Stephan Römer

Der Vertreter

Es war fast elf Uhr, als der Staubsaugervertreter an der Haustür klingelte. Ein gutaussehender Mann lächelte Maike Braun an. Er war Mitte dreißig und trug einen teuer aussehenden dunkelbraunen Anzug. Seine Füße steckten in auf Hochglanz gebrachten schwarzen Lederschuhen. Er war ein Vertreter, das erkannte Maike sofort. Sie hatte schon unzähligen dieser Kerle die Tür geöffnet, und viele von ihnen waren so dreist gewesen, sich nicht abschütteln zu lassen. Also hatte Maike sie hereingelassen, um sich ihre ausschweifenden Vorträge über Teppiche, Putzlappen, Messer und sonstige Dinge, die es im Geschäft wesentlich preiswerter zu kaufen gab, anzuhören.

     „Guten Morgen, Frau Braun“, sagte der Vertreter. Sein Lächeln war auch nicht um nur einen Millimeter verrutscht. In seiner linken Hand trug er einen braunen Aktenkoffer (er paßte farblich ausgezeichnet zu seinem Anzug), in der anderen hielt er einen Staubsauger.

     „Mein Name ist Gregor Pastewski, ich komme von der Firma Clean und Co. KG“, fuhr der Vertreter fort. „Sie glauben gar nicht, was ich hier in meinen Händen halte.“ Er streckte seine rechte Hand mit dem Staubsauger ein wenig in die Höhe.

     „Das ist ein Staubsauger“, entgegnete Maike ein wenig verschlafen. „Da ist nichts besonderes dran.“

     „Und ob“, sagte Pastewski mit fröhlicher Stimme. Für ihn gab es anscheinend nicht schöneres, als an einem sonnigen Frühlingsmorgen Staubsauger an unwissende Hausfrauen zu verkaufen. „Das ist der neue Powersauger AX 2001. Der beste Staubsauger, den Sie je gesehen haben. Darf ich ihn Ihnen vorführen?“, fragte er und drängte zur Tür. Maike wich einen Schritt zurück. Der Staubsaugervertreter sah nett und freundlich aus (Und er hat ein Lächeln, bei dem ich zerschmelzen könnte, dachte sie), aber sie hatte keine Lust sich auf eine Präsentation eines Staubsaugers einzulassen. Wenn sie ehrlich war, hatten sie schon zu viele Staubsauger im Haus, noch ein Ding von diesen lärmenden Dingern war wirklich zu viel.

     „Tut mir leid“, sagte Maike. „Ich bin eben erst aufgestanden. Unser Sohn hat mich die ganze Nacht wachgehalten. Sie wissen ja, wie Babies sind...“

     Der Vertreter nickte nur kurz. „Und sie hinterlassen eine Menge Schmutz“, fiel er Maike ins Wort. „Schmutz, den unser neuer Powersauger AX 2001 im Handumdrehen beseitigt hat. Nichts ist dem Powersauger zu viel. Selbst hartnäckige Krümel, die sich mit aller Gewalt in Ihrem Teppich halten wollen, werden von dem Powersauger verspeist.“

     „Ich glaube Ihnen ja gut und gerne, daß Ihr Sauger einer der besten ist...“

     Der beste!“

     „Schön, der beste. Aber ich habe im Moment keine Lust und Zeit mir Ihren Staubsauger anzusehen, Herr...“

     „Pastewski“, entgegnete der Vertreter immer noch lächelnd. „Gregor Pastewski. Firma Clean und Co. KG.“

     „Okay, Herr Pastewski.“ Maike machte eine kurze Pause, in der sie nach einem triftigen Grund suchte, den Vertreter loszuwerden. „Aber wir haben bereits drei Staubsauger im Haus, und ich denke, das ist mehr als genug.“

     „Drei Staubsauger? Das sind zwei zu viel“, sagte Pastewski. „Mit dem Powersauger brauchen Sie nur einen. Der ist so leistungsstark, daß er Ihnen die Haare vom Kopf reißen könnte, wenn Sie nicht aufpassen.“

     „Hören Sie. Ich möchte keinen Staubsauger kaufen“, sagte Maike nachdrücklich. „Auch wenn Sie noch so lange davon schwärmen und nett lächeln.“

     Der Staubsaugervertreter schnupperte auf einmal kurz. „Sie kochen gerade Kaffe“, fragte er. Es war eher eine Feststellung als eine Frage. Pastewski wartete Maikes Antwort erst gar nicht ab. „Wissen Sie, um diese Uhrzeit bekomme ich immer Lust auf einen schönen schwarzen Kaffee. Wollen Sie mich denn nicht hereinbitten und mir einen anbieten?“

     „Ich kann wohl nichts sagen oder tun, was sie veranlassen würde, wieder zu verschwinden, oder?“, fragte Maike. Der Vertreter schüttelte nur den Kopf.

     „Na gut, kommen Sie rein. Aber wenn Sie Ihre Tasse aufgetrunken haben, dann gehen Sie wieder. So lange können Sie mir von Ihrem Supersauger...“

     „Es ist der Powersauger AX 2001.“

     „Na gut, von dem Dings da in Ihrer Hand erzählen. Aber danach gehen Sie.“

     „Einverstanden“, sagte Pastewski und folgte Maike in die Wohnung.

     „Milch oder Zucker?“, fragte Maike Braun, als der Vertreter im Wohnzimmer Platz genommen hatte. Es war ein geräumiger, heller Raum, der mit einem fast weißen Teppich ausgelegt war. Ein kleiner Glastisch stand vor der Couch und dem Sessel (auch sie waren hell).

„Nur Zucker, vielen Dank!“ Pastewski betrachtete die Bilder an der Wand. „Haben Sie die Bilder selbst gemalt?“, rief er in die Küche.

     „Ja. Mein Mann hat sie vor drei oder vier Jahren angefertigt. Gefallen Sie Ihnen?“

     „Und ob.“ Das war selbstverständlich eine Lüge. Aber als Vertreter hatte er in den letzten sechs Jahren gelernt, die Wahrheit zu verdrängen.  Es ließen sich nunmal keine Staubsauger verkaufen, wenn man den Leuten erklärte, daß ihr Wohnzimmer absolut häßlich eingerichtet war oder daß das Baby, das einen mit einem großen Klumpen Schleim bespuckte, absolut gräßlich war. Bevor Pastewski bei Clean und Co. angefangen hatte, war er Vertreter für Kosmetika. Eines Tages hatte er einer jungen Frau – sie mochte so um die dreiundzwanzig gewesen sein – gesagt, daß ihr das starke Makeup überhaupt nicht stand. Sie sähe damit eher wie eine billige Straßennutte aus und nicht wie eine Schönheit. Die Frau hatte sich damals bei seinem Vorgesetzten beschwert, und beinahe hätte Pastewski seinen Job verloren. Aber er war der Angestellte, der den höchsten Umsatz im Monat machte. Man wollte nur ungern auf ihn verzichten und er behielt seine Arbeit, wenn er auch eine kräftige Verwarnung eingesteckt hatte.

     Im Wohnzimmer der Brauns war es ähnlich. Die Bilder, allesamt billige Ölkritzeleien auf Leinwand, hielt er für vollkommen geschmacklos. Zufällig gewählte Farben, die wild auf die Leinwand aufgetragen worden waren, gehörten sicherlich nicht zu den Dingen, die er als schön bezeichnet hätte. Aber was sollte es? Er war hier, um Staubsauger an den Mann – oder in diesem Fall: an die Frau – zu bringen. Wenn man den Leuten ein wenig schmeichelte, ließ sich dies wesentlich leichter bewerkstelligen.

     „Danke vielmals, Frau Braun“, sagte Pastewski als Maike mit zwei großen Bechern Kaffe ins Wohnzimmer kam. Er roch an dem Kaffee. „Mhh“, sagte er. „Das scheint ein guter Kaffee zu sein.“

     „Das will ich auch hoffen“, sagte Maike. Sie hatte sich mittlerweile umgezogen. Statt des Morgenmantels trug sie nun eine blaue Jeans und einen dünnen Pullover. „Was ist denn an Ihrem Staubsauger so besonders?“, fragte sie. Es hätte keinen Sinn gemacht, dem Thema auszuweichen. Der Mann, der ihr gegenüber saß, war ein Vertreter. Und dieser Typ von Mensch wollte immer nur das eine.

     „Das will ich Ihnen gerne zeigen“, erklärte Pastewski. Er öffnete seinen Aktenkoffer und holte eine Dose heraus. Als er sie öffnete, erkannte Maike große Staubflocken darin. Pastewski nahm eine Handvoll davon heraus und warf sie achtlos auf den sauberen Teppichboden. Er nahm den Powersauger AX 2001, steckte den Stecker in eine naheliegende Steckdose und fing an, die Staubflocken wegzusaugen. Der Sauger lief ruhig und gleichmäßig, während Pastewski in Nullkommanichts den Staub aufgesaugt hatte.

     „Na schön. Das können meine Sauger aber auch“, sagte Maike ohne jegliches Interesse an dem Produkt.

     „Das mag sein“, entgegnete der Vertreter. „Aber können sie auch das?“ Er nahm eine weitere Dose aus seinem Koffer und öffnete sie. Eine dicke schwarze Flüssigkeit tropfte auf den weißen Teppichboden.

     „Was machen Sie denn da? Sie ruinieren meinen Teppich“, sagte Maike scharf.

     „Warten Sie ab.“ Er hatte den Staubsauger wieder eingeschaltet und war bereits dabei, den Schmutzfleck, der sich deutlich von dem Teppich abzeichnete, zu entfernen.

     „Der neue Powersauger AX 2001 hat ein integriertes Waschsystem, mit dem es Ihnen gelingt, selbst die hartnäckigsten Flecken und Verfärbungen aus allen Teppichböden zu entfernen.“ Pastewski fuhr mit der Düse des Saugers ein paar Mal über den Fleck und nach ein paar Sekunden war dieser verschwunden. Es war fast so, als ob dieser niemals dagewesen wäre.

     „Das ist ja erstaunlich“, wunderte sich Maike Braun und schaute zu der Stelle, an der vor wenigen Sekunden der schwarze Fleck gewesen war. Der Fleck, den Maike nur mit stundenlanger Arbeit und sehr viel Bleichmittel wieder hätte entfernen können.

     „Ganz und gar nicht“, entgegnete der Vertreter. „Unser Powersauger AX 2001 ist so konzipiert, daß er alles wegsaugen kann. Und wenn ich sage ‚Alles‘, dann meine ich auch alles.“

     „Das klingt ja alles schön und gut“, sagte Maike und ging auf den Vertreter zu. Sie war zwar fasziniert von der Leistungsfähigkeit des Staubsaugers, aber sie war dennoch fest entschlossen, dieses Gerät nicht zu kaufen und den Vertreter zur Tür zu bitten. „Aber ich habe wirklich kein Interesse an Ihrem neuen Produkt.“

     „Stellen Sie sich doch nur einmal vor, welche Erleichterung Ihnen dieser Sauger bringt. Sie benötigen nur noch einige Minuten um das Haus zu reinigen. Mit dem Powersauger AX 2001 haben Sie viel mehr Freizeit. Sie können mit Ihren Freundinnen telefonieren, einkaufen gehen...“

     Maike hörte dem Vertreter nicht mehr richtig zu. Der Sauger war faszinierend, und wenn er ihr wirklich so viel Arbeit abnehmen konnte (Und er erspart dir eine Menge Zeit und Ärger, dachte sie), dann wäre das fantastisch. Wenn Jochen abends nach Hause kam, dann interessierte er sich nicht dafür, ob seine Frau einen anstrengenden Tag gehabt hatte. Er wollte nur, daß das Haus in Ordnung war. Und wenn er Dreck sah, sei es auch nur wenig, dann erhielt Maike direkt eine Beschwerde. Als ob sie nichts besseres zu tun hätte, als jede Sekunde hinter irgendeiner Staubflocke hinterher zu sein. Es gab immerhin noch Frederik, um den sie sich kümmern mußte...

     „Na, was sagen Sie?“, beendete der Vertreter seinen Satz.

     Maike schreckte aus ihren Gedanken und sah Pastewski ein wenig überrascht an. „Ja, ich denke, der Powersauger ist wirklich eine Sensation“, sagte sie. „Aber ich weiß wirklich nicht, ob ich...“

     „Sie sind sich immer noch nicht sicher?“

     „Ich denke... Ich weiß nicht... Nein, vermutlich nicht.“

     „Brauchen Sie noch eine weitere Demonstration, damit Sie sehen können, daß unser Powersauger wirklich sein Geld wert ist?“, fragte Pastewski. Er war ein wenig genervt. Es passierte nicht allzu oft, daß jemand nach den ersten beiden Demonstrationen nicht von den Fähigkeiten des Staubsaugers überzeugt war.

     „Das wäre nett“, entgegnete Maike und setzte sich wieder in den Sessel, um sich die nächste Vorführung des Vertreters anzusehen.

     In diesem Moment huschte die Katze vorbei. Sie kam aus der Küche und flitzte durch das Wohnzimmer. Pastewski wäre fast über sie gestolpert, als er ein paar Schritt auf seinen Koffer machte, um eine weitere Dose herauszunehmen. Der Vertreter fluchte leise.

     „Entschuldigen Sie“, sagte Maike. „Das ist unsere Katze Little Joe.“

     „Ich hasse Katzen“, murmelte Pastewski. Dieses blöde Viech, dachte er. Little Joe. Du bist überhaupt nicht klein. Du bist dick und fett und stinkst, als ob du vor ein paar Minuten in der Kanalisation geschwommen wärst.

     „Bitte?“ Maike schaute den Vertreter verwirrt an. „Was haben Sie da eben gesagt?“

     „Ich sagte, ich hasse den Dreck und die Spuren, die Katzen in der Wohnung hinterlassen“, erklärte er. Und zum Beweis deutete er auf ein paar Katzenhaare, die auf dem Teppich lagen. Außerdem fielen ihm ein paar frische Spuren auf. Little Joe mußte sich draußen irgendwo die Füße dreckig gemacht haben.

     „Kein Problem für unseren Powersauger AX 2001“, sagte er.

     Null Problemo, dachte Maike. Der Powersauger AX Was-weiß-ich-was ist der beste. Er ist der größte, der neueste, der leistungsstärkste, der widerstandsfähigste, der teuerste, der... der gefährlichste... der was-auch-immer... aber er ist einfach der beste. Ach, scheiß drauf, Maike. Der Vertreter geht dir allmählich auf die Nerven. Ich glaube ja gut und gerne, daß sein Produkt viel hergibt, aber warum kann er nicht endlich gehen?

     Pastewski hatte den Staubsauger bereits eingeschaltet und saugte die Katzenhaare und die dunklen Spuren, die den Weg von Little Joe markierten, im Nu weg. Little Joe blickte um die Ecke ins Wohnzimmer. Der Staubsaugervertreter war mittlerweile in seine Nähe gekommen, er führte die breite Düse des Saugers mühelos über die kleinen Katzenpfoten, die als Abdrücke im Teppich zu sehen waren.

     „Ich hasse Katzen“, murmelte Pastewski und ging mit der Düse auf Little Joe zu. Die Katze machte keine Anstalten fortzurennen. Sie war eine alte, etwas dickliche Katze, die jede Scheu vor Menschen und ihren merkwürdigen Maschinen verloren hatte. Neugierig schaute sie den Vertreter an, der immer weiter auf sie zu kam. „Ich hasse alle Katzen“, sagte Pastewski. Er murmelte es diesmal nicht, er schrie es heraus.

Maike schaute ihn verblüfft an und wollte auf ihn zugehen, da hatte die Düse des Saugers den Schatten der Katze erreicht. Und dann passierte etwas, das Maike zwar im Nachhinein hätte beschreiben können, aber es nicht verstand. Als die Düse den Schatten von Little Joe erreicht hatte, gab es ein merkwürdiges Geräusch. Es hörte sich an, als würde ein Kind aus einem Becher mit Strohhalm trinken, der nur noch am Boden mit einem Getränk bedeckt war. Es war ein langes Schlürfen, und es schien aus dem Staubsauger zu kommen.

Dann war der Schatten der Katze verschwunden. Maike schaute ungläubig auf den Boden. Dort, wo eigentlich das helle Grau des Schattens von Little Joe hätte sein sollen, strahlte nun nur noch der weiße Teppichboden.

„Reinigt porentief“, sagte Pastewski und lächelte sie an. „Der Powersauger beseitigt jede Unreinheit im Handumdrehen.“

Maike war sich immer im Klaren darüber, daß Katzen zu den reinlichsten Tieren gehörten, aber anscheinend sah der Powersauger AX 2001 das anders, denn plötzlich war Little Joe im Bauch des Saugers verschwunden. Die Katze wurde einfach durch die breite Düse hineingezogen. Sie verformte sich merkwürdig, als sie in das enge Rohr gesaugt wurde. Der graue Schlauch verformte sich, als Little Joe in dem Bauch des Saugers verschwand. Es gab wieder dieses merkwürdige Geräusch, dieses Schlürfen. Nur war es diesmal wesentlich lauter. Und Maike glaubte, ein leises Rülpsen zu hören, als die Katze verschluckt wurde.

Maike Braun stand regungslos da. Sie traute ihren Augen nicht. Ihre Katze, der Liebling der Familie war soeben von dem Staubsauger verspeist worden. (Selbst hartnäckige Krümel, die sich mit aller Gewalt in Ihrem Teppich halten wollen, werden von dem Powersauger verspeist.) Ja, Krümel und Staub. Aber Katzen? Sie waren doch viel zu groß für die Düse und den schmalen Schlauch. Der Sauger mußte eine unvorstellbare Kraft (einen riesigen Hunger) haben, um eine ausgewachsene Katze in sich hineinzuziehen (zu verschlingen).

„Was ist los, Frau Braun?“, fragte der Staubsaugervertreter voller gespieltem Mitgefühl. „Sie sehen nicht gut aus. Überzeugt Sie der Powersauger nicht?“

„Doch... doch...“, stammelte sie. „Es ist nur so...“ Ja, wie war es denn? Es ist nur so, daß Ihr Sauger meine Katze gefressen hat. Und das finde ich absolut nicht in Ordnung. Ich glaube, das ist eine Straftat. Ein Mord.

„Sie sind also nicht von den hervorragenden Eigenschaften des Powersauger AX 2001 überzeugt“, sagte Pastewski. Das Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden. Er würde es auch in diesem Haus nie mehr aufsetzen. „Sie müssen doch eingestehen, daß Little Joe nur Dreck war“, fuhr er fort. „Dreck, den der Powersauger ohne Probleme beseitigt hat.“

„Dreck?“, kreischte Maike. Sie war den Tränen nahe. Sie hatte sich in den letzten Jahren oft über Little Joe aufgeregt, aber jetzt stellte sie fest, daß sie ihn viel zu lieb gewonnen hatte, als daß sie akzeptieren konnte, daß er für immer in diesem Sauger sein würde. Zerquetscht zu Mus. „Sie nennen meine Katze Dreck?“ Maike war außer sich vor Wut. „Ich denke, es wird höchste Zeit, daß Sie mein Haus verlassen. Denn andernfalls werde ich die Polizei rufen.“

„Nur zu. Tun Sie’s doch“, grinste Pastewski. In seinen Augen war ein merkwürdiges Funkeln zu erkennen. „Sie sind doch auch nur wie alle anderen Frauen“, fuhr er fort. „Dumm und total verdreht im Kopf. Sie haben doch keine Ahnung, wozu dieses Gerät fähig ist. Es könnte sie glücklich machen. Es könnte Ihren Mann aus der Welt schaffen. Dann könnten Sie endlich mit Frank Johannsen ficken.“

Maikes Gesicht wurde kreidebleich. „Woher zum Teufel wissen Sie...“

„Ich weiß alles, Maike! Ich weiß alles!“, schrie Pastewski. „Ich weiß auch, daß Sie nicht mehr Verstand haben, als eine beschissene Hand voll Dreck.“ Er machte eine kurze Pause. „Nein, Sie sind genau wie Dreck. Genau wie Dreck!“

Bei diesen Worten stockte Maike der Atem. Ihr war aufgefallen, wie sehr dieser Kerl Dreck haßte. Sie wußte, wie sehr er jede Art von Dreck bekämpfen würde. Und dann bezeichnete er sie als Dreck. Dies waren im Grunde die letzten Gedanken, die Maike hatte, bevor sie starb.

Der Staubsaugervertreter war auf sie zugekommen. In der rechten Hand hielt er das Rohr mit der breiten Düse. Der lange Schlauch schwang hin und her. „Sie sind Dreck“, rief er immer wieder. „Wie sehr ich Dreck hasse! Ich hasse ihn! Wie gut, daß der neue Powersauger AX 2001...“ Und so weiter, und so fort.

Der Vertreter hatte den Staubsauger wieder angestellt. Maike hörte das leise Summen des Motors. Sie stellte sich vor, was für ein Geräusch er von sich geben würde, wenn sie in die Düse gezogen wurde. Sie wich ein paar Schritte zurück. In ihrer schnell aufsteigenden Panik bemerkte sie nicht, daß sie sich in eine Ecke des Wohnzimmers zurückzog, aus der es kein Entkommen gab. Hier hingen zwei Bilder ihres Mannes an der Wand.

Maike sah die breite Düse auf sich zukommen. Der Staubsaugervertreter hielt sie jetzt ein wenig hoch, so daß sie darunter sehen konnte. Fast schien es, als lächelte die Düse. Nein, sie lächelte nicht; sie grinste höhnisch. Maike erkannte zwei dicke Bürsten, die sich schnell drehten. Dazwischen befand sich ein etwa drei Zentimeter breiter Spalt. Der Staubsaugervertreter kam langsam auf sie zu, freudige Erwartung war in seinem Gesicht zu erkennen. Bald würde er jeglichen Schmutz aus der Wohnung entfernt haben. Ein weiterer Pluspunkt für den neuen Powersauger.

Maike Braun stieß mit dem Rücken gegen die Wand. Nun erkannte sie, daß sie in eine Sackgasse geraten war. Der Vertreter war nun fast bei ihr, die Düse war nur noch fünf Zentimeter von ihr entfernt. Sie preßte sich weiter in die Ecke. Links stand eine große Topfpflanze, die ihr den einzigen Fluchtweg versperrte. Maike versuchte zu schreien, aber es kam nichts als heiße Luft aus ihrer Kehle heraus.

„Mein Mann wird jeden Moment kommen“, flüsterte sie heiser. Es war das einzige, was ihr noch einfiel.

„Ihr Mann?“, fragte der Vertreter und lachte. Es war ein Lachen, das aus den tiefsten Höhlen seines Körpers zu kommen schien. „Ich weiß, daß Ihr Mann die Wohnung gerne sauber vorfindet. Es wird ihm sicher nichts ausmachen, wenn ich den letzten Dreck entferne.“

Dann stieß er mit der breiten Düse vor. Sie berührte Maike an ihrem Bauch. Die beiden Bürsten schrubbten feste an ihrem Pullover und kurz darauf wurde er in den schmalen Spalt gezogen. Maike spürte, wie auch ihr Bauch, ihre Haut und das Fleisch darunter, in die Düse gezogen wurde. Etwas rumorte in ihrem Bauch, aber sie nahm es kaum wahr. Der Staubsauger zog mit einer unglaublichen Kraft an ihr, der sie nichts entgegenzusetzen hatte. Jetzt war ihr Bauch fast völlig in der Düse verschwunden. Sie spürte heftige Schmerzen, als etwas in ihrem Unterleib riß und dunkles Blut hervorquoll. Sie sah hinunter und stellte fest, daß der Sauger ein großes Loch in ihren Unterleib gerissen hatte. Jetzt war er dabei, ihr die Hose vom Leib zu reißen. Aber dabei würde es nicht bleiben. Er würde auch sie verschlingen. Maike spürte, wie die Düse über ihren Körper wanderte und ihre Brüste in sich hineinsaugte. Zunächst war es ein angenehmes Gefühl, als ihre Brustwarzen auf eine merkwürdige, aber dennoch wirksame Art stimuliert wurden. Doch als sie schließlich hin den schmalen Spalt hineingezogen wurden und ihre Brüste immer weiter von dem gierigen Sauger verschluckt wurden, da schrie Maike. Bald ist es vorbei, dachte sie. Der Supersauger wird mich in wenigen Sekunden bei lebendigem Leibe verputzt haben. Ich frage mich, wie es dort drinnen wohl sein mag. Bei diesem Gedanken wurde Maike ohnmächtig, und so blieb ihr die Erfahrung erspart, wie es war, bei lebendigem Leibe in einen Powersauger AX 2001 gezogen zu werden.

 

„Guten Tag“, sagte der Mann in dem dunkelbraunen Anzug. „Mein Name ist Gregor Pastewski. Ich komme von der Firma Clean und Co. KG.“

     Silvia Richter betrachtete den Vertreter mit einem ächeln. Sie lebte schon seit vier Jahren allein und freute sich über jede Art von Besuch. Männliche Besucher mochte sie natürlich besonders gerne.

     „Darf ich Ihnen unser neuestes Modell, den Powersauger AX 2001, vorstellen?“, fragte der Vertreter.

     „Darf ich Sie zu einer Tasse Kaffee einladen?“, stellte Silvia eine Gegenfrage. Sie lächelte dabei.

     „Das wäre sehr nett, Frau Richter.“ Der Vertreter lächelte ebenfalls. „Dabei kann ich Ihnen die Vorzüge des Powersaugers ausführlich erläutern.“

     Er folgte Silvia Richter in die Wohnung und lächelte immer noch, als die Eingangstür hinter ihm zufiel.

 

 

 

15. – 16. September 2001

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Stephan Römer).
Der Beitrag wurde von Stephan Römer auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.09.2001. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Stephan Römer als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Crashland-Suzi Todeszone von Günther Glogowatz



Durch ein technisches Experiment fegte eine schreckliche Katastrophe über einen großen Teil Europas hinweg.
Ein neuer Landstrich mit teilweise eigenartigen Naturgesetzen und „Dimensionsrissen“, welche zu anderen Welten führten war entstanden. Da sogar Beobachtungssatelliten nur unbrauchbare Bilder von diesem Gebiet liefern konnten, wurde es von offiziellen Stellen als X-Territorium bezeichnet. Allgemein benannte man es jedoch als das Crashland.
Da die üblichen Waffensysteme dort größtenteils versagt hatten, war die X-Force gegründet worden. Eine spezielle Armee, deren Ausbildung und Ausrüstung an die merkwürdigen Umweltbedingungen dieses Landstriches angepasst worden waren.
Suzi war Mitglied der X-Force. Während eines Einsatzes gerät sie mit ihrer Truppe in einen Hinterhalt. Es ist der Auftakt im Kampf um die absolute Macht im Crashland.
Verleumdet und dadurch von den eigenen Kameraden gejagt, bleibt ihr nur noch die Flucht durch die Todeszone, um Platon zu erreichen. Denn nur er ist mächtig genug, ihre Unschuld beweisen zu können und den düsteren Machenschaften um die Vorherrschaft im Crashland entgegentreten zu können.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (3)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Horror" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Stephan Römer

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Roter Staub von Stephan Römer (Science-Fiction)
Talkshow von Sebastian Koop (Horror)
Hier etwas zum Schmunzeln...oder..hahaha von Rüdiger Nazar (Autobiografisches)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen