Chris und Irma haben sich trotz allerlei Irrungen
und Wirrungen endlich gefunden. Aber wird es wirklich mit ihnen klappen? Am
Anfang sieht alles gut aus, doch dann passiert etwas Unvorhergesehenes, und
ihre Beziehung versinkt im... Aber wir wollen nicht vorgreifen.
Das ESSEN
„Irma kann wirklich gut Billard
spielen“, Christopher nahm ihre Hand und drückte einen leichten Kuss darauf.
Einfach so, während sein Vater, seine Schwester und sein Schwager mit ihnen am
Tisch saßen. Es sah bestimmt aus wie eine Liebeserklärung, und Irma hatte das
Gefühl, ihre Wangen würden auf einmal in einer leicht rötlichen Farbe prangen,
aber das war ihr egal. Und am liebsten wäre sie Chris um den Hals gefallen, hätte
ihn geküsst, sogar hier vor versammelter Verwandtschaft, aber sie hielt sich
zurück und sagte stattdessen allgemein in die Runde: „Aber nicht gut genug, er
hat mich schon geschlagen...“
„Ach komm’, gib es zu, du hast
extra verloren...“
Verdammt Chris, du musst doch nicht alles ausplaudern! Irma spürte, dass ihre Wangen jetzt in einem womöglich noch tieferen Rot glühten. Er hatte sie durchschaut! Er wusste, dass sie absichtlich verloren hatte, nein Quatsch, das war nur Zufall, ihre Hand zitterte eben im entscheidenden Moment...
Mühsam wandte sie die Gedanken von
dem verlorenen
Spiel ab, sie entzog Chris sanft ihre Hand und lächelte seinen Vater an,
der ihr direkt gegenübersaß und sie interessiert betrachtete. Er sah sehr gut
aus, obwohl er schon älter war.
„Ein Onkel von mir hat auch einen
Billardtisch, der ist übrigens auch Arzt. Ich war richtig enttäuscht, als ich
ihn gesehen habe, es war nämlich einer ohne Löcher.“ Nach zwei Sekunden fiel
Irma dazu ein: „Ich meine natürlich den Tisch und nicht den Onkel.“ Himmel, was
erzählte sie da überhaupt? War es denn so schlimm, Chris’ Vater kennenzulernen?
Eher nicht, sie fand es richtig
nett. Draußen toste ein Herbststurm um das Haus, und Chris hatte die Balkontür
gerade geschlossen. Drinnen war es sehr gemütlich, Kerzen flackerten, trotz des
gedämpften Lichts der Deckenlampe ließ sich erkennen, was man gerade verspeiste,
und ihre Peking-Suppe war gut angekommen, Gott sei Dank! Sie saßen zu sechst an
dem großen Esstisch, der sonst im Keller neben dem Billardtisch sein Dasein
fristete, hochkant an die Wand gelehnt. Und irgendwie kam das Gespräch darauf,
nein nicht auf die Sachen, die nach der Wette passiert waren, sondern auf den
Billardtisch. Sie hatte sich bei Chris’ Vater für die Existenz dieses
Billardtisches bedankt, und es stimmte, ihr Onkel war auch Arzt, allerdings
kein Chirurg, sondern Frauenarzt, und er hatte wirklich einen Billardtisch,
allerdings so ein blödes Carambolage-Ding. Ohne Löcher, wie langweilig!
Chris’ Vater fing an zu lachen.
„Wie heißt denn dein Onkel?“ Er duzte sie einfach, er schien einer dieser
netten volkstümlichen Professoren zu sein und gehörte somit einer Gattung an,
die bestimmt bald aussterben würde.
„Norbert Schlemmer.“
„WAS? Etwa Nobby?“ Er schaute
ungläubig drein „Den kenne ich! Wir haben in Dortmund zusammen studiert, das
ist ja wohl ein Ding! Was macht er denn noch so?“
„Er wohnt in der Nähe von
Heidelberg und hat eine gut gehende Praxis“, berichtete Irma gewissenhaft.
„Das ist ein Onkel von dir?“
„Nur ein angeheirateter. Aus meiner Familie kommen keine Ärzte, wir sind nämlich waschechte Proletarier.“ Irma übertrieb natürlich ein bisschen, sie stammte nicht aus einer Arbeiterfamilie, obwohl ihr das schietegal gewesen wäre, aber ihr Vater war eben ‚nur’ ein simpler Handwerker, und in diesem illustren Kreis von Studierten, von Doktoren – Chris schrieb gerade an seiner Doktorarbeit – und sogar von Professoren, wow, echt einschüchternd, Irma musste ein Kichern unterdrücken, galt ihre Herkunft bestimmt als underdogmäßig. Und gerade deswegen wollte sie noch ein bisschen mehr tiefstapeln, sie wollte denen zeigen, dass sie sich kein bisschen schämte wegen ihrer Herkunft. Ihre Herkunft war nämlich astrein. Ihr Vater, ein wirklich guter Handwerker, hatte vor Jahren eine eigene Firma gegründet, die sehr erfolgreich lief, so erfolgreich, dass er sich schon zur Ruhe gesetzt hatte und nur noch auf privat machte, sehr zum Entsetzen von Irmas Mutter. Wieder muss Irma fast kichern, ihre Mutter liebte Daddy natürlich über alles, aber sie fand es ziemlich stressig, ihn immer zu Hause zu haben. Aber bei Chris wäre das bestimmt nicht stressig, sondern verlockend. Ach Chris, wieso beschäftigst du immer meine Gedanken! Automatisch rückte Irma ein bisschen näher an Chris heran.
Sein Vater fing wieder an zu
lachen. „Na, dann lass' uns mal Billard zusammen spielen, du waschechtes
Proletarierkind. Und sag' bitte DU zu mir und nenn' mich Proff.“
„Ehrlich? Ich soll Sie Proff
nennen?“ Irma war total verblüfft.
„Nein falsch! Ich soll DICH Proff
nennen, so heißt das!“
„Ich soll dich Proff nennen...“, murmelte Irma in sich hinein, und darüber musste sie schließlich auch lachen
„Tu es einfach!“ Irene mischte
sich ein, sie erhob ihr Rotweinglas und prostete Irma zu. Irma liebte Irene,
Irene war so kultiviert, so schön, so gelassen und so beherrscht, sie wusste
gar nicht, was Irene an ihr fand. „Dann muss ich das wohl“. Sie lächelte Chris’
Schwester zu und hob ihr das Glas entgegen.
„Schade, dass Chris nicht Medizin
studiert hat“, sagte der Proff gerade bedauernd. Seine Stimme hörte sich leicht
vorwurfsvoll an, und Irma hegte die Vermutung, dass dieses Thema wohl schon
öfter auf den Tisch gebracht worden war.
„Ich habe eben keine Neigung
dazu“, Chris grinste. “Biologie liegt mir mehr.“
„Ach Neigung!“ Sein Vater machte
eine verächtliche Handbewegung. „Und jetzt bist du ein simpler Lehrer!“
Chris schwieg und schaute etwas unsicher auf seinen Teller.
Irma hatte ungläubig zugehört. Der
Proff war ihr ja eigentlich sehr sympathisch, aber jetzt hatte sie so ihre
Zweifel, denn wieso hackte er dauernd auf Chris herum?
„Es kann nicht jeder ein Halbgott in Weiß sein“, mischte sie sich in das Gespräch ein, es war ihr Wurst, ob sie unhöflich war, sie musste Chris einfach verteidigen. Der Proff schaut sie erstaunt an. Hoffentlich konnte er sie jetzt noch leiden, aber auch das war ihr Wurst. „Oder nennt man das Halbgötter in Grün? Ich meine natürlich bei den Chirurgen...“
Der Proff sah belustigt aus. „Wir
sind keine Götter, Irma!“
„Da bin ich jetzt aber beruhigt“,
sagte Irma energisch. „Und Lehrer zu sein ist bestimmt viel stressiger als Arzt
zu sein!“
„Da hast du wohl Recht, Irma.“ Der
Proff schaute sie wider Erwarten wohlwollend an.
Heiliger Strohsack, er hatte es
nicht in den falschen Hals gekriegt, Irma atmete insgeheim erleichtert auf, na
und wenn schon, sie muss sich nicht bei Chris’ Vater einschleimen, aber es ist
stressig, sehr, sehr stressig, und dabei hat doch alles so nett begonnen, zu
nett wahrscheinlich. Die Spannung zwischen Chris und seinem Vater ist nicht zu
übersehen, aber keinem außer ihr fällt es auf. Es handelt sich um eine
unterschwellige Spannung, Chris versucht wohl, seinem Vater zu gefallen, aber
der macht immer wieder so seltsame Bemerkungen, dass Chris nicht seinen
Erwartungen entsprechen würde und ähnliches. Was ist los mit denen? Wieso
verhält Chris sich so unterwürfig, und wieso lenkt er immer wieder ein? Das
passt doch gar nicht zu ihm, er hat doch sonst so viel Selbstbewusstsein, und das
hat er zu Recht! Aber nicht, weil ich ihn liebe, fast muss Irma lachen, er ist nun
mal überwältigend.
Was also geht zwischen den beiden
vor? Irene behandelt der Proff viel netter. Ob es daran liegt, dass manche
Väter ihre Töchter bevorzugen? Möglich, so etwas gibt es bestimmt, aber sie
selber kann das nicht beurteilen, sie ist das einzige Kind ihrer Eltern, und
ihre Eltern lieben sie, aber sie würden bestimmt auch ihre anderen Kinder
lieben, wenn sie denn welche hätten...
Fortsetzung folgt
vielleicht
Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Ingrid Grote).
Der Beitrag wurde von Ingrid Grote auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.07.2009.
- Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).
Ingrid Grote als Lieblingsautorin markieren
Kleiner Spatz was nun
von Karin Rokahr
Ein Gedichtsband über Träume, Sehnsüchte und Hoffnungen einer Verliebten,
angereichert mit Momentaufnahmen des alltäglichen Lebens,
geschrieben von einer ganz normalen Frau.
Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!
Vorheriger Titel Nächster Titel
Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:
Diesen Beitrag empfehlen: