Ingrid Drewing

Sprachlos

 

Schon dreimal war er um den Block gefahren. Wie sollte er es ihr nur sagen?
Den sicheren Arbeitsplatz, wie sie ihn alle Jahre genannt hatten, den gab es nicht mehr, betriebsbedingte Kündigung! Seit drei Monaten schleppte er diese Bürde mit sich herum, belog er sie, indem er morgens, wie gewohnt, um sechs Uhr aus dem Haus ging und die vermeintlichen 35 km zur Arbeit fuhr. Stattdessen bemühte er sich darum, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Von seinem Sparbuch, das er für besondere Überraschungen, Geburtstage, Weihnachten und Urlaub heimlich angelegt hatte, überwies er regelmäßig Beträge in der Höhe seines Monatsgehalts auf das gemeinsame Konto. Ja, er hatte an alles gedacht .Er wollte es ihr erst dann beichten, wenn er wieder eine neue Anstellung gefunden hatte. Vor kurzem war sie von einer schweren Krankheit genesen, wie konnte er ihr da mit dieser Hiobsbotschaft kommen!
„In ihrem Alter wird es schwer sein, in diesem ohnehin strukturschwachen Raum einen neuen Arbeitsplatz in ihrem Beruf zu finden“, hatte man ihm unmissverständlich gesagt. 45 Jahre und zu alt! Hatte er nicht all die Jahre hervorragende Arbeit geleistet, und nun waren plötzlich nur noch Zwanzigjährige gefragt! Das soll mal einer verstehen! Aber alles Sinnieren nutzte nichts, er musste sich eingestehen, dass er hier so schnell keine neue Arbeit finden würde. Er musste es seiner Frau endlich sagen; denn die Raten für das Häuschen würden sie auch nicht weiter bezahlen können. Auch waren seine Ersparnisse fast aufgebraucht.
Langsam schloss er die Wohnungstür auf. Sie erwartete ihn bereits lächelnd am Tisch. “Schön, dass du etwas früher nach Hause gekommen bist. Die Kinder sind noch auf dem Sportfest; so sind wir ungestört .Setz dich doch bitte! Ich habe nämlich etwas Wichtiges mit dir zu besprechen. Tante Helga bittet uns in einem Brief, nach Australien zu kommen. Sie braucht dringend Hilfe auf der Farm, vor allem Arbeitskräfte, die technisch so versiert sind wie du. Stell dir vor, sie hat sogar schon die Tickets für die ganze Familie gebucht Jetzt, wo die Kinder Ferien haben, könnten wir doch die Reise machen.“
„Seit wann weißt du es? Das Angebot deiner Tante, dieser Zufall, da hast du doch nachgeholfen, oder?“
„Vor einer Woche habe ich Karin, die Frau eines deiner Arbeitskollegen, zufällig beim Arzt getroffen. Sie fragte mich, wie wir mit der Situation fertig würden, ihr Mann sei noch immer arbeitslos .Da war mir klar, warum du dich seit etlichen Wochen so komisch benimmst. Ich hatte schon befürchtet, da stecke eine andere Frau dahinter. Warum nur hast du mir nichts gesagt?“
„Ich wollte dich doch nicht belasten.“
“Na, das ist dir ja bestens gelungen! Diese Geheimniskrämerei, die führt doch zu nichts.“
„Das behauptet die Richtige; ich sage nur A u s t r a l i e n.
Aber du hast ja Recht, es wäre uns einiges an Kummer erspart geblieben, wenn ich dir gleich reinen Wein eingeschenkt hätte.“

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.08.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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