Dagmar Senff

Kaspar - Die Verwandlung

Kaspar – Die Verwandlung

Wir befinden uns in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Viele unerklärte Vorkommnisse führen zu Sagen und Märchen, die sich die Menschen untereinander weitererzählen.

Auch die „Kinder des Mondes“ gehören zu diesen Überlieferungen. Merkwürdige Dinge passieren um diese Menschen und mit diesen Menschen. Kaspar ist ein Kind des Mondes. Ihm ist im Alter von drei Jahren ein furchtbares Schicksal wiederfahren.

Das Kindermädchen war des Abends noch spät mit dem Kinderwagen im Park auf einen Spaziergang, da das Kind nicht in seinem Bettchen schlafen wollte. Durch die frische Luft sollte es müde werden. Unvermittelt sprang mit einem Satz ein tollwütiger Hund auf den Wagen, kippte ihn-  und Kaspar wurde Opfer von zahlreichen Bissen dieser Bestie. Lange hat es gedauert, bis er sich von diesen schweren Verletzungen erholt hatte. Lange hatte man um sein Leben bangen müssen.

Seit diesem Vorfall ist Kaspar ein besonders behütetes Kind, die Eltern leben in panischer Angst ihm könnte noch einmal etwas Schreckliches zu stoßen.  

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Versonnen und ruhig kniet ein Bürschlein, die kleinen Hände auf den Oberschenkeln ruhend, auf dem dunklen Wollteppich mit dem Persermuster.

Der große Raum liegt im Halbdunkel, die schweren Vorhänge lassen nur wenig Licht herein. Seit einer Woche regnet es ohne Unterlass. Das Wasser schießt die Gosse neben der mit großen Kopfsteinen gepflasterten Straße hinunter. Dieser Oktober ist besonders nass. 

Gerade waren Meta´s Hände im Blickfeld des Kindes. Sie haben die Fransenbüschel des Teppichs gekämmt. Jetzt liegt wieder eine neben der anderen, ganz ordentlich. Kaspar liebt Ordnung.  Immer und immer wieder zählt er die Fransenbüschel.  Immer wieder sind es sechsundvierzig.  Sein Blick wandert über die Teppichkette, hin zum eingeknüpften Blütenmuster. Er folgt mit seinen Augen den Ranken die sich am Rand entlang winden und in jeder Ecke eine neue Begegnung mit einer neu ankommenden Ranke finden. Keine sieht aus wie die andere. Sie ähneln sich, mehr auch nicht.

Es beunruhigt ihn, schnell richtet er den Blick auf die Teppichmitte. Hier scheinen die Blüten zu tanzen. Auch sie sind unterschiedlichen Formates, aber sie bilden einen Kreis und der wirkt beruhigend auf ihn. Der kleine Mund lächelt und die traurigen Kinderaugen strahlen.

Kaspar liebt diesen Teppich. Er kennt ihn in- und auswendig. Täglich sitzt er oft und lange unbeweglich und schaut auf die Vielzahl der Muster. Diese Muster gewinnen an manchen Tagen, zunehmend an Bedeutung. Sie üben einen magischen Sog auf ihn aus.

„Na Junge, träumst du wieder vor dich hin?“ Eine Hand streichelt über seinen Kopf und verwischt den Scheitel. Mit großen Augen schaut er auf.  Seine Hände beginnen ungeduldig die Fallrichtung seiner Haare zu korrigieren. „Nein, ich träume doch nicht“, sagt er leise, „ich schaue nur“.

„Was es da zu schauen gibt, möchte ich wissen“. Meta schüttelt ungläubig den Kopf. Sie ist die Hausangestellte der Diplomatenfamilie und eigentlich auch Kaspars Kindermädchen.

Kaspar ist das einzige Kind des Diplomaten, Herrn Andreas Ganghofer und seiner Gattin Konstanze. Ihre stattliche Villa steht in  der Regierungsstadt Berlin, nahe dem Wannsee. Wie zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts üblich, beschäftigen die Ganghofers Hauspersonal. 

Beide haben nur wenig Zeit für ihren nun, zehn jährigen, Sohn Kaspar. Er erhält Privatunterricht im Haus und ist seinem Alter um einiges voraus.

Kaspar ist geprägt durch die Welt der Erwachsenen. Seine Eltern wünschen den Kontakt zu den Kindern von der Straße nicht, da sie fürchten er könne Schaden nehmen an Leib und Seele. Er wird streng erzogen und beherrscht die Regeln der Etikette schon beinahe perfekt. Diese Attribute machen ihn zu einem leicht zu führenden Kind.

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„Kaspar, aufstehen, ein neuer Tag beginnt“! Aus der Ferne vernimmt Kaspar die Stimme seiner Mutter. Zögerlich öffnet er die Augen und schaut in das lächelnde Gesicht. Müde reibt er sich mit dem Handrücken den Schlaf aus seinen Augen. Nur am Morgen und am Abend wenn er im Bett liegt, sieht er die Mutter milde lächeln. Des Tags scheint ihr Gesicht hochmütig und unnahbar.

„Guten Morgen Mutter“, sagt er mit leiser Stimme und setzt sich auch schon auf. „Geschwind, kleide Dich an mein Sohn, Meta hat  das Frühstück schon gerichtet und in einer Stunde kommt der Herr Gabler“!

Kaspar klettert aus seinem viel zu großen Bett, verschlafen tapst er auf das hohe Fenster zu, das  heute kein Licht ins Zimmer zu lassen scheint. Es ist ein grauer Herbstmorgen. Zähe Nebel hängen über dem ruhenden See und scheinen dort zu verharren. Über die Fensterscheiben rinnen feine Wasserstreifen, die der Nebel hinterlässt. Kaspar fröstelt. Schnell wendet er sich, um der Zugluft des  Fensters zu entkommen.  

Er wäscht sein Gesicht mit dem Wasser, aus der bereit gestellten Waschschüssel und greift nach den Kleidungsstücken, die über dem Stuhl liegen. Er fühlt sich heute nicht  gut. Er spürt sie wieder, diese Unruhe in seiner Seele, die ihm Angst macht. Alles ist wie immer, alles hat seine Ordnung an diesem Morgen. Ein jeder in der Familie weiß, dass Kaspar diese Ordnung braucht, damit seine kleine Seele gesund bleibt.  Wie geschädigt sie aber wirklich schon ist, wird niemandem bewusst. Das Kind scheint unauffällig,  nur ein wenig zu ruhig und in sich gekehrt.

Herr Gabler ist der Lehrer der jeden Tag zur Familie Ganghofer in die Villa kommt, um den Jungen zu unterrichten. Kaspar hat ein gutes Verhältnis zu seinem Lehrer und er lernt gerne. Seine Begierde nach Wissen scheint manchmal unstillbar, so dass sie dem Herrn Gabler unheimlich ist. Überhaupt scheint  Herrn Gabler das Ein oder Andere an dem Buben unheimlich. Er steht, durch die intensive Zusammenarbeit, dem Kind näher als jeder andere in dieser Familie und ihm fallen daher die Stimmungsschwankungen des Jungen schneller auf. Es gibt Tage, da kann er Kaspar nicht erreichen. Das Kind scheint in einer anderen Welt zu sein. All seine Wissbegierde ist dann wie weggewischt. Oft hat ihm das schon Sorgen bereitet. Wenn dann Tags darauf alles wieder wie gewohnt verläuft, tut er seine Sorge schnell ab.

 

Heute Morgen sitzt Kaspar reglos auf seinem Stuhl am Frühstückstisch. Den Blick nach unten gesenkt, seine Hände ordentlich neben seinen Teller gelegt, mag er sein vorbereitetes Frühstück nicht zu sich nehmen. Ermahnungen der Mutter, die sie mit ernster Miene spricht, nimmt er zur Kenntnis und nimmt artig ein paar Happen. Lediglich seine Tasse Tee leert er. Sein Vater schaut indes mit erhobenen Augenbrauen über den Rand seiner Zeitung zu ihm herüber. Kaspar fühlt sich unwohl. Gerne würde er den Blicken der Eltern entgehen.

Als er Pferdegetrappel und das Poltern der Holzräder auf dem Pflaster hört, ist er erleichtert und  fragt höflich: „Mutter, darf ich mich erheben, der Herr Gabler ist soeben angekommen“?

Die Kutsche, die seinen Lehrer bringt, fährt vor. Er ist froh darüber, endlich darf er den Kreis der Familie verlassen, in dem die Augen der Eltern streng  auf ihn gerichtet waren. Er verlässt das Esszimmer und begibt sich in die angrenzende Bibliothek, in der er seinen Unterricht erhalten wird. Still setzt er sich an den großen Schreibtisch und bereitet seine Hefte und Bücher vor. Sorgfältig legt er seinen Bleistift neben das Schreibheft. Sein Blick fällt auf den großen dunklen Teppich. Sofort hängen seine Augen wieder fest an den Mustern, die so regelmäßig unregelmäßig verlaufen.

Heute aber scheint alles anders. Die schönen Blumenmuster nehmen Tiergestalt an. Sie stellen ängstliche Tiere dar, die auf der Flucht sind. Die Fransen beginnen zu einer Art Einzäunung, die die Tiere an der Flucht hindert, zu verschwimmen. Kaspar beginnt zu zählen: Eins, zwei, drei,…..fünfundvierzig, sechsundvierzig! Es sind sechsundvierzig Pfähle, die den Zaun stützen.   

Magisch wird sein Blick immer wieder auf den Teppich gezogen. Die Flucht der Tiere scheint immer panischer zu werden, aber der Zaun hält sie gefangen. Sie laufen im Kreis. Kaspar möchte hinterher laufen, aber er kann sie nicht erreichen. Er findet keinen Zugang durch die Umzäunung. Das Tor fehlt. Als er sich zu einem Sprung entschließt, wird die schwere Eichentür der Bibliothek geöffnet und er fährt erschrocken zusammen.

Bevor Herr Gabler zu Kaspar kommt, begrüßt er stets die Eltern des Kindes und wechselt ein paar Worte der Höflichkeit mit ihnen. Jetzt steht er vor Kaspar. Als er ihm einen guten Morgen wünscht, fallen ihm die Blässe des Jungen und Teilnahmslosigkeit auf. Freudig erregt strahlt Kaspar ihn sonst an, wenn er den Raum betritt. Heute scheint er nicht anwesend zu sein.

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„Kaspar, Kaspar“? Der Lehrer drückt mit dem, unter das Kinn des Kindes gelegten Zeigefinger, behutsam den gesenkten Kopf hoch, so dass der Junge ihn anschauen muss.

„Was fehlt Dir Kind“? Entsetzt sieht er in die veränderten Augen des Buben. Die sonst so melancholisch wirkenden, großen braunen Augen sehen merkwürdig verwässert aus. „Bist Du krank“? Etwas irritiert wendet er sich ab. „Wir sollten heute auf den Unterricht verzichten“, meint er und geht zwei, drei Schritte durch das Zimmer während er seinen Kinnbart durch die rechte Hand gleiten lässt. „Ich werde Deinen Eltern berichten, damit sie Dich dem Arzt vorstellen können“!

Mit festen, kurzen Schritten durchschreitet er den großen Raum, um ins Esszimmer zu gelangen, öffnet die Tür und verbeugt sich.“Gnädige Frau, gnädiger Herr – ich glaube dem Kaspar ist nicht wohl, ich denke er sollte dem Arzt vorgestellt werden“!

Aufgeschreckt durch die Benachrichtigung des Lehrers, stürzen die Eltern in die Bibliothek der Villa, um nach ihrem Sohn zu sehen. Ihnen ist weder die Blässe noch die geistige Abwesenheit des Kindes aufgefallen.

Kaspars Kopf liegt nun, auf seinen Unterarmen, auf der Schreibtischplatte. Ein fast lebloses Kind. Apathisch und nicht ansprechbar. Herr Ganghofer ergreift den kleinen Körper und trägt ihn die breite Treppe hinauf in das Kinderzimmer. Während er ihn in das Bett legt, weist Frau Ganghofer das Mädchen an, nach dem Hausarzt zu rufen.

Schnell öffnen sie dem Kind den steifen Kragen und sprechen ihn immer wieder an. Von Kaspar kommt jedoch keinerlei Reaktion. Der Puls scheint erhöht, jedoch kräftig. Fieber können sie nicht feststellen. Die Eltern gehen davon aus, ihr Kind würde, durch einen Infekt geschwächt, schlafen und verlassen den Raum leise damit er sich ausruhen kann.

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Kaspar liegt reglos in seinem Bett. Aber er schläft nicht. Das morgendliche Unwohlsein ist gewichen, er fühlt eine übermächtige Kraft in sich. Dieses Gefühl ist eine neue Erfahrung für ihn. Eine Sehnsucht erweckt es in ihm. Einen Sog, der ihn wachsen lässt. Obwohl er sich so kräftig fühlt, ist er unfähig sich zu bewegen und die Augen zu öffnen. Er spürt, dass eine Veränderung mit ihm vorgeht, der er sich nicht entziehen kann. Seine sonst so zarten Gedanken und der Wunsch nach Liebe, wandeln sich in Rachegelüste, Jagdfieber und Zorn. In seine Gedanken kommen immer wieder die flüchtenden Tiere in der Einzäunung.

Als die Tür geöffnet wird, der Arzt und das verstörte Diplomatenehepaar das Krankenzimmer betreten, registriert Kaspar wohl die Geräusche und die  Schritte, die sich seinem Lager nähern, aber er bleibt bewegungsunfähig.

Auf Anweisung des Doktors entkleiden die Eltern ihren reglos liegenden Sohn, so dass der Arzt ihn untersuchen kann. Erschrocken weichen sie zurück und halten inne. Die Mutter stößt einen gellenden Schrei aus, als die partielle, dichte Körperbehaarung des Kindes sichtbar wird. Unter ihren Augen kommt immer wieder ein neuer Flaum dazu. Schwarze, weiche, Härchen befinden sich auf Brust und Oberarmen, sie scheinen zu wachsen und fester zu werden.  An Unterschenkeln und Unterarmen ist die Behaarung bereits dicht und borstig. Ein beinahe animalischer Anblick, bietet sich den Betrachtern.

Als der erste Schreck gewichen ist, schauen sich die Erwachsenen ratlos an. „Bitte Herr Doktor, untersuchen sie ihn, machen sie doch etwas“! Konstanze Ganghofer ist fassungslos und verzweifelt.

Der Arzt geht seiner Pflicht nach und untersucht den reglosen Körper. Besorgt hört und tastet er ihn immer wieder ab. Dann wendet er sich den Eltern zu: „Kaspar scheint organisch gesund, auch sein Puls ist kräftig. Die Behaarung kann ich mir derzeitig noch nicht erklären, ich müsste erst Einblick in meine Bücher nehmen“.

Die Eltern schauen sich, nun etwas beruhigter, an und geben sich mit der Diagnose zufrieden. „Vielen Dank, Doktor, wir werden warten, bis sie uns mehr sagen können“. Herr Ganghofer reicht dem Arzt die Hand zum Abschied.

Seine Gattin Konstanze sitzt derweil weinend an Kaspars Bett und streichelt ihr Kind. 

„Lassen sie ihn jetzt in Ruhe schlafen, wir werden sehen, was zu tun ist. Für den Augenblick kann niemand etwas tun.“ Mit einem Kopfnicken verlässt der Arzt die Familie. Behutsam zieht der Botschafter seine Frau vom Bett des Kindes mit sich und wirkt beruhigend auf sie ein. Sie gehen leise aus dem Zimmer.

Kaspar ist erleichtert, als alle gegangen sind. Niemanden will er um sich haben. Seine Sinne und sein Gehirn scheinen zu schwinden. Die Veränderung schreitet voran.

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Zwischenzeitlich ist es später Nachmittag geworden, ohne dass sich an Kaspars Zustand etwas verändert hätte. Außer der Körperbehaarung natürlich. Die ist jetzt so dicht geworden, dass sie einem festen Fell gleicht.

Nichts Kindliches scheint mehr an ihm zu sein. Erschreckend wie ein böses Tier sieht er beinahe aus.

Als sich der Abend zeigt, die Dämmerung der Dunkelheit weicht und ein blasser Mond am Himmel steht, vollzieht sich im Kinderzimmer in Minutenschnelle die gespenstische Wende. Durch das geöffnete Fenster bläht ein kalter Wind die langen Fenstervorhänge in den Raum. 

Kaspar reißt die Augenlider auf – sein Blick ist starr, schaurig böse, seine Augenfarbe hat sich in ein grelles Grün mit stechend gelber Pupille verändert. Das zwischenzeitlich völlig behaarte Gesicht verzerrt sich hässlich und bildet sich zu einer Wolfsmaske aus. Gefährliche Reißzähne werden sichtbar, als er die Lefzen zieht. Seine Hände und Füße entwickeln sich zu riesigen Pfoten mit scharfen, langen und schwarzen Krallen. Der vormals zarte Kinderkörper nimmt Gestalt eines mächtigen  Wolfes an! Eine Bestie, wie sie Kaspar einst in frühen Kinderjahren angefallen hat.

Kraftvoll und pfeilschnell springt sie aus dem Bett. Mit einem Satz ist sie aus dem Fenster verschwunden, hinaus in  die vom Mondlicht schwach durchbrochene Dunkelheit! Eine schwarze Silhouette, die am Ufer des Sees,  hinter dem Buschwerk verschwindet. Ihr Heulen lässt vermuten wo sie sich befindet. 

Als die Eltern das Kinderzimmer betreten, um nach dem kranken Sohn zu sehen, ist das Bett leer. Besorgt wird eine große nächtliche Suche eingeleitet, die jedoch ohne Erfolg bleiben soll. Die Nacht verstreicht und die Beteiligten sitzen, nach neuen Möglichkeiten suchend, im halbdunklen Wohnraum zusammen. An Schlaf kann niemand denken.

Während dessen die Nacht sich dem Ende neigt, springt auf der gegenüberliegenden Hausseite, ein völlig erschöpfter Wolf durch das Fenster ins Kinderzimmer. Er ist zurück. Zurück von einer rastlosen Jagd. Seinen Blutdurst gestillt, steht er nun hechelnd in der Mitte des Raumes.

Die Rückbildung setzt augenblicklich ein.

Der Verlauf ist erheblich kürzer als die Ausbildung und Kaspar fühlt sich nicht krank und elend dabei. Langsam kehrt sein Bewusstsein zurück. Er schaut sich um und ist verwundert, weshalb er des Nachts in der Mitte des Zimmers steht und glaubt geträumt zu haben. Entschlossen dreht er sich um und kehrt in sein Bett zurück.

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Als Meta am Morgen das Zimmer betritt, um Ordnung her zu stellen fällt ihr Blick auf das Bett in dem der friedlich schlafende Kaspar liegt. Ihr stockt der Atem. Laut nach Ihrer Herrschaft rufend läuft sie aus dem Raum, stolpernd, beinahe die Treppe herabstürzend. Aufgeregt berichtet sie dem Stab der Suchenden von dem Wunder.

In Sekundenschnelle stehen die Eltern und Helfer vor dem Bett des Kindes. Frau Konstanze wirft sich vor Erleichterung über das Kind und hält es fest in ihren Armen. Immer wieder nennt sie seinen Namen. Kaspar öffnet die Augen, schaut seine Mutter verwundert an und fragt: „Mutter, warum weint Ihr“? Die Geschehnisse des vergangenen Tages sind ihm nicht bewusst. Mit seinen wunderschönen, melancholischen Augen schaut er in die Runde und begreift nicht, weshalb so viele Menschen um ihn herum stehen.

Niemand  versteht und erfährt, was geschehen ist. Ein Tag und eine Nacht, die ein Rätsel für alle Betroffenen sind. Der Alltag eines neuen Herbsttages zieht wieder bei der Familie ein und Kaspar äußert den Wunsch nach Unterricht durch Herrn Gabler. Nein, heute solle er keinen Unterricht erhalten, beschließen seine Eltern. Zunächst solle er gesunden und zu Kräften kommen.

 Der Arzt konnte über die merkwürdige Veränderung an Kaspars Körper nichts in seinen Büchern finden. Kinder des Mondes sind nicht erwähnt in medizinischen Büchern. Doch jeden Monat wieder wird es eine Vollmondnacht geben. Vor Antritt dieser Nacht werden ängstliche Tiere, von sechsundvierzig Pfählen die eine Umzäunung stützen,  an der Flucht gehindert!   

 Am Morgen nach dem rätselhaften Ereignis bittet der Herr Boschafter seine Gattin um Gehör und  liest eine Zeitungsnotiz laut vor,  voller Unverständnis schüttelt er sein Haupt und äußert: „Konstanze höre Dir das an, es gibt einen Wolf in Berlin“!                  

EIN WOLF HAT IIN DER GESTRIGEN NACHT EIN FURCHTBARES GEMETZEL VERURSACHT:

 MEHRERE TIERE AUF EINGEZÄUNTER WEIDE WURDEN VON IHM GERISSEN. EINEM BEZEUGENDEN JAGDMEISTER GELANG ES NICHT DIE BESTIE ZU TÖTEN!  

(Anmerkung der Autorin: Der Überlieferung nach, entwickelt sich ein Mensch zu einem Werwolf, wenn er von einem Solchen gebissen wurde. Werwölfe sind nur durch ein silbernes Schwert zu töten, Gewehrkugeln o.ä., können ihnen nichts anhaben. Findet die Verwandlung in einer Nacht der Mondfinsternis statt, überlebt er die Verwandlung nicht und muss sterben.)

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 30.09.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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