Finn Schläger

todesurteil

Leo verließ seine Hütte. Angetrieben von einer Sehnsucht,
die er, wie er wusste, nicht erfüllen konnte. Er wollte ihn sehen und zog seine
Gummistiefel an. Die Grünen die er schon seit er dort lebte besaß. Die Stiefel
sahen schon sehr benutzt aus und hatten ihren Glanz verloren sie quietschten
nicht wie manch andere Stiefel, sie gaben kein Laut von sich, auch wenn sie
schon sehr alt waren.
Leo stülpte sich seine rote Jägermütze über den Kopf und
wickelte seinen grauen Schal um den Hals. Er packte seine Angel und seinen
Angelkoffer der an bessere Zeiten erinnerte. Angetrieben von dem Gedanken an
die Vergangenheit, musterte  er das Dorf,
sein Dorf, das er durchqueren musste um zum See zu kommen sehr genau. Es glich
einer Geisterstadt aus den Western der 60iger Jahre, es fehlten nur die dorren
Strohballen die durch den Wind ein Eigenleben entwickelt hatten, und das
sonnige, aber nicht schöne, trockene Wetter. Die leeren Dosen die überall
rumlagen und Rost angesetzt hatten waren die Zeugen des Zerfalls des Dorfes,
die Leute gingen;  sie blieben, wie die
Strohballen in einer Geisterstadt.
Leo blieb stehen und schaute in den Himmel, das Wetter
versprach Regen. Der Himmel war grau, dicke Wolken ließen keinen Sonnenstrahl
durch ihre dicken, dunkelgrauen Massen, sie ließen keinen Strahl Hoffnung die
Erde berühren. Der Himmel spiegelte Leos Gemütszustand wieder, melancholisch
und ohne Zuversicht, mit dem Wissen was ihn erwarten würde.
Er sah noch einmal über die verlassenen Hütten die sich vor
ihm ins Tal erstreckten und setzte seinen Weg fort. Die Straße führte zum See,
es war die einzige Straße des ganzen Dorfes, sie wurde seit Jahrzehnten nicht
mehr restauriert und sie war das einzige Überbleibsel des Wirtschaftsbooms
der  fast spurlos über das Dorf  vorübergegangen war. Die Schlaglöcher und
Risse störten Leo nicht, er hatte kein Auto und in diese gottverlassene Gegend
kam ohnehin niemand – schon seit Jahren nicht mehr. Die einzigen Bewohner waren
er und einige Füchse die in den Hütten ihre Nester angelegt hatten. Es donnerte,
Leo blieb ruhig und lief weiter. Er hatte keine Angst vor Blitzen, das autarke
Leben hatte ihn zu einem einsamen Wolf gemacht. Rau wie sein grauer Bart und
äußerlich so zerklüftet  wie ein Roman
von Jack London. Man sah ihm seinen Lebensstil an und einen durchzog unweigerlich ein Gefühl von Ehrfurcht sobald man
ihn traf. Kurz vorm See, Leo musste nur noch eine Straße überqueren, blieb er
stehen, er spürte, dass er beobachtet wurde. Er sah sich um und sah die grün
gelben Augen seines Beobachters. Ein Fuchs starrte ihn an. Er sah krank aus und
Leo konnte ihn atmen hören. Blut tropfte von seinem Bauch runter. Leo sah die
Wunde, ein Stück Metall ragte aus dem Bauch des Fuchses heraus. „Er hat ein
Stück Metall gegessen und hat sich so den Bauch aufgeschlitzt“, dachte sich
Leo. „Ein dummes Geschöpf, “ dachte er weiter „hat sein eigenes Schicksal besiegelt“. Aber Leo hatte auch Mitleid, man
konnte es dem Fuchs nicht übel nehmen, denn die Reste der Einwohner waren schon
längst verbraucht und die Gegend war vergiftet. Die Füchse mussten sich nach
neuen Nahrungsquellen umsehen und aßen alles was sie fanden: Pflanzen, Plastik,
Metall. Der Fuchs starrte weiter Leo an, mit einem Blick als ob er ihn gleich
anspringen würde, obgleich er dazu nicht in der Lage war. Leo ignorierte ihn
und ging weiter, er konnte dem Tier nicht helfen und hatte es auch nicht vor.
Leo erreichte das Ufer. Ein trauriger Anblick bot sich ihm
als er auf den See blickte. Eine riesige Bohrinsel  stand mitten im See, sie hatte einen roten
Anstrich war aber schon so verwildert, dass das rot zu einem rostbraun
überging. Die grauen Bauten die über dem See thronten hatten schwarze Fenster
und ein Gerüst mit der Form des Eifelturms ragte in dem Himmel, aus dem eine
große Flamme kam. Der See war grün und hatte sein blau komplett verloren, es
schwommen keine Fische darin, es gab keine Vögel die ihre Jungen behüteten. Der
See war ausgestorben und diente nur noch als Müllbehälter für die Bohrinsel. Er
war dreckig und der Kiesstrand war übersät mit Abfällen und Materialresten der
Insel.  Leo warf seine Angel aus und
wartete. Es fing an zu regnen, der Regen peitschte auf das Wasser und erzeugte
kleine Wasserpilze auf der Oberfläsche. Leo gab es auf und packte seine Sachen
zusammen. Er wollte gerade seinen Koffer aufheben als er aus Versehen seine
Angelroute umstieß und sie ins Wasser fiel, sie drohte von der Strömung
weggetrieben zu werden, als Leo ins Wasser watete und nach ihr griff. Er bekam
sie zu fassen und watete zurück. Seine Klamotten waren durchnässt und seine
Stiefel waren voll Wasser gelaufen. Er lief einige Meter. Seine Schuhe
quietschten nicht. Sie waren wie tot.  

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Finn Schläger).
Der Beitrag wurde von Finn Schläger auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.08.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Finn Schläger als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Gedanken zum Advent von Eveline Dächer



Als Fortsetzung zu meinem : MEIN WEIHNACHTEN habe ich die Trilogie vollendet
Gedanken um diese stille gnadenreichenreiche Zeit

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Einfach so zum Lesen und Nachdenken" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Finn Schläger

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Regen auf dem Fenster von Eric Beyer (Einfach so zum Lesen und Nachdenken)
Pilgertour IX. von Rüdiger Nazar (Reiseberichte)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen