Ulla Meyer-Gohr

Die Schutzpatronin

 

An einem eiskaltem Wintertag rettete ich meine völlig steifgefrorenen Glieder zum Aufwärmen in ein nahegelegenes Museum. Langsam spürte ich wie die Kälte nachließ. Ich durchstreifte alte Stuben, landete in einem nachgestelltem Bauernhaus zwischen Geschirr,alten Delfter Kacheln, Zinn und anderen Zeitzeugen. Vorbei an jahrhunderter langer, betriebener Nautik begleitet von Seglern, Kuttern, kleinen Ruderbooten, die ganze Geschichten erzählten. Schließlich landete ich in einem riesigem Saal. Knarrende, breite Holztreppen führten mich hinab in das Herzstück des riesen Raumes der Mitte. Von den Wänden betrachteten mich stolze Galionsfiguren. Die geschichtsträchtige Stille und das beeindruckende Beleuchtungssystem schufen eine Atmoshäre, die ganze Schicksale vor dem geistigen Auge erstehen ließen. Gebannt verharrte ich vor einem Meisterwerk an Bildhauerkunst.

   " Heilige Mutter Gottes gib mir eine Chance die Welt zu sehen !" betete der Baum jeden Abend. Eines Tages sollte der Wunsch in Erfüllung gehen. Seine Tauglichkeit wurde überprüft und für gut befunden. Der Bestimmung, in Form einer Galionsfigur die Welt zu umsegeln, stand nichts mehr im Wege. Das Schicksal ein Leben im Wald verbringen zu müssen, blieb Ihm erspart.

   " Wer hoch hinaus will der kann tief fallen !" raunten seine Artgenossen hinter ihm her als der Abtransport von statten ging. Aber, was kümmerte ihn das neidische Geschwätz seiner hölzernen Verwandschaft.

Der spanische Seeheld, Don Rodrigo de Callada, brauchte die Plastik seiner Schutzpatronin. Das Segelschiff lag noch ungetauft im Hafen von St. Sebastian und wartete auf die Galionsfigur. Den Auftrag erhielt ein begnadeter Bildhauer, Fernandez de Conte Sevilla. Durch ein beachtliches Honorar kam die Arbeit voran. Er brauchte besonders viel Zeit zu dieser Arbeit in der er viel Herzblut und schlaflose Nächte inverstierte.  Doch irgendwann stand eine stolze Litizia vor Fernandez und blickte ihn aus furchtlosen Augen an. Die braunen Haare zu einem tief sitzenden Nackenknoten geschlungen. Eine Hand auf das Herz , die andere schützend vor den Leib gelegt. 

   " Ein Teufelsweib ! - Kapitän de Callada wird Augen machen !"

Der Spanier rieb sich die Hände.

   " Morgen ist dein großer Tag. Du wirst am Bugspriet deinen Platz einnehmen und einen weiten Blick über das Leben und Treiben rund um die Galeone bekommen. - Solange," er bekreuzigte sich," dieses Schiff seetüchtig bleibt. Also sei wachsam und bringe dem Kapitän und der Manschaft Glück !"

Für Litizia begann eine aufregende Zeit. Es galt den Launen des Wassers zu trotzen. Die Aufträge Philipp II. von Spanien zu erfüllen. Gegner im Kampf zu besiegen. Oft hallte der Kanonendonner noch tagelang in den Ohren der erschöpften Mannschaft wider. Es gab Verletzte und Tote zu beklagen. Aber keiner der raubeinigen Seebären konnte sich ein Leben ohne die schwankenden Planken der Galeone vorstellen. Die Sehnsucht nach Freiheit und Abenteuer überwog. Litizia genoss es, wenn Don Rodrigo so manchen Abend auf der Plattform des Bugspriets neben ihr stand. Es war die Stunde, in der Rodrigo über Probleme und Lösungen nachdachte. Sie hörte ihm zu und liebte es wenn er fragte:

   " Litizia was soll ich tun ?"

Für den Spanier wäre sie durch das Feuer gegangen, hätte sie es gekonnt.

   " SEGEL   SETZEN  ! - LEINEN   LOS  !" erscholl die Donnerstimme des Kapitän.

Es dauerte nicht lange bei der eingespielten Crew und die Galeone verließ abermals den Hafen   von St. Sebastian. Sie nahmen Kurs auf den Atlantik. Die Manschaft freute sich auf See sein zukönnen. Mehrere Stunden segelten sie über ein spiegelglattes Wasser. Kein Lüftchen schien sich zu regen. Trotzdem kamen sie gut voran. Die Stimmung erreichte einen ausgelassenen Höhepunkt. Den  Kapitän überfiel eine plötzliche Unruhe wie Tiere die eine nahende Katastrophe wittern. Sein Blick suchte den Horizont ab. Ausgefallene Wolkenbildung formierte sich mit einer ungewöhnlichen Leuchtkraft. Die Farbe wechselte in einer rasanten Geschwindigkeit in  eine antrazitfarbene Wolkenfront. Blitze zuckten. Ein grollender Donner ließ nicht lange auf sich warten. Das Wasser begann sich unruhig zu kräuseln. Immer höher stiegen die Wellen und schlugen aufgebracht gegen die Bordwand. Das Wasserelement schien mit dem Schiff zu spielen. Inzwischen konnte man die Hand nicht mehr vor Augen sehen.

   "  SEGEL  EINHOLEN," brüllte de Callada schon seit geraumer Zeit unerbittlich. Aber zur vollständigen Ausführung seines Befehls sollte es nicht mehr kommen. Backbord attackierte ein gewaltigr aufkommender Orkan die Galeone.

   " Allmächtiger !"

Panik erfasste die gestandenen Männer.

   " Litizia hilf uns !" riefen sie.

Ein lautes Krachen übertönte die Hilferufe . Viele Segel , vom Blitz getroffen, brannten lichterloh. Der Großmast glich einem geknicktem Streichholz. Heftiger Regen hielt das Feuer in Schach. Die Naturgewalten ließen dieses Mal nicht mit sich spaßen. Als habe sich der Himmel gegen de Callada verschworen. Der, sonst vom Erfolg, verwöhnte Spanier fühlte sich das erste Mal allein gelassen. Alle Bemühungen das Unheil abzuwenden, schlugen fehl. Die Manschaft konnte nur noch beten, daß ihnen ein grausames Schicksal erspart bliebe. Ein Beben durchlief den Schiffsrumpf dann brach es ächzend auseinander. Dem harten Riffaufprall war die Galeone nicht gewachsen. Viele der Männer wurden durch die gewaltige Erschütterung über Bord geschleudert und fanden den Tod in der Tiefe des Ozeans. Don Rodrigo de Callada selbst, von einem herunter gefallenen Mastteil getroffen, drohte ebenfalls ohnmächtig in den Fluten zu ertrinken. Vom Bugspriet abgespalten stürzte die Schutzpatronin ins kalte Nass und trieb auf den leblosen Körper ihres Seehelden zu. Ihr gelang es unter de Callada zu tauchen, um dem Schiffsbrüchigen sich selbst als Floss anzubieten. Die Brandung trieb die Beiden wie ein Spielzeug vor sich her und warf sie unsanft an das rettende Ufer. Mit dem Kopf voran geriet Litizia zwischen zwei Felsen. Ein Loch klaffte an ihrer linken Schulter. Der Holzkörper saß fest in einem Felsspalt.

Die bewegende Rettungsgeschichte des Kapitän de Callada und die meisterliche Gestaltung der Galionsfigur veranlassten die Leute zu einer aufwendigen Restaurierung. Nie hätte Litizia sich träumen lassen später auf Umwegen in einem fernen Land in einem großen Museum zu landen. Für den Baum aus Spanien war es eine ungewöhnliche große Ehre. 

Nachdenklich blickte ich der Galionsfigur in ihr ebenmäßiges Gesicht. Ich meinte ein Lächeln um ihren schönen Mund zu bemerken. Ich trat nah an die Plastik heran und las:

   " Die schöne Litizia aus Spanien !"

               

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 20.09.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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