Frank Hornburg

Ferien

 

Am 7. Oktober 2000 plante die Familie Müller aus Bochum einen zwei wöchigen Urlaub auf dem Land. Zur Erholung wollten sie einfach mal etwas Landluft schnuppern. Es gab Früh ein riesiges Theater, weil alle viel zu spät aufgestanden waren. Die Eltern hatten abends versprochen:

„Ihr braucht den Wecker nicht zu stellen, wir wecken euch schon rechtzeitig.“.

Die ausgemachte Weckzeit war sieben Uhr, aber letztendlich wurde daraus 7:45 Uhr. Floriane, die von allen nur Flo genannt wurde, war total sauer. Sie wollte ihr Make-up auftragen und sich hübsch machen, aber da alle ins Badezimmer mussten, würde daraus wohl nichts werden. Etwas unpünktlich kam Papa Bernd ins Zimmer der beiden Kinder und rief sanft beiden zu, dass sie aufstehen müssten. Doch keiner der beiden reagierte auf diese freundlichen Worte. Also stellte Bernd das Radio an, damit seine Kinder durch leise Musik geweckt würden. Was Bernd  nicht wusste war, dass Michael abends laute Musik gehört hatte. Und so stürzte Bernd taumelnd rückwärts, als lautstarke Rockmusik aus den ziemlich starken Boxen schallte. Kopfschüttelnd drehte er schnell am Lautstärkeregler leiser und änderte den Sender. Von dem Krach saßen die Kinder natürlich sofort senkrecht im Bett.

„Tja es tut mir Leid.“, bemerkte Bernd trocken. „Aber jetzt weis ich, wo der Krach herkam.“.

Es dauerte nicht lange, da saßen die beiden Kinder angezogen am Frühstückstisch. Das war auch kein Wunder, denn die Eltern hatten ziemlich zur Eile gedrängelt. Aber da Bernd vergessen hatte, frische Brötchen zu besorgen, gab es nur alten labbrigen Toast. Am Vorabend hatte er versprochen, zum Bäcker zu gehen. Aber durch das verspätete Aufstehen fiel das leider aus. Auf das Maulen und die Vorwürfe der Familie sagte er nur:

„Warum seid ihr nicht aufgestanden? Immer muss ich an alles denken.“.

„Du hast es versprochen Papa.“, empörte sich Michael. „Ansonsten wären wir ja gegangen.“.

„Wir haben heute sowieso nicht soviel zum frühstücken und damit ist das Thema beendet.“.

Nach diesen Worten von Bernd war die Sache erledigt. Die Familie as mürrisch ihren labbrigen Toast mit der Marmelade. Der Kaffee, den Bernd gekocht hatte, war so stark, dass er Mutter Ines fast im Halse stecken geblieben wäre. Sie glaubte, ihr bleibe das Herz stehen. Aber sie wagte nicht mehr, zu protestieren. Michael und Flo schauten angeekelt in ihre Milchgläser.

„Die ist ja vollkommen überlagert.“, empörte sich Flo mit verzogener Mine.

Sie stand auf und kippte die Milch ins Abwaschbecken, die in Klumpen aus dem Glas fiel. Ines schaute auf einmal auf die Uhr, die bereits auf 8:15 Uhr stand. Die Familie hatte eine Ferienwohnung gebucht, die sie zu einer bestimmten Zeit beziehen musste. Aber es wurde immer später und sie befürchtete, den Termin nicht einhalten zu können. Gott sei Dank war alles schon gepackt, so war wenigstens das schon erledigt. Angezogen waren auch schon alle und es dauerte nicht lange, da saßen alle im Auto. Sie wollten gerade losfahren, da fielen Bernd die berühmten Fragen ein:

„Sag mal Ines, den Stecker vom Fernseher hast du doch raus gezogen oder?“.

„Ich glaube, das wolltest du machen.“, erwiderte Ines. „Genauso, wie du die Telefonanlage lahm legen wolltest.“.

Natürlich hatte Bernd weder das eine noch das andere getan. Also stieg er aus und stapfte missmutig zur Tür. Widerwillig schloss er auf und betrat das Haus. Während er seinen Kontrollgang absolvierte, hörte er Schritte auf der Treppe. Flo war noch einmal wieder gekommen, weil sie unbedingt ihr Make-up auflegen wollte. Dazu war sie immer noch nicht gekommen. Michael folgte ihr, weil er noch einmal auf die Toilette musste. Leider hatten die Müllers nur ein Badezimmer. Da Flo ihr Make-up erledigen wollte, konnte Michael sich nicht erleichtern.

„Beeilt euch beide!“, rief Bernd ungeduldig nach oben. „Michael, können wir nicht unterwegs anhalten?“.

„Ich muss aber unbedingt jetzt Papa!“, brüllte Michael zurück. „Aber Prinzesschen muss sich ja schminken.“.

„Ja das muss sie unbedingt!“, ertönte eine schrille Stimme aus dem Badezimmer.

Nach zehn Minuten kam Flo endlich heraus und Michael stürmte zur Kloschüssel. Nach weiteren fünf Minuten rief er raus, dass es kein Klopapier mehr gäbe.

„Dort liegt eine frische Tempotaschentuchpackung auf dem Fensterbrett!“, rief Bernd. „Nimm davon eins!“.

Wenige Sekunden später hörte man das Rauschen der Klospülung und Michael kam aus dem Badezimmer.

„Das Taschentuch hat den Abfluss verstopft“, sagte er kleinlaut. „Das Wasser läuft über den Rand.“.

Von unten ertönte Ines, die fragte, wann es endlich losginge. Bernd schrie zurück, dass er erst das Klo reparieren müsse. Eine halbe Stunde später kam er aus dem Badezimmer, vollkommen nass und übel riechend.

„Ich muss mich umziehen.“, brummte er. „Der nächste, der aufs Klo muss, wartet bis zur nächsten Tankstelle!“.

Eine weitere halbe Stunde später saß die Familie wieder im Auto. Auf Ines Frage, ob die Tür abgeschlossen wäre, reagierte Bernd nicht mehr, sondern fuhr einfach weiter. Zwanzig Minuten vergingen, ohne dass etwas passierte. Doch plötzlich schrie Flo so laut, dass Bernd sich erschreckte. Michael hätte sie gekniffen, sagte sie. Auf die Frage hin, warum er das getan habe, meinte er: „Die Kuh lässt mir keinen Platz.“. Zwar sagte Bernd, die beiden sollen sich vertragen. Aber als die beiden sich weiter stritten, ignorierte Bernd das Geschehen und ließ die Kinder kreischen. Letztendlich schliefen sie sowieso ein. Zwei herrlich ruhige Stunden später fuhr das Auto auf den Hof eines wunderschönen Hauses. Als Bernd den Motor abstellte, wachten die Kinder auf. Als alle die Türen öffneten, um auszusteigen, rümpfte Flo die Nase und bemerkte:

„Hier stinkt es ja nach Schweinescheiße.“.

„Du hättest doch duschen sollen.“, lachte Michael fies und schnitt seiner Schwester eine Grimasse.

„Ihr sollt jetzt endlich aufhören!“, rief Bernd. „Sonst sperre ich euch zwei Wochen in den Stall. Und glaubt mir, ich tu es.“.

Da ihr Vater völlig entnervt guckte, schwiegen die Kinder. Nachdem die Hausbesitzerin kam und der Familie alles gezeigt hatte, luden alle die Koffer aus. Als Ines sie auspackte, stellte sie fest:

„Der Schrank ist viel zu klein. Ich bekomme dort niemals alle Sachen hinein.“.

Bernd stand widerwillig vom Bett auf, nahm seiner Frau die Sachen aus der Hand und  packte sie in den Koffer zurück.

„Du musst nicht alle Kleider einsortieren.“, sagte er. „Die Koffer nimmt uns keiner weg, du kannst einiges drin lassen.“.

Plötzlich ertönte es aus dem Badezimmer:

„Der Spiegel ist viel zu klein! Hier drin kann mich mein Gesicht niemals im Ganzen betrachten!“.

Es war Flo, die versuchte, ihr Make-up aufzufrischen. Auch Michael war unzufrieden, weil das Zimmer der beiden Kinder zu klein wäre. Allmählich wurde Bernd zornig und rief:

„Schluss jetzt! Ihr habt euch den ganzen Morgen nur beklagt, weil euch irgendetwas nicht passte! Es ist nun einmal eine Ferienwohnung und wir wollen hier Urlaub machen. Also will ich die nächsten zwei Wochen keine Streitereien oder sonst welche Beschwerden hören. Wem das nicht passt, der kann gerne wieder nach Hause fahren. Ich will mich erholen.“.

Mit diesen Worten verließ er das Zimmer, stieg ins Auto und verließ den Hof. Die restlichen Familienmitglieder überlegten sehr lange. Eigentlich hatte Bernd ja Recht. Niemand hatte gesagt, wie er sich auf den Urlaub freute. Auch wollte keiner irgendwie beim Koffertragen helfen. Die Autofahrt gestaltete auch keiner angenehm.

„Wir sollten uns alle schämen.“, sagte Ines. „Euer Vater wollte alles so schön wie möglich machen und wie beklagten uns nur. Also vertragen wir uns jetzt alle oder wollen wir uns zwei Wochen nur angiften?“.

Selbstverständlich wollte das niemand. Also nahm Ines das Handy, rief ihren Mann zurück und die Vier verbrachten wunderbare Ferientage.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.09.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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