Christiane Mielck-Retzdorff

Das Geheimnis der Liebe

 

 

 

Er stand ruhig in einiger Entfernung und betrachtete wie sie sich genüßlich im Sonnenlicht räkelte. Sie hatte sich bunt geschmückt und ihr betörender Duft wehte zu ihm herüber. Erfüllt von Eifersucht sah er den anderen, wie er sich an sie schmiegte, sie zärtlich streichelte. Er murmelte leise Worte in ihr Ohr. Sicher erzählte er von seinen Reisen, von den Stätten, die er gesehen hatte und jenen, zu denen er auf dem Weg war. Er selber kannte nur das kleine Dorf mit den schmucken Häusern, ehrlichen, fleißigen Menschen und der alles überragenden Kirche, von deren Turm täglich die Glocken klangen.

 

Sie kannten sich schon eine Ewigkeit und hatten zu dritt manchen Spaß und manche Widrigkeit erlebt. Stets hatte er versucht sie zu beschützen, ihr Halt zu geben, während der andere sich mal launenhaft  überschwenglich, dann wieder schüchtern zurückgezogen gab. Manchmal verschwand der andere ganz, und er tröstete sie, auch wenn die Sehnsucht nach dem anderen sie fast verbrannt.

 

Der andere war eine schillernde Persönlichkeit, die an Operhäusern und Museen verkehrte. Auch die moderne Welt mit ihren gigantischen Maschinen, flirrenden Lichtern, prachtvollen Hotels und lärmenden Straßen war ihm vertraut. Er kannte nur Bauernhäuser, Kühe und die stillen Wunder der Natur, und das bunte Treiben der Dorffeste mit der Blaskapelle, dem alten Karussell und lauter fröhlichen Menschen. Der andere hatte große Pläne, während er dazu verdammt war, zu bleiben und an diesem Ort zu warten.

 

Auch er hörte dem anderen gerne zu, wenn er von der weiten Welt berichtete und ließ dabei seine Träume wie Wolken wachsen. Dann wünschte er, auch so frei zu sein. Doch war der andere auch oft traurig wegen seiner unbezähmbaren Rastlosigkeit. Er sehnte sich nach Ruhe und einer Heimat, die ihm nicht vergönnt schien. So waren sie Freunde in der Sehnsucht.

 

Sie fand an beidem gefallen, an der steten Veränderung wie an der Beständigkeit. So war sie beiden gleichermaßen zugetan. Doch gerade wenn sie meinte, zu dem einen zu gehören, riß der andere einen Teil von ihr mit sich. Dann gab sie sich leidenschaftlich dem Drang in die Freiheit hin, um bald reumütig und verletzt in den Armen des Unveränderlichen zu liegen.

Sie waren zu verschieden, um um sich zu kämpfen, und sie mußte leiden in ihrem Zwiespalt zwischen Heimat und Ferne.

 

Oft machten andere Liebende es sich bei ihr bequem, um Angesichts der beiden Konkurrenten ihren eigenen Weg für die Zukunft zu finden. Sie tanzten und küßten sich und das Leben zeigte sich in Leichtigkeit. Doch manche kehrten später zurück, tränkten die Erde mit ihren Tränen oder verfluchten die drei, weil der gewählte Weg nicht das Ziel erreicht hatte. Dann wußten auch sie, daß es keine Lösung gab.

 

So verstrichen die Jahre. Der eine blieb, der andere kam vorüber, und sie sehnte sich nach einer Entscheidung. Letztlich war es an ihm, dem Starken, Beständigen diese herbeizuführen. Er beschloß, sie freizugeben und bediente sich dabei mächtiger Verbündeter. Er mußte den anderen zwingen, sie für immer mit sich zu nehmen, damit sie wenigstens mit einem von beiden ihr Glück finden konnte. Es fiel ihm schwer sich von ihr zu trennen, aber der Zeitpunkt war gekommen.

 

An jenem Tag ballte sich ein gewaltiges Unwetter über der Region zusammen. Sintflutartige Regenfälle prasselten herab. Wilde Winde bäumten das Wasser auf. Blitze zuckten vom Himmel, Donner hallte in den Schluchten. Er konnte sie vor Angst wimmern hören und Verzweiflung brach als Geröll aus ihm heraus. Der andere tollte sich mit dröhnendem Lachen in dem Inferno und hatte diabolischen Spaß an den entfesselten Gewalten. Zu spät erkannte der eine, daß sein Liebesdienst nur ihr Verderben brachte. Mit hämischem Getöse riß der Fluß die Wiese mit sich. In grenzenloser Wut zerbarst der Berg und versperrte für immer den Weg des Flusses.

 

Manchmal sitzen Liebespaare an dem ruhigen See neben den zerklüfteten Felsen. Er ist umgeben von einer fruchtbaren Wiese, die sich bis zu den Felsen erstreckt. Die Legende sagt, hier ruht das Geheimnis der Liebe.

    

 

 

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