Kann sein, die Kunst des Lebens ist einfach. Dann, wenn
einem Menschen die ganze Welt zur Verfügung steht. Wenn
er sich einfach sagen kann. Heute bin ich hier. Morgen
bin ich dort. Ich kann so leben. Und ich kann so leben.
Und die Möglichkeiten die ich besitze sind vielzählig.
Aber was ist die Kunst des Lebens, wenn sie hinter vier
Mauern statt zu finden hat. Wenn nur ein Raum da ist,
um sie zu leben. Eine Bank! Ein Tisch! Eine Pritsche!
Ein Computer. Und das war es dann. Und das alles ohne
jeden Kontakt. Für Jahre und Jahre. Was ist die Kunst
des Lebens, wenn ein Mensch nur eins besitzt. Also im
Wesentlichen nur eins besitzt. Was ist die Kunst des
Lebens, wenn ein Mensch nur sich besitzt. Sonst nichts!
Was ist die Kunst des Lebens, wenn keine Welt da ist
zum Leben. Wenn keine Freunde da sind zum Leben. Wenn
es nie Begegnungen gibt. Mit anderen Menschen. Nie
Gespräche. Nichts von all dem. Was ist die Kunst des
Lebens, wenn nur ein Raum übrig bleibt. Vier Wände ein
Fenster. Und eine Tür. Ich glaube, die Kunst des Leben
ist dann einfach nur das Überleben. Mit jedem Gedanken.
Jedem Blick. All dem was bleibt. An Empfindungen und
Phantasie. Es ist ein Kreis. Der ständig durchbrochen
werden will. Kann sein, das es sich da von keinem an-
deren Leben unterscheidet. Also von keinem Leben das
bewußt lebt. Dieser Raum ist es. Diese vier Wände sind
es. Und diese 24 Stunden, die ich täglich da bin. Die
mich einfach fragen: "Bin ich noch frei?" Wie frei bin
ich noch? Mit dem was mich beschäftigt. Mit dem, was
das Leben von mir noch ist.
Dann sehe ich all diese Fettwülste von mir. All diese
Fleischberge. Dies unzähligen Speckfalten. Und setze
mich an dieses Ding. Und gehe in eine andere Zeit. In
diese Altstadt von Mainz. Morgens fahre ich von Mainz
Süd zur Arbeit. Und im Bahnhof Mainz Süd ist ein Cafe.
Das schon ab 4 Uhr geöffnet ist. Dort trifft sich all
das Nachtvolk: "Spieler! Lebemenschen! Zuhälter! Pro-
stituierte! Lebenskünstler! Kneipiers! Barbesitzer! Und
da sitze ich dann. Mein Zug fährt erst um 6:15! Aber
ich sitze da um 4:00 Uhr! Und sehe mir das an. Wie die
Nacht zuende geht. Mit all dem was sie bevölkert. Oder
von Ihr lebt. Ich sehe mir die Augen an. Die eine Nacht
ohne Schlaf waren. Ich sehe mir an wie die Leute reden.
Wie sie trinken. Wie sie Essen. Wie sie Schlucken. Wie
sie das Ende der Nacht erleben. Oder den neuen Tag kom-
men sehen. Ich höre die Gespräche. Sehe die Frauen.
Rieche die Parfüms. Und all das ist anders. Als das
andere Leben. Die Gespräche! Wie die Leute sich anseh-
en. Alles ist offen. Das Leben der Menschen ist offen.
Ich glaube, das ist es was sie reizt. Die Zuhälter reizt
nicht das Geld. Die Spieler reizt nicht das Spiel. Die
Lebenskünstler reizt nicht, das was Sie erleben. Das, was
reizt ist das alles offfen ist. Es hat nichts endgül-
tiges. Es ist das Leben. Alles ist immer Risiko. Auf
Messers Schneide. Auch wenn das abgegriffen ist. Aber
gelebt, ist das immer neu. Dieses auf Messers Schneide.
Es zwingt immer zu bestehen. Es ist das Überleben pur.
Das Abenteuer. Und am Ende ist es nur das: "Wie lange
kann ich das überleben?" Egal wie lange. Aber ich habe
gelebt. Ich vergleiche das oft mit dem was mir so be-
gegnet ist. Hohe Bildung. Hohe Intelligenz. Hohes Wis-
sen. Aber es fehlt meistens oder meistens hat das ge-
fehlt, mit dem so ein Leben vollkommen ist. Neben all
den Ideen aus Büchern. Neben all dem Wissen aus Bü-
chern. Neben all dem Leben aus Büchern hat eben das
eine Gefehlt: "Das eigene Leben! Die eingenen Ideen!
Das eigene Wissen!" Das mit dem ein Leben vollkommen
ist. Ich könnte jetzt sagen etwas fehlt immer. Aber
das ist es nicht. Dieses auf Messers Schneide war auch
Eins. Das Leben sehen. Das Leben denken. Und der Ver-
such ein eigenes Leben zu finden. Die eigenen Ideen.
Das eigene Wissen. Aber es ist immer das Gleiche. Es
gelingt den Wenigsten. Und die Leben wahrscheinlich
ganz anders. Aber das war es. Dieses Gefühl, das über
dem Raum oder von dem dieses Cafe erfüllt war. Die
Suche nach dem Vollkommenen. So viele Menschen es gibt,
so viele Ansätze scheint es da zu geben. Dieses Voll-
kommene zu finden. Am Ende bleibt dann nur noch das
Geld machen. Und mehr Geld machen. Mit dem Wissen wie
Sinnlos das ist. Meistens bleibt von all dem eben et-
was übrig, das ziemlich sinnlos ist. Und Ausdruck die-
ser Sinnlosigkeit, fand sich auch Morgens in diesem
Cafe. Zuhälter die sich mit einem Hundert Mark Schein
eine Zigarette anzündeten. Aber auch da gibt es kein
Unterschied zu echtem und großen Reichtum. Viel Geld
ist immer der eine Beweis: "Die Aufgabe!" Menschen die
nicht mehr das Vollkommene wollen. Menschen die sich
mit Reichtuum zufrieden geben. Ich saß da Morgens, von
4:00 bis 6:00 und sah mir das an. Das Leben und sein
Theater. In diesem Cafe. Und es gab keine perfektere
Bühne dafür. Und ich glaube kein Regisseur hätte das
genialer in Szene setzen können. Das Leben und all das
was es so ist. Dieses bunte Sammelsurium von Menschen.
Ich habe dann auf vielen Reisen die Menschen beobach-
tet. Und ich glaube das Vollkommene ist einfach der
Tod. Und ein Leben, das einfach seinen Zweck erfüllt.
Ein Mensch der arbeitet. Und für sich sorgt. Irgend-
wie so ist es. Oder scheint es zu sein. Aber es ist
Interesssant, das alles zu sehen. Was Menschen so träu-
men. Was sie bewegt und beschäftigt. Was sie versuchen.
Und immer fehlt irgendwas. Wobei es bei vielen auch
das sein kann was fehlt: "Es ist das Leben das sie ein-
fach nicht leben!" Menschen die nichts interessiert.
Oder die das Interesse am Leben ganz verlieren. Aber
Mainz und der Rhein. Die Stadt. Der Dom. Und einige
Kneipen. Und Gässchen. Das hatte schon Romantik. Ir-
gendwie wunderschön. Und das war es auch, was mich so
im Wesentlichen beschäftigt hat. Das beste zu genies-
sen. Oder das Schöne zu geniessen. Bummeleien durch
die Stadt. Kaffee trinken. Und Leute beobachten. Und
dabei fand ich schon so das Aussergewöhnliche. Ein Cafe
gab es. Warum auch immer. Die Bedienungen fingen da
an. Am Anfang waren sie noch schlank und hübsch. Und
dann wurden sie dick und dicker. Bis sie nur noch
fett waren. Und das besuchte ich im Monat einmal. Und
sah mir das dann an. Die Bedienungen. Zuerst so schlank
und hübsch. Und dann wie sie fetter und fetter wurden.
Das war einfach so. Und ich habe nie heraus gefunden
warum das so war. Das gab es in keinem anderen Cafe.
Ich besuchte dann immer öfter dieses Lokal. Mit den
Flaschen, die an der Decke hingen. Hörte Musik. Und
freundete mich immer besser mit dem Mensch an, den ich
später als Gesamtkunstwerk erkannte. (Volker Erich Ari
Achin Erasmus Ruhland!) Und so allmählich lebte ich
mich ein. Ich zog dann noch einmal um. In so eine klei-
ne Zweizimmerwohnung. Kündigte meine feste Arbeit. Und
begann so langsam das Leben zu finden, das mir gefiel:
"Und das was wichtig für mich war. Und das was unwich-
tig für mich war!" Und Geld war für mich total unwich-
tig. Und das ist die Voraussetzung um gut zu leben.
Ich konnte von ein paar Mark am Tag leben. Und so lebte
ich dann auch. Ich arbeitete hin und wieder. Den Rest
verbrachte ich mit Spazieren gehen. Mit Lesen. Mit
Besuchen in diesem Lokal. Das mittlerweile "Pinte" hieß.
Zuerst war der Name "Tilllermanns In!" Nach einer Lp
von Cat Stevens. Aber nun hieß es "Pinte" Und dieses
Lokal hatte den Vorteil. Jeder konnte was trinken. Aber
er mußte nicht. Man konnte auch einfach nur so rum sit-
zen. Und das begann ich dann zu kultivieren. Das ein-
fach so rumsitzen. Im Lokal. Später lernte ich dann
noch Schach spielen. Und es war erstaunlich: "Ich
spielte ziemlich gut!" Also gegen Clubspieler hatte ich
keine Chance. Aber so mit Leuten, die das zur Unterhalt-
ung und zum Zeitvertreib spielten, war es in Ordnung. Es
ergaben sich Bekanntschaften. Ich merkte, das ich Leuten
sympathisch war. Und das war mir nicht gleichgültig.
Und ich war einigen Leuten sympathisch. Auch ohne das
ich Kontakt mit ihnen gehabt hätte. Einfach so die
Blicke. Die Begrüßung! Das Hallo! Und wie das kam. Das
war es. Warum ich mich in dieser Pinte wohl immer öfter
aufhielt. Das Publikun war einfach in Ordnung. Es war
bunt gemischt. So Jungproletaerier wie ich. Studenten!
Akademiker! Aber das war eigentich alles unwichtig. Es
war bunt gemischt. Das war es. Und so war es Interessant.
Einzigartig. Mit einer Atmosphäre die einfach wunder-
bar war. Also so im Großen und Ganzen war alles in Ord-
nung. Ich hatte eine Wohnung die mir gefiel. Ohne eine
hohe Miete. Ich kannte die Stadt. Und ich hatte das Le-
ben im Griff. Ich hatte ein eigenens Leben begonnen. Und
mein eigenes Leben gefunden. Es war nicht nur gut. Es
wurde immer besser. Wobei ich war immer allein. Aber
das, war mir nie bewußt. Also ich habe nie etwas vermißt.
Heute weiß ich es einfach. Nach dem ich dieses Dorf und
die Pflegefamilie verlassen hatte, begann etwas Neues.
Begann etwas, das ich Interessant fand. Und das war vor-
her nie der Fall. Ich fand nie etwas Interessant.
Aber warum ich dann so ein fettes Schwein geworden bin.
Kann sein, ich dachte Interessanter kann das Leben nicht
mehr werden. Und dann habe ich angefangen, in mich rein
zu stopfen. Aber ich will das nicht beschönigen. Ich will
einfach dazu stehen. Ohne eine Ausrede. Irgendwann war
es eben so. Da Leben von mir war nur noch Fressen. Oder:
"Kauen und Kacken!" Mit diesem Ergebnis, das ich heute 250
kilogramm wiege. Mit allen Krankheiten verseucht war.
Und nun für immer in dieser Anstalt bleiben muß. Einge-
sperrt! Verwahrt! Und unter Sicherheitsverschluß. Schwer
bewacht. Immer von einem eigenen Wärter kontrolliert.
Aller Freiheiten beraubt. Dem Wahnsinn ausgesetzt. Dem
menschlichen Siechtum preis gegeben. Der Monotonie über-
lassen. Von allem beraubt. All dem was von Wert ist.
Musik! Bücher! Gespräche! Kontakte! Ignoriert und iso-
liert Und in die Einsamkiet verbannt. Ohne Gnade. Ohne
Pardon. Ohne Mitgefühle. Ohne Entgegenkommnen. Ohne
Frieden und Liebe. Ohne Sinn und Vernunft. Nur mich
selbst überlassen. Verschlossen'! Verbarrikadiert! Von
Lügnern und Heuchlern und Verleumdungen zerstört.
All dem ausgesetzt, zu dem Menschen fähig sind. Wenn
ihnen das echte Leben begegnet. Das was ich war: "Schön-
heit! Wahrheit! Güte! Vertrauen! Liebe und Glaube!" Der
Neid hat mich Eingkerkert. Mich weg gesperrt. Der Neid
mit all seiner Hinterlist. Die Blindheit, der Masse hat
mich bestraft. Diese Masse die nie sieht. Die nie ver-
steht. Die es nie weiß. Diese Masse, die nichts weiß.
Nur die Tatsache meines Lebens. Nur die Kraft eines ge-
lebten Lebens. Nur das ist es, mit dem ich das alles
überlebe. Ohne dem Wahnsinn zu verfallen. Ohne die Liebe
von mir zu verlieren. So ist es! Und so wird es bleiben.
Und völlig gleich wie dick die Mauern um mich her auch
sind. Sie werden nie dick genug sein. Für die Freiheit
die nie grösser war, als bei mir. Und dem was ich in
Wahrheit bin: "Die wahre Liebe! Die wahre Freiheit!
Das wahre Glück!" So ist es!
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Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Klaus Lutz).
Der Beitrag wurde von Klaus Lutz auf e-Stories.de eingesendet.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.09.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).
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