Gaby Schumacher

Erziehung mit Gespür fürs Kind

Andere lasen Erziehungsbücher, taten sich in Gruppen zusammen, bezogen sich diskutierend dabei auf die erlesenen Weisheiten und machten sich nach Kräften etwas vor, wie Kindererziehung zu laufen hätte.

Ich besuchte mitnichten solche Kurse, erstand keinesfalls jene klugen Bücher, trat auch keiner Gruppe bei, um mich dort Erziehungsberechtigten gerecht seelisch umstylen zu lassen, sondern bestand auf meine innere Freiheit.

„Ist der Nachwuchs erst einmal da, ergibt sich alles von alleine!“

 

Gelassen sah ich der postnatalen Phase entgegen, trotz der Erkenntnis, dass diese keine Angelegenheit von nur wenigen Wochen, sondern eine jahrelang andauernde werden würde. Psychisch stabil genug, hatte mich ja nicht von den besagten Wälzern verrückt machen lassen und erst recht nicht von den tiefschürfenden Gedanken meiner näheren und weiteren Umgebung:

„Solch ein Zirkus - Kindererziehung ist das Einfachste der Welt!“

Deren mitleidige und noch mehr äußerst besorgten Blicke werde ich niemals vergessen.

 

Ein paar Monate später war es soweit. In Nullkommanix zur reifen Mama mutiert, konnte mir wohl so leicht kaum mehr etwas anhaben. So glaubte ich, aber mein Nachwuchs dachte vom ersten Tage an genau das Gegenteil. Noch in der ersten Euphorie begriffen, stellte ich zunächst höchst erstaunt, dann verunsichert und letztendlich (dann ohne jegliche Euphorie) total ernüchtert fest, dass Baby einen extrem festen Willen geerbt hatte.

 

Überlegte ich oder sagte ich gar ´Hüh`, erntete ich prompt ein empörtes, in seiner Intensität ständig kräftigeres Hott-Geschrei nicht etwa nur für eine Sekunde, sondern eines für die Dauer bis zu einer halben Stunde. Gelassenheit und Selbstzufriedenheit ade, das Scheiden tat weh, war aber unumgänglich und unbedingt nervenüberlebensnotwendig. Bis zum Ende des Babyalters durchlief ich die erste Klasse einer recht strengen Mama-Umerziehungsschule und kann nun in Eigenlob schwelgen., weil ich mich zu Babys ausgesprochener Zufriedenheit als eine regelrechte Musterschülerin erwies. Dementsprechend positiv fiel das Versetzungszeugnis aus:

1. Ich hatte erfolgreich gelernt, beim ersten Piep meine Beine unter den Arm zu klemmen und zum Babybett zu flitzen.

2. Selbstverständlich bestand ich nicht auf meinen Mittagsschlaf, sondern wiegte stattdessen seligen Gesichtes Baby stundenlang in den Schlaf, weil dieses es nämlich nicht einsah, dass ein jener eine absolute Pflichtübung für einen extrem jungen Erdenbürger war. Dass mir dabei die Arme lahm wurden, war ja egal.

3. Baby durfte so lange baden wie es wollte und ich wischte hinterher bei fröhlichem Gequieke meines Kindes auf Knien rutschend das Badezimmer trocken.

4. Das Hauptfach ´Mahlzeit` bereitete mir zwar zum Ende des Schuljahres immer noch etwas Kopfzerbrechen, aber eher aus überschäumenden Mitleid mit dem Mini, das diesem geschmacklosen Babybreipampe-Futtern ausgesetzt war. Heimlich mischte ich geriebenen Apfel darunter, ab und zu auch ein mildes Gewürz und hinterging damit sämtliche bestehenden Auffassungen bezüglich der für solch Winzlinge passenden Ernährung.

Den so gesunden Spinat hatte mir Baby beim ersten Male überall hin in die Gegend gespuckt, womit es mir eindeutig verdeutlichte, was es von dem grünen Zeug hielt. Eiligst strich ich ihn vom Speiseplan, was mir ein lobendes Strahlen meines Nachwuchses einbrachte. 

Als es mir dann das zerknitterte, mit ein paar hübschen Möhrenflecken und Apfelmusklecksen verzierte Dokument in die Hand drückte, urteilte es abschließend:

„Da, Mama ei!“

In die blöde, umständliche Erwachsensprache übersetzt hieß es:

„Gehorcht hervorragend. Zur Mama gut geeignet!“

Dieses Lob begleitete mich dann weitere siebzehn Jahre lang.

 

 

 

 

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.10.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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