Katja Heinrich

Sodbrennen - 6. Die Verbindung zur Welt

 

 

 

Wie ich bereits erwähnte, ist ein großer Teil meiner Welt das Internet und der Computer.

Am und mit dem Rechner arbeite ich, verdiene ich mein Geld – und hier habe ich auch Spaß.

Hier kann ich kommunizieren – mit Menschen außerhalb meiner persönlichen Lebensblase und diese kontrolliert ein Stück weit hinein lassen.

 

Ich habe ein Forum im Internet, durch das ich hin und wieder mit Leuten (hier User genannt) näher in Kontakt komme, eine auserlesene Minderheit nehme ich gar in die Liste meiner Chatpartner auf.

 

Natürlich bin ich nicht in irgendwelchen unübersichtlichen Chats zu finden, ich nutze ein Programm, in dem ich Ein-zu-eins chatten kann.

Bei manchen Usern bin ich so mutig, sogar mit Webcam zu chatten – ein absoluter Vertrauensbeweis und ein Eindringen in meinen sehr privaten Bereich.

Durch dieses Chatprogramm kann ich mittels geschicktem Handhaben kontrollieren, wer mich ansprechen darf. Das ist äußerst praktisch und kommt mir sehr entgegen.

Das Internet ist für mich die beste Erfindung seit dem Desinfektionsmittel. Es ist meine Verbindung mit und zu der Welt. Hier kann ich Menschen kennen lernen ohne zu viel von mir preisgeben zu müssen. Ich habe die totale Kontrolle darüber, was ich an Informationen über mich anderen zuteil werden lasse. Das geht natürlich in schriftlicher Form immer besser als im Gespräch, da passiert es einem ja bekanntlich öfter, dass man etwas gedankenlos erzählt und es hinterher bereut. Beim Schreiben denkt man darüber nach – auch zweimal. So bewahrt man sich verschiedentlich ein großes Stück Anonymität.

 

Auch im Forum kann ich weitestgehend anonym sein.

Dort bin ich in der Lage frei und gelöst herumzualbern, eine Eigenschaft, die mir im realen Leben völlig fehlt. Das Internet ist die Party für Sozialphobiker.

Natürlich gibt es auch hier oftmals User, die mich aufregen, aber das Gute ist, ich kann mich jederzeit ausloggen, das Fenster schließen und muss mich damit dann nicht mehr befassen!

Eine Möglichkeit, die in der Lebensblase Normalsterblicher entfällt, man kann nicht einfach einen Menschen schließen (leider).

 

Das Internet ist für mich wie geschaffen, ich erreiche Menschen, wenn ich will, kann mich unkonventionell verabschieden, wann ich will – und  außerdem habe ich die Möglichkeit, mir sämtliche Informationen, die ich benötige, aus dem Web  zu recherchieren. Das erleichtert meine Arbeit als Übersetzerin, wenn ich beispielsweise Gelesenes überprüfen muss und erspart mir den Weg nach draußen – raus aus meiner Lebensblase.

 

Der größte Teil meines Lebens spielt sich also vor dem Rechner ab. Meist esse ich auch dort; wenn sich das Telefonieren nicht vermeiden lässt, dann wird auch das vor dem Computer erledigt und etliches mehr. Denn ein Vorteil des Rechners ist, dass man mehrere Dinge gleichzeitig bearbeiten kann.

Ich habe immer mehrere Fenster geöffnet, zum einen natürlich meine Arbeit, dann meistens mein Forum, verschiedene Webseiten zur Recherche und eventuell ein Chatfenster (mittlerweile habe ich sämtliche User davon überzeugt, dass man nicht – wie immer angenommen – sich einige Stunden lang unterhält und nichts anderes nebenbei macht, das ist ineffizient und bringt mich persönlich nicht weiter, also müssen sie auch mal länger auf eine Reaktion von mir warten, aber das macht nichts!).

 

Angehenden Sozialphobikern sei darum das Internet wärmstens empfohlen. Hier kann man seinem verkümmernden Drang  nach zwischenmenschlichen Beziehungen ungefährlich und frei von gesellschaftlichen Zwängen aller Art verhältnismäßig gefahrlos nachgeben.

Dort kennt keiner das wahre Ich, die Hintergründe, warum man soziophob ist und trifft oftmals auf Gleichgesinnte – auch wenn das selbstverständlich keiner zugibt.

Ich möchte dem soziophoben Nachwuchs jedoch eine Flatrate ans Herz legen, denn wenn man das Internet zu seinem besten Freund macht, ist die Gefahr ansonsten groß, dass dieser neue Freund Unsummen verschlingt.

 

Probieren Sie es einmal aus. Es wird Ihnen gefallen!

 

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Katja Heinrich).
Der Beitrag wurde von Katja Heinrich auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.09.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

  Katja Heinrich als Lieblingsautorin markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Urban Story: Japanische Kettengedichte, Haiku-Senryu, Haiku von Walter O. Mathois



Sprachtechniker Walter Mathois und Verskonstrukteurin Heike Gewi hämmern, klopfen ab, machen Licht in den Ecken des Vergessens, hängen Bilder neuer Momente in unser Bewusstsein, ohne einen Nagel zu verwenden. Auf Meditationsebene nickt Meister Bashô freundlich, Buddha lacht, der Affentempel steht und das Gnu tut verwundert. Doch der Mond schweigt. Sind Sie bereit mit Ihren Sinnen, Zeuge zu sein?

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (1)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Satire" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Katja Heinrich

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Sodbrennen - 14. Geräusche dieser Welt von Katja Heinrich (Satire)
+ KREUZ + WEISE + von Siegfried Fischer (Satire)
Der Ort am Rand von Heinz Säring (Erinnerungen)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen