Alexander Lustow

Ein Tag aus dem Leben des ledigen Mannes.

Ein Tag aus dem Leben des ledigen Mannes.

 

Den Herd anmachen und eine Pfanne darauf stellen.

Zwei Eier nehmen, eines davon Ausversehen in das schmützige Waschbecken fallen lassen, sich am Fensterbrett hinsetzen, eine Zigarette anzünden, eine Weile überlegen.

Sich an die Kindheit erinnern.

Sich erinnern, dass man Brot vergessen hat, zu kaufen.

Sich an dreckige Wäsche, die schon den ganzen Monat in der Badewanne liegt, erinnern.

Sich an alles erinnern. Mit den Händen die heiße Pfanne anfassen, sich verbrennen, schimpfen, den Hahn mit kaltem Wasser anmachen, sich erinnern, dass es kein Wasser gibt, weil die Miete schon das ganze Jahr nicht bezahlt wurde.

Mit einer Hand, die mit dem Jackenärmel umwickelt ist, die Pfanne vom Boden aufheben und sie auf den Tisch, der mit einem zerrissenen Tischtuch bedeckt ist, stellen.

Das rohe Ei trinken, bemerken, dass dies das letzte war. Eine Nudelpackung nehmen, sie in einen Topf schütten und sie auf den Herd stellen.

Die Pfanne vom Tischtuch trennen, sich ärgern, die Pfanne in den Mülleimer werfen, es bedauern, sie zurück holen. Das Öl auf den Boden schütten, nach einem Lappen suchen. Eine Zeitung mit Anzeigen finden, diese lesen und bemerken, dass sie ein Jahr alt ist.

Ins Zimmer gehen, die Telefonnummer der Freundin finden, sie ins Restaurant einladen wollen, überlegen, wie viel das kosten wird, sich entscheiden, dass es zu teuer wird, und nicht einladen.

In die Küche zurückkehren, Wasser in den Topf mit Nudeln schütten, eine Kippe aus dem Topf fischen.

Eine Wange kratzen, sich rasieren wollen. Sich betrinken wollen. Sich verheiraten wollen.

Stehen bleiben.

In einen Laden gehen, um Brot zu kaufen. Die Zigaretten kaufen. Auf dem Rückweg eine sympatische Frau mit einem kleinen Hund treffen. Der Hund gefählt. Die Frau gefällt nicht.

Ins Kino gehen. In der Mitte des Filmes sich an die kochenden Nudeln erinnern, schnell nach Hause rennen, den Topf anschauen, sich wundern, warum die Nudeln schwarz geworden sind.

Den Computer einschalten, eine CD mit kulinarischen Rezepten installieren. In Google  „Möhren + Salz + Majonaise + Marmelade“ eingeben. „Du bist debil“ schreien.

Die Möhren schälen, sie salzen, dann essen, sich entscheiden, die Fenster zu zumachen und vorher zu putzen. Sich entscheiden, keine Scheiße und keinen  Blödsinn zu bauen.

Sich an den Geburtstag der Tochter erinnern. Mit ihr telefonieren wollen. Sich erinnern, dass der Geburtstag der Tochter im letzen Monat war. Telefonieren: erfahren, dass die Tochter schon erwachsen ist, dass sie verheiratet ist und jetzt in Amerika wohnt.

Feststellen, dass die Wochenenden furchtbar sind.

Den Fernseher einschalten. Versuchen festzustellen, was gerade läuft: der Krimi, die Nachrichten oder die Werbung.

Den Hunger spüren. Froh, wie ein Philosoph zu sein, dass man was spüren kann. 

Zum Buchregal gehen. Seine Diplomarbeit entdecken.

Interessiert, sie zu lesen anfangen. Feststellen, dass man alles vergessen hat.

Das Licht ausmachen. Ins Bett gehen.

Sich erinnern, dass man vergessen hat, sich auszuziehen.

 Sich erinnern, dass man sich schon die ganze Woche nicht ausgezogen hat.

Sich an die erste Liebe erinnern. Sich an ihr Gesicht nicht erinnern können.

Sich an seine Träume erinnern.

Sich an sein Alter erinnern.

Sich erinnern, dass Männer nicht weinen.

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 24.09.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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