Norbert Wittke

Pissblätter

 

Bis vor heute 16 Jahren hatte ich den Ausdruck  Pissblatt noch nicht
gehört. Von zwei älteren über 80 Jahre alten Berlinerinnen wurde mir
dieser Ausdruck näher gebracht.

Meine Frau und ich, wir hatten über das Reisebüro einer Koblenzer
Zeitung eine Kreuzfahrt im Mittelmeer und im Schwarzen Meer gebucht.
Es wurden sehr viele Ausflüge aus den einzelnen angelaufenen Hafen-
städten angeboten. Bei so einem Ausflug saßen die beiden Damen
hinter uns im Bus. Sie unterhielten sich lautstark über Gott und alle
Welt. So kamen sie auch auf das Schiff und die Reise zu sprechen.
Unser Koblenzer Reisebüro hatte zwei Drittel des Schiffes gebucht.
In diesem Zusammenhang fiel dann der Satz: "Ich kann mir gar nicht
vorstellen, dass so ein Pissblatt fast das ganze Schiff voll bekommen hat."

Dieser Satz prägte sich bei mir ein. Meine Frau hatte diese Aussage schon
mal gehört über eine Zeitung, die im Rheiderland erscheint. So kamen wir
ins Gespräch und tauschten uns über Pissblätter aus.

Im nachhinein muss ich sagen, dass die Damen wohl über viele Erfahrung
und eine erhebliche Weitsicht verfügten. Denn durch Eigenstudium habe ich
mich jetzt überzeugt, dass dieser Begriff für viele kleine, aber auch große
Zeitungen zutreffend geworden ist. Durch den Konkurrenzkampf der Medien
wurden immer Zeitungen umgewandelt in Betriebe, die nur noch Leute be-
schäftigen, die nicht unbedingt schreiben können. Im Lauf der Jahre wurde
vielen guten Journalisten gekündigt, die dem Verleger zu teuer geworden
waren. Geld einsparen hatte dabei immer den Vorrang. Die Blätter ent-
wickelten sich immer mehr zu inhaltlosen Organen, die nur so durch Fehler
behaftet sind, dass der Begriff Pissblatt als Abwertung durchaus zutreffend
ist.

Im Verlaufe der Zeit habe ich für viele lokale Vereine Artikel geschrieben und
an die Zeitung weiter geleitet. Heraus gekommen ist sehr oft unsinniges Zeug,
in dem nichts mehr vom originalen Artikel übrig war. Dafür wimmelte es nur so
von Fehlern. Die im lokalen Bereich eingesetzten "Journalisten" kennen sich
noch  nicht mal in der Gegend aus, über die sie berichten wollen. Daneben
wurde auch zusätzlich der Umfang der Berichterstattung  wie auch
der Zeitungsseiten verringert, während die Bezugspreise ständig angehoben
wurden. So bieten sie nicht mehr den vollen Umfang, um darin Fische, Gemüse
oder sonstiges einzuwickeln, wofür die Zeitungen früher wenigstens noch
geeignet waren.

Jüngst habe ich es in Nürnberg noch erlebt, dass es zwei verschiedene Zeitungen
dort gibt, die aber dieselben fehlerhaften Artikel von ein und demselben Schreiber
veröffentlichen. Einsparung ist alles, egal bleibt dabei, ob die Artikel überhaupt
noch einen Sinn haben, wichtige Themen einfach unterschlagen werden.

So wird von den Pissblättern immer mehr der Versuch unternommen, die öffent-
liche Meinung in ihrem Sinne zu beeinflussen und an der Wahrheit vorbei zu
schreiben. In Deutschland müssten unbedingt wieder Tageszeitungen erscheinen,
die man nicht als Pissblätter bezeichnen kann.

03.08.2009               Norbert Wittke



 

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