Muttis zweite Augen Op steht an.
Diesmal ambulant.
Das bedeutet für uns zeitig aufstehen, da der Anfahrtsweg fast eine Stunde dauert.
Um fünf macht Mutti schon Spektakel, dabei ist noch eine dreiviertel Stunde Zeit.
Aufregung herscht.Schon eine viertel Stunde vor Eintreffen des Taxis
sitzt Mutti geschniegelt und gestriegelt in voller "Montur" in der mehr
als warmen Küche in ihrem Rollstuhl.
Abwechselnd gehen Papa und ich nach dem Taxi schauen.
Als käme es dann schneller.
Mutti bricht schon ins schwitzen aus. Ist es die Aufregung oder doch die Hitze in der Küche?!
Taxi ist da.
Auf gehts. Die Fahrerin läßt die Rampe runter und steht am Auto direkt vor der Zufahrt zum Hof meiner Eltern.
Eine kleine Völkerwanderung bricht aus. Mutti vorran mit dem Rollstuhl, gefolgt von mir und Papa.
Den Weg bis zur Straße meistert Mutti immer selbst. Zur Straße hin wird
der Weg eiin wenig abschüssig so das sie pltözlich "In Fahrt" kommt.
Mutti verliert die Kontrolle und keift mich an wieso ich sie so
schubsen würde.
Nach langem Training hab ich inzwischen gelernt ihre herrische Art zu
akzeptieren und meister diese nun auf meine Art,früher ging mir sowas
an die Substanz.
Aus reinem "Selbstschutz" hab ich vieles dazugelernt. Also bekam sie
von mir die Antwort;" Ick hab dich nich jeschubst, wenn denn mach ick
sowat ohne Zeugen!"
Die Taxifahrerin meinte dann gleich: "Genau, und damit es sich dann auch wirklich lohnt nimmt sie einen größeren Abhang."
Somit waren die Lacher auf unsere Seite und ich hab den Unterton meiner Mutter mit diesem Spruch gut weggepackt.
Heute machen wir eine Sammelfahrt, die Taxifahrerin klärt uns auf das
der Herr auf Grund eines Keimes Kittel und Mundschutz tragen muss. Er
wird dreimal die Woche zur Dialyse nach Potsdam gefahren.
Ich zuck mit den Schultern, diesen Keim kennen wir seit zehn Jahren. Er
gehört schon zur Familie. Was uns nicht umbringt macht uns härter.
Mutti hat diesem Keim auch schon ganz oft "ein Zuhause" geboten. Ich frag mich langsam: "Zahlt der überhaupt Miete?"
Es wird über Schweinegrippe, Impfungen und den Tod geredet. Nunja tolles Thema morgens um sechs.
Wir sind nun zu viert, die Dunkelheit hüllt uns alle ein. Mir fallen
hin und wieder die Augen zu, ich geniesse es nicht fahren zu müssen.
Halbe Strecke, ein Reh vor uns auf der Strasse. Ein leichtes Ausweichen muss sein. Verschlafenes Murren aus den hinteren Reihen.
Kurz vor Potsdam erklärt uns unsere Fahrerin dann . "Wir fahren jetzt
erst Herrn X bei der Dialyse abliefern und dann bring ich sie beide um
die Ecke:" Ich fange an zu lachen, sie schaut konsterniert rüber,
krause Stirn. Plötzlich geht ihr ein Licht auf. Ein "Entschuldigung"
und dann bricht auch sie in Lachen aus.
Am Bergmann Klinikum will unser Mitfahrer mit Gewalt alleine
aussteigen. "Geduld, denn ich mag es nicht wenn die Patienten in meinem
Taxi sterben." Meine Gedanker erfrieren fast. Ist denn heute nur vom
Tod die Rede?
Sie bringt ihn hoch und erklärt uns dann das er schon oft hingefallen sei. Okay, erklärt sich ihre Angst.
Sie bringt uns um die Ecke.
Wieder einmal mehr muss ich feststellen wie wenig auf Rollstuhlfahrer
geachtet wird. Keine abgesenkten Bordsteine. Egal. wir bekommen das
schon hin. Übung macht ja bekanntlich Meister.
Aber auch die Augenartzpraxis ist verwinkelt und voller Hindernisse.
Die Wege sind für einen Rollstuhlfahrer der reinste Parkour. Und erst
noch für den Schiebenden, denn Mutti hat die Angewohnheit statt mit dem
Rücken an der Lehne zu bleiben immer nach vorn zu kippen wenn man sie
über Hindernisse wie Türschwellen fahren muss.
irgendwann fällt sie mal raus, oder wir kaufen Zugband und zurren sie
damit fest. Im Flur der Parxis stehen zwei junge Leute mit
Riesenkartons, sie machen uns Platz. Irgendwie sehen sie sehr
deplaziert aus mit diesen riesigen Kartons in dem schmalen Flur.
Schwester Jennifer, die Dame vom Empfangstresen ist ein Sonnenschein.
Ihr strahlen und ihre nette Art nehmen ein wenig die Spannung, aber ich
muss ja auch nicht in den Op.
Mutti bricht in leichte Panik aus, sie muss auf die Toilette. Wieder
enge Flure, schmale Türen und die beiden Jungen Leute mit ihren
Kartons. Inzwischen komme ich mir vor wie Drängler, die beiden nehmens
noch mit Humor und ich bin froh das niemand weiter in der Praxis ist.
Die Toilette nicht behindertengerecht. Sie will schon aufgeben, aber
ich mache ihr Mut und irgendwie bleibt ihr ja auch nichts anderes
übrig. Wiedereinmal wie so oft, hatte sie ihre Prothese nicht
angelegt. "Einbeinig" gestaltet sich manches schwierig. Aber soweit
denkt Mutti nicht . Für SIE ist es bequemer ohne ihre Prothese. Nun,
das wäre geschafft. Frühsport mal anders.
Wieder müssen die beiden mit ihren Kartons rücken.
An der Anmeldung beschwert sich Mutti wegen der fehlenden Griffe und
dem niedrigen Toilettenbecken, Ich milder das ganze und werfe ein das
sie ja nach der Op nicht mehr her kommt da dann beide Augen operiert
sind und ich nicht wüsste das sie ein drittes hat. Von Schwester
Jennifer kam wie aus der Pistole geschossen; "Na und die Hühneraugen
bekommen bei uns keine Behandlung!" Wieder erzeugt sie bei mir ein
Lächeln, und nun scheint sogar Mutti lockerer zu werden und die
Aufregung wird durch Schwester Jennifers Art gemildert. Mutti wird auch
schon bald in die Op vorbereitungsräume gebracht. Noch darf ich ihr
schnell beim ausziehen helfen , dann ist sie allein und auf die Hilfe
der Schwestern angewiesen.
Ich sitze nun im Wartezimmer und bekomme nur mit wie Mutti hin und
hergeschoben wird. Einige kleine Untersuchungen sind eben doch noch
nötig. Mein Hoffen; wird sie endlich merken das sie ihren Mitmenschen
gutes tut wenn sie endlich ihre Prothese benutzt?
Nun heisst es warten, etwa drei Stunden. Ich bedauere schon ein wenig
das wir auf der Rücktour nicht wieder "Unsere" Fahrerin haben werden.
Später darf ich zu Mutti in den Erholungsraum. Auch hier komme ich mir
irgendwie störend vor, der Rollstuhl steht in den engen Räumen wirklich
immer irgendwie im Weg, aber die Schestern nehmens nicht so ernst wenn
sie "um uns rum laufen" müssen. Mutti hat schon Ihren Kaffee, lobt die
Schwester. Ich meine zu ihr. "Musst Dich aber nicht dran gewöhnen , zum
Kaffee trinken kommen wir nicht jeden Tag extra her." Mutti gehts gut
nach der Op, Vorangehende Bedenken schiebe ich nun ganz bei Seite...
schieben hab ich ja gut drauf heute,nachdem ich die Patientin sehe
die nach Mutti die Op hatte. Sie sieht mitgenommener aus. Vor uns
liegen noch anderthalb Stunden Wartezeit aber die vergehen wirklich
schnell da viel Trubel in der Praxiss herscht und alles in Bewegung
ist. Ich komme in den Genuss eines Ausruhsessels da ja Mutti ihren
Rollstuhl hat,
Letzte kleine Untersuchungen stehen an. Blutduckmessen und
Blutzuckerspiegel. Muttis Blutdruck ist bestens. Nun wird die Kanüle
entfernt und das Blut schiesst wie eine Fontäne. Die Schwester will
messen, aber das Gerät will nicht ganz, Ihre Bemerkung " Mein Gerät
ertrinkt förmlich in ihrem Blut. " Ich muss schmunzeln, hört denn das
gar nicht mehr auf?
So ganz wohl nicht, denn am Empfang erfahren wir das wir morgen
entgegen aller anderen Vorraussagen doch wieder nach Potsdam müssen.
Mein Gedanke;
Na dann bis morgen "Auf ein Neues"
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 14.10.2009.
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