich bis ins dritte Glied zurückverfolgen. Was als glaubst du, mit deinen Drohungen anfangen zu können?“
„Wenn du mir nicht Melissa und mein Geld wiedergibst, werde ich dich anzeigen und auf Deine Urkundenfälschungen hinweisen, dann wanderst du in den Knast, aber nicht unschuldig wie ich, sondern zu lebenslang zu Recht verurteilt.“
„Ja“, antwortete mein Mann, in dem er langsam eine Pistole aus seiner Jacke nahm, „ich glaube, dazu wärest du fähig. Aber, glaubst du wirklich, dass ich mir mein Leben durch dich kaputt machen lasse. Du hattest deine Chance, ein neues Leben zu beginnen. Ja, du hattest Recht, Melissa ist niemals richtig entführt worden, das haben Laura und ich arrangiert. So kam ich an dein Vermögen. Ich hatte es satt, wie ein Bediensteter von dir freigehalten zu werden. Nun fragst du dich sicher, wie mein Blut auf den Boden und die Terrasse kam. Das war ganz einfach. Vielleicht erinnerst du dich, dass Laura ja Medizin studiert hatte. Ihr war es als leicht möglich, mir über einen längeren Zeitraum Blut abzuzapfen, das sie flüssig hielt, bis unser Tag gekommen war. Nun konnte nichts mehr schief gehen. Ja, mein Schatz, jetzt hast du die Bestätigung, aber sie wird dir im Himmel nichts nützen.“
Mit diesen Worten legte er die Waffe auf mich an, und ein Schuss durchpeitschte die Nacht.
Ich stand wie benommen.
Hatte mich mein Mann jetzt erschossen oder nicht?
Die Pistole immer noch in der Hand, wankte mein Mann auf mich zu, um zwei Schritte vor mir in sich zusammenzusinken. Hinter ihm betrat ein Mann in einem dunklen Trenchcoat den Lichtkegel der Friedhofslaterne. Es war der junge Kommissar Bender. Nachdem er sich vom Tod meines Mannes überzeugt hatte und dessen Pistole in Gewahrsam nahm, sagte er zu mir:
„Ich bitte um Entschuldigung, dass ich Ihnen in den letzten Tagen gefolgt bin, aber ich hatte da so eine Ahnung, die mich, wie ich heute bestätigt erhielt, auch nicht getäuscht hat. Schon im Parkhaus konnte ich erleben, was man mit Ihnen vorhatte. Zum Glück bewiesen sie sich dort aber so schlagkräftig, dass ich nicht einschreiten musste. Heute nun war es leider etwas anders. Ich habe alles mitgehört und sehe Ihre Aussage als bestätigt. Ich musste ihn erschienen, sonst wären Sie heute auf der Strecke geblieben.
Erst jetzt wurde mir die gefährliche Situation bewusst, in der ich mich befunden hatte. Ich zitterte am ganzen Körper und lehnte mich an die Schulter des Beamten.
„Bringen sie mich hier nur fort“, sagte ich zu ihm fast stimmlos.
„Können sie alleine fahren?“ fragte mich der Beamte.
„Doch, doch“, antwortete ich ihm, „nur nach Hause gehe ich jetzt bestimmt noch nicht.“
„Morgen Vormittag bitte ich sie, noch einmal in mein Büro zu kommen, das Ganze muss ordentlich protokolliert werden.“
Ich weiß nicht, wann Kommissar Bender weiteres veranlasst hatte, aber bereits schon nach kurzer Fahrt begegnete mir ein Krankenwagen auf der Landstraße.
„Ja, und was wurde aus Melissa?“ fragte Herr Dr. Weihrauch interessiert.
„Ich habe sie bis heute nicht mehr wieder gesehen. Laura meldete sich nicht, so oft ich auch den Anrufbeantworter besprochen hatte. Auch auf der Uni kannte man weder eine Melissa von Sutter noch eine von Bülow. Ich habe es mit einem Aufruf in der Mensa der Universität versucht, und selbst eine Anzeige in der Münchener Presse brachte keinen Erfolg. So brach ich schließlich meine Zelte in München ab und zog nach Bergen-Enkheim, wo ich mir von meinem Geld diese Eigentumswohnung gekauft habe.
So ist das, lieber Dr. Weihrauch, so viel hat mir dieser Schurke genommen, den ich einmal so geliebt hatte, und für den ich durchs Feuer gegangen wäre. Sein schlimmster Frevel aber war, dass er mir meine Melissa für immer genommen hat.
In der Hölle soll er dafür schmoren!“
„Was ist aus ihrem Vermögen geworden?“ fragte Dr. Weihrauch.
„Mein Vermögen bestand nur noch aus dem Geld meines Schweizer Nummernkontos. Mit diesem Geld konnte ich mir diese Eigentumswohnung kaufen. Bleibt zu hoffen, dass Melissa wenigstens etwas von der Hinterlassenschaft ihres Vaters hat, ich wünsch es ihr von ganzem Herzen.
Ja, ja, so war das mit mir und meinem Schicksal. Glauben Sie nicht, dass es sich mit dem ihren messen kann?“
„Weiß Gott“, erwiderte Herr Dr. Weihrauch, “weiß Gott. Da haben sie ja allerhand durchgemacht.“
„Die Zeit heilt alle Wunden, mein Lieber. Heute lebe ich ein neues Leben, den Blick nach vorn gerichtet. Wenngleich ich einmal ein anderes Leben gewohnt war, haben mich die Jahre im Gefängnis doch gelehrt, mit meinem jetzigen zufrieden zu sein. Ich bin gesund, und darauf kommt es mir jetzt an. Wer weiß, Gottes Wege sind unergründlich, wer weiß, vielleicht finden Melissa und ich uns doch einmal wieder.“
Ein Blick auf die Uhr machte Herrn Dr. Weihrauch deutlich, dass es Zeit für ein Mittagessen war.
„Kommen sie“, sagte er, während er zu seinem Trenchcoat griff, „kommen sie, ich lade Sie zu einem Essen ins Gemalte Haus nach Sachsenhausen, dann haben sie es im Anschluss nicht mehr weit zu ihrer Arbeit.“
Angela willigte gerne ein, und so fuhren die Beiden runter nach Sachsenhausen, und als Angela Dr. Weihrauch an seinem Wagen absetzte, versprachen sie sich ein Wiedersehen, das ihnen wieder eine frische Brise unter die gebrochenen Schwingen bringen sollte.
Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Artur Hüttemann).
Der Beitrag wurde von Artur Hüttemann auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.07.2009.
- Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).
Artur Hüttemann als Lieblingsautor markieren
Der Gefühlstütenwanderer
von Joachim Güntzel
Warum Geschichten am Limit ? Alle Kurzgeschichten handeln in der einen oder anderen Weise von Grenzsituationen. Seien es Grenzerfahrungen zwischen realer und imaginärer Welt, seien es gefühlte oder tatsächliche Stigmatisierungen und Ausgrenzungen oder seien es Grenzerfahrungen zwischen Gewalt und Rache. Alle Protagonisten müssen kämpfen, um mit diesen Situationen zurechtzukommen und kommen doch in den wenigsten Fällen unbeschadet davon.
Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!
Vorheriger Titel Nächster Titel
Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:
Diesen Beitrag empfehlen: